Eustace Mullins: Bankier-verschwörung – 1. NELSON ALDRICH

Am Abend des 22. November 1910 traf sich eine größere Zahl von Zeitungsberichterstattern auf dem Bahnhof Hoboken in New Jersey. Sie hatten einen Hinweis bekommen, daß einige sehr hochstehende Persönlichkeiten von New York City nach Hoboken kommen würden, um dort in geheimem Auftrag mit dem Zug abzureisen. Welcher Art dieser Auftrag war oder welchen Personenkreis er umschloß, wußte niemand von ihnen, aber sie waren sich dessen gewiß, daß ein außerordentlich bedeutsames Ereignis geplant war.

 

Senator Nelson Aldrich betrat den Bahnhof. Das war der Beweis für Ihre Vermutung. Die Berichterstatter sammelten sich um ihn herum. Er verhielt sich würdevoll, obgleich er wegen seiner Schroffheit und der Schwierigkeit, von ihm eine Auskunft zu erhalten, bekannt war. Das war durch seine Verbindung zum mächtigen Gummi-Trust und zum TabakTrust begründet. Als einer der fünf republikanischen Senatoren, die damals den Senat beherrschten, hatte Aldrich seine durch die Wahl errungene Stellung dazu ausgenutzt, eine Reihe von Zollbestimmungen und Gesetzen zu erlassen, die für seine Interessen von Nutzen waren. Er war auch mehrfach wegen seiner kalten Mißachtung des Amtseides angezeigt worden, da er seine Machtstellung den Plänen der internationalen Geldleute zugute kommen ließ.

 

Aldrich war kürzlich mit der Nationalen Währungskommission, deren Leiter er war, aus Europa zurückgekehrt. Diese Kommission war vom Kongreß gebildet worden, um dem allgemeinen Verlangen nach einer Regierurıgsmaßnahme gegen jene großen Barıkiers zu entsprechen, die 1907 künstlich eine Panik hervorgerufen hatten. Sie war damit beauftragt worden, die Praxis des Geldwesens gründlichst zu studieren, bevor sie ein
Bank- und Währungsreformgesetz für den Kongreß entwarf. Gleichzeitig zweifelte man jedoch daran, daß ein Gesetz, das unter der Führung eines Mannes mit Aldrichs bekannten Sympathien und Beschäftigungen zustande käme, eine echte Reform darstellen würde. Doch der Kongreß blieb solcher Kritik unzugänglich.

 

Senator Aldrich und die Nationale Währungskommission hatten auf Kosten der amerikanischen Steuerzahler fast zwei Jahre in Europa zugebracht und dabei mehr als 300000 Dollar öffentliche Gelder verbraucht, obgleich sie von allen wichtigen europäischen Geldleuten eingeladen und bewirtet worden waren und zu Lasten des jeweiligen Landes zu leben schienen, in dem sie reisten.

 

Seit seiner Rückkehr nach Amerika hatte Senator Aldrich keinerlei Versuche unternommen, dem Kongreß das Ergebnis seiner Reise mitzuteilen oder irgendwelche Gedanken zur Finanzreform zu äußern. Die Nation erwartete, daß er Maßnahmen vorschlüge, um die Wiederkehr finanzieller Krisen zu verhindern, die das Geschäftsleben und die kleinen Vermögen seit dem Bürgerkriege fortgesetzt geschädigt hatten. Aber er hatte keinerlei klaren Vorschlag zur Abhilfe gemacht.

 

In der Begleitung von Senator Aldrich befand sich A. Piatt Andrew, von Beruf Volkswirtschaftler und Hilfssekretär im Schatzamt; er war als Sonderassistent der Nationalen Wáihrungskommission mit Aldrich nach Europa gereist.

 

Ihnen folgten Aldrichs Privatsekretär Shelton, außerdem Gepäckträger mit zahlreichen Gepäckstücken. Offensichtlich verreisten sie für längere Zeit. Die sie bedrängenden Reporter, welche die meisten der großen New Yorker Tageszeitungen vertraten, waren davon überzeugt, daß der Geheimauftrag mit der beabsichtigten Finanzreform zusammenhängen müsse. Angriffslustig umschwärmten sie Aldrich, um irgendeine Mitteilung zu ergattern.

 

Aldrich war gewöhnt mit Reportern umzugehen; er ging an ihnen vorbei, ohne irgendeine ihm zugerufene Frage zu beantworten; auch seine Begleitung beachtete die Zeitungsleute nicht. Sie bestiegen Aldrichs Sonderwagen am Ende des Zuges, und die Vorhänge wurden sofort vor die Fenster gezogen. Die Reporter hatte man einfach stehen lassen; sie konnten nun untereinander mutmaßen, was die Gesetzesmacher vorhatten.

 

Die Neugier der Reporter wurde gesteigert, als sie zwei weitere Bankiers auf den Bahnhof kommen sahen, ebenfalls von einigen Gepäckträgern gefolgt. Der eine war Frank Vanderlip, ein stämmiger, heiterer Mann, der sich vom Landarbeiter bis zum Präsidenten der National City Bank of New York, der mächtigsten Bank Amerikas, emporgearbeitet hatte. Sie gehörte dem Bankhaus Kuhn, Loeb and Company, vertrat die Ölinteressen Rockefellers und die Eisenbahngesellschaft, hatte große Besitzungen in Südamerika und wurde 1898 beschuldigt, die Vereinigten Staaten in den Krieg mit Spanien gedrängt zu haben. Jedenfalls ging die National City Bank aus diesem Kriege als Eigentümerin der kubanischen Zuckerindustrie hervor.

 

Mit Vanderlip kam der ernste Henry P. Davison, der Seniorpartner der ]. P. Morgan Company, und Charles D. Norton, der Präsident von Morgans First National Bank of New York. Diese drei Männer waren tonangebend in der kleinen Gruppe der New Yorker Bankiers, welche man bezichtigt hatte, das gesamte Geld- und Kreditwesen der Vereinigten Staaten zu kontrollieren. Mr. Vanderlip erklärte einem Reporter, daß sie lediglich beabsichtigten, ein geruhsames Wochenende auf dem Lande zu verleben.

 

Diese Männer kontrollierten das Öl, die Eisenbahnen, das Nachrichanwesen und die Schwerindustrie des Landes. Welches geplante Unternehmen veranlaßte sie, sich aus New York hinauszuschleichen, um einen privaten Zug auf der anderen Seite des Flusses zu besteigen? So mächtige Männer hatten eigentlich keinen Grund, ihr Kommen und Gehen zu verbergen. In vergangenen Tagen hatten sie die öffentliche Meinung und das Gemeinwohl offen mißachtet. Kein großes Unternehmen konnte begonnen werden, ohne daß einer oder mehrere dieser Männer aufgesucht wurde, und sie achteten darauf, daß ihr Rat und ihre Hilfe wohl belohnt wurden. Sie bestimmten Kongreßmitglieder, ernannten Richter, kauften oder verkauften Zeitungen und Verlagshäuser, wann immer sie es für nötig hielten. Einer von ihnen erntete einmal geradezu Ruhm, weil er ausgerufen hatte: ››Die Öffentlichkeit schert uns den Teufel!« Es lag einfach nicht in ihrer Art, sich mit Geheimnistuerei zu umhüllen.

 

Die Reporter hatten das gleiche Glück mit diesen Bankiers, wie sie es mit Aldrich gehabt hatten; sie mußten zusehen, wie ihre ››Story« in Aldrichs Sonderwagen verschwand.

 

Die nächste Person, die erschien, war ihnen nicht so gut bekannt. Es war Paul Moritz Warburg, ein deutscher Einwanderer, der in weniger als acht Jahren die Möglichkeiten Amerikas so zu nutzen verstanden hatte, daß er bereits Teilhaber im Bankhaus von Kuhn, Loeb und Company war mit einem jährlichen Gehalt von 500000 Dollar. Sein Stammhaus M. M. Warburg Co. in Hamburg und Amsterdam war der deutsche Hauptvertreter der großen europäischen Bankfamilie der Rothschilds. Außerdem hatte sich Jakob Schiff mit einem großzügigen Betrag aus Rothschilds Kapital eine Partnerschaft bei Kuhn, Loeb und Company gekauft, wodurch es in weniger als zwanzig Jahren gelungen war, die unumstrittene Herrschaft über das große Eisenbahnwesen der Vereinigten Staaten zu erlangen.

 

Paul Warburg hatte dem Geschäft, seitdem er in dieses Land kam, nicht viel Aufmerksamkeit gewidmet. Stattdessen verbrachte er viel Zeit mit dem Studium und Schreiben über das Problem der Finanzreform. Das schien in direktem Widerspruch zu seinen persönlichen Interessen und denen seiner Arbeitgeber zu stehen, denn eine wirkliche Finanzreform in Amerika würde sicherlich deren Einkünfte und Macht verringern. Aber seine Tätigkeit in dieser Richtung brachte ihm ein wachsendes Gehalt und genügend Zeit, um, wie sich später herausstellte, eine Bankgesetzgebung vorzubereiten, die der Errichtung einer Zentralbank in den Vereinigten Staaten diente, ähnlich den Zentralbanken in Europa. Es dauerte auch nicht lange, und Warburg wurde das Bankgehirn<< von New York genannt, und wenn er in den Versammlungen der Handelskammer oder anderer verbrüderter Bankiergruppen sprach, umgab ihn bald ein großes Auditorium New Yorker Bankleute.


Mit Warburg kam Benjamin Strong. Dieser hatte sich auf der Wall Street während der Panik von 1907 als ein fähiger Mitarbeiter von J. P. Morgan hervorgetan, besonders durch seine Geschicklichkeit in der Ausführung von Anordnungen. Jene Panik war von Morgan hervorgerufen worden, um die Konkurrenz der Heinze-Morse-Gruppe im Bankgeschäft, Schiffswesen und der Schwerindustrie auszuschalten.

 

Es war kein Zufall, Strong in der Begleitung von Warburg zu sehen; denn die Interessen von]. P. Morgan und Kuhn, Loeb Co. hatten 1901 zu einer Vereinigung geführt, die als Northern Securities Company bekannt wurde und seitdem das Land beherrschte. Diese Vereinigung hatte Theodore Roosevelt 1904 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gemacht, um die gerichtliche Verfolgung der Northern Securities Company hinauszuschieben. Roosevelt erreichte dies, und die Morgan-Kuhn-Loeb-Allianz konnte ein komplizierteres und weniger verwundbares System ausarbeiten. Für diese Tat erntete Roosevelt den Namen eines »trust-buster« (Konzernzertrümmerer). (1)

 

Warburg und Strong blieben den Reportern gegenüber ebenso schweigsam wie die anderen. Die Reporter sahen den Zug, ohne ein Wort von den Bankiers gehört zu haben, den Bahnhof verlassen. Sie kehrten zu ihren Zeitungen zurück mit nichts als ein paar Zeilen über die Tatsache der geheimnisvollen Abreise der Finanzleute aus New York.

 

Aber keine Tageszeitung der Hauptstadt veröffentlichte etwas. Die Herausgeber übersahen das Ereignis wohlweislich. Der erste Öffentliche Hinweis auf das geheimnisvolle Unternehmen erschien erst ungefähr sechs Jahre später, drei Jahre nachdem das Federal-Reserve-Gesetz erlassen worden war und sich bereits auswirkte. Der Hinweis erfolgte in einem Artikel von E. C. Forbes, der in Frank Leslie’s Magazin zum Lobe von Paul Warburg erschien, wobei beiläufig eine Erzählung über ››]ekyl Island« und somit die erste Enthüllung über das Geschehen im November 1910 gebracht wurde. Während der nächsten dreißig Jahre wurde der Bericht von Forbes nach und nach durch Erzählungen und Biographien der Hauptbeteiligten ergänzt, bis die ganze Geschichte bekannt wurde.

(1)

  • Die Northern Securities umfaßten die gesamte Einflußsphäre der Rothschilds in Amerika. Nachdem J. P. Morgan und Co. 1869 die führende internationale Agentur in Amerika geworden war, gingen J, P. Morgan und Anthony Drexel nach London und schlossen mit N. M. Rothschild Company ein Abkommen, daß J. P. Morgan Company von nun an als ihr Agent handeln sollte.
  • In gleicher Weise betrieben folgende Firmen die Geschäfte Rothschilds nach 1869:
    • Drexel Company in Philadelphia,
    • J. P. Morgan in New York,
    • Grenfell ê Company in London und
    • Morgan, Harjes G Company in Paris.
  • So war es den Rothschilds möglich, sich unter weniger bekannten Namen zu verstecken. J. P. Morgan wurde zu dieser hohen Ehre auserkoren wegen der Karabiner-Affäre während des Bürgerkrieges, als er seine eigene Regierung damit betrog, daß er der Unions-Armee Karabiner aus dem Bundesarsenal verkaufte, welche die Armee für unbrauchbar erklärt hatte.
  • Diese Angelegenheit ist eingehend in Custafvus Myers‘ History of the Great American Fortımes (Geschichte der großen amerikanischen Vermögen) behandelt worden. J. P. Morgans Vater, Julius S. Morgan, war ein Partner von George Peabody and Company, der ein Finanzagent der Bundesregierung in London während des Bürgerkrieges war, und als solcher auch im Interesse der Rothschilds handelte, was auch von Myers dokumentiert wird.

Aldrichs privater Eisenbahnwagen, der mit geschlossenen Vorhängen Hoboken verlassen hatte, brachte die Finanzleute zur Insel Jekyl im Staate Georgia, und zwar zumjekyl Island Hunt Club, einem sehr exklusiven Jagdklub, der J, P. Morgan und einigen einflußreichen New Yorker Bankiers gehörte. Er lag in völliger Einsamkeit und diente als behaglicher Zufluchtsort, weit entfernt von den Sorgen des New Yorker Geldmarktes. Seine vorteilhafte Lage machten ihn besonders geeignet für andere Zwecke als nur die der Jagd. In solchen Fällen wurden die Klubmitglieder benachrichtigt, für eine bestimmte Anzahl Tage nicht im Klub zu erscheinen. Als Aldrichs Gruppe New York verließ, waren die Klubmitglieder bereits benachrichtigt, daß die nächsten 14 Tage das Klubhaus besetzt sein würde.


Die Aldrich-Gruppe interessierte sich diesmal nicht für die Jagd. Sie war nach Jekyl Island gekommen, um viel zu arbeiten, und zwar in völliger Geheimhaltung. Zu diesem Zwecke hatte sie zuvor bereits die Angestellten des Klubs auf zwei Wochen beurlaubt und neue Bedienstete herbeigeschafft. Sie sah die Geheimhaltung der Identität der Teilnehmer sogar als so dringend an, daß während der nächsten zwei Wochen keine Besuche gestattet wurden und sie sich nie mit ihrem Familiennamen, sondern nur mit ihren Vornamen anredeten, wie Henry, Ben und Paul.


Das erwies sich für alle Beteiligten als so zufriedenstellend, daß sie diese Maßnahme nach ihrer Rückkehr nach New York in verpflichtender Form beibehielten und den sogenannten »Vornamen-Klub« gründeten, wobei sie die Mitgli edschaft auf jene beschränkten, die auf ]ekyl Island gewesen waren.

 

Warum diese Geheimnistuerei? Weshalb diese Fahrt über tausend Meilen in geschlossenem Eisenbahnwagen zu einem entfernten Jagdklub? Die Aldrich-Gruppe fuhr dorthin, um das Bank- und Währungsgesetz auszuarbeiten, das vorzubereiten der National Monetary Commission aufgetragen worden war. Die künftige Kontrolle über das Geld« und Kreditwesen der Vereinigten Staaten stand auf -dem Spiel. Hätte der Kongreß irgendeine Finanzreform verabschiedet, die nicht von und zugunsten der New Yorker Bankiers abgefaßt wurde, dann wäre deren Macht beendet. Als derjenige, der sich am besten im Detail auskannte, erhielt Paul Warburg den Auftrag, den größten Teil des Gesetzes zu entwerfen, Senator Nelson Aldrich sollte ihm die Form geben, die vom Kongreß angenommen werden konnte, und die anderen Bankiers sollten zusätzliche Vorschläge machen und bei besonderen Bankfragen helfen.

 

Anstatt also dem Kongreß und dem amerikanischen Volk über die Ergebnisse der Europareise der National Monetary Commission zu berichten, fuhr Senator Aldrich nach Jekyl Island, um ein Gesetz aufzusetzen, das später vom Kongreß angenommen und 1913 vom Präsidenten Woodrow Wilson als Federal-Reserve-Act (Zentralbank-Gesetz) unterzeichnet wurde.

 
Die Jekyl-Island-Gesellschaft verbrachte neun Tage im Klubhaus, eifrig bemüht, ihr Werk zu vollenden; denn der Kongreß beklagte sich bereits, daß die Währungskommission kein Ergebnis erzielt zu haben schien. Trotz des gemeinsamen Interesses der Anwesenden ging die Arbeit nicht ohne Reibungen vonstatten. Senator Aldrich betrachtete sich als Leiter der Gruppe und konnte sich nicht enthalten, alle zu kommandieren. Zugleich fühlte er sich ein wenig fehl am Platze, da er als einziger kein Bankier war. Er wußte sehr wenig über die technische Seite finanzieller Unternehmungen, da er bis jetzt nur darauf geachtet hatte, daß die Gesetze des Landes ihn bei seinen Geschäften schützten.

 

Paul Warburg wünschte, daß jede Frage durchdiskutiert wurde und ließ sich keine Gelegenheit entgehen, umfangreiche Erläuterungen abzugeben oder die anderen durch das Ausmaß seines Fachwissens zu beeindrucken. Das erschien den anderen oft als Zeitverschwendung und verursachte manch spitze Bemerkung von Aldrich, so daß es manchmal die ganze diplomatische Geschicklichkeit von Henry P. Davison erforderte, alle bei der Stange zu halten. Auch Warburgs starker ausländischer Akzent verärgerte sie. Er selbst empfand die Schwierigkeit seiner Position als einziger Außenseiter in dieser Clique amerikanischer Aristokraten; trotzdem stritt er bei jeder Gelegenheit um technische Fragen, die er als sein ureigenstes Arbeitsfeld betrachtete.

 

Eine der Hauptschwierigkeiten bei der Ausarbeitung eines Reformplanes, der als Werk der National Monetary Commission ausgegeben werden konnte, war es, die eigentlichen Autoren zu verheimlichen. Seit 1907 war die Abneigung des Volkes gegen Bankiers so groß, daß kein Mitglied des Kongresses es gewagt hätte, einem Gesetz zuzustimmen, das den Makel der Wall Street trug, selbst ohne Rücksicht darauf, wer ihm seine Wahlkosten finanziert hatte. Der Plan, der in jekyl Island ausgearbeitet wurde, war der Entwurf für eine Zentralbank. In der Geschichte Amerikas gab es eine weit zurückreichende Tradition im Kampf gegen die Einführung einer Zentralbank für Geldangelegenheiten des Landes, und bis 1896 gab es auch einen ununterbrochenen Kampf gegen eine totalitäre Beherrschung unserer Geldmittel. Er begann mit Jeffersons Kampf gegen den Plan Alexander Hamiltons bezüglich der First Bank oft/oe United States. Er setzte sich fort in Andrew Jacksons erfolgreichem Kampf gegen Nicholas Biddles Second Bank oft/oe United States (Biddle war hierbei von James Rothschild in Paris gestützt worden). Dieser Bürgerkrieg auf finanziellem Gebiet endete mit der Einführung des Independent-Sub-Treasury-System (Unabhängiges Schatzamt), welches vermutlich die Hände der großen Bankiers von den Werten der Vereinigten Staaten weitgehend ferngehalten hat. Weil sich unsere staatlichen Werte unter der Verwaltung des Schatzamtes befanden, hatten die Bankiers die Geldpaniken von 1873, 1893 und 1907 verursacht, womit sie ein weitverbreitetes Elend im Land hervorriefen und die Bevölkerung antrieben, zu verlangen, daß der Kongreß ein Gesetz erlasse, das die Wiederkehr künstlich erzeugter Geldpaniken verhindern sollte. Eine solche Finanzreform schien nunmehr unvermeidlich; es kam nur darauf an, das in die Hand und unter Kontrolle zu bekommen, was die Nationale Währungskommission mit dem Multimillionär Nelson Aldrich an ihrer Spitze zu entwerfen hatte. Der innere Kreis der Geldleute war auf Jekyl Island zusammengekommen, um ein Bankgesetz zu entwerfen, das ihre Interessen schützte, aber als ein ››Bankgesetz des Volkes« veröffentlicht werden könnte.

 

Nach Paul Warburgs Meinung galt es vor allem, den Namen „Zentralbank“ zu vermeiden, und er schlug deshalb die Bezeichnung Federal-Reserve-System vor. In der Öffentlichkeit würde dies den Verdacht mindern, daß die Schaffung einer Zentralbank beabsichtigt wäre. In Wirklichkeit jedoch besäße das Federal-Reserve-System die drei wichtigsten traditionellen Funktionen einer Zentralbank: Es wäre Eigentum von Privatpersonen, die ihren Profit aus dem Besitz von Aktien ziehen und den Geldumlauf in der nationalen Wirtschaft kontrollieren könnten; es würde das Verfügungsrecht über sämtliche Staatsgelder haben; es könnte die Vereinigten Staaten in größere ausländische Kriege verwickeln und dadurch zur finanziellen Beteiligung anregen und in Schulden stürzen.


Ein weiteres grundsätzliches Problem war, wie verheimlicht werden konnte, daß das vorgeschlagene Federal-Reserve~System von den Männern des New Yorker Geldmarktes beherrscht werden würde. Die Abgeordneten des Kongresses aus dem Süden und besonders aus dem Westen würden bei der Befürwortung eines Wall Street-Planes ihren Sitz verlieren, denn die Farmer und kleinen Geschäftsleute in diesem Gebiet hatten viel unter den wiederholten Finanzkrisen zu leiden gehabt, und seit dem Bürgerkrieg bestand eine allgemeine Abneigung gegen die Ost-Bankiers. Die persönlichen Aufzeichnungen und Briefe von Nicholas Biddle, welche erst nahezu hundert Jahre nach seinem Tode veröffentlicht wurden, lassen erkennen, daß schon zu dieser Zeit die östlichen Bankiers die Abneigung gegen sich in Betracht zu ziehen hatten.


Paul Warburg hatte bereits den grundlegende Trick ausgearbeitet, der verhindern sollte, daß die Bevölkerung das Projekt als das einer Zentralbank erkennen konnte. Es war dies das regionale Reserve-System, eine Organisation von vier, später zwölf Zweig-Reserve-Banken, die in verschiedenen Teilen des Landes gelegen waren. Niemand, dem die Einzelheiten der nationalen Kreditverhältnisse unbekannt waren, würde sich darüber klar werden können, daß die gegenwärtige Konzentration der meisten Schulden und des meisten Geldes der Nation in New York die Einrichtung regionaler Reserve Banken zu einer Farce machen würde, weil diese letztlich von der Höhe des Kredites oder der Menge des Geldes abhängig sein würden, die für sie in New York verfügbar wären.

 

Die wichtigste Bestimmung, welche die Finanzleute in das Gesetz aufnahmen, war die Wahl der Administratoren des Systems. Aldrich erklärte als erster, daß die Angestellten nur von ihnen berufen sein sollten und daß der Kongreß überhaupt nichts mit ihnen zu tun haben dürfe. Als erfahrener Senator wußte er, daß jede Kontrolle des Kongresses über die Verwaltung des Systems die Wall Street-Interessen stören würde und daß die Schnüffler im Kongreß jede Gelegenheit wahrnehmen, um nach Unregelmäßigkeiten zu forschen, um den Wählern zu beweisen, daß sie es sind, die die alten Feinde, die »Eastern Bankers«, bekämpfen.

 

Die Befreiung des Systems von jeder Kontrolle und Überwachung durch den Kongreß machte den Gesetzesvorschlag von Anfang an verfassungswidrig. Die Federal-Reserfve-Banle besäße das Recht einer Notenbank, obwohl nach der Verfassung der Kongreß allein dazu berechtigt war. Artikel 1, Abschnitt 8, Paragraph 5 der Verfassung bestimmt:

  • »Der Kongreß soll die Macht haben, Münzen zuprägen und ihren Wert, auch den Wert von ausländischem Geld, zu bestimmen.« (2)

Die Einführung von Warburgs Federal-Reserve-System bedeutete, daß die Legislative ihre Selbständigkeit verlieren und das System der Kontrolle und des Gleichgewichts der staatlichen Gewalt zerstör würde, für das Thomas Jefferson so lange gekämpft hatte. Die Administratoren des Systems würden in Zukunft die Geldausgabe und das Kreditwesen kontrollieren und nur noch durch die Exekutive kontrolliert werden. Da die Gerichtsbarkeit (der oberste Gerichtshof etc.) bereits mittels ernannter Beamter durch die Exekutive kontrolliert wurde, wäre damit die gesetzgebende Gewalt wirksam entmachtet. Das aber ermöglichte eine schnell vor sich gehende Macht-Zusammenballung hinter dem Rücken des Weißen Hauses in Washington.


Vier Jahre nach der Verabschiedung des Federal-Reserve-Act im Jahre 1913 waren die Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg verwickelt und in den Griff einer absoluten Diktatur von drei Männern geraten, die jeden einkerkerte, der sich ihnen widersetzte.

  • So wurde ein Präsidentschaftskandidat der Sozialistischen Partei, Eugene Debs, von Woodrow Wilson ins Gefängnis von Atlanta geschickt, weil er es unterließ, die Teilnahme der amerikanischen Jugend auf den Schlachtfeldern Flanderns zu begrüßen.
  • Unsere Schwerindustrie stand unter der Diktatur des Wall Street-Spielers Bernard Baruch;
  • Ernährungswesen und Landwirtschaft unterstanden der Diktatur Herbert Hoovers, eines Goldspekulanten der Londoner Börse, der vor seiner Ernennung durch Woodrow Wilson zwanzig Jahre lang nicht in Amerika gelebt hatte;
  • und die Finanzen standen unter der Diktatur von Paul Warburg, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Federal-Reserve-Banken, dessen entscheidende Bindung die zu seinem Familien-Bankhaus M. M. Warburg Co. in Hamburg war.

M. M. Warburg finanzierte zu jener Zeit den Krieg des Kaisers gegen Amerika, und Paul Warburgs Firma Kuhn, Loeb Co. hatte im Schatzamt der Vereinigten Staaten fünf Vertreter, die mit der Ausgabe der Freiheits-Anleihen beschäftigt waren, mit denen unser Krieg gegen den Kaiser finanziert wurde.(2)

  • Der höchste Gerichtshof hat entschieden, daß die Übertragung des Miinzprägerechtes und der Geldausgabe an private Banken verfassungsgeınäß sei, weil der Kongreß es für »nötig und richtig« hielt, dies zu tun. ››Nötig und richtig«, sagte der Gerichtshof, »bedeutet bequem«. Natürlich ist die ››bequemste« Art, die durch die Verfassung festgelegte Macht auszuüben, diejenige, Macht an private Interessen abzutreten. (Mc-Culloch gegen Maryland, 4 Wheat 316, 4. L.ed. 579.)

Baruchs Partner in der Alaska-Juneau Gold Mining Co., Eugene Meyer, war Leiter der War Finance Corporation. Er vereinnahmte Kommissionsgebühren für die Hunderte von Millionen Dollar Freiheits-Anleihen, die er als Leiter der Kriegsfinanzierungs-Gesellschaft von sich selbst und dann wieder an sich selbst, nämlich an Eugene Meyer & Co. 14. Wall St., New York verkaufte.


Es war daher kein Wunder, daß er sich durch Aktienmehrheit die Kontrolle über den ungeheuren Chemietrust, die Allied Chemical und Dye Corporation, erkaufte und sich zum Verleger in Washington machte, u.a. zum Eigentümer der extrem linksgerichteten Washington Post, die später so eifrig den Verräter Alger Hiss verteidigte.

 

Solche Machtpositionen standen auf dem Spiele; es war daher nicht verwunderlich, daß die Aldrich-Gruppe tausend Meilen weit in verschlossenem Eisenbahnwagen nach Jekyl Island reiste, um ihre Planung .zur Machtübernahme im Lande auszuarbeiten. Die Niederschrift des Plans war freilich nur der erste Schritt.


Zur ersten ernsten Auseinandersetzung während der Arbeit auf Jekyl Island kam es, als Senator Nelson Aldrich erklärte, daß er die von Warburg vorgeschlagene Bezeichnung: Federal-Reserve-System nicht im Zusammenhang mit dem Gesetz dulden könne. Sein Name sei der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der geplanten Finanzreform bereits so geläufig, daß es Verdacht errege, wenn ein Gesetz dem Kongreß vorgelegt würde, das nicht seinen Namen trüge. Warburg wandte vergeblich dagegen ein, der Name Aldrich sorge dafür, daß das Gesetz von vornherein als Interessenvertretung der Wall Street verurteilt werde, denn Aldrich sei allgemein bekannt wegen seiner Zollgesetze zu Gunsten der Tabak- und Gummikonzerne. Doch Aldrich hatte es sich in den Kopf gesetzt, daß das neue Gesetz seinen Namen tragen müßte, und ließ keine Einwendungen gelten.

 

Die meisten Vorschläge Warburgs waren schon in das Gesetz hineingearbeitet worden, und so sahen seine Mitarbeiter in dieser Meinungsverschiedenheit eine Gelegenheit, ihn wenigstens in diesem Punkte zu schlagen und ließen Warburg in seiner Opposition gegen Aldrich allein. Obwohl Warburg voraussah, daß allein schon Aldrichs Name die Annahme ihrer Arbeit erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen würde, bemühte er sich dennoch, gemeinsam mit den anderen, dem Gesetz den letzten Schliff zu geben; und etwa zehn Tage, nachdem sie sich aus der Stadt geschlichen hatten, kehrten sie mit einem fertigen Finanzgesetz zurück, das dem Kongreß als der „Aldrich-Plan“ vorgelegt werden sollte.


Warburg war es bestens gelungen, einen höchst wichtigen Punkt in den Plan hineinzubringen: Allen Banken in den Vereinigten Staaten sollte vorgeschrieben werden, einen einheitlichen Diskontsatz zu erheben. Das war die Arbeitsweise bei den großen europäischen Zentralbanken, über die Warburg so gut Bescheid wußte. Ein Diskontsatz, der von einer Zentralbank für das ganze Land festgesetzt würde, eröffnete nicht nur die Möglichkeit, auf dem New Yorker Geldmarkt eine Panik auszulösen wie 1893 oder 1907, sondern auch die Möglichkeit, die Geldknappheit zu einem allgemeinen Zustand zu machen. Tatsächlich erfolgten dann auch die Krise in der Landwirtschaft von 1920/21 und die Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1931. Für beide war, wie wir sehen werden, das Federal-Reserve-System direkt verantwortlich.

 

In seinem Memorandum, das in der offiziellen Biographie von Nelson Aldrich zitiert wird, sagt Warburg:

  • »Die Angelegenheit eines einheitlichen Disleontsatzes wurde Jekyl Island beraten und beschlossen«

Obgleich dies Warburgs einziger Hinweis auf Jekyl Island war (in einem 2500 Seiten umfassenden Werk von ihm über das Federal-Reserve-System unterläßt er es, jenes Treffen irgendwie zu erwähnen), blieben die anderen Mitglieder des »Vornamen-Klubs« nicht so verschwiegen. Im Jahre 1935 ging Vanderlip in der Saturday Evening Post auf Einzelheiten der Vorgänge auf Jekyl Island ein. In der Einleitung zu seinem Bericht sagte er:

  • „Trotz meiner Ansichten über den Wert größerer Publizität bei Korporations-Angelegenheiten, gab es ein Ereignis, und zwar gegen Ende des Jahres 1910, bei dem ich mich so verschwiegen und heimlich benahm wie ein Verschwörer. Da es für Senator Aldrichs Plan fverhängniswoll gewesen wäre, wenn man erfahren hätte, daß er die Hilfe von Wall Street-Leuten für die Ausarbeitung seines Gesetzes erbat, wurden alle Vorsichtsmaßregeln ergriffen, die das Herz von James Stillmann (Präsident der National City Bank während des Spanisch-Amerikanischen Krieges) erfreut hätten. „

Frank Vanderlip bestätigte ferner in seiner Autobiographie Vom Bauernjungen zum Finanzmann:

  • Unsere geheime Expedition nach Jekyl Island hatte den Zweck, das festzulegen, was später als Federal-Reserve-System verwirklicht wurde. Alle wesentlichen Punkte des Aldrich-Planes waren in dem Federal-Reserve-Act enthalten, als es angenommen wurde.

In einem Vorwort zu einigen Abhandlungen Warburgs, in denen er eine Zentralbank befürwortete, sagte Prof. E. R. A. Seligman, einer aus der Gruppe der internationalen Bankiers und Vorsitzender der volkswirtschaftlichen Abteilung der Columbia-Universität :

  •  »Das Federal-Reserve-Act (Bundesbankgesetz) ist in der Hauptsache das Werk ‚von Mr. Warburg

Die Tatsachen bestätigen die Aussage von Mr. Seligman.