Verbriefungen

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Wenn eine Bank einen Kredit vergibt, dann entstehen dadurch Forderungen der Bank gegen den Kreditnehmer – und zwar so lange, bis der Kreditnehmer den Kredit samt Zinsen am Ende der Laufzeit zurückzahlt und die Forderung wieder verfällt. Möchte die Bank nicht bis zur Rückzahlung warten, sondern schon während der Laufzeit des Kredits mit dem ihr zustehenden Geld arbeiten, kann sie das tun.


Dazu muss sie die Forderungen verbriefen. Das heißt, sie muss sie bündeln und zu sogenannten  „forderungsbesicherten Wertpapieren“ verpacken. Das kann sie mit allen Arten von Forderungen tun, zum Beispiel Unternehmenskrediten, Autokrediten oder Kreditkartenschulden.


Den Verkauf übernimmt in den meisten Fällen eine Zweckgesellschaft, die extra zur Durchführung dieser Transaktionen gegründet wird. Für die Bank bringt der Verkauf solcher Verbriefungen zwei Vorteile mit sich: Zum einen erhält sie – früher als mit dem Kreditnehmer vereinbart – Geld, mit dem sie arbeiten kann. Zum anderen überträgt sie dem Käufer nicht nur die Forderungen, sondern auch eventuelle Risiken, mit denen diese behaftet sein können. Die Bank erhöht also ihr Eigenkapital und verringert ihre Risiken.


Verbriefungen wurden bereits vor etwa 200 Jahren in Großbritannien gehandelt, haben dann aber circa 150 Jahre lang so gut wie keine Rolle gespielt. Sie sind erst in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts im Zuge der Deregulierung und der Finanzialisierung der Weltwirtschaft zu neuem Leben erwacht. In den 1990er Jahren kamen dann immer mehr Verbriefungen unter dem Oberbegriff „asset backed securities“ auf den Markt, und in der Krise von 2007/08 haben insbesondere mit Hypotheken – also Hausschulden – besicherte Wertpapiere eine entscheidende Rolle gespielt.


Da vor 2003 die Häuserpreise in den USA über lange Zeit kontinuierlich anstiegen, nahmen damals immer mehr Menschen Kredite auf, um sich ein eigenes Haus zu kaufen – in dem Glauben, dass sein Wert ja immer weiter zunehmen werde. Zwischen 2003 und 2006 explodierten die Häuserpreise förmlich und führten zu einem wahren Kaufrausch, den die Banken auch noch anheizten, indem sie weniger zahlungsfähige Kunden mit gestaffelten Zinssätzen anlockten, die natürlich erst einmal sehr niedrig begannen.


Um die mangelnde Kreditwürdigkeit vieler dieser Kunden zu kaschieren, wurden deren sogenannte „subprime“-Kredite anschließend zu einem großen Teil in einer komplexeren Form der hypothekenbesicherten Wertpapiere, nämlich den „Collateralized Mortgage Obligations“ (CMOs) gebündelt. Diese CMO‘s sind in verschiedene Tranchen eingeteilt, die unterschiedliche Risiken repräsentieren, wobei die Tranche mit dem höchsten Risiko auch die höchsten Erträge einbringt. Da viele Investoren wegen der teilweise um fast zehn Prozent pro Jahr steigenden Häuserpreise bereit waren, dieses Risiko einzugehen, wurden diese Papiere zu wahren Rennern, so lange jedenfalls, bis der Häusermarkt ab 2007 einbrach.


Als daraufhin Millionen von Hauskäufern ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten, mussten die Käufer der CMO‘s feststellen, dass sie auf sogenannten „toxischen“ – also wertlosen – Papieren saßen. Die Folgen waren dramatisch: Da die CMO‘s nicht nur in den USA, sondern in riesigen Mengen auch ins Ausland verkauft worden waren, brachten die Zahlungsausfälle das gesamte globale Finanzgefüge ins Wanken und lösten den Beinahe-Crash von 2007/08 aus.


Der Markt für CMO‘s brach daraufhin komplett zusammen. Inzwischen ist er allerdings langsam wieder im Kommen, wird aber von einer anderen Form der Verbriefung bei weitem übertroffen: Den „Collateralized Loan Obligations“, kurz CLO‘s, deren Markt inzwischen historische Rekordausmaße angenommen hat.


CLO‘s unterscheiden sich von den CMO‘s dadurch, dass ihnen keine Hypothek, sondern ein Firmenkredit zugrunde liegt. Auch bei ihnen gilt: Die Tranche mit dem höchsten Risiko bringt die höchsten Erträge. Das aber ist in unserer Zeit extrem gefährlich. Wegen der niedrigen Zinsen und der gewaltigen Geldinjektionen ins Finanzsystem haben sich nämlich seit der Krise von 2007/08 viele unprofitable – also eigentlich nicht lebensfähige – Firmen am Markt halten können.


Da der künstlich angetriebene Boom aber nicht ewig andauern kann, wird die nächste Rezession viele dieser Firmen zusammenbrechen lassen. Das dürfte auf den CLO-Markt einen ähnlichen Effekt haben wie der Fall der Häuserpreise ab 2006 in den USA und könnte somit wiederum dafür sorgen, dass Verbriefungen auch in der nächsten Finanzkrise eine zentrale Rolle spielen.