IZ: 7.6 Mit einem wissenden Lächeln der Eltern: Bewußte Empfängnis und Schwangerschaft

Vielleicht kennen Sie den Ausdruck: »Zu der Zeit wußten deine Eltern noch nicht, daß es dich geben würde.« In diesem Satz klingt die Vorfreude und das Glück liebevoller Eltern nach, die sich von ganzem Herzen ihr Kind gewünscht haben. Es zeigt sich, daß dieser Satz auch zu den neuesten genetischen Erkenntnissen paßt, die nahelegen, daß El­tern ruhig erst ein paar Wochen dieses »Lächeln« einüben sollten, bevor sie ein Kind zeugen. Die wachstumsfördernde Aufmerksamkeit und der feste Wunsch erzeugt klüge­re, gesündere und glücklichere Kinder.

 

Die Forschungen bestätigen auch, daß Eltern schon in den Monaten vor der Empfängnis als »Gentechniker« ihrer Kinder am Werk sind. In den Endstadien der Eizellen- und Sa­menzellenreifung findet ein Prozeß namens Genomische Prägung statt, der bestimmt, welche Gruppen von Genen den Charakter des noch zu zeugenden Kindes bilden wer­den [Surani 2001; Reik und Walter 2001].

 

Die Untersuchungen lassen vermuten, daß die Lebensumstände der Eltern während der genomischen Prägung auf den Körper und Geist des Kindes einen großen Einfluß haben. Das ist kein schöner Gedanke, wenn man sich daran erinnert, wie viele Menschen völlig unvorbereitet Kinder bekommen. Verny schreibt in seinem Buch Preparenting: NURTURING YOUR CHILD FROM CONCEPTION: »Es ist ein Unterschied, ob wir in Liebe, Eile oder Haß empfangen werden, und ob die Mutter schwanger sein will. […] Eltern geht es besser, wenn sie in ei­nem ruhigen, stabilen Umfeld leben, ohne Süchte und mit der Unterstützung von Familie und Freunden.« [Verny 2002]

 

Bei den australischen Ureinwohnern ist der Einfluß des Umfelds auf die Empfängnis seit Jahrtausenden bekannt. Bevor sie ein Kind zeugen, reinigt das Paar rituell seinen Körper und seinen Geist.Es gibt eine Unmenge an Material darüber, wie wichtig nach der Empfängnis die Hal­tung der Eltern für die Entwicklung des Fötus ist. Ich zitiere noch einmal Verny: »Das große Gewicht der wissenschaftlichen Beweise, die in den letzten Jahr­zehnten aufgetaucht sind, erfordert ein Umdenken, was die mentalen und emotionalen Fähigkeiten der ungeborenen Kinder betrifft. Die Studien zeigen, daß die Kinder, ganz gleich, ob sie wach sind oder schlafen, ständig auf jede Handlung, jeden Gedanken und jedes Gefühl ihrer Mutter eingeschwungen sind. Vom Augenblick der Empfängnis an formt die Erfahrung im Mutterleib das Gehirn und bildet die Grundlage für die Persönlichkeit, Emotionalität und Denkfähigkeit des Kindes.«

 

Ich möchte an dieser Stelle betonen, daß es hier nicht darum geht, wie in alten Zeiten die Mütter für jedes Leiden verantwortlich zu machen, für das die Medizin keine Erklä­rung hat – von Schizophrenie bis zum Autismus. An dem Prozeß von Empfängnis und Schwangerschaft haben sowohl Mütter als auch Väter ihren Anteil. Was der Vater tut,
hat eine starke Wirkung auf die Mutter, was wiederum das sich entwickelnde Kind be­einflußt.

 

Wenn zum Beispiel der Vater die Mutter verläßt und die Mutter daraufhin dar­an zweifelt, daß sie es schafft, allein über die Runden zu kommen, dann hinterläßt das Fortgehen des Vaters in der Beziehung zwischen Mutter und Kind eine deutliche Spur. Auch soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Krankheit oder endlose Kriege, die durch den Militärdienst die Abwesenheit der Väter bedingen, wirken auf die Eltern und damit auf das Kind ein.

 

Die Essenz der bewußten Elternschaft ist, daß sowohl Mütter als auch Väter eine wichti­ge Verantwortung für die Entwicklung gesunder, intelligenter, produktiver und lebens­froher Kinder haben. Natürlich können wir weder uns selbst noch unsere Eltern für die Fehler in unserem eigenen Leben oder in dem Leben unserer Kinder anklagen.

 

Doch die Wissenschaft hat unser Augenmerk zu lange auf den genetischen Determinismus gerich­tet, ohne uns den Einfluß bewußt zu machen, den Überzeugungen auf unser Leben ha­ben, geschweige denn wie unser Verhalten und unsere innere Einstellung das Unterbe­wußtsein unserer Kinder prägen.

 

Auch die meisten Geburtshelfer haben keine Ahnung von der Bedeutung der inneren Einstellung der Eltern für die Entwicklung des Kindes. Als Medizinstudenten haben sie gelernt, daß die fötale Entwicklung von den Genen abhängt und die Mutter dabei nur eine geringe Rolle spielt. Daher fragen die Frauenärzte nur, ob die werdende Mutter sich richtig ernährt, ihre Vitamine und Medikamente nimmt, und sich ausreichend be­wegt.

 

Diese Fragen richten sich auf das, was man lange Zeit für die wesentliche Rolle der Mutter hielt: den Fötus mit ausreichend Nährstoffen zu versorgen, damit er sich sei­ner genetischen Programmierung entsprechend entwickeln kann.Doch das Kind empfängt weit mehr als nur Nährstoffe von der Mutter. Zusammen mit den Nährstoffen absorbiert es auch ein Übermaß an Glukose, wenn die Mutter Diabetes hat, oder ein Übermaß an Cortisol und anderen Kampf-oder-Flucht-Hormonen, falls die Mutter chronisch unter Streß steht.

 

Die Forschung fängt nun langsam an zu verstehen, wie dieses System tatsächlich funkti­oniert. Wenn eine Mutter unter Streß steht, aktiviert ihr Hormonsystem die HHN-Ach­se, die ihr in einer bedrohlichen Umgebung eine Kampf- oder Fluchtreaktion ermög­licht.

 

Streßhormone bereiten den Körper auf eine Schutzreaktion vor. Wenn diese müt­terlichen Signale in den Kreislauf des Kindes kommen, rufen sie in den gleichen Orga­nen und Geweben eine Reaktion hervor wie bei der Mutter. In einer angespannten Um­gebung fließt das Blut des Fötus eher zu den Muskeln und dem Hinterhirn, um jene Körperteile, wie Arme und Beine, zu versorgen, die für ein lebensrettendes Reflexver­halten notwendig sind.

 

Entsprechend dieser Schutzreaktion fließt weniger Blut zu den Eingeweiden, und die Streßhormone unterdrücken auch die Funktion des Vorderhirns. Die Entwicklung der Gewebe und Organe ist von der Menge an Blut abhängig, mit der sie versorgt werden.

 

Die Hormone einer Mutter, die ständig unter Streß lebt, haben also eine deutliche Wirkung auf die Blutverteilung im Kind und beeinflussen daher die Phy­siologie des zukünftigen Menschen [Lesage et al., 2004; Christensen 2000; Arnsten 2000; Leutwyler 1998; Sapolsky 1997; Sandman et al., 1994].

 

An der Universität von Melbourne hat E. Marilyn Winter Untersuchungen an schwan­geren Schafen durchgeführt, die physiologisch den Menschen recht ähnlich sind. Sie hat festgestellt, daß ein hohes Cortisol-Niveau während der Schwangerschaft später zu ho­hem Blutdruck führt [Dodic et al., 2002].

 

Das Cortisol-Niveau im Blut des Kindes spielt auch eine wichtige Rolle bei der Ent­wicklung der Filtereinheiten der Nieren, den Nephronen. Die Zellen der Nephronen hängen eng mit dem Salzhaushalt des Körpers zusammen und steuern darüber hinaus auch den Blutdruck. Ein Überschuß an Cortisol durch eine gestreßte Mutter beeinflußt die fötale Nephronen-Bildung. Außerdem bewirkt das Cortisol, daß die Systeme von Mutter und Kind von einer Wachstumshaltung in eine Schutzhaltung übergehen. Die wachstumshemmenden Auswirkungen des Cortisols im Mutterleib führen dann dazu, daß die Kinder bei der Geburt kleiner sind.

 

Suboptimale Bedingungen im Mutterleib, die zu Neugeborenen mit Untergewicht ge­führt haben, werden in Verbindung mit einer Reihe von gesundheitlichen Problemen bei Erwachsenen in Verbindung gebracht, wie Nathanielsz in seinem Buch LIFE IN THE WOMB darstellt, zum Beispiel mit Diabetes, Herzkrankheiten und Fettleibigkeit.

 

Dr. Da­vid Baker von der Universität von Southampton hat zum Beispiel herausgefunden, daß Männer, die bei der Geburt weniger als 5,5 Pfund wogen, mit um 50 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit an einer Herzkrankheit sterben als Männer mit einem höheren Ge­burtsgewicht.

 

An der Harvard University haben Forscher festgestellt, daß Frauen, die bei der Geburt weniger als 5,5 Pfund wogen, mit 23 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit an einer Herz-Kreislauferkrankung leiden als Frauen, die mit höherem Geburtsgewicht auf die Welt kamen.

 

Und David Leon von der London School of Hygiene and Tropical Medicine hat beobachtet, daß bei 60 Jahre alten Männern dreimal häufiger Diabetes auf­tritt, wenn sie bei der Geburt klein und dünn waren.

 

Die neue Aufmerksamkeit in Bezug auf die vorgeburtlichen Umstände umfaßt auch eine Untersuchung des IQ, den Anhänger des genetischen Determinismus und Rassisten einst einfach von den Genen abhängig machten. Im Jahre 1997 analysierte Bernie Dev­lin, Psychiatrie-Professor an der University of Pittsburgh School of Medicine, sorgfältig 212 frühere Studien, in denen der IQ von Zwillingen und ihren Geschwistern sowie von Eltern und ihren Kindern verglichen wurde.

 

Er konnte erkennen, daß Gene nur 48 Pro­zent der Faktoren darstellen, die den IQ bestimmen. Und wenn man die synergistischen Effekte der Vermischung der Gene der Mutter und des Vaters hinzuzählt, dann fällt der wirklich ererbte Anteil der Intelligenz noch weiter bis auf 34 Prozent [Devlin et al., 1997; McGue 1997].

 

Andererseits fand Devlin, daß die Bedingungen während der vorgeburtlichen Entwick­lung eine signifikante Rolle für den IQ spielen. Er zeigt, daß bis zu 51 Prozent der po­tenziellen Intelligenz eines Kindes von Umweltfaktoren abhängen.

 

Frühere Studien ha­ben bereits festgestellt, daß Alkohol oder Nikotingenuß während der Schwangerschaft zu einer Minderung des IQs beim Kind führen kann, ebenso wie der Kontakt mit Blei.

 

Für künftige Eltern ist es wichtig zu wissen, daß sie auf die Intelligenz ihres zukünftigen Kindes bereits in der Schwangerschaft einwirken können. Diese IQ-Veränderungen sind kein Zufall – sie stehen in direktem Zusammenhang mit der veränderten Blutversorgung im Gehirn unter Streß.

 

In meinen Vorträgen über bewußte Elternschaft zitiere ich Forschungsergebnisse, aber ich zeige auch ein Video von einer Gruppe zur bewußten Elternschaft in Italien, der As­sociazione Nazionale Educazione Prenatale. Hier wird die Beziehung zwischen den El­tern und dem ungeborenen Kind deutlich gezeigt.

 

In dem Video sieht man einen Vater und eine Mutter in einem lautstarken Streit. Gleichzeitig wird das Kind im Mutterleib durch ein Sonogramm überwacht. Man kann deutlich erkennen, wie der Fötus heftig zuckt, als der Streit beginnt. Das erschreckte Kind beugt und streckt seinen Körper, und als der Streit mit einem zerschmetterten Glas seinen Höhepunkt erreicht, springt er hoch wie auf einem Trampolin.

 

Durch die moderne Technik kann ein für alle Mal der Mythos ad acta gelegt werden, daß ein ungeborenes Kind noch nicht entwickelt genug ist, um auf irgendetwas anderes als seine Ernährung zu achten.