Landwirtschaft

Die klassische Agronomie (worunter ich die an den Fach- und Hochschulen gelehrte Wissenschaft verstehe) ist eine gewaltige Hochstapelei, die in ihrem Zynismus beängstigend ist. Sie empfiehlt den Einsatz von Volldünger, worunter man vor allem Stickstoff, Phosphor und Kalium (NPK) versteht, als ob dies die einzigen Elemente wären, die man in den Pflanzen findet. Ihre Grundannahme besagt, daß man dem Boden die Elemente, die man ihm Jahr um Jahr durch die Ernte entzieht, in Qualität und Quantität ersetzen muß. Man kann sagen, daß diese Art der Landwirtschaft sich in ein Dilemma manövriert hat:

 

a) Soll das Gesetz der Restitution (der Wiederherstellung des Zustands vor der Ernte) erfüllt werden, wobei man unausgesprochen eingesteht, daß bei der Ernte auch andere Elemente als Stickstoff, Phosphor und Kalium entnommen werden, so müßte die Pflanze diese anderen Elemente in unbegrenzter Menge im Boden vorfinden.

 

b) Oder die Pflanzen müssen sich die Elemente, die in der Ernte enthalten sind und im Boden nicht vorkommen, selbst herstellen.

 

Diese Alternative bedeutet eine Transmutation von Elementen auf biologischem Weg. Wie sonst soll man sich beispielsweise die kontinuierliche Entnahme von Schwefel durch die Ernte erklären? Nehmen wir ein Feld, auf dem Hafer angebaut wird und das einen Ertrag von 4000 kg pro Hektar liefert. Allein im Getreide (vom Stroh ganz zu schweigen) finden sich 8 kg Schwefel pro Hektar. Woher stammt dieser Schwefel in undurchlässigen, tonigen Böden, wie das bei Hafer oft vorkommt?

 

Es handelt sich nicht um eine Frage der Einwanderung, denn woher soll der Schwefel einwandern? Dasselbe kann man in bezug auf andere Elemente fragen. So sind in 4000 kg Hafer pro Hektar auch 120 g Zink enthalten und 160 g Mangan. Nach einigen Jahrhunderten Ackerbau summiert sich das zu einem beträchtlichen Wert.

 

Doch nicht alle diese Elemente findet man in dieser Menge im Boden. Die Pflanzen finden, was sie suchen, was je nach Pflanzenart und Boden natürlich verschieden ist. Man darf hier nicht pauschalisieren. Es muß geklärt werden, ob der Boden Elemente enthält oder nicht, mit deren Hilfe sich die Pflanze andere Elemente selber herstellt, die sie zum Wachsen braucht, aber nicht im Boden findet.

 

Wenn das feststeht, müssen die Bedingungen so sein, daß Transmutationen ablaufen können. Gewöhnlich finden sie in Gegenwart von Mikroorganismen statt, für die die Wurzeln günstige Wachstumsbedingungen bereitstellen müssen. Was wir brauchen, ist daher eine biologische Landwirtschaft, die meilenweit von der herkömmlichen, der es nur um die Versorgung mit NPK-Dünger geht, entfernt ist.

 

Anwendung der biologischen Transmutationen

Mit biologischen Transmutationen lassen sich die grundlegenden Vorgänge der biologischen Landwirtschaft erklären, ganz gleich nach welcher speziellen Methode man im einzelnen arbeitet. In der biodynamischen Landwirtschaft und auch in anderen Methoden, die mit lebendigen Prozessen arbeiten, verwendet man Aufgüsse (vergorene Lösungen einzelner Pflanzen, die sehr reich an Spurenelementen sind), um den Säuregrad des Bodens auszugleichen. Die Spurenelemente werden
von den Enzymen dringend gebraucht; die Enzyme ihrerseits (deren Tätigkeit auf bestimmte Weise durch die Aktivität gewisser Pflanzen und sogar Säugetiere angeregt wird) sind verantwortlich für die biologischen Transmutationen. Die Aktivierung dieser enzymatischen Tätigkeit durch die Pflanzen erklärt auch den zunehmenden

 

Erfolg der Phytotherapie und der Aromatherapie.

Versucht man, den Pflanzen selbst nur eine kleine Anzahl Elemente zur Verfügung zu stellen, so werden sie in bezug auf diese gesättigt, und das schafft ein Ungleichgewicht in ihnen und im Boden. Es entsteht ein Mangel an anderen Elementen, und bestimmte natürliche Abläufe werden behindert. Das gesamte Gefüge wird wackelig, der Boden erkrankt, und die Reaktionen des pflanzlichen Organismus hören auf, so das er anfällig wird für Parasiten, was wiederum den Einsatz von Pestiziden notwendig macht. In der biologischen Landwirtschaft schaut man sich im Gegensatz dazu an, welche Elemente den Pflanzen zugeführt werden sollten, damit diese sie in die Elemente umwandeln, die man im letzten Schritt des Stoffwechsels vorfindet. Die Landwirtschaft des 19. und 20. Jahrhunderts ist im Absterben begriffen, während die biologische Landwirtschaft an Boden gewinnt.

 

Der Leser hüte sich, auf die sogenannten „Nachprüfungen“ hereinzufallen, die in der Vergangenheit von Agronomen vorgelegt wurden. Deren Ergebnisse täuschen oft*. Veröffentlichte Analysen, selbst von offizieller Seite, weichen um 30 bis 300 % voneinander ab. Es ist traurig, daß man derartige Ergebnisse überhaupt veröffentlicht, denn sie zeigen deutlich die Unfähigkeit vieler Labors. Die Zahlen sind zu verzerrt und widersprüchlich, als daß man sie überhaupt ernst nehmen könnte. Ich will mich über dieses unglückliche Beispiel jetzt nicht weiter auslassen; es ist ein Hinweis darauf, auf welch niedrigem Niveau manche Wissenschaftler tätig sind. Ich komme aber später auf die Irrtümer zurück.

 

Wollen wir uns um die vor uns liegende Arbeit kümmern und uns nicht durch Skeptizismus beeindrucken lassen. Der Widerstand wird zunehmend forscher, doch man reagiert nur auf das, was eine Bedrohung darstellt. Ein Freund schrieb mir: „Die Lebhaftigkeit, mit der man gegen dich vorgeht, hat ihr Gutes. Gewicht und Wert der Antithese offenbaren die Gewißheit der These.“

 

Die Agronomen haben schon immer gewußt, daß jungfräulicher Boden, der nie zuvor bearbeitet wurde, ohne die Hilfe von künstlichem oder natürlichem Dünger eine gute Ernte liefert. Nach und nach schleichen sich aber Mangelerscheinungen ein, weil bestimmte Elemente nach der Ernte fehlen.


* Siehe z. B. das Bulletin der französischen Akademie für Landwirtschaft von 1970.

 

Denselben Agronomen ist weiterhin aufgefallen, daß die Erde innerhalb weniger Jahre ihre verlorenen Elemente wieder zurückgewinnt, wenn man ihr Ruhe gönnt und sie brachliegen läßt. Sie haben das Problem gelöst, indem sie eine turnusmäßige Bewirtschaftung der Felder einführten, in der auch ein Brachfallen eingeplant wurde. Sät man Leguminosen wie Klee und Luzerne, die den Stickstoff „fixieren“, so läßt sich die nötige Brachezeit verkürzen.

 

Die Agronomen erklären dieses Phänomen damit, daß die fehlenden Elemente durch Staub und Tiere herangetragen würden und in den Boden einwanderten. Das sind höchst vereinfachende Annahmen, die weder nachgeprüft noch durch irgendein Experiment bestätigt wurden. Eine andere simplifizierende Behauptung ist, diese „Geisterelemente“ stammten aus der erhöhten Löslichkeit unlöslicher Bodenbestandteile. Um Einwände dieser Art zu widerlegen, habe ich Daten zum lösli-
chen und zum unlöslichen Anteil vorgelegt. Die traditionelle Auffassung von Löslichkeit ist entschieden zu willkürlich und absolut: Eine unlösliche Verbindung kann durch die Absonderungen von Feinwurzeln, durch Mikroorganismen oder auf anderem Wege aufgelöst werden.

 

Es ist ein Fehler, wenn man im Labor das Lösliche vom Unlöslichen unterscheidet und abtrennt. Die willkürlich gewählte Säure, mit der man die Mineralien des Boden aufschließt, hat nichts gemein mit den vielfältigen und spezifischen Säureabsonderungen der Feinwurzeln oder den Mikroorganismen im Boden, die diese Elemente löslich machen, die zwar in Wasser unlöslich, in Säure aber löslich
sind.

 

Um das Jahr 1600 herum pflanzte der flämische Chemiker Jean-Baptiste Helmont einen Baum in einem Bottich mit 200 Pfund Erde. Nach fünf Jahren war der Baum um 164 Pfund schwerer. Auch die Erde war schwerer geworden, aber nur um 50 Gramm. Helmont hatte keinerlei Mineralien zugesetzt, sondern darauf geachtet, daß nur gegossen wurde. Er hatte gehofft, nachweisen zu können, daß Wasser sich in feste Materie verwandelte.

 

Viel können wir aus diesem Experiment nicht lernen, doch es ist ein Beispiel dafür, wie die Frage nach dem Ursprung der Materie den Anstoß für Forschung bildete.
Mitte des 19. Jahrhunderts zeigte Grandeau in Nantes, daß ein Feld nach einigen Jahren der Erholung sich seinem Gleichgewicht wieder annähert. Ist der Boden zu sauer oder zu basisch, so wird er schließlich neutral.

 

Garola bestätigte diese Beobachtung Ende des 19. Jahrhunderts. In Deutschland führte Rudolf Steiner Experimente dieser Art durch und gründete 1925 eine Schule für ausgewogene Landwirtschaft in der Schweiz. Der Schweizer Ehrenfried E. Pfeiffer übernahm deren Leitung. Seine Bücher erschienen in mehreren Sprachen. Das für unsere Zwecke ergiebigste ist Die Fruchtbarkeit der Erde*, und im folgenden gebe ich einige seiner Beobachtungen wieder:

 

Rasen und Gänseblümchen

Um schönen englischen Rasen zu bekommen, braucht man kalkreichen Boden. Fehlt es an Kalk, schießen die Gänseblümchen im Rasen auf. Für den Gärtner ist das ein Zeichen, den Boden zu verbessern. Je weniger Kalk vorhanden ist, desto mehr Gänseblümchen gibt es. Pfeiffer untersuchte ihre Asche und sah, daß sie viel Kalk enthielten. Da die Gänseblümchen genau dann wuchsen, als es im Boden keinen Kalk mehr gab, fragte er sich: „Woher nimmt die Pflanze das?“ Er konnte kei-
ne Antwort finden.


* 1. Auflage Dornach (Schweiz) 1938 (6. Auflage 1977)

 

Es ist klar, daß man nicht sagen konnte, der Kalk sei eingewandert, denn dann stünde er dem Gras ebenfalls zur Verfügung. Für Pfeiffer war dies ein Beispiel dafür, wie der Boden sich selbst einen Ausgleich verschafft. Wenn Kalk fehlt, wachsen silikatarme Pflanzen, deren Asche viel Kalk enthält. Wenn deren Blätter und Stengel im Herbst abfallen, bekommt der Boden den fehlenden Kalk. Solche Wechselwirkungen kommen in der Natur häufig vor. Doch ein Geheimnis blieb bestehen: Woher bekamen die Gänseblümchen den Kalk?

 

Verschiedene Beobachtungen

Aus Pfeiffers Arbeit erwachsen weitere Fragen. Buchweizen hat eine ausgeprägte Vorliebe für Sand und Kieselerde und zeichnet sich doch durch Kalkreichtum aus. Untersuchen wir einmal, warum das so ist. Weizen mag kalkreichen Boden. Die Verbrennung von Stroh eines bestimmten Feldes ergab einen Ascheanteil von 6 % der ursprünglichen Trockenmasse. Diese Asche enthielt 5,8 % Kalk und 67,5 % Kieselsäure. Sät man andererseits Klee zusammen mit demselben Weizen auf demselben Feld, so enthält der Klee, der besser in kieselsäurereichem Boden gedeiht, 35,2 % Kalk und 2,4 % Kieselsäure in seiner Asche.

 

Der Gehalt an Silicium und Calcium ist bei den meisten Pflanzen unabhängig von der im Boden enthaltenen Menge. Die Pflanze hat stets ihre artspezifische Zusammensetzung (jedenfalls bleibt diese ungefähr konstant, doch je nach Boden gibt es Qualitätsunterschiede). Als Kulturpflanze mag der Fingerhut keinerlei Digitalis mehr enthalten, die Petersilie kann frei von Vitamin D sein, und so fort.

 

Die Eiche ist ein Baum, der aus granit- oder schieferreichen (d. h. kieselsäurereichen) Gegenden stammt, in denen es manchmal überhaupt keinen Kalk gibt, doch auch sie kann Kalk enthalten, vor allem im Holz und der Rinde. (In ihrer Asche hat man bis zu 60 % Kalk gefunden.)

 

Der Ingenieur Simoneton wiederholte folgendes bereits bekannte Experiment*:
Geraniensetzlinge wachsen in reinem Sand (reiner Kieselerde) recht gut, wenn sie mit Regenwasser oder destilliertem Wasser gegossen werden, ohne daß organische Anteile oder andere Mineralien zugegeben werden. Die Analyse dieser Pflanzen zeigt aber, daß sie Kalk und andere Elemente produzieren. Verwendet wird frischer, bakterienhaltiger Sand, kein sterilisierter. Dieser Sand (der als „rein“ bezeichnet wird) enthält neben der Kieselsäure Spuren von sieben Elementen, die insgesamt einen Anteil von 0,17 % ausmachen, davon 0,15 % Oxide des Eisens, Titans, Calciums und
Aluminiums.

 

Zum Abschluß dieses Abschnitts sei noch eines der zahlreichen Experimente zitiert, die Lawes und Gilbert, zwei große Wissenschaftler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, auf dem englischen Versuchsgut Rothamsted durchführten.

 

Eine Gärtnerei baute auf einer Fläche 17 Jahre lang nichts anderes als immer nur Klee an. Zwei-bis dreimal im Jahr wurde gemäht und alle vier Jahre neu eingesät, alles ohne Zugabe von Dünger. Lawes und Gilbert führen dazu aus: „Wir fanden eine einzigartige Tatsache heraus Y dieses Land gab ohne jeden Dünger einen so reichen Ertrag, daß man, wenn man alles zusammenzählt, was in den 17 Jahren entnommen wurde, auf folgende Zahlen kommt: 2636 kg Kalk, etwa 1255 kg Magnesia, über 2150 kg Pottasche, etwa 1255 kg Phosphorsäure sowie 2636 kg Stickstoff.“

 

Laut Angaben einer französischen Studie* für 1955 enthielten die in diesem Land geernteten Pflanzen 1 500 000 Tonnen Pottasche pro Jahr. 300 000 Tonnen bekamen sie durch Mist und Jauche und 450 000 Tonnen durch kalihaltigen Kunstdünger. Damit erhielten die Äcker nur die Hälfte dessen, was ihnen entnommen wurde.
Im Boden sind so große Reserven an Pottasche nicht enthalten. Wie konnte man dann jedes Jahr 750 000 Tonnen ernten?

 

Der aufmerksame Leser versteht jetzt besser, daß Pflanzen sich ihr Kalium auf zwei verschiedenen Wegen bilden können: aus Natrium durch die Reaktion Natrium + Sauerstoff := Kalium und aus Calcium über die Abspaltung eines Wasserstoffatoms, was ebenfalls zu Kalium führt. Ich möchte auch die Untersuchungen empfehlen, die J. Benton Jones vor nicht allzu langer Zeit in Ohio durchgeführt hat und über die in der Zeitschrift Science (Bd. 148, Jg. 1965, S. 94) berichtet wurde. Ein Experiment dieser Art eröffnet neue Wege für die Forschung. Auch hier finden wir wieder ein bisher ungeklärtes Phänomen bestätigt. Spurenelemente sind unbedingt nötig. Sie wirken mit den Enzymen zusammen. Fehlt das Coenzym-Metall, bleibt das Enzym wirkungslos. Zu diesen wichtigen Spurenelementen gehört Molybdän (Mo). Der genannte Wissenschaftler entdeckte in Blättern einer Hybridmaissorte einen Kaliummangel und stellte zugleich einen Molybdän-Überschuß fest.

 

Pflanzen mit Kaliummangel Pflanzen mit Kaliummangel Normale Pflanzen Normale Pflanzen
 Kalium (%) Molybdän (ppm) Kalium (%) Molybdän (ppm)
0,97 2,0 2,70 0,5
0,56 4,0 2,49 0,9
0,52 2,8 1,73 0,7

 

Man erkennt, daß es unterhalb eines bestimmten Kaliumwertes einen Molybdänzuwachs gibt. Darauf führte Jones systematische Untersuchungen durch, indem er den Kaliumgehalt des Bodens durch verschieden hohe Zufuhr veränderte. Er erhielt folgende Resultate (Angaben in kg/ha):

Kaliumzufuhr Kaliummangel Analyse der Blätter Analyse der Blätter
    Kalium (%) Molybdän (ppm)
0 stark 0,57 4,0
36 gering 1,79 1,2
72 keiner 2.28 0,9
108 keiner 2,49 0,9

 

Solange ausreichend Kalium vorhanden ist, ändert sich die Molybdänmenge nicht. Das Diagramm zeigt die gleichzeitige Veränderung der Werte für Kalium, Calcium, Magnesium und Molybdän. Wenn auch der Autor das Geschehen nicht kommentiert, so kann sich der Leser schnell selbst ein Bild machen. Calcium nimmt ab, doch Kalium nimmt zu. Man beachte, daß die Kurven für Calcium und Magnesium fast parallel verlaufen.

 

Das läßt sich erklären: Die Pflanze benötigt Calcium, um das Magnesium für ihr Chlorophyll zu produzieren, und je höher die Calciumzufuhr, desto mehr Magnesium enthält die Pflanze (natürlich nur bis zu einer Obergrenze). Ist andererseits nicht genügend Calcium da, gibt es auch nicht genug Magnesium. Beachtenswert ist auch, daß Kalium sogar dann in den Blättern vorkommt, wenn überhaupt kein Kalium zugeführt wurde; man findet allerdings nur ein Viertel so viel wie bei einer reichen Zufuhr.

 

(ABBILDUNG fehlt)

 

Abb. 9: Veränderung des Gehalts an Kalium, Calcium, Magnesium und Molybdän in Maisblättern, in Abhängigkeit von der Kaliumzufuhr zum Boden (nach Benton Jones)

 

Dieses Experiment führt uns zu folgender Feststellung: Den Ursprung des Molybdäns kann man nicht ermitteln, doch wir gelangen zu der interessanten Erkenntnis, daß eine kaliumreiche Pflanze arm ist an Molybdän, einem der bedeutendsten Spurenelemente. Die Agronomen sollten also wissen, daß ein Übermaß an Kalium, selbst wenn es aus natürlichem Dünger stammt, zu einem Defizit an Molybdän führt.

 

Allgemein bekannt ist, daß eine Obstkrankheit, die in den USA als „bitter pit“ bekannt ist, daher rührt, daß ein im Verhältnis zu Calcium überhöhter Kaliumgehalt vorliegt. Tomaten leiden unter Calciummangel, wenn zuviel Kalium da ist. Dies läßt sich durch Magnesium ausgleichen, das sich in Calcium umwandelt und zum alten Kalium-Calcium-Verhältnis zurückführt.

 

Falls eines Tages die Kalivorräte abgebaut sind, wäre das für die Agronomen keine Katastrophe. Kalium läßt sich entweder industriell oder direkt im Boden auf mindestens zwei Arten gewinnen. Hefen und mikroskopisch kleine Meeresalgen können Kalium aus Natrium gewinnen; andere Mikroorganismen stellen es aus Calcium her.

 

Es gibt bereits einige Firmen, die Mikroorganismen für den landwirtschaftlichen Einsatz produzieren. Alle möglichen Hefesorten werden industriell vermehrt, ebenso Schimmelpilze (für Penicillin usw.).

 

Mangelerscheinungen bei Tier und Pflanze sollten genauer untersucht werden. Viehzüchter und Agronomen werden erkennen müssen, daß man das Phänomen der biologischen Transmutationen noch nicht richtig versteht, auch wenn jeder es bereits beobachtet und angewendet hat. Darum ist sein Einsatz bislang begrenzt.

 

Das ist die Voraussage der führenden Persönlichkeiten aller Organisationen, die auf dem Gebiet des biologischen Landbaus in Frankreich, Italien, der Schweiz, Deutschland, England usw. beratend und aktiv tätig sind. Sie sind die Elite in der Landwirtschaft. Ihnen ist klargeworden, daß man mit Chemie nicht die ganze Biologie erklären kann, daß zu viel Vertrauen in die Chemie ein Fehler ist, wenn es um biologische Aspekte geht, und daß man dadurch schweren Schaden anrichtet.


Übermaß auf irgendeinem Gebiet muß unweigerlich früher oder später gesühnt werden. Oft gibt man den Rat, pro Hektar 250 kg Kalidünger mit 50 % K2O-Anteil zu verwenden oder 625 kg/ha Sylvinit (mit 18 % K), auch wenn das Getreide im Durchschnitt nicht mehr als 40 kg/ha K2O braucht. Dreiviertel des K2O geht so verloren.

 

Wieviel Land geht in Amerika verloren! In Westeuropa ist der Schaden derzeit noch nicht so sichtbar, weil der gesunde Menschenverstand der Bauern dazu beigetragen hat, die Abrechnung noch hinauszuschieben. Auch die Zunahme der Parasiten ist eine Folge des biologischen Ungleichgewichts. Agronomen mußten sich bereits mit Kollegen zusammensetzen, die die Bedeutung biologischer Anbaumethoden erkannt haben. Der Mechanismus dieser biologischen Transmutationen lehrt uns, was wir dem Boden geben müssen, gemäß folgenden Bedingungen:

 

– der Boden muß lebendig sein
– er muß reich an Mikroorganismen sein
– diese müssen gute Wachstumsbedingungen haben.

 

Wenn der Boden durch übermäßige chemische Düngung geschädigt ist, muß man ihm wieder die nötigen Nährstoffe zuführen. Das kann längere Zeit dauern, besonders wenn kein Humus vorhanden ist, der einen wichtigen Bestandteil eines lebendigen Bodens ausmacht.

Ein einfaches Experiment: Calciumbildung in Getreidekeimlingen

Hier ein einfacher und überzeugender Weg, wie man die biologischen Transmutationen nachweisen kann. Aus praktischen Gründen habe ich ein einfaches und grundlegendes Experiment mit Keimlingen ausgewählt. (Versuche mit Menschen und Tieren sind sehr kompliziert.) Experimente mit Mikroorganismen führen zu Problemen, die nur mit großer Sachkunde angegangen werden können.

 

Bereits an vielen Samen wurden die Veränderungen des Gehalts verschiedener Elemente studiert. Zur besseren Veranschaulichung ist es am besten, sich auf ein Experiment zu beschränken, bei dem recht deutliche Veränderungen eintreten. Hier nun unser Beispiel: Man lasse Getreidekörner in einem calciumfreien Medium keimen und beobachte die Zunahme an Calcium nach dem Keimvorgang.

 

Ich habe das Experiment mit Weizen- und Haferkörnern aus biologischem Anbau durchgeführt. Einhundert handverlesene gleiche Körner wurden zur Ermittlung des Calciumgehalts eingeascht. (Der dabei ermittelte Gehalt wurde mit den Durchschnittswerten verschiedener Samen in Dutzenden von Analysen von Tausenden von Körnern verglichen. Dies nur, um sicherzugehen, daß bei der Versuchsdurchführung oder der Analyse dieser Probe von 100 Körnern kein schwerwiegender Fehler unterlaufen ist.)

 

Hundert identische Körner wurden in offenen Gefäßen auf Fließpapier aus reiner Cellulose, das mit einer Nährlösung von Salzen getränkt war, zum Keimen gebracht. Die Lösung enthielt kein Calcium. Nach sechs Wochen wurde das Wachstum gestoppt, indem die Pflänzchen in einen Trockenofen gestellt wurden. Danach wurden sie verascht und genauso analysiert wie die erste Portion Körner.

 

Mehr als 20 solcher Versuche wurden durchgeführt, vor allem mit Hafer, wobei der Beginn des Keimvorgangs auf verschiedene Zeitpunkte gelegt, die Dauer des Wachstums verlängert oder verkürzt und die Getreidesorte verändert wurde. Hier die Ergebnisse. Die Angaben sind in Milligramm pro Einheit (für jedes Korn bzw. jede Pflanze). Für Portionen von 100 Körnern müssen die Werte natürlich mit 100 multipliziert werden. Man kann auch mit Portionen von vielen hundert Körnern arbeiten.

 

  Weizen
„Roux clair“
Hafer
„Noire du
Prieuré“
Hafer
„Panache de
Roye“
Gewicht 32,98 37,96 24,48
Calcium (pro Korn) 0,0386 0,0372 0,0235
Calcium (pro Pflanze) 0,129 0,155 0,106

 

Im Weizen ist 3,34mal soviel Calcium, im Hafer 4,16 und 4,51mal soviel. Eine Zunahme in diesem Ausmaß kann kein Berechnungsfehler sein. Doch die chemische Analyse wurde mittels einer spezifischen, modernen physikalischen Methode von höchster Genauigkeit bestätigt: der Atomabsorptionsspektralanalyse. Die geprüften Ergebnisse übergab der ChemieIngenieur J. E. Zündel am 1. Dezember 1971 den obersten landwirtschaftlichen Behörden Frankreichs.

Kommentar

Diese Werte erfordern eine Stellungnahme. Man darf in der Biologie nie verallgemeinern. Diese Experimente haben gezeigt, daß der Calciumgehalt in einigen Pflanzen stark ansteigen kann. Jede Pflanze (oder besser Pflanzenart) reagiert anders. Darum fällt die Zunahme bei Hafer größer aus, während bei anderen Pflanzen, Raigras zum Beispiel, das Calcium nicht zunimmt. Daraus lernen wir etwas. Pflanzen, die sich ihr Calcium selbst produzieren können, gedeihen in tonigem und sandigem Boden sehr gut, während andere kein Calcium bilden können und es zugeführt bekommen müssen. (Die Veränderungen des Magnesium- und Kaliumgehalts wurden ebenfalls erforscht.)

 

Auch andere unserer Beobachtungen haben das Interesse vieler Wissenschaftler gefunden. Beispielsweise ist der Einfluß des Monds für die Calciumbildung von enormer Bedeutung. In dem erwähnten Experiment wurde der Keimvorgang bei Neumond begonnen und am übernächsten Vollmond, nach ungefähr sechs Wochen, abgebrochen. Ich kann diese einfache Untersuchung der Getreidekeimlinge nur grob umreißen, stehe aber allen zur Verfügung, die sich ein solches Experiment erlauben können, um alle wissenswerten Einzelheiten mitzuteilen. Wenn man nicht über die analytischen Apparaturen verfügt, so kann man die Analyse der Körner und Pflänzchen einem entsprechend ausgerüsteten Labor anvertrauen.

 

Die Bedeutung eines solchen Experiments für die praktische Anwendung liegt darin, daß es herauszufinden gilt, ob die Calciumzunahme lediglich während des Keimvorgangs eintritt oder ob die ganze Pflanze calciumreicher wird (auf Kosten eines anderen Elements, das zu Calcium umgewandelt wird, in diesem Fall Kalium). Sollte das zweite der Fall sein, würde sich die Bodenzusammensetzung durch die im Herbst im Boden verbleibenden Stoppeln verändern. Das wäre ein sehr reizvolles Forschungsthema für ein Labor, das im Bereich der biologischen Landwirtschaft arbeitet.

 

Von den detaillierten Beobachtungen Pfeiffers zu verschiedenen Pflanzen, die den Boden kalkreicher machen, habe ich bereits gesprochen (z. B. den Gänseblümchen im Rasen). Ein anderes, unter Gärtnern geläufiges Beispiel sind die Azaleen. Eine Azaleenkultur wurde in einem Heideboden angelegt, der keinerlei Kalk enthielt. Die Bodenanalyse ergab, daß er sich zu sehr mit Kalk angereichert hatte und die Kultur nur unter der Bedingung fortgeführt werden konnte, daß man eine Bodenschicht entfernte und gegen Heideboden austauschte; andernfalls wäre er nur noch für Pflanzen geeignet gewesen, die kein Calcium bilden können. Dieses Beispiel führt erneut vor Augen, wie ein Element (das in jeder Kultur neu ermittelt werden muß) durch ein anderes (hier Calcium) substituiert wird.

 

Das ganze Geheimnis des biologischen Anbaus muß erst noch gelüftet werden, indem man diese Substitutionen aufdeckt. Mit dem Verstand allein kann man das Phänomen nicht studieren; konkrete Experimente gehören ebenfalls dazu.


Die gegenwärtige Form der Landwirtschaft, gegen die sich unsere biologische Landwirtschaft richtet, führt zum Ruin des Bodens und der Gesundheit und bringt der Menschheit eines Tages den Untergang. Schon heute sind die Menschen mit allen möglichen Pestiziden oder übermäßigen Mengen von Mineralstoffen vergiftet. Die Phosphate fördern das Wachstum der Wasserpflanzen und entziehen dem Wasser zugleich den Sauerstoff, so daß allmählich alles Leben, tierisches wie pflanzliches, unmöglich wird.

 

Folgen wir darum dem Rat der Experten der Agrobiologie, damit uns das Wohlergehen der Pflanzenwelt und des Menschen erhalten bleibt.

 

* Siehe Lakhovsky: La Matière und Le secret de la vie.

* Alain Reinberg: Le Potassium et la Vie. Paris 1955