16 Zuhälterei und Finanzierung von Osama bin Laden

Von Anfang an ließ mich Prinz W. wissen, daß er bei jedem seiner Besuche in Boston von einer Frau nach seinem Geschmack empfangen zu werden wünsche und daß er mehr von ihr erwarte, als ihn lediglich zu gesellschaftlichen Anlässen zu begleiten. Er wollte aber ausdrücklich kein professionelles Callgirl, dem er oder Mitglieder seiner
Familie später vielleicht auf der Straße oder auf einer Cocktailparty wieder über den Weg laufen konnten. Meine Treffen mit Prinz W. fanden unter Geheimhaltung statt, was es mir erleichterte, ihm seine Wünsche zu erfüllen.

 

»Sally« war eine attraktive, blauäugige Blondine und lebte im Raum Boston. Ihr Ehemann, ein Pilot bei United Airlines, der beruflich und privat viel unterwegs war, gab sich nicht allzu viel Mühe, seine Seitensprünge zu verbergen. Sally sah großzügig über die Eskapaden ihres Mannes hinweg. Sie schätzte sein Gehalt, die feudale Eigentumswohnung in Boston und die Privilegien, die sie als Ehefrau eines Piloten genoß. Noch bis vor zehn Jahren war sie eine Hippiefrau mit häufig wechselnden Liebhabern gewesen, und ihr gefiel der Gedanke an eine geheime Quelle für zusätzliche Einkünfte. Sie erklärte sich bereit, sich einmal mit Prinz W. zu treffen, schickte aber voraus, daß sie es von seinem Verhalten und seiner Einstellung ihr gegenüber abhängig machen werde, ob sich eine Beziehung entwickeln könne. Doch glücklicherweise entsprachen beide den Erwartungen des Gegenübers.

 

Die Affäre zwischen Prinz W. und Sally, ein Unterkapitel im Saudi-Arabischen Geldwäscheprojekt, brachte für mich besondere Probleme mit sich. MAIN hatte seinen Mitarbeitern strikt untersagt, gesetzeswidrige Dinge zu tun. Streng genommen stellte ich eine Sexualpartnerin zur Verfügung – betrieb also Zuhälterei –, was in Massachussetts unter Strafe steht. Das Hauptproblem bestand also darin, wie Sally für ihre Dienste entlohnt werden sollte. Zum Glück hatte mir die Buchhaltung große Freiheiten hinsichtlich meines Spesenkontos eingeräumt. Ich gab immer reichlich Trinkgeld und konnte daher einige Kellner in den Nobelrestaurants von Boston dazu bringen, mir Blankoquittungen zu überlassen; damals wurden die Quittungen noch von Menschen, nicht von Computern ausgestellt.


Prinz W. wurde im Lauf der Zeit immer mutiger. Schließlich verlangte er von mir, ich solle dafür sorgen, daß Sally in seine Privatwohnung in Saudi-Arabien umziehen könne. Das war kein besonders ausgefallener Wunsch in dieser Zeit; es gab einen florierenden Handel mit jungen Frauen zwischen bestimmten europäischen Ländern und dem Mittleren Osten. Diese Frauen erhielten Verträge für einen begrenzten Zeitraum, und wenn der Vertrag auslief, kehrten sie nach Hause zurück, wo ein stattliches Bankkonto auf sie wartete.

 

Der Nahost-Experte Robert Baer, der zwanzig Jahre als Einsatzoffizier im Directorate of Operations der CIA tätig gewesen war, schrieb dazu:
Als Anfang der siebziger Jahre die Petrodollars hereinzuströmen begannen, fingen geschäftstüchtige Libanesen an, Prostituierte für die Prinzen nach Saudi-Arabien zu schleusen … Da keiner in der Königsfamilie wußte, wie man ein Scheckheft saldiert, erwarben diese Libanesen sagenhaften Reichtum. Ich war mit diesen Dingen vertraut und kannte auch einige Leute, die solche Kontrakte vermitteln konnten. Doch für mich gab es dabei zwei Hindernisse: Sally und die Bezahlung. Ich war überzeugt, daß Sally nicht aus Boston weg und in eine Wüstenvilla im Mittleren Osten ziehen wollte. Außerdem wären diese Kosten auch nicht mit dem größten Vorrat an Restaurant-Blankoquittungen zu decken gewesen.

 

Letztere Sorge nahm mir Prinz W. ab, als er mir versicherte, daß er selbst für die Bezahlung seiner Mätresse aufkommen werde; ich sollte das Ganze lediglich arrangieren. Es verschaffte mir zusätzliche Erleichterung, als er mir zu verstehen gab, daß die saudiarabische Sally nicht genau dieselbe Person sein müsse, die ihm in den Vereinigten Staaten Gesellschaft geleistet hatte. Ich rief mehrere Freunde an, die Kontakte zu Libanesen in London und Amsterdam hatten. Innerhalb einer Woche unterschrieb eine Ersatz-Sally einen Vertrag.


Prinz W. war ein komplizierter Mensch. Sally befriedigte ein körperliches Verlangen, und daß ich ihm in dieser Hinsicht zu Diensten sein konnte, brachte mir das Vertrauen des Prinzen ein. Doch er ließ sich dadurch keineswegs davon überzeugen, daß SAMA eine Strategie sei, die er guten Gewissens seinem Land empfehlen konnte. Ich mußte mich sehr anstrengen, um zu erreichen, was ich wollte. Stundenlang saß ich mit ihm über Statistiken und half ihm, Untersuchungen zu analysieren, die wir für andere Länder erstellt hatten, unter anderem auch die ökonometrischen Modelle, die ich während der Ausbildung durch Claudine für Kuwait entwickelt hatte, bevor ich nach Indonesien gegangen war. Am Ende ließ er sich doch überzeugen.


Ich weiß nicht, was sich im Einzelnen zwischen meinen EHM-Kollegen und den übrigen Schlüsselfiguren in Saudi-Arabien abspielte. Ich weiß nur, daß schließlich das gesamte Paket von der Herrscherfamilie akzeptiert wurde. MAIN erhielt für seine Bemühungen einen der ersten, besonders profitträchtigen Aufträge, die vom US-Finanzministerium vergeben wurden. Wir wurden beauftragt, eine umfassende Bestandsaufnahme der desolaten und veralteten Stromversorgung des Landes zu erstellen und ein neues Stromnetz zu konzipieren, das dem technischen Standard der USA entsprach.


Wie üblich, war es meine Aufgabe, ein erstes Team ins Land zu schicken und in Bezug auf die verschiedenen Regionen des Landes Prognosen für das Wirtschaftswachstum und den Strombedarf auszuarbeiten. Als sich drei der Männer, die für mich arbeiteten – allesamt erfahren mit internationalen Projekten – auf ihre Abreise nach Riad vorbereiteten, erhielten wir von unserer Rechtsabteilung die Nachricht, daß wir laut den Bestimmungen des Vertrages verpflichtet waren, bereits innerhalb der nächsten paar Wochen ein technisch und personell voll ausgestattetes Büro in Riad einzurichten. Diese Klausel war anscheinend mehr als einen Monat lang niemandem aufgefallen. Unsere Vereinbarung mit dem Finanzministerium sah außerdem vor, daß alle Ausrüstungsgegenstände entweder in den Vereinigten Staaten oder in Saudi-Arabien hergestellt worden sein mußten. Da es in Saudi-Arabien keine entsprechenden Fabriken gab, mußte alles aus den USA eingeführt werden. Entsetzt stellten wir fest, daß bereits viele Tanker Schlange standen und darauf warteten, in die Häfen auf der arabischen Halbinsel einlaufen zu können. Es würde also vielleicht mehrere Monate dauern, bis wir eine Lieferung in das Wüstenkönigreich bringen konnten.


MAIN war nicht bereit, einen so lukrativen Auftrag wegen ein paar Büromöbeln aufs Spiel zu setzen. Auf einer Konferenz aller betroffenen Partner veranstalteten wir ein ausgiebiges Brainstorming. Schließlich entschlossen wir uns, eine Boeing 747 zu chartern, Material aus dem Raum Boston einzuladen und dieses nach Saudi-Arabien fliegen zu lassen. Ich erinnere mich, daß mir der Gedanke kam, es wäre vielleicht angemessen, wenn dieses Flugzeug von United Airlines stammte und von einem gewissen Piloten gesteuert werden würde, dessen Frau eine so wichtige Rolle dabei gespielt hatte, die Saudis herumzukriegen.


Das Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien veränderte das Wüstenkönigreich schlagartig. Die Ziegen wurden durch zweihundert hellgelbe amerikanische Müllfahrzeuge ersetzt, die auf der Grundlage eines 200 Millionen Dollar schweren Vertrages von der Firma Waste Management geliefert wurden. Auch die übrigen Sektoren der saudi-arabischen Wirtschaft, von der Landwirtschaft über die Energieversorgung und das Bildungssystem bis zum Verkehrs- und Kommunikationswesen, wurden auf ähnliche Weise modernisiert.

 

Thomas Lippman schrieb dazu im Jahr 2003:
Die Amerikaner haben eine weite, öde Landschaft mit Nomadenzelten und bäuerlichen Lehmhütten vollständig umgekrempelt und nach ihrem Bild neu geformt, bis hin zu den Starbucks-Cafés an den Straßenecken und rollstuhlgerechten Eingängen bei den neuesten öffentlichen Gebäuden. Saudi-Arabien ist heute ein Land der Schnellstraßen und Computer, der klimatisierten Einkaufszentren mit denselben herausgeputzten Läden, wie man sie auch in den gut situierten amerikanischen Vororten findet, ein Land der eleganten Hotels und Fast-Food-Restaurants, des Satellitenfernsehens, der modernen Krankenhäuser, hoch aufragenden Bürotürme und Vergnügungsparks, in denen aufregende Karussellfahrten locken.


Die Pläne, die wir 1974 entworfen hatten, wurden zur Grundlage für künftige Verhandlungen mit weiteren Ölstaaten. In gewisser Weise bildete SAMA/JECOR die nächste Entwicklungsstufe nach jener, die Kermit Roosevelt im Iran erfolgreich praktiziert hatte. Auf dieser Stufe wurde das politisch-wirtschaftliche Waffenarsenal weiter verfeinert, mit dem die Söldner des globalen Imperiums kämpften.

 

Das Saudi-Arabische Geldwäscheprojekt und die Joint Commission setzten auch neue Maßstäbe für die internationale Gerichtsbarkeit. Das zeigte sich besonders deutlich im Fall von Idi Amin. Als der berüchtigte Diktator von Uganda 1979 abdankte, erhielt er in Saudi-Arabien Asyl. Obwohl ihm der Tod von 100.000 bis 300.000 Menschen zur Last gelegt wurde, konnte er im Exil ein Luxusleben führen, mit Autos und Hausdienern, die ihm die Familie Saud zur Verfügung stellte. Die USA protestierten zunächst zwar leise, ließen dann aber die Sache auf sich beruhen, weil sie um ihre Zusammenarbeit mit den Saudis fürchteten. Amin verbrachte seine letzten Lebensjahre mit Angeln und Spaziergängen am Strand. Im Jahr 2003 starb er in Dschidda im Alter von 80 Jahren an Nierenversagen.


Unauffälliger, aber wesentlich unheilvoller war die Rolle, die Saudi-Arabien bei der Finanzierung des internationalen Terrorismus spielen durfte. Die Vereinigten Staaten ließen deutlich erkennen, welchen Wert sie darauf legten, daß das Haus Saud in den achtziger Jahren Osama bin Laden in seinem Krieg gegen die Sowjetunion in Afghanistan finanziell unterstützte. Zusammen ließen Riad und Washington den Mudschahiddin schätzungsweise 3,5 Milliarden Dollar zukommen. Doch die USA und Saudi-Arabien waren noch viel tiefer in den Konflikt verstrickt. Ende 2003 erschien in der Zeitung US News & World Report eine ausführliche Untersuchung mit dem Titel »The Saudi Connection«. Die Verfasser hatten Tausende von Seiten aus Gerichtsakten, amerikanischen und ausländischen Geheimdienstberichten und anderen Dokumenten gesichtet und Dutzende von Regierungsmitarbeitern und Experten für den Mittleren Osten beziehungsweise den Terrorismus interviewt.

 

Sie faßten ihre Erkenntnisse zusammen wie folgt:
Die Beweise waren unwiderlegbar: Saudi-Arabien, Amerikas langjähriger Verbündeter und größter Ölexporteur der Welt, hatte sich auf irgendeine Weise, wie es ein leitender Beamter aus dem Finanzministerium ausdrückte, zum »Epizentrum« der Finanzierung des Terrorismus entwickelt … Ab Ende der achtziger Jahre – nach dem doppelten Schock durch die Revolution im Iran und den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan – wurden die halboffiziellen saudischen Wohltätigkeitseinrichtungen zur Hauptquelle der finanziellen Unterstützung für die rasch wachsende Bewegung der Glaubenskrieger. In rund 20 Ländern wurde dieses Geld dazu eingesetzt, paramilitärische Ausbildungslager zu unterhalten, Waffen zu kaufen und neue Mitglieder zu rekrutieren … Aufgrund der Großzügigkeit der Saudis drückten die US-Verantwortlichen ein Auge zu, wie ehemalige Geheimdienstmitarbeiter erklärten. Über Verträge, Zuschüsse und Gehälter sind Milliarden von Dollar an ehemalige amerikanische Regierungsbedienstete geflossen, die mit den Saudis Geschäfte machten: an Botschafter, CIA-Stationsleiter und sogar Minister aus der Regierung … Elektronisch abgehörte Gespräche lieferten Anhaltspunkte dafür, daß Mitglieder der Königsfamilie nicht nur Al-Qaida, sondern auch andere Terrorgruppen unterstützt haben. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon im September 2001 wurden weitere Beweise über die verdeckten Beziehungen zwischen Washington und Riad zutage gefördert. Im Oktober 2003 veröffentlichte die Zeitschrift Vanity Fair in einem ausführlichen Artikel mit dem Titel »Saving the Saudis« bislang unbekannte Informationen. Was darin über die Beziehungen zwischen der Familie Bush, dem Haus Saud und der Familie bin Laden enthüllt wurde, überraschte mich nicht. Ich wußte, daß die Anfänge dieser Beziehungen mindestens bis in die Zeit des Saudi-Arabischen Geldwäscheprojekts zurückreichten, das 1974 begann, und in die Amtszeiten von George Bush senior als UN-Botschafter (von 1971 bis 1973) und als CIA-Chef (von 1976 bis 1977). Mich überraschte nur, daß die Wahrheit nun doch noch ans Licht kam.

 

Vanity Fair stellte fest:
Die Familie Bush und das Haus Saud, die beiden mächtigsten Dynastien der Welt, unterhielten mehr als zwanzig Jahre lang enge persönliche, geschäftliche und politische Verbindungen … Im unternehmerischen Bereich griffen die Saudis Harken Energy unter die Arme, einer notleidenden Ölfirma, an der George W. Bush finanziell beteiligt war. Vor kurzem bemühten sich der ehemalige Präsident George H. W. Bush und sein langjähriger Partner, der frühere Außenminister James Baker III., saudische Geldgeber für die Carlyle Group zu gewinnen, die wahrscheinlich größte Private Equity-Firma der Welt. Noch heute fungiert der frühere Präsident als Chefberater dieses Unternehmens, zu dessen Anteilseignern angeblich auch ein Saudi gehört, dem Verbindungen zu Unterstützern von Terrorgruppen nachgesagt werden … Wenige Tage nach dem 11. September 2001 wurden wohlhabende Saudis, darunter auch Mitglieder der Familie bin Laden, mit Privatjets aus den USA ausgeflogen. Niemand will die Verantwortung für die Genehmigung dieser Flüge übernehmen, und die Passagiere wurden auch nicht verhört. Hatte etwa die langjährige Verbindung der Familie Bush mit den Saudis dies ermöglicht?