2010/03: Wisnewski: Der peinliche Prinz – Prinz Bernhard der Niederlande
Spätestens seit der »Pinkelaffäre« um Prinz Ernst August von Hannover wissen wir, dass Prinzen mitunter ziemlich peinlich sein können. Gegen den skandalbeladenen Gründer der Bilderberger-Gruppe, Prinz Bernhard der Niederlande, ist Ernst August jedoch der reinste Waisenknabe.
Im Jahr 1954 kam Prinz Bernhard auf die Idee, die Bilderberger- Gruppe als »Verständigungskonferenz« zwischen den USA und Europa einzurichten – sagte er jedenfalls. Wie es genau dazu kam, wurde bereits geschildert. Fest steht jedenfalls, dass die Bilderberger damit einen ziemlich dubiosen Gründervater hatten.
»Wegen seiner Sympathie für die Nazis, seiner Sexaffären, seiner schmuddeligen Beziehungen zum Big Business war der Mann mit der Nelke im Knopfloch ein Dauerstörfall im Hause Oranien«, schrieb Der Spiegel am 6. Dezember 2004.
Die berufliche Karriere des Prinzen Bernhard zur Lippe-Biesterfeld (wie Prinz Bernhard damals noch hieß) begann 1935 bei der I.G. Farben, dem zeitweise viertgrößten Konzern der Welt, der unter anderem Geschäftsbeziehungen zu Rockefellers Standard Oil pflegte. »Prinz Bernhard hatte immer bestritten, mit dem Nationalsozialismus sympathisiert zu haben. In seinen jungen Jahren jedoch war er Mitglied der Reiter-SS, der SA-Fliegerstaffel und des NSKK (Nationalsozialistisches Kraftfahrer-Korps) gewesen«, heißt es auf der Website des TV-Senders Phoenix (Kai Klauder, PHOENIXonline, ohne Datum). Mitte der dreißiger Jahre lernte Prinz zur Lippe-Biesterfeld die Tochter der niederländischen Königin Wilhelmina, Prinzessin Juliana, kennen; am 7. Januar 1937 heiratete er sie. Zwar war er zuvor aus allen nationalsozialistischen Organisationen ausgetreten, doch seine erste Auslandsreise als Mitglied des niederländischen Königshauses soll ihn ausgerechnet zu Adolf Hitler geführt haben. 1938 wurde seine Tochter Beatrix geboren, heute Königin der Niederlande und seine Nachfolgerin bei den Bilderbergern.
Im Zweiten Weltkrieg floh Bernhard ins Londoner Exil, wo er sich um eine Aufgabe beim britischen Geheimdienst bemühte, für den auch Retinger arbeitete. Eine Biographie des niederländischen Journalisten Philip Dröge (Titel: »Beroep: Meesterspion, het geheime leven van prins Bernhard«, Amsterdam 2003. Zu Deutsch: »Beruf: Meisterspion – das geheime Leben von Prinz Bernhard«) schildert den Bilderberger-Gründer Bernhard als »Meisterspion« mit »geheimem Leben« während des Zweiten Weltkriegs und danach, so Der Spiegel vom 1. Juli 2002: »Nach seinen Recherchen in Washington, London und Berlin soll der adlige Herr für mindestens acht verschiedene Geheimdienste spioniert haben, darunter für Amerikaner, Polen und Briten, aber auch für die deutsche Abwehr unter Admiral Canaris.« Sieh an. Doch »Geschichtswissenschaftler in den Niederlanden« hätten Kritik an dem Buch geübt, so Der Spiegel: »Die Bezeichnung Meisterspion sei ›für Prinz Bernhard zu viel der Ehre‹.« Aha – und warum? »Erwiesen sei lediglich, dass Bernhard Spione aller Couleur kannte.« Allerdings ist ein Mann, der »Spione aller Couleur« kennt, nichts anderes als ein Meisterspion. Denn einem gewöhnlichen Agenten wird diese Ehre wohl kaum zuteil werden.
Nach dem Krieg kassierte »Agent Orange« (Spitzname Bernhards, nach dem Hause Oranien, in das er eingeheiratet hatte), der auch Beziehungen zur amerikanischen Mafia unterhalten haben soll, 1,1 Millionen Dollar Schmiergeld von der US-Firma Lockheed für den Ankauf des Skandalflugzeugs Lockheed F-104 »Starfighter« für die niederländische Luftwaffe. Von Premierminister Joop den Uyl vor die Wahl gestellt, sich einem Gerichtsverfahren zu stellen oder sich aus allen Ämtern zurückzuziehen, wählte Bernhard die zweite Option.
Was Prinz Bernhard für die Bilderberger interessant machte, war natürlich auch die Beteiligung des niederländischen Königshauses am größten Konzern der Welt, der Royal Dutch Shell, der »Königlich-Niederländischen Shell«. Das Unternehmen gehörte schon damals zu den größten der Welt, und 2008 war es mit einem Umsatz von 458 Milliarden Dollar umsatzmäßig definitiv der größte Konzern auf dem Globus.
Früher hielten die niederländischen Royals angeblich bis zu 25 Prozent an Shell, inzwischen sollen es weniger sein. Trotzdem heißt das, dass der Bilderberger Bernhard (und später seine Tochter Beatrix) zu den mächtigsten Menschen überhaupt zählt(e).
Denn kaum jemand verfügt über so viel Macht wie die Ölkonzerne, ohne die in der heutigen Welt gar nichts mehr funktioniert. Auch nicht die viel gepriesenen Kraftfahrzeuge, die mit einem Elektromotor angetrieben werden. Denn auch ein solches Fahrzeug muss geschmiert werden, und auch seine Energie muss irgendwo produziert werden, häufig geschieht das in einem Ölkraftwerk.
1988 überwies Prinz Bernhard den Verkaufserlös aus zwei Gemälden seiner Privatsammlung an den von ihm geführten World Wildlife Fund (WWF).
Doch der transferierte den größten Teil des Geldes wieder an Bernhard zurück – angeblich, damit der eine Truppe zur Bekämpfung des illegalen Elfenbeinhandels finanzieren konnte. Diese Truppe gab es zwar wirklich, doch statt die Elfenbein-Wilderer zu bekämpfen stieg sie selbst in das illegale Elfenbein-Geschäft ein (siehe PHOENIX Online).
Im Jahr 2004, genau fünfzig Jahre nach Gründung der Bilderberger, verstarb Prinz Bernhard.