Der Lockdown und der digital- finanzielle Komplex
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- The Wolff of Wall Street SPEZIAL: Der Lockdown und der digital-finanzielle Komplex
Heute ist Samstag, der 30. Mai 2020, und die Welt befindet sich zurzeit auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft. Der weltweite Lockdown wird nach und nach beendet und viele Menschen hoffen, nun wieder ins alte Leben zurückkehren zu können.
Aber die Hoffnung trügt: In den vergangenen drei Monaten ist im globalen Wirtschafts- und Finanzsystem ein Prozess vorangetrieben worden, der keine Rückkehr in das alte Leben mehr zulässt. Wir sind ja bereits mit einer einsetzenden Rezession und einem schwer angeschlagenen globalen Finanzsystem in das Jahr 2020 gestartet und haben dann Anfang März einen Absturz des Ölpreises um mehr als 50 Prozent erlebt. Das allein hätte schon ausgereicht, um das System ins Wanken zu bringen.
Dann kam aber noch der wegen der Pandemie herbeigeführte weltweite Lockdown dazu, der an den Finanzmärkten ein wahres Erdbeben ausgelöst und zahlreiche Rekorde bewirkt hat: Wir haben im März 2020 innerhalb von drei Wochen den stärksten jemals registrierten Einbruch an den Aktienmärkten erlebt. Die Zentralbanken haben daraufhin die bisher größten Summen zur Stabilisierung des Systems aufgebracht und im April ist es dann zum schnellsten jemals verzeichneten Anstieg an den Aktienmärkten gekommen.
Weil die Mainstream-Medien und die Politik die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit während dieser Vorgänge ständig auf das Virus gelenkt haben, ist den meisten Menschen dabei etwas Entscheidendes entgangen – nämlich eine gigantische Vermögens-und Machtkonzentration, die sich in drei Phasen abgespielt hat:
- Phase Nr. 1: Nach dem Fall des Ölpreises Anfang März war bereits klar, dass die Märkte kräftig nachgeben würden. Als dann auch noch immer mehr Länder beschlossen, ihre Wirtschaft wegen der Pandemie stillzulegen, wurde noch deutlicher, dass ein kräftiger Börsensturz bevorstand. Trotzdem haben die Börsenaufsichten weltweit – mit einigen wenigen Ausnahmen – kein Verbot von Leerverkäufen erlassen. Die Folge: Großinvestoren konnten den Crash durch Wetten auf fallende Kurse nutzen und Milliardengewinne einstreichen.
- Phase Nr. 2: Nachdem der Crash immer bedrohlicher wurde, haben die Zentralbanken Billionensummen zur Stabilisierung des Systems bereitgestellt. Der Löwenanteil dieses Geldes ist aber nicht etwa an die gegangen, die am stärksten vom Lockdown betroffen waren, also die mittelständischen und kleinen Betriebe, sondern an diejenigen, die in den vergangenen zwölf Jahren bereits am meisten von den Zinssenkungen und der Geldschöpfung profitiert hatten. Die Folge: Die, die ohnehin auf riesigen Geldbeständen saßen, hatten nun
noch mehr Geld zur Verfügung. - Phase Nr. 3: Die auf diese Weise bereits doppelt begünstigten Investoren haben das Geld der Zentralbanken aber nicht etwa benutzt, um den Millionen von Beschäftigten, die von ihren Unternehmen in Kurzarbeit geschickt oder arbeitslos wurden, über eine finanziell schwierige Zeit hinwegzuhelfen, sondern es zum großen Teil wieder in die Finanzmärkte gesteckt und so – zum Beispiel über Aktienrückkäufe – im April und im Mai ein weiteres Mal riesige Summen eingenommen.
Diese dreifache Bereicherungsorgie hat dazu geführt, dass das Nettovermögen der Milliardäre in den USA laut dem „Institute for Policy Studies“ zwischen Mitte März und Mitte Mai 2020 um mehr als 430 Milliarden Dollar auf 3,4 Billionen Dollar angestiegen ist – ein Zuwachs von 15 Prozent innerhalb von nur zwei Monaten. Allein die beiden reichsten amerikanischen Milliardäre, die Chefs von Amazon und Facebook, sind um etwa 60 Milliarden US-Dollar reicher geworden – in acht Wochen.
Der sogenannte „Corona-Crash“ ist also einhergegangen mit der größten Vermögenskonzentration, die es jemals in so kurzer Zeit gegeben hat. Und nicht nur das: Parallel dazu ist es zu einer ebenso extremen Machtkonzentration gekommen.
Am deutlichsten ist das bei Amazon zu sehen, das während des Lockdowns 170.000 Neueinstellungen vorgenommen und seine globale Marktführerschaft stärker als je zuvor ausgebaut hat. Weniger sichtbar, aber mindestens ebenso bedeutend, ist der Machtzuwachs der Großkonzerne Microsoft, Apple, Alphabet (Google) und Facebook, die den Weltmarkt heute in einer nie dagewesenen Weise beherrschen und dabei mächtige Verbündete haben.
Zu ihren Aktionären zählen nicht nur Zentralbanken wie die Schweizer Nationalbank, die ja selbst Geld drucken und Aktienkurse damit per Mausklick nach oben treiben kann, sondern auch BlackRock, der größte Vermögensverwalter der Welt, der von der Federal Reserve und der Europäischen Zentralbank im Zuge des
Lockdowns als Berater angeheuert wurde, um über die Verteilung der freigegebenen Gelder mitzuentscheiden.
Aber auch das ist noch nicht alles: Der Lockdown hat nämlich auch für einen erheblichen Machtgewinn des digitalen Sektors gegenüber dem Rest der Wirtschaft gesorgt. Sowohl Homeoffice als auch Homeschooling eröffnen den IT-Konzernen ja riesige neue Märkte. Und auch alte Märkte wie der Internethandel, die
Plattformökonomie und die digitale Unterhaltung erleben zurzeit einen gewaltigen Boom, genauso wie der Bereich der Finanzdienstleister, der von der Zurückdrängung des Bargeldes profitiert.
Vor knapp 60 Jahren hat der amerikanische Präsident Eisenhower in seiner Abschiedsrede vor dem „militärisch-industriellen Komplex“ gewarnt. Inzwischen ist dieser Komplex längst vom digital-finanziellen Komplex übernommen worden. Die Allianz der mächtigsten Spieler der Wall Street und des Silicon Valley übt heute
weltweit wesentlich mehr Macht aus als es der militärisch-industrielle Komplex je getan hat – und hat darüber hinaus durch den Lockdown den größten Schub seiner Geschichte erfahren.
Aber auch diese Kraft ist nicht allmächtig. Man muss sich den digitalfinanziellen Komplex nämlich wie einen Tumor vorstellen, der sich – begünstigt durch den Lockdown – immer schneller ausbreitet, der dabei aber seinem Wirt – der Realwirtschaft – immer mehr Lebensenergie entzieht. Das heißt aber nichts anderes, als dass sein
Wachstum den Tumor zwingt, die eigene Existenzgrundlage zu zerstören.
Genau diese Zerstörung werden wir in den kommenden Monaten sehr intensiv erleben. Große Teile des Mittelstands werden in den Bankrott getrieben und von Geierfonds übernommen und ausgeweidet werden. Millionen von Beschäftigten werden nicht in ihre Jobs zurückkehren. Die Geldschwemme der Zentralbanken wird eine nie gekannte Austeritätspolitik nach sich ziehen. Gleichzeitig werden immer mehr Finanzinstitute, Großkonzerne und auch ganze Staaten mit immer höheren Summen gerettet werden müssen.
Der Lebensstandard der überwiegenden Mehrheit der Menschen wird einbrechen und damit auch der Konsum als Motor der Wirtschaft. Den Zentralbanken wird nichts anderes übrig bleiben, als zum Mittel des Helikoptergeldes zu greifen und damit eine gewaltige Inflation in Gang zu setzen, die vor allem die unteren Einkommensschichten mit aller Härte treffen und die mit Sicherheit soziale Unruhen auslösen wird.
Das alles sind düstere Aussichten, aber sie haben auch eine Kehrseite. Sie bergen nämlich auch eine historische Chance. Weil die Menschen durch die Logik der Entwicklung in immer höherer Zahl mit diesem System in Konflikt geraten, werden immer mehr von ihnen aufhören, den offiziellen Narrativen zu glauben – wie dem, dass ein Virus am Einbruch der Weltwirtschaft und am Absturz des globalen Finanzsystems schuld ist.
Immer mehr Menschen werden beginnen, nach einem Ausweg zu suchen und daher zunehmend bereit sein, das gegenwärtige System infrage zu stellen. Dieser Prozess wird nicht geradlinig verlaufen, aber er könnte trotzdem dazu führen, dass am Ende eine Mehrheit zu der Einsicht gelangt:
Die Zeit ist reif für ein demokratisches Geldsystem.