2022/04: Darf Teodor Currentzis in Salzburg auftreten?

20.04.2022 von Rebekka Markthaler

Erst letzte Woche wurde ein Konzert des russisch-griechischen Dirigenten Teodor Currentzis in Wien abgesagt. Der Grund: Currentzis hat bislang nicht klar gegen den Ukraine-Krieg Stellung bezogen. Außerdem wird sein Orchester MusicAeterna von einer russischen Bank finanziert, die auf der Sanktionsliste steht. Welche Auswirkungen das auf die Salzburger Festspiele haben könnte.

Eigentlich soll der russisch-griechische Dirigent Teodor Currentzis mit dem MusicAeterna Chor bei den Salzburger Festspielen im kommenden Sommer auftreten. Doch der ukrainischen Botschafter in Österreich, Wassyl Chymynez, kritisiert die geplanten Produktionen. Im Interview mit der österreichischen Kronen Zeitung sagt er, es sei ein „inhumanes Signal“, wenn Russland bei den Salzburger Festspielen eine solche Bühne bekommen würde. Erst in der vergangenen Woche hatte der Botschafter darum gebeten, bei Benefizkonzerten zugunsten der Ukraine keine russischen Künstlerinnen und Künstler zu involvieren. Das Wiener Konzerthaus hatte daraufhin ein geplantes Benefizkonzert mit Teodor Currentzis und MusicAeterna abgesagt.

Intendant der Salzburger Festspiele hält an Currentzis fest

Markus Hinterhäuser, der Intendant der Salzburger Festspiele, hält trotz der Kritik des ukrainischen Botschafters Wassyl Chymynez aktuell an Teodor Currentzis fest. Er wolle zu gegebenem Zeitpunkt reagieren, sagte Hinterhäuser gegenüber der Nachrichtenagentur APA. Allerdings hatte er sich gleich nach Kriegsbeginn in der Ukraine zu einem generellen Ausschluss russischer Künstler und Künstlerinnen geäußert. „Es gibt unglaublich viele Künstler, die mit diesem Krieg wirklich gar nichts zu tun haben“, sagte er im ORF2-Interview Anfang März.

„Wir können nicht eine Generalsanktion erheben gegen russische Künstler, weil sie einen russischen Pass haben, weil sie dort geboren sind, weil sie dort aufgewachsen sind. Wo kommen wir da hin?“

Im März ließ Markus Hinterhäuser die Frage offen, ob Currentzis und MusicAeterna in Salzburg auftreten werden. Damals sagte er, man werde sich aufrichtig damit beschäftigen. Man müsse auch sehen, wie sich Currentzis selber in der Sache verhalten werde. Der schweigt bislang.

Es gibt unglaublich viele russische Künstler, die mit diesem Krieg wirklich gar nichts zu tun haben
. Markus Hinterhäuser, Intendant der Salzburger Festspiele

Kunst und Kultur als Bestandteil von Putins Propaganda

Der ukrainische Botschafter Chymynez ist enttäuscht von den Verantwortlichen der Salzburger Festspiele. Kunst, Kultur und Sport seien wichtige Bestandteile der Politik Russlands und damit wichtige Elemente der Propaganda, sagt er. Und durch sein Schweigen sei Currentzis Teil davon. Wenn die Salzburger Festspiele das nicht verstünden, liefen die Verantwortlichen Gefahr, ihre Selbstachtung zu verlieren.

Eine Gesellschaft russischer Freunde unterstützt die Salzburger Festspiele seit 2013 finanziell. | Bildquelle: Luigi Caputo Hat Russland eventuell zu viel Einfluss auf die Salzburger Festspiele? Die Pressestelle der Festspiele gibt eine knappe, schriftliche Antwort: Man habe keine russischen Sponsoren, jedoch gebe es eine Gesellschaft der russischen Freunde der Salzburger Festspiele, die seit Jahren das Festival finanziell unterstützen.

Doch Intendant Hinterhäuser mahnt im ORF2-Interview, einen kühlen Kopf zu bewahren. „Die Russen, mit denen wir diesen Freundesverein gegründet haben, kann ich nicht unter einen imaginären Scanner legen und einen Anti-Putin-Test abverlangen. Das wird nicht funktionieren.“ Gefragt sei jetzt Achtsamkeit.

Russische Kultur auf dem Prüfstand

Ist es gerechtfertigt, dass von russischen Künstlerinnen und Künstler eine eindeutige pro-ukrainische und anti-russische Haltung erwartet wird? Lesen Sie hier den Kommentar unserer BR-KLASSIK-Autorin Sylvia Schreiber.

Der Einfluss der russischen VAC-Stiftung auf die Festspiele

Neben der Gesellschaft russischer Freunde arbeiten die Salzburger Festspiele außerdem mit der russischen VAC-Stiftung zusammen. Gründer der Stiftung ist der Oligarch Leonid Michelson, der außerdem als CEO des russischen Energieunternehmens Novatek tätig ist. Michelson selbst wird vom Westen sanktioniert. Zu ihm und seiner Stiftung äußert sich Intendant Markus Hinterhäuser in den Salzburger Nachrichten: Man werde das alles sehr genau prüfen und Konsequenzen daraus ziehen.

Kritik gibt es auch am Sponsor Solway, ein Bergbauunternehmen mit Sitz in der Schweiz. Laut der Investigativplattform Bellingcat hat Solway enge Verbindungen zum Kreml und verstößt gegen Menschenrechtsverletzungen. Und was die geplante Zusammenarbeit mit dem russischen Energieriesen Gazprom betrifft: Hier war 2020 eigentlich ein projektbezogenes Sponsoring geplant. Das fand allerdings wegen Corona nicht statt. Die Salzburger Festspiele haben den Vertrag nach eigenen Angaben gekündigt. Dagegen ist noch unklar, wie es mit der VAC-Stiftung und Currentzis weitergeht.

MusicAeterna: Konzertabsagen in München und Paris

Anfang Mai hätten Teodor Currentzis und MusicAeterna in München und Paris konzertieren sollen. Doch nun haben sie ihr Rameau-Programm „The Sound of Light“ abgesagt. „Aufgrund des Krieges in der Ukraine sowie den daraus resultierenden Reisebeschränkungen und großen logistischen Einschränkungen ist die Umsetzung dieses Projekts zum Bedauern aller Mitwirkenden nicht möglich“, heißt es auf der Homepage des Ensembles.

Derzeit befindet sich MusicAeterna in Russland und gibt Konzerte in St. Petersburg und Moskau.