Über glühende Öfen

Das Klassenzimmer unserer Grundschule wurde durch einen primitiven gußeisernen Ofen beheizt. Um den Zug zu regeln, gab es am Ofenrohr eine Klappe; man konnte auch den Aschebehälter vor und zurückschieben. Meistens heizten wir mit altem Eichenholz. Sobald das Holz gut brannte, fing der Ofen schnell zu „bullern“ an und wurde rot. Dann klagten alle über Kopfschmerzen. Deshalb wurde immer jemand zum Ofendienst eingeteilt, der die Klappe schließen oder den Aschkasten hineinschieben mußte, wenn am Ofen gerade die Rotglut anfing.

 

Die Kopfschmerzen, so sagte uns der Lehrer, kamen von dem Kohlenmonoxid, das der Ofen bei Rotglut freisetzte. In der Schule glaubte man jedoch, Kohlenmonoxid (CO) entstehe bei langsamer Verbrennung, während schnelle Verbrennung Kohlendioxid entstehen ließ (CO2), das weniger gefährlich war. Daher ermahnte man uns, nicht in einem Zimmer mit einem schlecht ziehenden Ofen zu schlafen.

 

Darauf konnte ich mir keinen Reim machen. Wenn der Ofen zu glühen anfängt, dann doch eben weil er so gut zieht, und entsprechend sollte sich erst gar kein Kohlenmonoxid bilden. Alle Erklärungen späterer Lehrer auf meine Fragen waren so wenig überzeugend, daß auch dieses Geheimnis in meinem Unbewußten haften blieb.

 

Die Antwort der Wissenschaft auf dieses Problem lautet folgendermaßen: Rotglühendes Gußeisen wird porös und durchlässig für Kohlenmonoxid aus dem Ofeninnern, das sonst über das Ofenrohr abziehen würde. Wandte ich ein, daß es bei der zügigen, vollständigen Verbrennung gar kein Kohlenmonoxid geben könne, hieß es, das CO2 gehe durch das glühende Gußeisen hindurch, reichere sich dabei mit Kohlenstoff an und werde dabei zu Kohlenmonoxid.

 

Das hieße aber, daß das Gußeisen schließlich frei von Kohlenstoff werden müßte! Mir ist noch nie ein gußeiserner Ofen begegnet, aus dem mehrere Hundert Gramm Kohlenstoff (ungefähr 40 Gramm pro Kilogramm Gußeisen) entweichen und der sich so zu Stahl umwandelt! Diese Hunderte von Gramm Kohlenstoff wären im Nu verbrannt! Selbst wenn Gußeisen bei Rotglut porös ist, glaube ich nicht, daß sich beim Kontakt von CO2 mit Gußeisen Kohlenmonoxid (CO) bildet. Sollte es sich dennoch bilden, so würde es sofort zu CO2 weiterverbrennen. Um das Maß gänzlich voll zu machen: Man geht von unzutreffenden Voraussetzungen aus, denn wenn der Ofen gut zieht, tut er dies, weil ein Unterdruck herrscht. Das bedeutet, daß durch den gußeisernen Ofen gar kein Gas nach außen dringen kann, wenn er porös ist. Im Gegenteil: Luft wird nach innen gesaugt!

 

Was aber geschah wirklich? Es ist nicht zu bezweifeln, daß ein glühender Ofen in einem geschlossenen Raum Kohlenmonoxidvergiftungen herbeiführt, sogar tödliche. Die Erklärung für all das erhielt ich auf indirektem Wege, als ich fünfzig Jahre alt war, obwohl ich dem Problem schon als Kind mehrfach begegnet war. Ich mußte bis 1955 warten, als eine Häufung von tödlichen Unfällen mich an der Theorie von der Unveränderlichkeit der Materie zweifeln ließ.

 

Bei allem Respekt gegenüber den heute allgemein anerkannten Anschauungen, es gab doch zahlreiche Menschen, die durch eine Kohlenmonoxidvergiftung zu Tode gekommen waren, wiewohl viele Analysen bescheinigten, daß die Opfer gar kein Kohlenmonoxid eingeatmet haben konnten. Ich überschritt den Rubikon und führte gemeinsam mit einer Anzahl von Mitarbeitern (elf davon waren Ingenieure von den besten Lehranstalten Frankreichs) eine umfangreiche Versuchsreihe durch. Wir versicherten uns der Mithilfe offizieller Labors und der Mitarbeit zahlreicher Mediziner (für die Blutuntersuchungen). Ich gab mein Postulat der Unveränderlichkeit der Materie auf, um meine Hypothese über die wahre Todesursache zu bestätigen oder zu entkräften. Ich wollte mich einzig auf die Versuchsergebnisse konzentrieren, wie auch immer sie aussehen mochten.

 

Nach einiger Zeit, im Frühjahr 1959, drängten sich mir Schlüsse auf, die die Erklärung zutage förderten. Für ganze Gruppen von Arbeitern waren Stoffwechselbilanzen erstellt worden. Der Minister für die Sahara persönlich, Jacques Soustelle, ein Ethnologe, hatte mir die Gelegenheit zu einer detaillierten Studie in der Umgebung von Ölquellen eingeräumt. Trotz der vorherrschenden Lehrmeinung beschloß ich in jenem Sommer, die abweichenden Ergebnisse der Stoffwechselbilanzen zu veröffentlichen, die zwar chemische und physikalische Gesichtspunkte umfaßten, aber das Ergebnis gemeinsamer Forschung mit den hervorragendsten Spezialisten der Organischen Chemie und mit Medizinprofessoren darstellten, die der Meinung waren, daß ich mich auf sicherer Grundlage bewegte.

 

Als hoher Beamter der französischen Regierung hatte ich einzigartige Möglichkeiten zur Nutzung amtlicher Laboratorien. So erhielt ich die Unterstützung der hervorragendsten Leiter von Speziallaboratorien, Universitätsprofessoren und vielen weiteren. Diese Möglichkeit erwies sich als sehr nützlich für mich. Ohne eine solche Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen hätte ich meine Aufgabe unmöglich ausführen können. Kein Spezialist hätte für sich allein Erfolg haben können.

 

Ich danke all den hervorragenden Naturwissenschaftlern, die sich mir mit ihren hohen Qualifikationen zur Verfügung stellten und mir gestatteten, die Gültigkeit meiner Theorien zu erweisen und zu bestätigen.