6. Wie das Freigeld beurteilt wird: Der Zinstheoretiker

Das Freigeld bringt mich um mein ganzes geistiges Kapital. Meine schönsten Theorien werden durch diese wahrhaft verwünschte Neuerung zum alten Eisen eworfen. Hat doch der Zins, der sich seit geschichtlichen Zeiten immer auf gleicher Höhe erhielt, ohne alle Rücksicht auf meine Theorien den Weg auf Null eingeschlagen. Und die zinsfreien Darlehen, die uns immer als unerfüllbare Träumereien erschienen, werden jetzt als durchaus möglich, ja als wahrscheinlich betrachtet. Zinsfreie Darlehen! Das Ende des Kapitals! Geld, Maschinen, Häuser, Fabriken, Waren, Rohstoffe kein Kapital mehr! Ich muß gestehen, es flimmert mir vor den Augen!


Die so einleuchtende „Nutzungstheorie“ die bestechende „Fruktifikationsheorie“ die aufwieglerische „Ausbeutungstheorie“ die etwas spießbürgerliche, aber sehr beliebte „Enthaltsamkeitstheorie“ (*), und wie ich sie alle benannt hatte, alle, alle gehen mit Freigeld in die Brüche!

 

(*) Diese Benennungen entlehne ich dem Buch von v. Boehm-Bawerk: Der Kapitalzins in geschichtlicher Darstellung.)


Es war doch so einleuchtend, so natürlich, so selbstverständlich sogar, daß der Verleiher eines Arbeitsmittels sich für diese Leistung einen Zins ausbedingen konnte. Und doch sinkt der Zinsfuß, er sinkt, sinkt bis auf Null! Und die Kapitalisten (wenn man sie überhaupt noch so nennen kann) äußern sogar Zeichen der Freude, wenn sie jemanden finden, der ihnen das Geld abnimmt unter der einzigen Bedingung einfacher Wiedererstattlung der vollen Summe. Sie sagen, der Wettbewerb habe zugenommen und es sei für sie doch vorteilhafter, ihr Geld zu verleihen, statt es zu Hause auf Vorrat für künftigen Bedarf aufzubewahren.

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Denn zu Hause ginge ja jährlich ein Teil des Geldes durch Umlaufsverlust verloren. Viel besser wäre es, das Geld zu verleihen, wenn auch ohne Zins, gegen Pfand und Wechsel, die man ja gegen Bargeld wieder verkaufen oder diskontieren kann, wenn man Bargeld gebraucht. Man hat auf diese Weise zwar keinen Zins, aber man hat auch keinen Verlust am Umlaufswert des Geldes.


Zinsfreie Darlehen wären also jezt nicht allein vorteilhaft für den Nehmer, sondern auch für den Geber. Wer hätte das jemals gedacht! Und doch ist es so. Was soll auch der Sparer machen? Man spart für künftige Zeiten, fürs Alter, für eine Reise nach Jerusalem, für Zeiten der Not, für die Hochzeit, für den Krankheitsfall, für die Kinder usw. usw. Aber was macht man mit dem Gesparten in der Zwischenzeit, bis man es braucht?


Kauft man Tuch, Lebensmittel, Holz usw. auf Vorrat, so steht man sich nicht besser, als wenn man Freigeld aufbewahrt; denn alles was fault, rostel, verdirbt. Man denkt vielleicht hier an Gold und Edelsteine, die sich unbegrenzt und unversehrt aufbewahren lassen, aber wohin wurde es führen, wenn solche Verwendung der Erspamisse allgemein geübt würde? Wie hoch würde der Preis dieser Dinge in guten Jahren steigen, wenn jedermann Erspamisse macht; wie tief würde dieser Preis sinken, wenn etwa bei Fehlernten und Krieg die Ersparnisse (also Gold und Edelsteine) in Menge zu Marke getragen würden? Die Edelsteine, sagt man, sind das, was man zuletzt kauft und zuerst verkauft. Den Versuch würde man nicht oft wiederholen; diese Ersparnisform würde kläglich veragen. (Dasselbe ist der Fall mit dem Wein, von dem gesagt wird, er werde immer wertvoller.)


Dann ist es doch wahrhaftig viel besser, man legt seine Ersparnisse in Privat- und Staatsschuldscheinen, Wechseln usw. an, die, wenn sie auch keine Zinsen abwerfen, doch alle Tage und ohne Verlust wieder in Bargeld umgesetzt werden können.


Aber, wird man fragen, warum da nicht lieber Häuser, Industriepapiere kaufen? Aber das ist ja eben das Seltsame, daß man auch Häuser kauft, obschon sie ebenfalls keinen Kapitalzins mehr abwerfen, daß man auch Häuser baut, obschon man keinen Zins erwartet. Man kauft und baut Häuser und begnügt sich mit den jährlichen Abschreibungen am Baukonto, die die Mieter im Mietzins zahlen. Oft steht man sich so noch besser, als wenn man Staatspapiere kauft, denn man hat eine regelmäßige, mit dem Verfall des Hauses (der Fabrik, Maschinenanlage, Schiffe, usw.) schritthaltende Einnahme und behält dabei noch ein Pfand des Eigentums in Händen. Darum wird, trotzdem der Mietzins nur mehr die Deckung für Instandhaltungen und Abschreibungen, Steuern und Feuerversicherung liefern, viel gebaut, und die Häuser werden als gute Sparanlage betrachtet.


Ich gestehe, der Boden wankt mir unter den Füßen; ich kann es kaum fassen, daß jemand ein Haus zum Vermieten baut, trotzdem er selbst nur Abschreibungen, aber keinen Kapitalzins als Miete erwartet. Es galt doch allgemein als wissenschaftlich erwiesen, daß das Geld nur darum Zins abwerfe, weil die Produktionsmitttel Zins abwarfen, daß die zinswerbende Kraft des Geldes im Grunde eine übertragene oder erborgte sei. Und jetzt scheint es, daß es sich umgekehrt verhielt, denn wie hätte sonst eine Reform des Geldes überhaupt den Zins beeinflussen können?

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Eigentlich war es ja mehr als leichtfertig, zu sagen: das Geld wirft Zins ab, weil man mit dem Geld Arbeitsmittel kaufen kann, die Zins abwerfen; denn hier fehlt ja die Erklärung, warum man Arbeitsmittel, die Zins abwerfen gegen Geld verkauft, das man für unfruchtbar erkärt? Gibt denn ein Ochse Milch, wenn man ihn gegen eine Kuh tauscht?


Leere Worte haben hier offenbar die Stelle der Begriffe eingenommen. Es ist barer Unsinn, von übertragenen und erborgten Eigenschaften zu sprechen; solche Übertragung von Eigenschaften und Kräften ist ebenso unmöglich in der Volkswirtschaft wie in der Chemie. Wenn das Geld an sich nicht die Kraft hatte, Zinsen zu erheben, woher kamen dann die Einnahmen aus dem Banknotenmonopol?


Wenn das Geld aus eigener Kraft keinen Zins erheben konnte, dann waren zinszeugende Arbeitsmittel und unfruchtbares Geld einfach nicht mit einander meßbare Größen, Dinge, die keinen Vergleich zuließen und also nicht tauschfähig gewesen wären. Es gibt ja manches, was mit Geld nicht zu kaufen ist.

 

Und welchen Preis zahlte man für einen Acker, der 1000 Mark Rente abwarf? Man rechnete, daß 100 Mark 5 Mark Zins einbringen, und der Preis des Ackers war dann so oft mal 100, wie es in 1000 geht. Woher kam nun der Satz von 5 vom Hundert? —Hier ist der Haken.


Von übertragener Kraft kann also keine Rede sein; die zinszeugende Kraft mußte dem Gelde als Eigenschaft anhaften. Aber wo war diese Eigenschaft des Metallgeldes verborgen? Früher wäre es schwer gewesen, diese Eigenschaft zu entdecken; jetzt mit dem Freigeld als Vergleichsgegenstand muß dies leicht sein, denn da mit dem Freigeld das Geld die zinszeugende Eigenschaft offenbar verloren hat, so brauchen wir nur einfach dort zu suchen, wo beide Geldarten voneinander abweichen, um auch die Quelle des Zinses festzustellen. Das Freigeld neicht aber vom früheren Metallgeld darin ab, daß es einem ihm anhaftenden Angebotszwang unterliegt, während das frühere Geld in dieser Beziehung völlig unabhängig war.


Hier also, in der unbeschränken Freiheit des Metallgeldbesitzers, sein Eigentum nach Belieben und Gutdunken anbieten zu können, in der Willkür der Kapitalisten und Sparer, die das Geldangebot beherrschten, hier müssen wir die Stelle finden, wohinein der Zins seine Wurzeln senkte.


Und fürwahr, — lange brauchen wir nicht zu suchen!


Ist das Geld nötig, unentbehrlich für den Austausch der Erzeugnisse der Arbeitsteilung, für den Handels Ja oder nein?

 

Wenn ja, — was machen die Verfertiger der Waren, wenn sie diese nicht gegen Geld verkaufen können? Legt sich der Zimmermann selbst in seine Särge, ißt der Bauer die Kartoffeln etwa alle selbst? Nichts davon; sie suchen durch Preisermäßigung den Verkauf möglich zu machen, das Gold durch Nachgiebigkeit in ihren Forderungen heranzulocken. Jeder Verfertiger oder Besitzer von Waren muß seine Waren verkaufen, und um den Verkauf zu ermöglichen, sind alle ohne Ausnahme bereit, etwas vom Preis abzulassen.


Ist das so? Ja oder nein!


Also ja! — gut denn; wenn nun die Kapitalisten und Sparer das Geld dem Verkehr entzogen haben und es dem Handel, dem Warenaustausch nur gegen Zinszahlung zurückgeben, so finden sie ja in der Bereitwilligheit der Warenbesitzer,

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etwas von ihrem Erzeugnis für die Benutzung des Geldes abzutreten, den Boden für die Erhebung des Zinses vorbereitet. „Ihr braucht Geld, um eure Sachen gegenseitig auszutauschen; hier in unseren eisernen Schränken ist es eingeschlossen. Wollt ihr uns etwas für seine Benutzung zahlen, wolle ihr uns Zins zahlen, so könnt ihr es bekommen, zu 4 % im Jahre, sonst schließen wir es ab, und ihr könnt sehen, wie ihr dann auskommt. Zins ist unsere Bedingung. Überlegt euch die Sache; wir können warten, wir sind nicht durch die Natur unseres Geldes gezwungen, es herzugeben.“


Die Sache ist kar. Es hängt von den Geldbesitzern ab, ob sich der Handel mit oder ohne Geld behelfen muß; gleichzeitig macht man den Gebrauch des Geldes unvermeidlich, indem der Staat die Steuern in Geld erhebt; also können die Geldbesitzer einen Zins jederzeit erpressen. Es verhält sich hier genau wie mit einer Brücke über einen Fluß, der den Markt in der Mitte durchschneidet, und die von einem Zöllner bewacht ist. Gestützt darauf, daß die Brücke für die Verbindung der beiden Markhälften unentbehrlich ist, gestützt darauf, daß der Zöllner die Brücke öffnen und schließen kann, ist er in der Lage, von jeder Ware einen Zoll zu erheben.


Der Zins war also ein Zoll, ein Brückengeld, das die Warenverfertiger für die Benutzung des Tauschmittels an die Besitzer des Geldes zu zahlen halten. Kein Zins = kein Geld, so hieß es. Kein Geld = kein Güterlausch; Kein Tausch = =Arbeitslosigkeit; Arbeitslosigkeit = Hunger. Ehe wir aber verhungern, zahlen wir lieber den Zins.


Die zinszeugende Kraft des Metallgeldes war also keine erborgte oder übertragene; sie war eine Eigenschaft des Metallgeldes und beruhte in letzter Linie darauf, daß man für Herstellung des Geldes einen Stoff ausgesucht hatte, der unter allen Stoffen der Erde eine Ausnahmestellung einnimmt, insofern als er sich unversehrt und unbegrenzt ohne Unkosten aufbewahren läßt, während alle anderen Erzeugnisse menschlichen Fleißes, alle Waren ohne Ausnahme faulen, Veralten, verrosten, zerbrechen, stinken, Raum beanspruchen usw.

 

Und so wird es auch verständlich, nun habe ich auch die Erklärung, warum man einen Acker gegen eine Summe Geldes tauschte, denn beide, Acker und Geld, werfen, jedes aus eigener Kraft, eine Rente ab; man brauchte nur an Geld so viel zu nehmen wie nötig, um die Rente des Ackers mit dem Zins des Geldes zu decken, dann war das Tauschverhältnis beider Dinge gegeben. Acker und Geld waren also völlig ebenbürtige, mit einander meßbare Größen. Wie beim Acker keine Rede von erborgter oder übertragener Zinskraft sein konnte, so auch nicht beim Gelde.


Die fadenscheinige, hohle Redensart von „übertragener Kraft“ hatte mir also einen bösen Streich gespielt; das leere Wort, das so oft an die Stelle der Begriffe tritt, hatte mich wie einen Bullen an der Nase herumgeführt.


Also das Geld, das Tauschmittel, wäre ein Kapital an sich!


Laßt uns nun einen Augenblick überlegen, wohin wir kommen müssen, wenn wir ein Kapital zum Tauschmittel aller Waren erheben.

  • 1. Kapital kann das Geld nur auf Kosten der Waren sein, denn von den Waren erhebt ja das Geld die Abgabe, die es zu einem Kapital stempelt.
  • 2. Wenn die Waren Zins zahlen müssen, so können sie selbst unmöglich Kapital sein, dann wäre die Ware Kapital, so gut wie das Geld, so könnte keines der beiden sich dem anderen gegenüber als Kapital aufspielen, und in ihrem gegenseitigen Verhälnis wenigstens würden sie aufhören, Kapital zu sein.

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  • 3. Wenn uns daher die Waren im Handel als Kapital erscheinen, weil sie im Verkaufspreis neben dem Kostenpreis und Handelsgewinn noch den Kapitalzins erheben, so muß das so erklärt werden, daß dieser Zins dem Erzeuger oder Arbeiter vom Kaufmann im Einstandspreis bereits abgezogen wurde. Die Ware spielt hier nur den Kassenboten des Geldkapitals. Ist der Verlaufspreis gleich 10 Mark, der Handelegewinn 3, der Zins l, so erhält der Arbeiter 6 Mark ausgezahlt.

Hieraus geht hervor, daß, wenn das Tauschmittel, das Geld, an sich sein Kapital wäre, dann auch der gesamte Warenaustausch ohne Zinsberrechnung vonstatten gehen würde. Somit hätte Proubhon doch recht gehabt, denn er hatte das immer behauptet.


Betrachten wir nun die Wirkung, die ein Tauschmittel auf die Herstellung von Arbeitsmitteln haben muß, wenn es selbst Kapital ist.


Wie sind die Arbeitsmittel (Maschinen, Schiffe, Rohstoffe usw.) entstanden? kommt es noch vor, daß ein Mann seine eigenen Arbeitsmittel aus eigenen, auf seinem Boden gefundenen Rohstoffen verfertigte? Ausnahmsweise vielleicht noch hier und da, sonst aber ist die Regel, daß für die Beschaffung der eigenen Arbeitsmittel eine Summe Geldes ausgelegt werden muß das Gründungskapital aller größeren Unternehmungen besteht in einer Summe Geldes, die vorn im Hauptbuch auf dem ersten Blatte eingetragen wird. Wenn nun das Geld, das für diese Arbeitsmittel ausgelegt wird, an sich ein Kapital ist, wenn die Besitzer des Geldes durch einfaches Einschließen des Geldes das Zustandekommen irgend eines Unternehmens verhinden können, so werden sie selbsverständlich kein Geld hergeben für Unternehmungen, die keinen Zins abwerfen. Das ist klar und selbstverständlich. Wenn ich aus dem Handel mit Waren 5 % meines Geldes ziehen kann, so werde ich mich doch nicht mit weniger in ihrer Herstellung begnügen. Kann man das Erz an der Oberfläche sammeln, so wird nan doch keinen Stollen bauen.


Es folgt daraus, daß nur gerade so viel Häuser gebaut werden, daß die Miete dieser Häuser hoch genug steigt, um in der Miete Deckung für den allgemeinen Geldzins zu liefern. Hat man zufällig mehr gebaut, ist das Angebot von Wohnungen größer als die Nachfrage, so gehen natürlich die Mieten herunter und die Häuser bringen den erforderlichen Zins nicht ein. Dann werden sofort alle Bauhandwerker entlassen, und die Bautätigkeit wird so lange unterbrochen, bis sich durch Bevölkerungszuwachs die Nachfrage nach Wohnungen so weit wieder gehoben hat, daß die Mieten den vollen Geldzins abwerfen. Dann erst kann die Bautätigkeit wieder einsetzen.


Genau so verhält es sich mit den industriellen Unternehmungen. Sind diese so zahlreich geworden, daß die Nachfrage nach Arbeitern (die sie verkörpern) die Löhne hochgetrieben haben, so daß der Unternehmer den Kapitalzins beim Verkauf der Erzeugnisse nicht herausschlagen kann, so wird die Gründung neuer Unternehmungen so lange unterbrochen, bis durch den Nachwuchs an Arbeitern und das dadurch bedingte größere Angebot an Arbeitsträften die Löhne herabgehen und dem Geldzins Platz machen.

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Wenn uns also die Arbeitsmittel als Kapital erscheinen, so kommt das daher, daß deren Verstellung, die das Geldkapital vermittelt, durch denselben Vermittler so weit künstlich beschränkt wird, daß sie immer den Arbeitsuchern gegenüber eine vorherrschende Stellung einnehmen. Es sind regelmäßig weniger Arbeitsmittel als Arbeiter da, so daß schon aus Mangel an Werkstätten ein Arbeiterüberschuß verbleiben muß, der den Lohn unter den Erlös des Arbeitserzeugnisses drücht.


Das Bild erscheint noch einfacher und klarer, wenn man den Unternehmer einfach als einen Pfandleiher betrachtet, der dem Arbeiter das nötige Geld vorstreckt für Maschinen und Rohsoffe, und den der Arbeiter mit seinen Erzeugnissen bezahlt.


Das Geld beherrschte also unbedingt den Warenaustausch und die Arbeitsmittel (Produktionsmittel). Alles war dem Gelde zinspflichtig. Es schob sich zwischen Verbraucher und Erzeuger, zwischen Arbeiter und Unternehmer, es trennte alle, die danach streben müssen, sich zu vereinigen, und die entstandenen Verlegenheiten beutete es aus. Die Beute nannte man Zins.


Nun wird es mir auch kar, warum mit dem Freigeld der Zinsfuß fortgesetzt fällt und sich dem Nullpunkt nähert.


Das Geld kann dem Markte nicht mehr entzogen werden; ohne Rücksicht auf den Zins muß es angeboten werden, sei es unmittelbar gegen Waren, sei es als Darlehen. Es kann sich nicht mehr trennend zwischen die Erzeuger einschieben; gegen den eigenen Wunsch, ohne Rücksicht auf seine lüsterne Raubsucht muß es seines Amtes walten und den Austausch der Waren vermitteln. Es beherrscht den Austausch der Waren nicht mehr als Räuber und Gewaltherrscher, sondern es dient ihm, dient ihm sogar umsonst.


Nun werden die Waren nicht mehr vom Markte ausgeschlossen, die Arbeiter feiern nicht mehr, sowie der Zinsfuß fällt; ohne Rücksicht auf den Zins geht der Gütertausch vonstatten.


Und wo so regelmäßig gearbeitet wird, da wird gespart. Märchenhafte Summen werden da zurückgelegt, zur Sparkasse gebracht und als Darlehen angeboten. Und wenn das so Jahr für Jahr vorwärts geht, wenn die Arbeiter durch eine Stockung (Krise) mehr gezwungen werden, von ihren Erspamnissen zu zehren, dann kommt mit Notwendigkeit der Zeitpunkt, wo für das von den Sparkassen angebotene Geld die Abnehmer fehlen und wo es heißt: wir haben genug Häuser gebaut, es fehlen die Mieter; wir haben genug Fabriken, es fehlen die Arbeiter. Wozu noch mehr bauen, wenn wir jetzt schon Mühe haben, den Zins zu zahlen.


Aber dann wird es von der Sparkasse her heißen: Wir können das Geld nicht brach liegen lassen, wir können es nicht aufbewahren. Das Geld zwingt uns, es auszuleihen. Wir verlangen nicht gerade 5 – 4 – 3 %; wir sind willig auf Verhandlungen einzugehen. Wenn wir euch das Geld zu 2 % (1 oder O %) lassen, so könnt ihr die Mieten entsprechend herabsetzen, und dann werden die, die sich mit einer Stube begnügten, zwei Stuben mieten, und die fünf Stuben hatten, werden deren zehn mieten. Und dann werdet ihr wieder Häuser bauen können. Bedarf ist da, es kommt nur auf den Preis an. Also nehmt das Geld zu 2 %, wenn ihr es zu 3 nicht mehr gebrauchen könnt; baut drauf los, geht mit den Mieten herunter; ihr könnt nichts verlieren; wir werden euch mit um so billigerem Gelde versehen. Und habt keine Angst, daß euch und uns das Geld ausgehen wird, denn je mehr wir mit dem Zins heruntergehen und ihr mit der Miete, um so größere

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Summen werden auch die Sparer beiseite legen und uns zuführen. Habt auch keine Angst, daß durch diese großen Geldmengen etwa die Preise hoch getrieben werden. Jeder Pfennig bavon ist vorher dem Umlauf entzogen worden; die Geldmenge ist unverändert geblieben. Die das Geld sparten, haben mehr Ware erzeugt und verkauft als verbraucht; es ist also ein Überschuß von Waren da, der der Geldmasse entspricht, die wir euch anbiete. Nehmt also das Geld und fürchtet euch nicht; geht der Zins herunter, den eure Mietswohnungen einbringen, so werden wir mit unserem Geldzins folgen, und sollte der Zins sogar auf Null fallen. Denn auch bei 0 % müssen wir das Geld ausleihen. Habt ihr verstanden: wir müssen!


Über nicht wir allein müssen, auch ihr müßt. Wenn ihr etwa zugunsten der bereits bestehenden Bauten eine Vermehrung nicht wünscht und darum unser Angebot ablehnt, so machen wir euch darauf aufmerkam, daß andere Unternehmer da sind, die keine Häuser besitzen und keine Rücksichten zu nehmen brauchen. Diesen werden wir das Geld zum Bauen geben, und die Neubauten werden entstehen, ob ihr es wünscht oder nicht, ob der Bauszins euch gefällt oder nicht.


Auch mit den gewerblichen Unternehmen verhält es sich so. Ist das Geld zu 0 % zu haben, so ist auch kein Unternehmer mehr imstande, Zins aus seinem Unternehmen zu schlagen, sei es in Form eines Lohnabzuges, sei es in Form eines Preiszuschlages. Denn so will es das Gesetz des Wentbewerbs.


Und so hätten sich die Tatsachen wieder als der beste Lehrmeister bewährt. Alle unsere Grübeleien über die Ursache des Zinses führten zu nichts, weil uns der Vergleichsgegenstand fehlte. Jeht mit dem Zreigeld konnten wir Vergleiche anstellen, und da fand ich auch gleich, was wir bisher umsonst suchten. Zwar ist die Erklärung der Zinserscheinung noch sehr unvollständig; aber wir haben jetzt den Faden erfaßt, der uns aus dem Irrgarten dieser Erscheinungen führen wird. Wir brauchen dem Faden nur zu folgen, es ist eine sachliche Arbeit, mehr nicht, die da noch zu bewältigen ist.


Anmerkung: der Leser findet die Theorie des Zinses im lehten Zeil dieles Buches ausführlich dargestellt.