Modern Monetary Theory
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- The Wolff of Wall Street: Modern Monetary Theory
Die Volkswirtschaftslehre wird seit Jahrzehnten von zwei Strömungen beherrscht – dem Keynesianismus und dem Neoliberalismus. Der wichtigste Unterschied zwischen beiden besteht in der Einschätzung der Rolle des Staates.
Die Keynesianer verlangen, dass der Staat in wirtschaftlichen Krisenzeiten in das Geschehen eingreift, indem er zum Beispiel den Bau von Straßen, Brücken oder öffentlichen Gebäuden finanziert.
Durch solche Infrastrukturprojekte würden Arbeitsplätze geschaffen, die Beschäftigten würden dem Staat nicht mehr auf der Tasche liegen und könnten außerdem durch ihren Konsum die Wirtschaft wieder ankurbeln.
Die Neoliberalen dagegen verlangen, dass sich der Staat so weit wie möglich aus dem Wirtschaftsgeschehen heraushält. Ihre Grundforderungen sind die Deregulierung, also die Abschaffung einengender Regelungen für den Wirtschafts- und vor allem den Finanzsektor, und eine rigorose Sparpolitik des Staates.
In jüngster Zeit hat nun eine weitere Strömung zahlreiche Anhänger gewonnen – die Modern Monetary Theory, kurz MMT. Sie vertritt die grundsätzlichen Positionen des Keynesianismus, geht aber noch einen entscheidenden Schritt weiter. Die MMT verquickt nämlich die Rolle des Staates mit der der Zentralbank.
Der MMT zufolge schafft die Zentralbank Geld, während der Staat es in Gestalt von Steuern wieder einzieht. Das wichtigste Argument der MMT-Befürworter lautet: Zwischen beiden Vorgängen muss kein Gleichgewicht bestehen, die Zentralbank kann wesentlich mehr Geld schöpfen, als der Staat anschließend einzieht. Als Beleg für die Richtigkeit ihrer Thesen verweisen die MMT-Anhänger auf das Beispiel Japan. Dort hat die Zentralbank seit der Jahrtausendwende mehr Geld ins System gepumpt als in irgendeinem anderen Land der Erde – ohne dass es zu einer nennenswerten Inflation gekommen ist.
Diese Argumentation hat aber einen Haken. Das von der Zentralbank geschaffene Geld ist nämlich – so wie in allen anderen Ländern – nie bei der arbeitenden Bevölkerung angekommen, sondern auf direktem Weg in die Taschen von Finanzspekulanten geflossen – und die haben es nicht in die Realwirtschaft gesteckt, sondern in die
Anleihen-, Aktien- und Immobilienmärkte. Damit entsteht eine gewaltige Inflation – nur, dass man sie dort nicht so nennt, sondern stattdessen von „Blasen“ spricht.
Außerdem lässt die MMT die historische Situation, in der wir uns zurzeit befinden, völlig außer Acht. Wir haben es nämlich seit dem Beinahe-Zusammenbruch des globalen Finanzsystems 2007/08 an den Finanzmärkten auf Grund der Geldinjektionen und der Zinssenkungen der Zentralbanken mit einem künstlich erzeugten Dauer-Boom zu tun, der nicht ohne Folgen geblieben ist: Wir leben heute mit der höchsten Verschuldung von Staaten, Unternehmen und Privathaushalten, die es jemals gegeben hat.
Sollten die MMT-Anhänger ihre Pläne tatsächlich umsetzen, dann würden sie nicht nur die Staatsverschuldung auf immer neue Rekordwerte treiben. Da das neu geschaffene Geld nicht, wie die Geldspritzen seit 2007/08, in den Finanzsektor, sondern in die Realwirtschaft und in der Form von Löhnen an die arbeitenden Menschen ginge, würden diese eine höhere Nachfrage nach Konsumgütern erzeugen – und die würde von der Industrie mit absoluter Sicherheit zu einer Erhöhung der Preise genutzt werden.
Das heißt, sollte es tatsächlich zu einer Geldpolitik auf der Grundlage der MMT kommen, bekämen wir es schon bald mit einer Inflation zu tun. Und nicht nur das: Um ihr entgegenzuwirken, bliebe den MMT-Anhängern nichts anderes übrig, als noch mehr Geld ins System zu speisen. Auf diese Weise würde ein Kreislauf in Gang gesetzt, der
nicht mehr zu stoppen wäre und der zwangsläufig über die Geldentwertung zu einer fortschreitenden Enteignung der arbeitenden Bevölkerung führen würde. Die MMT löst also keines der Probleme, sondern schiebt sie nur vor sich her, schafft andere – neue – und schadet schlussendlich der Mehrheit der Bevölkerung.
Warum aber erhält die MMT dann zurzeit so großen Zulauf? Aus einem einfachen Grund: Das gegenwärtige globale Finanzsystem ist in sein Endstadium eingetreten. Sein finaler Zusammenbruch kann nicht mehr verhindert, sondern nur noch aufgeschoben werden. Dabei hat die Finanzelite die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten. Die erste besteht darin, den bisherigen neoliberalen Kurs zu verschärfen und eine noch härtere Sparpolitik des Staates durchzusetzen. Da ein solcher Kurs aber wegen des zu erwartenden Widerstands der Bevölkerung schwer durchzusetzen sein dürfte, muss man damit rechnen, dass die internationale Finanzelite in nicht allzu ferner Zukunft auf die MMT setzen wird.
Wie man derzeit sehen kann, springen politische Opportunisten aller Art momentan auf diesen Zug auf – und leisten der Finanzelite als Wegbereiter dieser Geldpolitik einen wertvollen Hilfsdienst.