Vorwort zur zweiten amerikanischen Ausgabe

Zufall oder Schicksal? Im Herbst 1972 sandte mir ein Freund aus dem alten Mexiko ein Exemplar von Michel Abehseras Übersetzung des Buches Transmutations biologiques von Professor Kervran. In den folgenden Jahren kaufte ich von diesem Titel, solange er lieferbar war, Dutzende von Exemplaren für Freunde und gute Bekannte, von denen ich annahm, sie würden sich genauso wie ich für diese unglaubliche Hypothese begeistern.

 

Die Reaktion war sehr gemischt und bedeutete eine große Herausforderung: „Kann man das überhaupt beweisen? – Was für Konsequenzen hat das? – Das ist doch völlig unmöglich! – Das wäre ja großartig, falls es denn stimmt.“ Da mich das Thema Tier- und Pflanzenernährung sehr interessiert, gelangte ich zu der Überzeugung, daß man diese Idee in die Tat umsetzen müßte. Doch lernte ich schon bald, daß es nicht so einfach war, die Hypothese in akzeptabler Weise durch wiederholbare Experimente zu bestätigen.

 

Mein Freund John Whittaker sagte mir: „Warum willst du das beweisen? Biologische Transmutation gibt es eben einfach, und das ist wunderschön so.“

 

Später meinte James Lovelock, der international bekannte Erforscher der Chemie der Erdatmosphäre, in einem privaten Gespräch einmal, in Wirklichkeit sei es praktisch unmöglich, überhaupt irgend etwas zu beweisen, und weiter sagte er: „Selbst wenn Sie die biologischen Transmutationen sich selbst und mir beweisen sollten, würde es doch niemand sonst glauben!“

 

Dann wurde die Neugier in mir übermächtig. Im Herbst 1981 machte ich mich daran, ernsthaft mehr über Professor Kervrans Arbeiten herauszufinden. Es ging nur langsam voran und brachte wenig. Im August 1982 spürte ich dann endlich Christopher Bird auf, der, wie ich wußte, zusammen mit Peter Tompkins im Jahre 1972 den Sachbuch-Bestseller The Secret Life of Plants (auf Deutsch 1977 erschienen unter dem Titel Das geheime Leben der Pflanzen) herausgebracht hatte, in dem ein Kapitel über Professor Kervran enthalten war. Wie ich richtig vermutet hatte, kannte er das Genie aus Frankreich persönlich. Bird schickte mir 2500 Seiten Material; dazu zählte seine jahrelange Korrespondenz, das Manuskript seiner Übersetzung eines Buches Kervrans von 1973 (Preuves en géologie et physique de transmutations à faible énergie. [Beweise für Niedrigenergie-Transmutationen in Geologie und Physik]) und seine nicht abgeschlossene Übersetzung eines Buches von 1975 (Preuves en biologie de transmutations à faible énergie [Beweise für Niedrigenergie-Transmutationen in der Biologie]). Doch das war erst der Anfang.


Professor Kervran starb am 2. Februar 1983. Nur drei Monate zuvor hatte der Verlag Maloine in Paris sein letztes Werk veröffentlicht, Transmutations biologiques et physique moderne (Biologische Transmutationen und die moderne Physik), sozusagen sein „Schwanengesang“.

 

Ich ließ das Buch übersetzen, und mittlerweile ist ein Teil davon für den Druck vorbereitet. In der darauf folgenden Zeit konnte Bird hunderte von Seiten des weltweiten Briefwechsels Kervrans in Europa aufspüren, dazu eine unglaubliche Anzahl veröffentlichter und unveröffentlichter Aufsätze und Manuskripte, einschließlich aller acht Bücher Kervrans. Im Herbst 1984 übersetzte Bird den gesamten Text des 1970 erschienenen Buches Transmutations biologiques en agronomie (Biologische Transmutationen in der Agronomie), das eine Vortragsreihe Kervrans am Nationalinstitut für Agronomie 1969 enthielt. Zudem übersetzte er hunderte von Seiten aus dem Briefwechsel, und unser Übersetzer schloß diesen Teil des Projekts ab.


Das Archiv zu Professor Kervran umfaßt nun über 5000 Seiten. Es sieht so aus, als ob sich verwandtes Material endlos von überallher einfindet. Man hat mich mehrfach gebeten, die drei vollständig übersetzten Bücher zu bearbeiten und zu veröffentlichen, doch dem bin ich nicht gefolgt. Insgesamt lassen die vielen Bücher Kervrans ein wertvolles Voranschreiten des Wissens erkennen, doch einzeln für sich genommen werden sie dem Mann und seinen Ideen nicht gerecht.

 

Dieses Problem umgeht Michel Abehseras Übersetzung, indem dort Kervrans Position so beschrieben wird, wie sie vor 1970 galt. Derzeit ist ein größeres Werk im Entstehen begriffen, das nicht nur Einzelheiten über Leben und Werk Kervrans vermitteln soll, sondern auch seine Beobachtungen und Theorien mit denen anderer Forscher vergleicht. Auch sollen neue Perspektiven aus Physik und Biologie in dieses faszinierende Thema eingearbeitet werden. Die Hypothese der biologischen Transmutationen läßt sich nicht isoliert betrachten. Sie stellt die gesamte Natur der Materie in Frage, ein Thema, das Philosophen wie Physiker gleichermaßen weiterhin sehr bewegt. Ich bin immer noch davon überzeugt, daß es Elementumwandlungen in lebenden Organismen gibt, und weiter, daß lebende Systeme sehr wohl auch Elemente erschaffen können. Bemerkenswerterweise fällt es schwer, zwischen Umwandlung und Schöpfung zu unterscheiden.


Soweit ich weiß, hat sich keines der Tausende von Experimenten, die angestellt wurden, um Professor Kervrans Theorie zu widerlegen, als schlüssig erwiesen. Damit soll gesagt werden, daß es aus der Sicht der herkömmlichen Wissenschaft an buchstäblich jedem einzelnen Experiment etwas auszusetzen gibt, manchmal ist es ein klarer Sachmangel, manchmal einfach ein Schlupfloch, durch das der Zweifel eindringen und die Daten wertlos machen kann. Die grundlegende Frage, wie ein wissenschaftlich akzeptables Schlüsselexperiment aussehen soll, bleibt weiter offen.

 

Erstens gibt es das Problem, die Zusammensetzung eines einzelnen lebenden Systems vor und nach dem Experiment zu bestimmen. Um absolut zuverlässige Daten zu erhalten, die den wissenschaftlichen Sachverstand befriedigen, muß man das System abtöten. Analysiert man ein abgetötetes System und vergleicht die herausgefundenen Daten mit denen eines augenscheinlich identischen lebenden Systems, das nach einem Experiment abgetötet wurde, so erheben sich einfach Zweifel an den Ergebnissen, seien sie nun gerechtfertigt oder nicht.


Zweitens sind lebende Systeme offene Systeme, und es ist extrem schwierig, wenn nicht unmöglich, sie unter den für die genaue Überwachung notwendigen Laborbedingungen vollständig zu isolieren. Außerdem schafft man durch die Isolation eben immer eine für lebende Systeme unnatürliche Umgebung. Macht man beispielsweise Experimente mit Hafer, so muß das Wasser, mit dem man die Kultur ansetzt, frei von allen chemischen Elementen sein, absolut rein. Dieses „Laborwasser“ ist totes Wasser, es ist nicht dasselbe wie lebendes Wasser in der Natur. Mit diesem Problem hat sich Professor Kervran sehr intensiv auseinandergesetzt. Zudem sind die Pflanzen in der Natur symbiotisch von Bakterien abhängig. Bei all den umfangreichen Versuchen mit Hafer war das benutzte Wasser offenbar mit Bakterien „verunreinigt“. Also waren es keine reinen Pflanzenexperimente, sondern solche mit Pflanzen und Bakterien. Die Art und Menge der Bakterien in der Kultur ist ganz sicher ein bedeutender Faktor, wenn nicht der entscheidende.

 

Drittens laufen biologische Prozesse bestenfalls periodisch, schlimmstenfalls fluktuierend ab. Das macht eine Laboraufzeichnungsmethode erforderlich, die kosmische Einflüsse mit in Betracht zieht. Selbst wenn die Wissenschaft so tolerant wäre, diese Parameter, die sich auf die Astrologie stützen, zu akzeptieren, so wird damit doch die exakte Reproduzierbarkeit des Experiments umso schwieriger.


Lebende Materie weist einige offensichtliche Eigenschaften auf, wie Evolution, Symbiose und Gestaltwechsel (z. B. bakterielle Pleomorphismen), Phönomene, die weiterhin den wissenschaftlichen Rahmen sprengen und Fakten ohne Theorie darstellen. Wir verfügen über keine akzeptable Theorie der Evolution. Unglaublich komplexe symbiotische Beziehungen zwischen verschiedenen Arten lebender Systeme sind bekannt und katalogisiert, doch eine Theorie der Symbiose läßt sich so schwer fassen, daß einige Biologen jetzt schon fragen, ob es überhaupt einen Unterschied zwischen Symbiose und Parasitismus gibt. Der Gestaltwechsel bei den Bakterien ist einzelnen Biologen seit mehr als hundert Jahren bekannt. Seit 1960 wachsen unsere Kenntnisse darüber stark an,
doch bleiben die Fakten weiterhin lediglich offensichtlich, und eine Theorie gibt es noch nicht, die wissenschaftlich akzeptabel ist!


Meines Erachtens muß man biologische Transmutationen in die Liste derjenigen Eigenschaften lebendiger Materie aufnehmen, die es nun einmal offensichtlich gibt und für die man keine Theorie hat. Mein Freund Dr. Whittaker hatte recht, als er sagte: „Biologische Transmutation gibt es eben einfach.“ Mit normaler Physik oder Chemie läßt sich dieses Phänomen nicht erklären. Das heißt nicht, daß man die Wissenschaft nicht weiterentwickeln kann, um derartige Phänomene lebender Systeme in praktischen Anwendungen nutzbar zu machen, statt sie aus einem Vorurteil heraus rundweg auszuschließen.


Auch wenn man in den 15 Jahren seit der ersten Veröffentlichung dieser Übersetzung der Arbeiten Professor Kervrans viel Neues dazugelernt hat, bleiben sie doch eine vorzügliche Einführung in die komplexen Zusammenhänge eines faszinierenden und schwer faßbaren Naturphänomens. Jacques de Langre gebührt Anerkennung für seine Initiative, dieses wichtige Werk neu aufzulegen.

18. Februar 1987 John W. Mattingly
Affiliated Staff Member, Department of Philosophy