Biophotonik: Einblicke in die Zelle

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  • Erstellungsdatum 29. Mai 2022
  • Zuletzt aktualisiert 29. Mai 2022

Biophotonik: Einblicke in die Zelle

K.-H. Gericke
Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Technische Universität
Braunschweig, Hans-Sommer-Str. 10, D-38106 Braunschweig

Wunsch und Möglichkeit

Nachdem das menschliche Genom entschlüsselt wurde, zielen viele Untersuchungen auf die Charakterisierung der Proteine und Enzyme ab, die als chemische Fabriken die molekularen Komponenten innerhalb einer Zelle liefern. Letztlich bestimmen die Prozesse dieser chemischen Substanzen das Verhalten einer Zelle. Daher ist es ein Wunschtraum der Bioanalytik Methoden zu entwickeln, die den Nachweis von biologisch relevanten (niedermolekularen) organischen Substanzen und ihren Wechselwirkungen mit anderen Komponenten des biologischen Systems ohne Eingriff in die natürliche Matrix biologischer Systeme erlauben. Besonders attraktiv wären Tests, bei denen die unmarkierten Biomoleküle oder niedermolekularen Substanzen und deren Interaktionen in vivo in mikroskopischen Bereichen intakter biologischer Organismen analysiert werden können. Wegen Ihrer hohen Sensitivität und der Möglichkeit in mikroskopischen Bereichen zu untersuchen, sind insbesondere optische Methoden für in vivo Untersuchungen geeignet. Daher sind in jüngster Zeit
einige Versuche unternommen worden, optische Analysen auch markerfrei durchzuführen.

 

So ist es zum Beispiel möglich, routinemäßig den Sauerstoffpartialdruck bei Patienten nichtinvasiv über die spektrale Abhängigkeit des Häms vom Sauerstoffsättigungsgrad zu bestimmen. NADPH und Flavine sind andere niedermolekulare Co-Faktoren deren Fluoreszenzeigenschaften genutzt werden können, um wichtige Stoffwechselprozesse in vivo in mikroskopischen Bereichen zu untersuchen.1 Auch die Primärprozesse der Photosynthese lassen sich sehr gut über die ausgeprägten spektralen Eigenschaften der Chlorophylle und Carotinoide erfassen.

 

Die konfokale Scanning-Mikroskopie hat hier sehr große Fortschritte gebracht. Bei dieser Technik wird ein Laserstrahl durch ein Mikroskopobjektiv fokussiert und das auftretende Fluoreszenzlicht wird vom selben Objektiv gesammelt und nach spektraler Abtrennung vom anregenden Licht von einem Detektor registriert. Verschiebt man nun rasterartig den
Laserstrahl, dann erhält man ein zweidimensionales Bild der Probe. Durch geschicktes Einbringen von Blenden im abbildenden Okular kann auch in der Tiefe einer Probe ein Bild aufgenommen werden, so dass es schließlich möglich ist dreidimensionale Bilder zu erhalten. Begrenzt wir diese Methode durch den Wellencharakter des Lichtes, oder präzisier
durch Beugungserscheinungen. Danach sind die Grenzen der lateralen Auflösung grob durch die halbe Wellenlänge des Laserlichts gegeben. D.h. ein „grüner“ Laserstrahl um 500 nm ermöglicht die Erkennung von Strukturen bis hinab zu ca. 250 nm. Es wird zwar an sehr trickreichen Methoden gearbeitet, um diese so genannte Abbésche Grenze zu überwinden,
jedoch ist eine wirklich praktikable Nachweistechnik, die diese Limitierung zu kleineren Größen verschiebt, bisher nicht in Sicht.

 

Wir nutzen zur Anregung von Molekülen ebenfalls Laserlicht, jedoch typischerweise um 800nm, also an der oberen Grenze zum sichtbaren Spektralbereich. Auch mit dieser langwelligen Strahlung können Moleküle, die eigentlich erst bei 400 nm absorbieren, angeregt werden, wenn gleichzeitig zwei Photonen vom Molekül absorbiert werden. Man spricht in diesem Fall von einer Zweiphotonenanregung oder im Falle der Mikroskopie auch verkürzend von Zweiphotonenmikroskopie. Durch nichtlineare Anregung wird die Auflösung zwar prinzipiell gegenüber der klassischen Einphotonenanregung etwas besser, jedoch durch die längere Anregungswellenlänge dieser Vorteil wieder kompensiert.

 

Wer einmal die hochauflösenden (und eingefärbten) Bilder einer Elektronenmikroskopaufnahme gesehen hat, wird sich fragen, wozu man überhaupt mit Licht – sei es mit der Einphotonen- oder auch Zweiphotonenanregung - arbeitet und nicht gleich alles mit dem Elektronenmikroskop bei Auflösungen von wenigen Nanometern untersucht. Der Grund hierfür ist in den Beschränkungen zur Aufnahme mittels eines Elektronenmikroskops zu suchen; denn diese Methode ermöglicht nur die Aufnahme von Gewebeschnitten, d.h. die Probe muss aufwändig präpariert werden und Informationen können nur über Oberflächenaufnahmen gewonnen werden. Aufnahmen aus der Tiefe des Gewebes oder gar in vivo Beobachtungen sind nicht möglich.

 

Die Zweiphotonenmikroskopie wird von unserer Arbeitsgruppe genutzt, um innerhalb von biologischen Proben bei einer hohen Eindringtiefe (von mehreren 100 µm) in Volumina von unter einem Femtoliter (<10-15dm³) schonende dreidimensionale Untersuchungen durchzuführen.

 

Damit ein Molekül zwei Photonen gleichzeitig absorbieren kann, müssen die Leistungsdichten besonders hoch sein, d.h. es müssen möglichst viele Photonen pro Zeiteinheit und Fläche vorhanden sein. Viele Photonen bedeutet eine hohe Energie, aber eine zu hohe Energie hat die Zerstörung des zu untersuchenden Gewebes zur Folge. Um diesem Dilemma zu entgehen muss die Energie möglichst klein sein, aber die Zeit, in der die Photonen abgestrahlt werden, muss möglichst kurz sein. Hierzu setzt man einen Laserstrahl ein, der eine mittlere Leistung von nur 10 mW aufweist, was ca. der 10fachen Leistung
kleiner handelsüblicher HeNe-Laser entspricht. Diese mittlere Leistung ist zu gering, um die Probe zu schädigen. Nun wird das Licht aber nicht kontinuierlich abgestrahlt, sondern Millionen mal in der Sekunde. Jeder dieser Pulse hat daher nur eine Energie von 10⋅10-3 / 76⋅106 Watt Sekunde = 1,3⋅10-9 Joule = 1,3 nJ, also grob ein milliardstel Joule. Die zeitliche Länge eines einzelnen Pulses ist aber mit ca. 100 Femtosekunden so kurz, dass jeder dieser 76 Millionen Pulse pro Sekunde eine Leistung (=Energie/Zeit) von 1,3⋅10-9 / 100⋅10-15 = 13⋅103 Watt oder 13 kW aufweist, also das 130 fache einer uns bekannten hellen Glühlampe von 100 Watt – allerdings nur für diese kurze Zeitspanne von 100 Femtosekunden.

 

Der Vorteil dieser aufwendigen Technik liegt gerade darin, dass nur im Fokus des Mikroskopobjektivs solch hohe Leistungsdichten auftreten, dass eine Anregung eines Moleküls stattfinden kann. D.h. wenn es zur Zerstörung des Gewebes kommen sollte, dann nur im Fokus des Laserstrahls aber nicht längs des Laserstrahls, also nicht in allen Tiefen des Gewebes. Vor allem detektiert man aber nur Licht von der Fokalregion und nicht außerhalb, wodurch eine intrinsische Tiefenauflösung gewährleistet ist, denn Licht aus höheren oder tieferen Gewebeschichten wird - im Gegensatz zur Einphotonenanregung –
nicht emittiert. Die Abbildung 1 veranschaulicht dieses Phänomen. Im linken Bild sieht man die Fluoreszenz einer (schwach konzentrierten) Farbstofflösung in einer Küvette bei der Einphotonenanregung längs des Lichtweges, während im rechten Bild nur Licht aus dem Fokalbereich emittiert wird.

 

Dem komplexeren Lasermesssystem steht also eine gewebeschonendere Untersuchungsmethode mit sehr guter Tiefenauflösung gegenüber. Ein weiterer wesentlicher Vorteil ist die Verwendung von langwelligem Licht, denn dieses wird vom Gewebe kaum absorbiert, so dass hierdurch Moleküle in tieferen Gewebeschichten angeregt werden können. Aufgrund
der Verwendung eines gepulsten Laserstrahls, werden zeitaufgelöste Messungen möglich, d.h. die Dynamik zellulärer Prozesse kann leichter analysiert werden. Im Folgenden sollen einige Resultate zu Prozessen in der Haut, die mit Hilfe dieser Untersuchungstechnik aufgeschlüsselt werden konnten, vorgestellt und diskutiert werden.

Charakterisierung von Hautkonstrukten mittels Zweiphotonenmikroskopie

Langwelliges Licht um 800 nm dringt besonders tief in das Gewebe ein, so dass hierdurch Untersuchungen im Inneren tiefer gelegener Zellschichten möglich sind. Die erzielbare Tiefe hängt von der gewünschten Auflösung ab. Um noch Auflösungen unterhalb eines Mikrometers zu erzielen, liegt die maximal mögliche Tiefe bei wenigen hundert Nanometern.

 

Die Abbildung 2 zeigt typische Beispiele von lasermikroskopischen Aufnahmen der menschlichen Haut (Dermis) in unterschiedlichen Tiefen. Im Bild links ist das Stratum corneum gezeigt. Mit zunehmender Tiefe erkennt man die jeweils typischen Strukturen, wie das Stratum granulosum (Abb. 2 Mitte) und das weiter unten liegende Stratum basale (Abb. 2 rechts).

 

In Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis von Frau Müller-Goymann (Institut für Pharmazeutische Technologie, TU Braunschweig) wurden Hautkonstrukte hinsichtlich ihrer Struktur analysiert, um detaillierte Einblicke für einen möglichen künstlichen Hautersatz zu erhalten. Der Abb. 3 ist zu entnehmen, dass diese Hautkonstrukte in der Tat einen vergleichbaren
Aufbau zur natürlichen menschlichen Dermis besitzen. In den oberen Schichten der Epidermis erkennt man die Keratinocyten (Abb. 3 links), die mit zunehmender Tiefe immer klarer als intakte Zellen zu erkennen sind. In noch tieferen Schichten sind die länglichen Fibroblasten zu erkennen. Diese sind beliebig orientiert, so dass je nach Lage unterschiedliche Ausschnitte bei eine lasermikroskopischen Aufnahme gesehen werden.