Phosphor

Phosphor steht sehr oft in einer Verbindung mit Schwefel; man findet das Element in organischen Molekülen. Es ist als lebenswichtiges Element von allergrößter Bedeutung und spielt nicht nur beim Knochenaufbau, bei der grauen Hirnmasse und den Nervenzellen eine Rolle, sondern ist auch ein Baustein der Nukleinsäuren.
In der Kette des DNS-Moleküls wechselt eine Phosphatgruppe mit einem Desoxyribose-Baustein ab. Phosphor ist damit Bestandteil der Desoxyribonucleinsäure, dem Träger des genetischen Codes.

Auch in der Ribonucleinsäure (RNS) ist Phosphor enthalten. Phosphor und Schwefel, zwei bedeutende Elemente des Lebendigen, sind miteinander verbunden durch die Reaktion P + H :=: S, so daß die Natur bei Mangelzuständen eines in das andere umwandeln kann. Man erinnere sich an folgende bereits besprochenen Zusammenhänge:

Na + H := Mg
Na := Li + O
Mg + Li := P
Mg + O := Ca

Diese Reaktionen erklären das Phosphor-Calcium-Gleichgewicht und das Vorkommen von Calciumphosphat im Knochen. Anscheinend leitet sich aber auch der organische Phosphor der Nucleinsäuren vom Schwefel ab, der sozusagen ein „Kondensationsprodukt“ des Sauerstoffs ist oder ein „Doppelsauerstoff“. Der Zusammenhang zwischen Phosphor und Schwefel kommt in folgender Bemerkung A. Voisins zum Ausdruck: „Düngt man den Boden mit mineralischem Phosphor, so hat dies keinen Einfluß auf den Phosphorgehalt des Getreides, erhöht aber dessen Gehalt an Thiamin“ (Vitamin B1)*.

* A. Voisin: „Sol, Herbe, Cancer“ in: La Maison Rustique. Paris 1959

Das Gleichgewicht Phosphor/Schwefel läßt verstehen, weshalb der Organismus einen lokalen Überschuß an Phosphor nicht verkraften kann und zeigt auch, warum manche Phosphorsäureester, die als Insektizide eingesetzt werden, solch brutale Wirkung haben.
Soviel ist gewiß: die Natur hat andere Wege, Phosphor herzustellen. Phosphathaltige Erze bestehen aus Schichten von Calciumphosphat. Dies ist nicht erstaunlich, denn Phosphor und Calcium haben einen gemeinsamen Ursprung, doch auch der Fluorgehalt der Erze ist beträchtlich (F/P2O5 = 9 % im Durchschnitt). Anscheinend hat dort folgende Reaktion stattgefunden:

31P :=: 12C + 19F.

Wie der Phosphor „geboren“ wird, konnte nie geklärt werden; die Pflanzen stellen ihn her, und Demolon und Marquet schreiben: „Die wesentliche Besonderheit des Phosphors ist, daß er gebunden wird und sich in der obersten Schicht der bebauten Böden ansammelt, stets mit einer auffälligen Anreicherung in die Tiefe hin“#.
P. Dahiez (von einem Institut für Bodenanalysen) weist auf eine Reaktion hin, die der von Voisin erwähnten entgegensetzt ist. Er schreibt: „Bei einigen Böden, die mit Schwefelverbindungen gedüngt wurden, ergab die Analyse einen hohen Gehalt an Phosphor, während andere einen Phosphormangel aufwiesen.“ Darüber hinaus verweist er auf andere „recht seltsame Fakten, die man unmöglich mit den normalerweise aus der Agronomie bekannten Daten deuten kann“.

Im tierischen Organismus könnte die Phosphorbildung nach einem anderen Prozess ablaufen, der das Chlor aus dem Natriumchlorid im Blut als Ausgangspunkt nimmt:

Cl := O + F
F + C := P

# A. Demolon, A. Marquet: Le Phosphore et la Vie. P. U. F. edit., Paris 1949
 

Das wäre eine Möglichkeit. Bisher haben wir aber dafür noch keine Belege, die diese Reaktion als möglich erweisen, auch nicht als Ausnahmeerscheinung; lediglich die Gegenwart von Fluor in Phosphorlagerstätten spricht dafür. Dieses Fluor stammt möglicherweise aus Meerwasser. Ein Mangel an Phosphor behindert das Pflanzenwachstum, indem er die Bildung von Proteinmolekülen verhindert. Weil die Aminosäuren nicht gebildet werden können, nahm man an, der Phosphor stehe in einer Beziehung zu Stickstoff. Das gründet sich sich auf die Tatsache, daß der Gesamtstickstoffgehalt in phosphorylierten Fetten bei den verschiedenen Pflanzen konstant ist. Doch es gibt keine unmittelbare Verbindung. Der Phosphormangel verhindert, daß die Aminosäuren gebildet werden, und damit ist auch von den anderen Elementen weniger vorhanden. Zugleich ist dies ein Signal für Mangel, so daß die Pflanze veranlaßt wird, den fehlenden Phosphor zu bilden. Der Zusammenhang zwischen Phosphor und Calcium ist allgemein bekannt. Wenn in einem Tier viel Phosphor gebildet wird, entsteht auch viel Calcium.

Demolon erwähnt auch negative Stoffwechselbilanzen von Phosphor und Calcium. Er deutet an, daß die Werte dieser Elemente bei Milchkühen „beträchtlich niedriger liegen als die Mengen, die den Körper der Tiere täglich mit der Milch verlassen“* (rund 3 g Phosphor und 3 g Calcium pro Liter Milch). Die Kuh braucht diese Elemente aber noch für andere lebenswichtige Vorgänge in ihrem Körper, und im Urin und den Fäkalien scheidet sie große Mengen aus, die zusammen mit dem, was in der Milch abgegeben wird, ganz beträchtlich den Gehalt in der Nahrung übersteigen.

Eine Aussage wie „Die Kuh entnimmt Calcium und Phosphor ihren Reserven“ ist nicht akzeptabel. Eine stämmige Milchkuh von 700 kg, die täglich 30 Liter Milch gab, benötigte jeden Tag 111 g Phosphor (3 g pro Liter Milch und 3 g pro 100 kg Körpergewicht). Eine zweite Kuh erhielt täglich 98 g Phosphor, was im Vergleich zur ersten ein Tagesdefizit von 13 g bedeutet. Nach 100 Tagen wären das 1300 g Phosphor, und das bei einer Gesamtphosphormenge im Körper (Knochen, Fleisch, Blut) von lediglich 4500 g. Es ist offenkundig unmöglich, die Phosphormenge in einem derartigen Ausmaß zu reduzieren. Phosphor wird mithin endogen gebildet (ebenso wie Calcium, in relativ gleicher Menge).

* Le Phosphore et la Vie. P. U. F. Pub. Paris 1949

Anwendung in der Geologie

In einigen meiner Bücher zitiere ich Literatur, die davon handelt, daß Lithium und Phosphor (in Pflanzen, Knochen, Erzen) gleichzeitig anwesend sind. Dies ist wirklich ein glückliches Zusammentreffen. Falls Phosphor sich in Magnesium umwandelt, gemäß der Reaktion P := Li + Mg, dann sind Magnesium und Phosphor eng miteinander verzahnt, und zwar derart, daß ein Organismus, der mehr Phosphor ausscheidet, als er aufnimmt, auch mehr Magnesium ausscheidet, als ihm zugeführt wird. Einer im Versuch ermittelten negativen Stoffwechselbilanz beim Phosphor entsprach stets eine negative Stoffwechselbilanz beim Magnesium – bei denselben Versuchspersonen und im selben Zeitraum. Durchschnittlich wurden pro Mann täglich 134 mg Phosphor im Überschuß abgegeben. Zugleich wurden auch die negativen Bilanzen für Calcium ermittelt: 321 mg täglich pro Mann. Die negative Bilanz für Magnesium ergab hingegen durchschnittlich 163 mg während desselben Zeitraums.

Auch das Gegenteil trifft zu: immer wenn die Stoffwechselbilanz bei Magnesium positiv war, ergab sich dasselbe bei Phosphor und bei Calcium, was ein Hinweis auf ihre Abstammung und nicht einfach ein gemeinschaftliches Vorkommen ist. Phosphor entsteht aus Magnesium, jedoch nur in Gegenwart von Lithium, das sich in höheren Organismen aus dem Natrium des Blutplasmas bildet (Na := Li + O).

Phosphor kann sich auch in Magnesiumgesteinen aus dem „Zusammenbacken“ von Lithium mit Magnesium bilden, wobei das Lithium sich aus Kalium bildet (K := Li + 2 O); dies zeigt, daß sich Phosphor im Boden finden kann, ohne daß Meerwasser dabei eine Rolle spielen müßte. Wir sahen aber bereits bei der Entstehung der Dolomitgesteine, daß Magnesium auch aus Calcium stammen kann (Ca := Mg + O). Meines Erachtens kann sich in einer Schicht Kalkstein unter dem Einfluß von Bakterien Magnesium bilden. Sind Alkalimetalle (Natrium oder Kalium) mit dabei, so besteht die Möglichkeit, daß Phosphor entsteht, der zusammen mit Calcium (und Sauerstoff) zu Calciumphosphat reagiert. Damit hätten wir einen weiteren Weg für die Bildung von Calciumphosphaten, und wahrscheinlich gibt es zwei verschiedene Arten von Lagerstätten (kontinentalen und maritimen Ursprungs). Das Vorhandensein von Phosphor in Erzlagerstätten ist an Bakterien gebunden. Dies deutet offenbar auf eine endogene Phosphorentstehung hin, unter Einwirkung eines spezifischen Enzyms, das es noch zu entdecken gilt.
Dieses Enzym benötigt Magnesium, oder zumindest sieht es so aus, als sei Magnesium die Hauptquelle für Phosphor. Darüber hinaus ist das Phytin der Pflanzen das Magnesiumsalz eines Phosphorsäureesters.

In vielen Laboratorien wird darüber geforscht, wie diese Bildung des Phosphors genau vonstatten geht. Hier noch die Entdeckungen, die mir mitgeteilt wurden, nachdem ich meine eigenen Entdeckungen veröffentlicht hatte:

a) Samen und Keimlinge haben unterschiedlichen Phosphorgehalt, selbst wenn beim Keimen kein Phosphor zugeführt wurde.

b) Während der Aktivität von Hefe ändert sich der Phosphorgehalt ebenfalls.

c) Eine Meerespflanze, die reich an Calcium ist (beispielsweise mit einem Calcium-
Magnesium-Verhältnis von 6 zu 1), wurde mit Bakterien versetzt, um die hosphorentstehung zu studieren.

Veränderlicher Phosphorgehalt in Keimlingen

Bei der Veränderung der organischen Bestandteile der Pflanze während des Wachstums laufen rein chemische Vorgänge ab, bei denen Atome und Molküle umgruppiert werden. Y. Colin* untersuchte Sonnenblumenkerne während des Keimens. Er erkannte einige Aspekte der Veränderung des Gehalts an phosphororganischen Verbindungen bei diesen Kernen und auch bei Weizenkeimen. Wir beschränken uns auf die Darstellung der Veränderung des Gesamtphosphorgehalts während des Keimvorgangs, bei der tatsächlich eine Elementumwandlung vorliegt.

Methoden der Gehaltsbestimmung

* Y. Colin: „Evolution des Composés Phosphoriques au Cours de la Germination.“ Bulletin Soc. Chim. Biol. (1934)

Hier lassen sich nicht alle 84 Seiten von Colins Aufsatz ausbreiten, doch scheint es nützlich, einen kurzen Überblick über die Schwierigkeiten zu geben, die sich bei der Erforschung dieser Frage ergeben. Bei einer Reaktion, die so aussieht wie die Abtrennung einer Verbindung, riskiert man, daß eine andere Verbindung, die man damit zugleich in unlöslicher Form blockiert, nicht mehr genau bestimmt werden kann. So hat die Erforschung der Trennung verschiedener Verbindungen zu einem neuen Problem geführt.

Phosphor liegt in Form von Phosphorsäureestern vor, wie beispielsweise bei den Phospholipoiden oder Phosphatiden. Zu diesen gehören Lecithin und andere Abkömmlinge des mit Phosphorsäure veresterten Glycerins, ebenso auch die verschiedenen Phosphorsäureester von Zuckern (Phosphosaccharide).


Während des Keimvorgangs verändert sich der Gehalt an Phospholipoiden. W. Maxwell lenkte 1891 möglicherweise als erster die Aufmerksamkeit darauf. Andere folgten mit Untersuchnungen an verschiedenen Samen. Miller fand 1910 heraus, daß die Lipoidreserven in Sonnenblumenkernen innerhalb von 13 Tagen von 55,6 % auf 13,5 % abgebaut werden. Im Jahre 1902 stellte Iwanow fest, daß der Lipoidphosphor in der Wicke, der 11,6 % des Gesamtphosphorgehalts zu Beginn des Keimvorgangs ausmacht, nach 20 Tagen auf nur 6,6 % absinkt. Der Proteingehalt sinkt von 52,5 % auf 13,7 %.


Im Jahre 1912 zeigten Bernadini und Morelli, daß der Phosphatidphosphorgehalt von 500 Weizenkeimen innerhalb weniger Tage unter Lichteinwirkung von 19 mg auf 55 mg ansteigt, im Dunkeln aber vollständig verschwindet*.

Experimente im Licht

Bei einem Experiment in den Gewächshäusern des Museums für Naturgeschichte erhielt die eine Hälfte der Pflanzschalen Licht, die andere wurde mit schwarzem Papier abgedeckt. Die Gewächshaustemperatur betrug bei größter Sonneneinstrahlung (im Mai) 30C. Da der Keimvorgang sehr schnell ablief, konnte die erste Ernte bereits nach zwei Tagen stattfinden, die zweite nach drei Tagen, die dritte nach sechs Tagen, und die vierte nach neun Tagen.

* ebda.

Hier die Ergebnisse für Proben von jeweils 400 Linsensamen, die im Licht gekeimt hatten (Angaben in mg):

mg Phosphor in Lipoid in Nuclein in Phytin anorganisch Gesamtgehalt
vor dem Keimen 12,67 10,4 50,63 18,30 92,00
nach 2 Tagen 11,85 9,76 48,38 21,81 91,80
nach 3 Tagen 11,35 11,15 38,31 30,84 91,65
nach 6 Tagen 10,25 12,50 12,64 54,61 90,00
nach 9 Tagen 9,45 15,25 0 62,30 87,00

 

Damit wurde, neben der Veränderlichkeit der Mengen der verschiedenen Phosphorverbindungen, eine wichtige Tatsache festgestellt: der Gesamtphosphorgehalt vermindert sich um 5,43 %. Ein weiteres Experiment wurde vom 23. Juni bis 4. Juli durchgeführt (12 Tage), diesmal mit Proben von jeweils 325 Linsenkeimlingen, aber auf Fließpapier, das mit zweifach destilliertem Wasser getränkt war. Jede Portion Linsen wog im Durchschnitt 26,63 g.

(ABBILDUNG)

Abb. 5: Veränderungen des Gesamtphosphorgehalts in Linsenkeimlingen (Mai)

  Gesamtphosphorgehalt (in mg)
23. Juni (vor dem Keimen) 112
27. Juni (nach 5 Tagen) 111
30. Juni (nach 8 Tagen) 110
4. Juli (nach 12 Tagen) 105

 

Es ergab sich eine Verringerung des Phosphorgehalts um 6,25 % (im Licht).

 (ABBILDUNG)

Abb. 6: Weitere Veränderung des Gesamtphosphorgehalts bei Linsen, die im Licht keimten (Sommer)

Sämtliche Experimente zur Ermittlung der Veränderung der Gesamtphosphormenge beim Keimvorgang weisen in dieselbe Richtung, und man muß jenseits aller Zweifel feststellen, daß eine gewisse Menge Phosphor verschwindet, abhängig von der Art der Keime, der Keimbedingungen und der Jahreszeit – doch stets in beträchtlichem Ausmaß. Diese Ergebnisse lassen sich nicht als fehlerhaft abtun, weil die damit beauftragten Laboratorien unabhängig von der eingesetzten Methode stets über die modernsten Geräte verfügten, jedes Mal andere Fachkräfte bei der Durchführung beteiligt waren und die Resultate doch immer in dieselbe Richtung wiesen.