Mythos Entgiften


-Süddeutsche Zeitung:

Warum Entschlacken Unsinn ist: Mythos Entgiften

Sollten wir unseren Körper nicht regelmäßig von den Altlasten des modernen Lebens befreien? Gehört er nicht von Zeit zu Zeit entgiftet und generalsaniert? Nein. Sieben Gründe, warum Entschlacken Humbug ist.

Von Berit Uhlmann

 

Was essen wir den ganzen Tag lang für ungesunde Speisen. Wieviel Alkohol fließt an unseren Abenden. Und wie lange sitzen wir Tag für Tag träge in Büro, Wohnung und Auto. Da kommt die Idee ganz recht, der Körper müsse nun schleunigst von seinen Altlasten befreit, entgiftet, entschlackt und generalsaniert werden.

 

Tatsächlich versprechen einige Methoden Läuterung von all den überflüssigen Belastungen – vor allem, indem sie den Verdauungstrakt von oben und unten einer Art Grundreinigung unterziehen. Leider ist die Idee, den Körper durch Fasten und massenhafte Flüssigkeitszufuhr entschlacken zu müssen, blanker Unsinn. Hier sind die Gründe.

Der Darm ist kein Ofenrohr

In den 30er Jahren befand der Arzt Otto Buchinger, der Körper und in ihm ganz besonders der Darm müsse von Zeit zu Zeit wie ein Ofen gründlich von seinen Schlacken gereinigt werden, um besser zu ziehen. Das Bild mag eindrücklich sein, stimmig ist es nicht.

 

Denn der Darm hat nichts gemein mit einem steifen Ofenrohr, an dessen Wänden Unrat festklebt. Vielmehr halten Muskeln seinen Inhalt permanent in Bewegung. Spezialisierte Zellen bilden Schleim, damit die Nahrung durch den Verdauungskanal hindurchgleiten kann. Die Schleimhaut des Dünndarms stößt immerfort Zellen ab. Da setzt sich nichts fest.

Es gibt keine Schlacken im Körper

Der Darminhalt hat nichts mit den harten Brocken einer Ofenschlacke zu tun. Er ist durchsetzt von etwa sieben Litern Verdauungssäften, einem fein austarierten Gemisch, das mehrere Organe bereitstellen. Zugleich betreibt der Darm einigen Aufwand, um den Nahrungsresten gegen Ende des Verdauungsvorgang den Großteil dieser Flüssigkeit wieder zu entziehen und sie damit für die Ausscheidung vorzubereiten. Es gibt keinen plausiblen Grund, diese natürlichen Vorgänge zu stören, indem von oben oder unten Wasser nachgefüllt wird.

Eine Fastenkur taugt nicht zum Abnehmen

Beim Fasten verliert der Körper schnell etwas Gewicht, dennoch: „Als Maßnahme für die Gewichtsreduktion wird das Heilfasten nicht eingeordnet“, urteilt die DGE. Im Gegenteil: Nach starkem Fasten greift der Jojo-Effekt besonders gern und sorgt dafür, dass der Körper sich mehr Fettvorräte zulegt als zuvor. Wer wirklich abspecken will, muss seine Ernährung dauerhaft umstellen. Die DGE billigt dem unter ärztlicher Aufsicht durchgeführten Heilfasten lediglich zu, dass es als Einstieg in eine solche Ernährungsumstellung dienen könnte.

Die Anwendungen können gefährlich sein

Die Entgiftungsmaßnahmen sind bestenfalls unnütz, schlimmstenfalls können sie sogar schaden. Als Folge eines starken Fastens können sich Nierensteine bilden, Kreislaufstörungen, Herzrhythmusstörungen und Schwindel auftreten. Im Extremfall wird der Herzmuskel angegriffen. Die Wirkung von Medikamenten kann beeinflusst werden, warnt die DGE und rät, wenn überhaupt sollten Fastenkuren nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Auch Darmspülungen können mit ernsten Nebenwirkungen einhergehen. Edzard Ernst fand in der Literatur Fälle von Entgleisungen des Elektrolythaushaltes, Infektionen und Verletzungen durch die verwendeten Instrumente. Schließlich, so warnt er, könnte der Glaube an die jederzeit mögliche Entgiftung Menschen zu ungesundem Verhalten wie Rauchen oder übermäßigem Alkoholkonsum verführen.

Anbieter greifen in die Trickkiste

Gegen alles, was die Wissenschaft vorzubringen hat, stehen die subjektiven Erlebnisse der Anwender, auf die die Anbieter setzen. Wer sich einer Fastenkur unterzieht, erlebt ganz wundersame Wandlungen. Plötzlich riecht der Körper anders. Zwar ist der Geruch eher unangenehm, aber ist er nicht der Beweis dafür, dass all die fürchterlichen Altlasten endlich den Körper verlassen? Nein, der veränderte Geruch ist Folge des veränderten Stoffwechsels des Hungernden, ein natürlicher Vorgang, der nichts mit vermeintlichen Giften im Körper zu tun hat.

 

Aber wenn sich Kopf und Körper nach ein paar Tagen so leicht und frei anfühlen, beweist dies doch, dass der Organismus jetzt geläutert und befreit ist? Auch dies ist ein Trugschluss. Beim Fasten können Hochgefühle entstehen, denn der Körper bildet verstärkt Endorphine, die dem Menschen durch Notfälle wie Verletzungen oder Nahrungsmangel helfen.

 

Und wenn die „Entgiftungs“-Pflaster sich nach einer Nacht auf den Füßen braun verfärben, ist dies kein Beweis, dass Schädliches dem Körper entweicht, sondern nur ein billiger Trick. Nicht das Pflaster zieht Dreck aus dem Körper, sondern der Fußschweiß löst ein bräunliches Puder aus dem Pflaster, wie die Wissenschaftler der Vereinigung „Voice of Young Science“ herausgefunden haben.

Die Kuren entschlacken vor allem Ihren Geldbeutel

Mit dem Hungern auf hohem Niveau lässt sich schon länger gutes Geld verdienen. Zu einem der frühen Verfechter einer Darmreinigung gehörte der amerikanische Arzt John Harvey Kellogg. Seine Behandlung umfasste auch bestimmte Nahrungsmittel, allen voran die Cornflakes, die er mitentwickelte, und die der Firma Kellogg’s noch heute satte Umsätze bescheren.

 

In Großbritannien verspricht seit einigen Jahren „V-Water Detox“, den Körper vom Ballast der ungesunden Lebensweise zu befreien. Das Geld für das unnütze Produkt fließt in die Kassen des Pepsi-Konzerns.

 

In Deutschland erheben die Erben des Asketen Otto Buchinger das Darben zum Luxusgut. Mit den Hungernden in ihren Fünf-Sterne-Häusern setzen sie pro Jahr etwa 20 Millionen Euro um.

 

Wenn Sie sich ganz ohne zusätzliche Kosten nach den Feiertagen wieder fit fühlen wollen, sollten Sie ganz simple Ratschläge beherzigen: Greifen Sie zu leichterer Kost, bewegen Sie sich an der frischen Luft und meiden Sie Alkohol und Zigarettenrauch. Und freuen Sie sich, dass Ihr Körper Tag und Nacht alles aussortiert, was nicht hineingehört – und das ganz ohne ihr Zutun.

 

Nun mögen Naturheilkundler einwenden, die Schlacken sollte man nicht so wörtlich nehmen, sie seien doch bloß eine Metapher für all das Chemische und Ungesunde in unserer Nahrung, das sich im Körper ansammle. Doch auch für diese Annahme gibt es keine Belege: „In einem gesunden menschlichen Körper gibt es keine Ansammlung von Schlacken und Ablagerung von Stoffwechselprodukten. Nicht verwertbare Stoffe werden über den Darm und die Nieren ausgeschieden“, stellt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) klar.

Kein Nutzen ist nachgewiesen

Die Liste der Leiden, die sich durch die Darmbehandlungen angeblich lindern lassen soll, ist lang: Allergien, allerlei Schmerzen, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Infektionen, Konzentrationsschwäche und vieles mehr.

 

Doch: „Viele positive Wirkungen des Heilfastens sind wissenschaftlich kaum oder nur ungenügend belegt. Der in Zusammehang mit dem Heilfasten immer wieder genannte Begriff ‚Entschlacken‘ ist wissenschaftlich nicht begründbar“, schreibt die DGE.

Der Jo-Jo-Defekt

Wer zu dick ist, nimmt ab. Zur Not immer wieder, mit Diäten und mehr Sport. Doch genau das kann zum Problem werden. Warum es manchmal besser ist, nicht gegen das Wohlfühlgewicht anzukämpfen.   Von Werner Bartens Edzard Ernst, Naturmediziner aus dem britischen Exeter, hat sich 2010 die Studienlage zu den als Colon-Hydro-Therapie vornehm umschriebenen Einläufen angesehen.

 

Allenfalls bei einigen Fällen von schwerer Verstopfung könnten sie kurzfristige Erleichterung bringen. Für darüber hinausgehende Wirkungen auf den gesamten Organismus ließ sich keine einzige kontrollierte Studie finden, schreibt der Arzt.

 

Komplett in den Bereich der Geschäftemacherei gehören so genannte „Detox“-Anwendungen, wie spezielle Getränke, Pülverchen oder „Entgiftungs“-Pflaster. Als die britische Wissenschaftlerorganisation „Voice of Young Science“ 2009 den Markt analysierte, stellte sie fest, dass keine zwei Hersteller die selbe Definition davon hatten, was unter „Entgiften“ zu verstehen sei.

 

Auch wenn die Werbung für diese Produkte mitunter wissenschenschafltiche Begriffe verwendete, hatte kein Anbieter Wirknachweise zu bieten. Als die Nachwuchsforscher bei den Herstellern nachfragten, räumten die meisten ein, dass es sich bei dem als „Detox“ angepriesenen Methoden eher um profane Dinge wie waschen, bürsten oder Tee trinken handelt.

Finale Theorie

Dieser Bericht von Berit Uhlmann ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine Meinungs-Manipulation gegen grundsätzlich alle Entgiftungs- und Entschlackungs-Methode gemacht wird:
  • Es werden immer einzelne Methoden kritisiert, für die es keine Studien gibt, welche die Wirkung beweisen. Es wird nicht erwähnt, dass es auch keine Studien gibt, die das Gegenteil beweisen.
  • In den Überschriften wird immer ein genereller Bezug zu allen Methoden gemacht. Angegriffen werden aber nur die unsinnigsten.
  • Die wirklich guten Methoden werden gar nicht erwähnt.
  • Es werden sogar negative Bezüge zum Abnehmen gemacht, obwohl der Artikel sich doch mit Entschlackung und Entgiften beschäftigt. Hauptsache negative Emotionen werden erzeugt.
  • Es wird sich an dem Wort „Entschlacken “ augehalten und der Darm wird mit einem Ofenrohr verglichen, obwohl das kein Mensch macht, der sich mit Entgiften und Entschlacken beschäftigt. Es wird nicht darauf eingegangen, das hier die Stoffwechsel-Produkte gemeint sind, die der Körper nicht weiter verwerten kann und im Fettgewebe und Bindegewebe zwischenlagert.
  • Es wird hauptsächlich das Heilfasten nach Buchinger erwähnt, wobei es dabei um Entleerung des Darms geht und keine Nahrung mehr zu sich genommen wird, um den Körper zu zwingen, sein Reserven im Fettgewebe und Bindegewebe zu verstoffwechseln, damit er auch gezwungen wird die Stoffwechsel-Produkte endlich loszuwerden. Das wird nicht erwähnt
  • Die Methode Buchinger funktioniert zwar, ist aber aufwendig und benötigt einen starken Willen und medizinische Überwachung. Es gibt bessere Methoden.
  • Dann werden zu recht Detox-Mittel von Anbietern kritisiert, die nicht funktionieren und nur den Umsatz des Anbieters steigern.

Die Gier nach wirtschaftlichem Wohlstand ist sehr weit verbreitet, besonders bei Wirtschaftsunternehmen jeder Art. Genauso wie bei vielen anderen Berufsgruppen und Verbänden.

 

Ich unterstelle diesem Autor auch rein wirtschaftliche Interessen für diese Auftragsarbeit, die jede journalistische Sorgfalt außer Acht läßt. Sein Ziel oder zumindest das Ziel seinr Auftraggeber ist es, alle alternative Methoden zur Entschlackung und Entgiftung mit negativen Emotionen im öffentlichen Bewusstsein  zu besetzen.

 

Es ist schon bemerkenswert, dass der gute Ruf der Süddeutschen Zeitung dafür missbraucht wird. Die wirtschaftliche Not scheint dort auch recht groß zu sein.