Was als Nächstes kommt
Dieses Buch besteht aus fünf Teilen.
Teil I stellt die Grundelemente einer Urteils- und Entscheidungstheorie auf der Basis zweier Systeme vor. Der Unterschied zwischen den unwillkürlichen Operationen von System 1 und den bewusst gesteuerten Operationen von System 2 wird ausführlich dargelegt, und es wird gezeigt, wie das assoziative Gedächtnis, der Kern von System 1, fortwährend eine kohärente Interpretation dessen konstruiert, was zu jedem beliebigen Zeitpunkt in unserer Welt geschieht. Ich versuche, dem Leser eine Vorstellung von der Komplexität und Reichhaltigkeit der automatischen und oftmals unbewussten Prozesse zu vermitteln, die dem intuitiven Denken zugrunde liegen, und darzustellen, wie man die Urteilsheuristiken auf der Grundlage dieser automatischen Prozesse erklären kann. Ein Ziel ist es, eine Sprache einzuführen, die es erlaubt, präziser über kognitive Prozesse nachzudenken und zu sprechen.
Teil II stellt den aktuellen Wissensstand bei Urteilsheuristiken dar und geht einer wichtigen Frage nach: Weshalb ist es für uns so schwierig, statistisch zu denken? Es fällt uns leicht, assoziativ oder metaphorisch zu denken, wir denken kausal, aber eine statistische Betrachtungsweise erfordert, dass wir an viele Dinge gleichzeitig denken, worauf System 1 nicht ausgelegt ist.
Die Schwierigkeiten, die uns statistisches Denken bereitet, leiten über zu dem Hauptthema von Teil III, der eine rätselhafte Beschränkung unseres Denkens beschreibt: unser übermäßiges Vertrauen in das, was wir zu wissen glauben, und unsere scheinbare Unfähigkeit, das ganze Ausmaß unseres Unwissens und der Unbestimmtheit der Welt zuzugeben. Wir überschätzen tendenziell unser Wissen über die Welt, und wir unterschätzen die Rolle, die der Zufall bei Ereignissen spielt. Überzogenes Vertrauen in die Vorhersagbarkeit der Welt wird durch die illusorische Gewissheit retrospektiver Einsichten gestützt. Nassim Taleb, der Autor des Buches Der Schwarze Schwan, hat meine Ansichten zu diesem Thema maßgeblich beeinflusst. Ich hoffe auf Gespräche am Kaffeeautomaten, die die Lektionen, die wir aus der Vergangenheit lernen können, auf intelligente Weise erkunden, während sie der Verlockung rückblickender Verzerrung und der Illusion der Gewissheit widerstehen.
Der Schwerpunkt von Teil IV ist ein Gespräch mit den Wirtschaftswissenschaften über die Natur der Entscheidungsfindung und die Annahme, dass ökonomische Agenten rational handeln. In diesem Abschnitt des Buches stelle ich eine aktualisierte Version der Schlüsselkonzepte der Neuen Erwartungstheorie (Prospect Theory) auf der Basis des Zwei-System-Modells vor, jener Entscheidungstheorie, die Amos und ich 1979 publizierten. Daran anschließende Kapitel befassen sich mit verschiedenen Weisen, wie menschliche Entscheidungen von den Regeln der Rationalität abweichen können. Ich befasse mich mit der bedauerlichen Neigung, Probleme isoliert zu behandeln, und mit sogenannten Framing-Effekten (»Einrahmungseffekten«), bei denen Entscheidungen maßgeblich von unwesentlichen Merkmalen der Entscheidungsprobleme beeinflusst werden. Diese Beobachtungen, die sich ohne Weiteres mit den Eigenschaften von System erklären lassen, stellen eine große Herausforderung für die Rationalitätsannahme dar, wie sie in der herrschenden volkswirtschaftlichen Lehre vertreten wird.
Teil V beschreibt neueste Forschungen, die eine Unterscheidung zwischen zwei Formen des Selbst eingeführt haben – dem erlebenden Selbst und dem sich erinnernden Selbst –, die nicht die gleichen Interessen verfolgen. So können wir beispielsweise Menschen zwei schmerzhaften Erfahrungen aussetzen. Eine dieser Erfahrungen ist deutlich unangenehmer als die andere, weil sie länger dauert. Aber die automatische Bildung von Erinnerungen – ein Merkmal von System 1 – folgt bestimmten Regeln, die wir uns zunutze machen können, sodass uns die unangenehmere Episode in besserer Erinnerung bleibt. Wenn Menschen vor der Entscheidung stehen, welche Episode sie wiederholen sollen, werden sie unwillkürlich von ihrem erinnernden Selbst geleitet und setzen sich (ihr erlebendes Selbst) unnötigen Schmerzen aus. Die Differenzierung zwischen zwei Formen des Selbst wird auf die Messung des Wohlbefindens angewandt, wo wir erneut feststellen, dass das, was das erlebende Selbst glücklich macht, nicht das Gleiche ist, was das erinnernde Selbst befriedigt. Die Frage, wie beide Selbste in einem Körper Befriedigung finden können, wirft eine Reihe von Schwierigkeiten auf, sowohl für Individuen als auch für Gesellschaften, die in der Verwirklichung des Gemeinwohls eine politische Zielsetzung sehen.
In einem abschließenden Kapitel betrachten wir, in umgekehrter Reihenfolge, die Tragweite der drei in diesem Buch vorgenommenen Unterscheidungen: zwischen dem erlebenden und dem erinnernden Selbst, zwischen den Konzeptionen des Agenten in der klassischen Nationalökonomie und in der Verhaltensökonomik (die Anleihen bei der Psychologie macht) sowie zwischen dem unwillkürlichen System 1 und dem mühevollen System 2.
Ich kehre zurück zu den Vorteilen eines »aufgeklärten« Bürotratschs und zu der Frage, was Orgisationen tun können, um die Qualität von Urteilen und Entscheidungen, die Bedienstete in ihrem Auftrag treffen, zu verbessern.
Zwei Aufsätze, die ich zusammen mit Amos geschrieben habe, sind im Anhang abgedruckt. Der zweite Aufsatz, der 1984 veröffentlicht wurde, resümiert die Neue Erwartungstheorie und unsere Studien über Framing-Effekte. Diese Artikel stellen jene wissenschaftlichen Beiträge dar, auf die das Nobelpreiskomitee Bezug genommen hat – und es wird Sie vielleicht überraschen, wie einfach sie sind. Ihre Lektüre wird Ihnen eine Vorstellung davon vermitteln, wie viel wir schon seit langer Zeit wissen, aber auch davon, was wir in den letzten Jahrzehnten dazugelernt haben.