3: Der Abzug am Arbeitsertrag durch die Grundrente.
Die Natürliche Wirtschaftsordnung (1919 - 3. Auflage)-Fotokopie
- Siehe auch FT: Die natürliche Wirtschaftsordnung
3: Der Abzug am Arbeitsertrag durch die Grundrente.
Der Grundbesitzer hat es in der Hand, seinen Boden bebauen zu lassen oder es nicht zu tun. Die Erhaltung seines Besitzes ist von der Bebauung unabhängig. Der Boden verdirbt nicht unter der Brache, im Gegenteil, er wird dadurch besser; bot doch die Brache unter der Dreifelderwirtschaft die einzige Möglichkeit, den erschöpften Boden wieder fruchtbar zu machen.
Ein Grundbesitzer hat also gar keine Ursache, seinen Besitz (Acker, Bauplatz, Erz- und Kohlenlager, Wasserkraft, Wald usw.) anderen zur Benutzung zu überlassen ohne Entgelt. Wird dem Grundbesitzer für solche Benutzung keine Vergütung (Pachtzins) angeboten, so läßt er den Boden brach. Er ist vollständig Herr über seinen Besitz.
Darum wird auch jeder, der Boden braucht und sich an die Grundbesitzer wendet, sich regelmäßig und selbstverständlich zu einer Leistung (Pachtzins bequemen müssen. Und wenn wir die Erdoberfläche und ihre Fruchtbarkeit vervielfältigen —, es würde doch keinem Grundbesitzer einfallen, ohne Entgelt den Boden anderen zu überlassen. Im äußersten Fall kann er seine Besitzung in Jagdgründe verwandeln oder als Park benutzen. Der Zins ist eine selbstverständliche Voraussetzung jeder Pachtung, weil der Druck des Wettbewerbs im Angebot von Pachtland niemals bis zur Unentgeltlichkeit des Bodens reichen kann.
Wieviel wird nun der Grundbesitzer fordern können? Wenn die ganze Erdoberfläche für die Ernährung der Menschen nötig wäre, wenn in der Nähe und Ferne überhaupt kein freies Land mehr zu finden, die gesamte Erde in Kultur und Besitz genommen, und auch durch Anstellung von mehr Arbeitern, durch sogen. dichte (intensive) oder Sparlandkultur kein Mehr an Produkten zu erzielen wäre, dann würde die Abhängigkeit der Besitzlosen von ihren Grundherren eine ebenso unbedingte sein, wie zur Zeit der Leibeigenschaft, und dementsprechend würden auch die Grundbesitzer ihre Forderungen bis zur Grenze des überhaupt Erreichbaren heraufschrauben, d. h., sie würden das volle Arbeitsprodukt, die volle Ernte für sich beanspruchen und davon dem Arbeiter, wie einem gemeinen Sklaven so viel abtreten, wie zu seiner Erhaltung und Fortpflanzung nötig ist. In diesem Falle wäre die Voraussetzung erfüllt für das unbedingte Walten des sogen. „ehernen Lohngesetzes“. Der Bauer wäre auf Gnade und Ungnade den Grundbesitzern ausgeliefert, und der Pachtzins wäre gleich dem Ertrag des Ackers, abzüglich der Futterkosten für den Bauern und die Zugtiere und abzüglich des Kapitalzinses.
Diese unentbehrliche Voraussetzung für den ehernen Lohn trifft jedoch nicht zu, denn die Erde ist größer, sogar sehr viel größer und fruchtbarer, als zur Erhaltung ihrer heutigen Bewohner nötig ist. Sogar bei der jetzigen Sparland-Bewirtschaftung (Sparlandkultur: sogen. extensive Kultur, wo man mit der Arbeit spart.) ist sicherlich kaum ein Drittel der Fläche ausgenutzt, das übrige ist brach und vielfach herrenlos. Ginge man überall zur Sparland-Kultur (Sparlandkultur: sogen. intensive Kultur, wo man mit dem Boden spart.) über, so würde vielleicht ein Zehntel der Erdoberfläche schon genügen, um die Menschheit mit dem Maß von Lebensmitteln zu versorgen, das den Arbeitern heute durchschnittlich zur Verfügung steht. Neun Zehntel der Erdoberfläche könnten in diesem Falle brachliegen. (Was allerdings nicht bedeuten soll, daß man danach verfahren würde. Wenn jeder sich hatt essen will und sich nicht mit Kartoffeln begnügt, wenn jeder ein Reitpferd halten will, einen Hof mit Pfauen, Tauben, wenn er einen Rosengarten, einen Teich zum Baden haben will, dann könnte unter Umständen die Erde noch zu klein sein.)
- Die Sparland-Kultur (Die Sparhandkultur braucht viel Boden, die Sparlandkultur viele Arbeiter.) umfaßt: Entsumpfung, Berieselung, Bodenmischung, Rigolen, Sprengung von Felsen, Mergelung, Anwendung künftlicher Düngemittel, Wahl der Kulturpflanzen, Veredelung der Pflanzen und Tiere, Vernichtung von Schädlingen bei Obstbäumen, Weinbergen; Verfolgung der Wanderheuschrecken, Ersparnis an Arbeitstieren durch Eisenbahnen, Kanäle, Kraftwagen, bessere Ausnutzung der Futterstoffe durch Austausch; Einschränkung der Schafzucht durch die Baumwollkultur, Vegetarismus usw. usw.
Durch völligen Mangel an Boden ist also heute niemand gezwungen, sich an die Grundbesitzer zu wenden, und weil dieser Zwang fehlt (aber nur darum), ist auch die Abhängigkeit der Grundbesitzlosen vom Grundbesitzer begrenzt. Nur haben die Grundbesitzer das Beste des Bodens in Besitz, und in der Nähe wenigstens sind nur solche Striche noch herrenlos, deren Urbarmachung sehr viel Arbeit kostet. Auch fordert die Sparland-Kultur beträchtlich mehr Mühe, und nicht jedermanns Sache ist es, auszuwandern, um die herrenlosen Länder in der Wildnis zu besiedeln; ganz abgesehen davon, daß die Auswanderung Geld kostet und daß die Erzeugnisse jener Ländereien nur mit großen Unkosten an Fracht und Zoll auf den Markt gebracht werden können.
Das alles weiß der Bauer, das alles weiß aber auch der Grundherr. Ehe also der Bauer sich zur Auswanderung entschließt, oder ehe er das in der Nähe liegende Moor entsumpft und urbar macht, ehe er zur Gartenwirtschaft übergeht, fragt er den Grundherrn, was er an Pachtzins für seinen Acker fordern würde. Und ehe der Grundheir diese Frage beantwortet, überlegt er und berechnet den Unterschied zwischen dem Ertrag der Arbeit auf seinem Acker und dem Ertrag (Man beachte hier wohl den Unterschied zwischen Arbeitsprodukt und Arbeitsertrag. Oft kommt es vor, daß das Arbeitsprodukt des Auswanderers zehnmal größer ist, ohne daß ein Arbeitsertrag sich bessert.) der Arbeit auf Ödland, Gartenland und herrenlosem Lande in Afrika, Amerika, Asien und Australien. Denn diesen Unterschied will er für sich haben, den kann er als Pacht für seinen Acker fordern.
Aller Regel nach wird jedoch nicht viel gerechnet. Man geht hier vielmehr erfahrungsmäßig vor. Irgend ein übermütiger Bursche wandert aus und wenn er günstig berichtet, folgen andere. Dadurch geht in der Heimat das Angebot von Arbeitskräften zurück und die Folge ist eine allgemeine Erhöhung der Lohnsätze. Dauert die Abwanderung an, so steigt der Lohn bis zu einem Punkte, wo der Auswanderer wieder im Zweifel ist, ob er bleiben oder ziehen soll. Dieser Punkt bedeutet den Ausgleich in den Arbeits-Erträgen hier und drüben. Manchmal kommt es auch vor, daß der Auswanderer über sein Tun sich Rechenschaft geben will, und es mag darum angebracht sein, sich einmal eine solche Rechnung anzusehen:
1. Rechnung des Auswanderers:
Reisegeld für sich und seine Familie | 1000 M. |
Unfall- und Lebensversicherung während der Reise | 200 M. |
Krankenversicherung für die Eingewöhnung, d. h. die Summe, welche die Krankenversicherung für die besondere Gefahr des Klimawechsels berechnen würde | 200 M. |
Besitznahme, Abgrenzung | 500 M. |
An Betriebskapital wird die gleiche Summe vorausgesetzt, die der Bauer in Deutschland braucht; es ist also nicht nötig, diese hier anzuführen | — M. |
Kosten der Ansiedlung | 2000 M. |
Diese Kosten des Auswanderers, die der Pächter in Deutschland spart, werden dem Betriebskapital zugerechnet, dessen Zinsen als Betriebsunkosten verrechnet werden:
5 % von 2000 M. = | 100 M. |
Nehmen wir nun an, daß der Ansiedler mit gleicher Arbeit dieselben Produkte erzeugt, wie auf dem heimischen Boden dessen Wettbewerb hier in Betracht steht, so muß berücksichtigt werden, daß es der Bauer, wie jeder Arbeiter, gar nicht auf die Produkte selbst abgesehen hat, sondern auf das, was er mit seinen Erzeugnissen an Gebrauchsgütern eintauschen kann, also auf den Arbeitsertrag. Dieser geht ihn allein an; um sich diesen zu beschaffen, arbeitet er. Der Ansiedler muß also seine Erzeugnisse auf den Markt bringen, und den Gelderlös muß er wieder in Waren umsetzen und diese nach Hause bringen. | |
Der Markt für diesen Austausch der Erzeugnisse ist in der Regel weit ab; nehmen wir an, es wäre Deutschland, wo ja große Massen landwirtschaftlicher Produkte eingeführt werden müssen, so hat der Auswanderer zu zahlen: | |
Fracht für Fuhrwerk, Bahn, Seeschiff und Kahn | 200 M. |
Einfuhrzoll in Deutschland | 100 M. |
Fracht für Kahn, Seeschiff, Bahn und Fuhrwerk auf die eingetauschten Gebrauchsgüter | 200 M. |
Zoll darauf bei der Einfuhr in seiner neuen Heimat | 100 M. |
Summa: | 1000 M. |
Die gewöhnlich auf dem Handelswege erfolgende Umwandlung des Arbeitsproduktes in Arbeitsertrag kostet dem Auswanderer nach obiger Rechnung an Fracht, Zoll und Handelsspesen die Summe von M. 1000.—, die der Bebauer deutschen Bodens spart. Wenn letzterer also für einen Acker, der das gleiche Arbeitsprodukt verspricht wie die Heimstätte des Auswanderets, M. 1000. – an Pacht zahlt, so steht sein Arbeitsertrag auf gleicher Höhe mit dem des Auswanderers.
- Der gleiche wirtschaftliche Unterschied zugunsten des obigen im Wettbewerb stehenden Ackers ergibt sich, wenn Ödland in Deutschland urbar gemacht werden soll, nur treten hier an Stelle der Fracht- und Z0llkosten die Zinsen für das in der Urbarmachung aufgewendete Kapital (Entwässerung des Moores, Mischung der verschiedenen Bodenschichten, Entsäuerung mit Kalk und Düngung). Bei der Sparland-Kultur treten an die Stelle von Zinsen und Frachten höhere Kulturkosten.
Der Pachtzins wirkt also in der Richtung, den Arbeitsertrag (nicht das Arbeitsprodukt) überall auf die gleiche Höhe herabzusetzen. Das, was der altgepflegte heimische Boden landwirtschaftlich vor der Lüneburger Heide und, der Marktlage nach, vor dem herrenlosen Land in Kanada voraus hat, das beansprucht der Grundherr restlos für sich, als Grundrente, oder beim Verkauf des Bodens in kapitalisierter Form als Preis. Alle Unterschiede des Boden in Bezug auf Fruchtbarkeit, Klima, Marktnähe, Zölle, Frachten usw. werden durch die Grundrente ausgeglichen. (Man beachte, daß ich die Arbeitslöhne hier nicht anführe; es geschicht mit Bedacht.)
Die Grundrente verwandelt in wirtschaftlicher Beziehung den Erdball in eine für den Pächter, Unternehmer, Kapitalisten (soweit er nicht Bodenbesitzer ist) durchaus gleichartige, eintönige Masse. So sagt Flürscheim: „Wie alle Unebenheiten des Mecresbodens durch das Wasser zu einer glatten Fläche umgewandelt werden, so ebnet die Rente den Boden. Und zwar setzt sie (und das ist das Merkwürdige) den Ertrag der Arbeit für alle Bebauer des Bodens gleichmäßig auf den Ertrag herab, den man vom Ödland in der Heimat oder vom herrenlosen Boden in der fernen Wildnis erwarten kann. Die Begriffe fruchtbar, unfruchtbar, lehmig, sändig, sumpfig, mager, fett, gut und schlecht gelegen, werden durch die Grundrente in wirtschaftlicher Beziehung wesenlos. Die Grundrente macht es für alle Arbeiter völlig gleichgültig, ob sie Schiffelland in der Eifel, Gartenboden in Berlin, Weinberge am Rhein bearbeiten.