2019: FinanzTsunami – 11. Ausländisches Geld hilft, Hitlers Kriegsmachinerie zu Ölen

11. AUSLÄNDISCHES GELD HILFT, HITLERS KRIEGSMASCHINERIE ZU ÖLEN

Die USA und Großbritannien nahmen die Annäherung zwischen den neuen Machthabern in Berlin und der deutschen Wirtschaft aus der Distanz wohlwollend zur Kenntnis und reagierten umgehend mit neuen Investitionen und einer weiteren freizügigen Vergabe von Krediten. Viele finanzielle Transaktionen wurden hinter dem Rücken der internationalen Öffentlichkeit über die Basler BIZ abgewickelt, die der Reichsbank – Präsident und zeitweilige Reichsfinanzminister Hjalmar Schacht »meine Bank« nannte und in der er vor allem mit seinem Vorstandskollegen Montagu Norman, von 1920 bis 1944 Gouverneur der Bank of England , neben einer persönlichen Freundschaft eine enge Zusammenarbeit pflegte.


Am 4. August 1933 kam es auf dem Obersalzberg zwischen Adolf Hitler und Vertretern der Wall Street zum ersten persönlichen Gespräch. Auf seinem Feriensitz im Berchtesgadener Land empfing Hitler Sosthenes Behn, einen Direktor der National City Bank of New York , und Henry Mann, ihren deutschen Vizepräsidenten. Über das Gespräch sind keine Einzelheiten bekannt, aber Sosthenes Behn war nicht nur Banker, sondern hatte 1920 die International Telephone and Telegraph Company (ITT) gegründet. ITT war in den dreizehn Jahren seit ihrer Gründung zu einer der mächtigsten Firmen der Welt aufgestiegen und unterhielt diverse Beteiligungen in Deutschland, von denen mehrere in der Waffenproduktion aktiv waren.


Besonders gut lässt sich die Verflechtung von deutschem und ausländischem Kapital am Beispiel der Industriegemeinschaft (IG) Farben verdeutlichen. Die IG Farben war 1925 durch die Verschmelzung von sechs deutschen Industriekonzernen entstanden – der Badischen Anilin, Bayer, Agfa, Hoechst, Weiler-ter-Meer und Griesheim Elektron. Der Konzern war damals in der Lage, durch den von seinen Ingenieuren entwickelten Prozess der Kohlehydrierung 49 Benzin zur Hälfte aus Kohle zu gewinnen. Das große Ziel bestand darin, Benzin zu einhundert Prozent synthetisch herzustellen – um Deutschland im Kriegsfall von ausländischen Importen
unabhängig zu machen.


Um dieses Ziel zu erreichen, suchte sich die IG Farben einen starken Partner und fand ihn in Rockefellers Standard Oil of New Jersey 50 , mit dem das Management 1929 eine Kooperation einging. Die IG Farben übertrug die Weltrechte für die Kohlehydrierung (mit Ausnahme Deutschlands) auf Standard Oil of New Jersey und erhielt im Gegenzug 35 Milliarden US-Dollar an Standard-Oil -Aktien. Zudem gründeten beide Konglomerate ein Joint Venture (gemeinsames Unternehmen) zur gegenseitigen Nutzung von Patenten und zur Herstellung von synthetischem Benzin. Im Vorstand dieser American I.G. Company , die ihren Besitzern in den kommenden Jahren fantastische Gewinne bescheren sollte, saß unter anderen Paul Warburg, einer der Gründer der FED.


Obwohl nicht zu übersehen war, dass ein großer Teil der Produktentwicklung der IG Farben kriegerischen Zwecken diente, störten sich die ausländischen Partner nicht daran. Auch als die Nationalsozialisten nach der Machtübernahme ein Verbindungsbüro bei der Wehrmacht einrichteten, das die Übernahme von Konkurrenten in eroberten oder besetzten Ländern organisieren sollte, regte sich kein Widerstand.


Derart unbehelligt, gelang es der IG Farben bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, durch Beteiligungen oder die Besetzung von Führungsposten ungestört Einfluss auf 380 deutsche und mehr als 500 ausländische Firmen zu gewinnen. Zudem gab es mehr als 2.000 Kartellvereinbarungen zwischen IG Farben und ausländischen Firmen, darunter nicht nur Standard Oil of New Jersey , sondern auch die Großkonzerne Dupont, Alcoa und Dow Chemical . Insgesamt schaffte es die IG Farben mit ausländischer Hilfe, die eigene Größe zwischen 1927 und 1939 zu verdoppeln.


Auch die offensichtliche Unterstützung Hitlers durch das Management der AEG, das bereits unter dem Dawes-Plan Kredite im Werte von 35 Millionen US-Dollar erhalten hatte, ließ deren ausländische Anteilseigner kalt: 1933 besaß der US-Konzern General Electric 30 Prozent an dem deutschen Unternehmen, zu dessen ausländischen Direktoren u. a. auch Owen Young – der Urheber des Young-Planes – gehörte. Insgesamt trugen mehr als 150 langfristige ausländische Kredite zwischen 1924 und 1931 an deutsche Unternehmen dazu bei, die Kriegsmaschinerie des Landes bereits vor Hitlers Machtübernahme in Gang zu bringen.


Eine ähnliche Rolle wie die USA spielte auch Großbritannien bei der Aufrüstung Deutschlands. So verlängerte die City of London ein 1931 abgeschlossenes Kreditabkommen, das die deutschen Schuldner nur dazu verpflichtete, Zinszahlungen, aber keine Tilgung zu leisten, bis zum Ende des Jahrzehnts und ließ gleichzeitig die Vergabe weiterer Kredite zu. Darüber hinaus wurde Deutschland in den dreißiger Jahren zum größten Handelspartner Großbritanniens und bis zum Ende des Jahrzehnts mit vier Mal soviel britischen wie US-amerikanischen Waren beliefert.


Im Jahr 1935 wurde eine angelsächsisch-deutsche Gesellschaft gegründet, an der sich u. a. Unilever, Dunlop Rubber , die britische Stahlexportvereinigung und BP beteiligten. Bereits 1932 hatte Vickers-Armstrong , der britische Hersteller von schwerem Geschütz und Kriegsschiffen, im »Militär-Wochenblatt«, der offiziellen Publikation der Reichswehr, Panzer und gepanzerte Fahrzeuge angeboten.


Den Löwenanteil an direkten Investitionen in Hitlerdeutschland aber trugen die USA: Bis 1941 hatten sie insgesamt etwa 475 Millionen US-Dollar in das nationalsozialistische Dritte Reich gepumpt. Standard Oil of New Jersey lag mit 120 Millionen Dollar weit vor General Motors mit 35 Millionen, ITT mit 30 Millionen Dollar und Ford mit 17,5 Millionen Dollar. 51 Ohne die Investitionen dieser drei Unternehmen wäre es dem Deutschen Reich im Übrigen gar nicht möglich gewesen, Krieg zu führen. So stellten die zu General Motors gehörenden Opel -Werke die beim Einmarsch in Polen eingesetzten »Blitz«-Lkw her, während die deutsche Niederlassung der Ford -Werke fast die Hälfte aller 2–3-Tonnen-Lkw für die Wehrmacht produzierte und die Patente von Standard Oil of New Jersey es der IG Farben ermöglichten, das für alle Fahrzeuge notwendige Benzin aus heimischer Kohle zu gewinnen.


Selbst als es zum organisierten Boykott jüdischer Geschäfte in Deutschland kam und Nachrichten von den ersten gewalttätigen Ausschreitungen gegen Juden die arbeitenden Menschen in aller Welt erschütterten, ließen internationale Investoren ihr Geld weiter nach Deutschland fließen. Weder die Auflösung der Gewerkschaften, öffentliche Bücherverbrennungen oder Parteienverbote, noch die Verkündung von Rassengesetzen, mit denen die Judenverfolgung juristisch legitimiert und der Antisemitismus im deutschen Recht verankert wurde, stoppten den Geldfluss aus dem Ausland. Im Gegenteil: Statt das rassistische und diktatorische Regime in Deutschland von allen Geldströmen abzuschneiden und international zu ächten, ging das Ausland in seiner Unterwürfigkeit
noch einen Schritt weiter und gestattete Hitler, auch auf internationaler politischer Bühne alle Hüllen fallen zu lassen.


Als im März 1938 deutsche Truppen in Österreich einmarschierten und das Land gewaltsam in Besitz nahmen 52 , kam es zu keinerlei Widerstand seitens der Großmächte. Obwohl Frankreich und Großbritannien 1919 einen Beitritt Deutsch-Österreichs zum Deutschen Reich verboten hatten und obwohl die Sowjetunion beide Länder nach dem Einmarsch deutscher Truppen zu Maßnahmen gegen den Anschluss Österreichs aufforderte, geschah – nichts. Im Gegenteil: Der britische Botschafter erklärte auf Bitten Görings sogar Großbritanniens prinzipielle Übereinstimmung mit den Ansprüchen Deutschlands gegenüber Österreich. Auch als das Deutsche Reich sich das Vermögen der österreichischen Nationalbank inklusive ihrer Goldreserven und ihrer 4.000 BIZ-Aktien einverleibte, regte sich international kein Widerstand.


Die nächste Steigerungsstufe wurde ein halbes Jahr später, im September 1938, erreicht. In der 1918 aus Teilen Ungarns, Österreichs, Deutschlands und Polens geschaffenen Tschechoslowakei lebten dreieinhalb Millionen Sudetendeutsche. Sofort nach der Machtübernahme 1933 begannen die Nationalsozialisten, nationalistische Autonomiebestrebungen im Sudetenland zu unterstützen und zu fördern. Nach der Einnahme Österreichs führten diese zu der immer lauter geäußerten Forderung »Heim ins Reich!«, womit ein Anschluss des Sudetenlandes an Deutschland gemeint war.


Unter dem Vorwand, diesen als »Sudetenkrise « in die Geschichte eingegangenen Konflikt beilegen zu wollen, wurde am 30. September 1938 die »Münchener Konferenz« einberufen. Während die tschechoslowakische Regierung von der Konferenz ausgeschlossen war, nahmen Regierungsvertreter Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und Deutschlands daran teil und gaben den Nationalsozialisten unter Missachtung der Souveränität (des Selbstbestimmungsrechtes) der Tschechoslowakei grünes Licht für die Angliederung des Sudetenlandes an das Deutsche Reich. Dabei muss allen Beteiligten damals klar gewesen sein, dass die Tschechoslowakei für die Kriegspläne der Nationalsozialisten eine entscheidende Rolle spielte – neben dem Ruhrgebiet wurden die hochindustrialisierten oberschlesischen Betriebe um die Stadt Kattowitz im Zweiten Weltkrieg zur wichtigsten Waffenschmiede des Dritten Reiches.


Es blieb aber nicht bei einer passiven Hinnahme der Ereignisse: Als die deutsche Wehrmacht im März 1939 die Tschechoslowakei überfiel und es als »Reichsprotektorat Böhmen und Mähren« ans Dritte Reich 53 angliederte, konfiszierte ein Sonderkommando der Reichsbank die Goldbestände der tschechoslowakischen Nationalbank und zwang deren Führung, die Basler BIZ anzuweisen, das in London bei der Bank of England liegende Golddepot im Wert von 64 Millionen Reichsmark an die Reichsbank in Berlin zu versenden.


Obwohl klar war, dass die tschechische Nationalbank einen solchen Auftrag niemals aus freien Stücken erteilt hätte, entsprachen sowohl die BIZ, als auch die Bank of England umgehend der Forderung und machten damit klar, dass sie den Kriegsplänen des Dritten Reiches nicht nur keinen Widerstand entgegensetzten, sondern jederzeit bereit waren, diese aktiv zu fördern und sich damit selbst zu Wegbereitern des bevorstehenden Krieges zu machen.