Gott und Sein. Einführung in die Philosophie des Mittelalters

[featured_image]
Download
Download is available until [expire_date]
  • Version
  • Download 0
  • Dateigrösse 678.42 KB
  • Datei-Anzahl 1
  • Erstellungsdatum 4. Dezember 2023
  • Zuletzt aktualisiert 4. Dezember 2023

Gott und Sein. Einführung in die Philosophie des Mittelalters

Gott und Sein. Einführung in die Philosophie des Mittelalters
1. Vorlesung

Der Begriff des „Mittelalters“ (medium aevum) ist eine Erfindung aus dem 14. Jahrhundert, formuliert von italienischen Humanisten, die mit dem Begriff die Renaissance als Wiederaufleben der Antike rechtfertigen wollten. Ein solcher Ausgangspunkt, den Zeitraum ungefähr vom 5. bis zum 15. Jahrhundert als eine Übergangszeit zu fassen, legte diesen Humanisten auch nahe, die Zeit als „dunkel“, d.h. gekennzeichnet vom Abfall vom Ursprung, aufzufassen. Die Rede vom „dunklen Mittelalter“ nimmt also schon dort seinen Anfang.

Mittelalter - der Zeitraum von ca. 1000 Jahren, seine Philosophie anzusetzen bei Augustinus (354-430) und zu beenden bei Nikolaus von Kues (1401-1464). Diese Entscheidung ist gewiss subjektiv (Kurt Flasch beendet sein bekanntes und wichtiges Buch „Das philosophische Denken im Mittelalter“ bei Machiavelli), kann sich aber auf einen Konsens in der Wissenschaft berufen (vgl. Richard Heinzmann: Philosophie des Mittelalters). Diesen Zeitraum als „dunkel“ abzutun, ist natürlich nur einer spezifischen Perspektive geschuldet, die wir nicht mehr teilen können. Die Verurteilung einer ganzen Epoche ist mindestens indifferent (was die Epoche selbst betrifft, ansonsten ist sie sehr differenziert).

Die Kulturgeschichte des Mittelalters bzw. die Geschichte überhaupt strahlt natürlich in seine Philosophie hinein. Zu empfehlen sind diesbezüglich die Arbeiten Johannes Frieds, vor allem sein bei DTV erhältliches Buch über das Mittelalter. Doch ich kann mich im Folgenden auf diesen Sachverhalt des Verhältnisses der Philosophie des Mittelalters zu seiner Kultur nicht einlassen, ich kann nicht die Geschichte des Mittelalters referieren. Es gibt jedoch zwei Ausnahmen und muss sie m.E. geben. Ich werde erstens in verschiedenen Hinsichten etwas über das Mönchswesen und die Orden sagen, besonders dabei aber mich auf die Armuts- und Bettelorden beziehen. Das werde ich schon deswegen tun, weil es eine unmittelbare Beziehung gewisser Elemente des Mönchseins zur Philosophie gibt: Albertus Magnus, Thomas von Aquin, Duns Scotus oder Meister Eckhart waren allesamt Mönche (aus verschiedenen Orden). Allerdings wird sich das
Mönchische weniger direkt in der Philosophie zeigen lassen als in den sogenannten „Ordensregeln“. Zweitens werde ich etwas über die allgemeine Ausbildung der Philosophen bzw. der „Wissenschaftler“ überhaupt in den septem artes liberales sagen.

Damit komme ich auch sogleich zu einem Problem, mit dem alle Einführungen in die Philosophie des Mittelalters, sei es die von Flasch oder Heinzmann oder auch von dem großen französischen Mittelalterforscher Etienne Gilson, beginnen. Das Leben im Mittelalter ist in jeder Hinsicht: d.h. in politischer, künstlerischer, wissenschaftliche, moralischer oder was auch immer Hinsicht - christlich bestimmt. Wenn wir uns also mit der Philosophie des Mittelalters beschäftigen, beschäftigen wir uns mit einer christlichen Philosophie. Die Frage ist, ob es so etwas geben kann.