11. Gesetzliche Eingriffe in Lohn und Rente.
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- Siehe auch FT: Die natürliche Wirtschaftsordnung
Der Einfluß der Gesetzgebung auf die Verteilung des Arbeitsprodukts unter die Rentner und Arbeiter ist ein mannigfacher und weitreichender. Oft hört man sogar sagen, daß die Politik, der Hauptsache nach, in nichts anderem besteht, als in Angriffen auf Lohn und Rente, und in ihren Abwehrmaßregeln. In der Regel geht man hier gefühlsmäßig vor. Man durchschaut die Zusammenhänge nicht völlig, oder wenn man sie durchschaut, so gebietet die Klugheit, sie nicht aufzudecken. Um den wissenschaftlichen Nachweis, daß die Mittel, die man mit Eifer und Leidenschaft verteidigt, auch das gesteckte Ziel treffen werden, müht man sich nicht viel ab. Politik und Wissenschaft passen nicht zueinander, oft besteht das Ziel der Politik gerade darin, den Durchbruch einer wissenschaftlichen Erkenntnis zu verhindern, oder wenigstens zu verzögern. Was hat man nicht alles von den Zöllen behauptet? Sie schützen und fördern die Landwirtschaft, sagen die, die den unmittelbaren Vorteil in die Tasche stecken; Brotwucher und Raub nennen sie die, die den Zoll an der Größe der Brote wahrnehmen. Den Zoll bezahlen die Ausländer, sagen die einen und ihnen antworten die anderen, es wäre nicht wahr, der Zoll würde auf die Verbraucher abgewälzt. So streitet man über einen rein menschlichen Vorgang, der sich vor unseren Augen abspielt seit fünfzig Jahren, und noch sind sie alle so klug wie zuvor. Es wird sich darum wohl lohnen, den Einfluß des Gesetzes auf die Verteilung der Produkte rechnungsmäßig darzulegen.
Wenn ein Kaufmann eine Ladung Tabak bestellt und weiß, daß er an der Grenze 100 Mark Zoll für den Ballen zu zahlen haben wird, so wird jedermann zugeben, daß der Kaufmann überzeugt sein muß, den Zoll mit Zins und Gewinn belastet, auf den Preis des Tabaks schlagen zu können. Der Zoll ist für den Kaufmann ein wesentlicher Bestandteil der Waren; die Zollrechnungen bucht der Kaufmann bei der Bestandsaufnahme genau wie die Kisten, Säcke und Ballen ins Haben.
100 Tonnen Java-Tabak | 200000 M. |
Fracht und Zoll | 50000 M. |
250000 M. | |
10 % erwarteten Gewinn. | 25000 M. |
Kapital | 275000 M. |
So machts der Kaufmann mit den Zöllen. Darum könnte es nun unser Grundbesitzer nicht auch mit dem Gelde so machen, das der Staat von ihm als Grundsteuer erhebt? Das wird ja auch vielfach behauptet. Grundbesitzer selbst sind es, die sagen, sie würden jede Steuer einfach mit Zins und Gewinn belastet auf die Pächter und Mieter abwälzen, und daß letzten Endes die Grundsteuer im kargen Lohn des Arbeiters ihre letzte Ruhestatt findet. Wenn das aber der Fall ist, so folgern diese Grundbesitzer, so ist es doch viel besser, die Grundsteuer in eine Kopfsteuer, in eine Lohnsteuer oder Einkommensteuer zu verwandeln. Die Arbeiter sparen dann wenigstens den Gewinn und Zins, den der Grundherr auf die Steuern schlägt!
Um nun diesen Fall näher untersuchen zu können, ist es unerläßlich, eine Frage zu beantworten, die Ernst Frankfurth in seiner lichtvollen keinen Schrift Das arbeitslose Einkommen (* Physiokratischer Verlag — Berlin-Lichterfelde.) stellt: Was geschieht mit dem Ertrag der Grundsteuer? Es kann doch für das weitere Geschick der Grundsteuer nicht einerlei sein, ob der Staat die Steuereingänge dazu verwendet, um dem Grundherrn neue Straßen durch seine Ländereien zu bauen, um das Schulgeld für die Kinder seiner Pächter zu ermäßigen, oder etwa um Einfuhrprämien für ausländisches Getreide zu bezahlen. Solange wir das nicht wissen, können wir auch die Frage nicht beantworten, wer die Grundsteuer letzten Endes bezahlt. So sagt Ernst Frankfurth.
Es gibt Grundbesitzer, die nicht warten, daß der Staat sie besteuert, um ihnen mit dem Geld eine Straße zu bauen, die für die Bewirtschaftung ihrer Ländereien nötig geworden ist. Sie bauen sie selbet. Die Kosten bilden eine Kapitalanlage, wie das Ausroden, die Entwässerung usw. Der Grundbesitzer erwartet von der Straße Vorteile, die den Zins des dazu aufzuwendenden Geldes aufwiegen. Wenn trotzdem in der Regel der Staat die Straßen baut und die Grundherren dafür besteuert, so liegt das einfach daran, daß zum Bau von Straßen, die der Regel nach das Gebiet mehrerer Grundbesitzer mit entgegengesetzten Belangen durchschneiden müssen, Enteignungsrechte nötig sind, die nur dem Staate zustehen. Aber auch, wenn der Staat die Straße baut, ist die hierfür erhobene Grundsteuer eine Kapitalanlage, deren Zins der Grundherr restlos wieder einzuholen hofft. Und diese Eigenschaft haben die Siteuern fast allgemein. Wenn der Staat eine Grundsteuer erhebt, um die Grenze gegen den Einfall der Wilden zu schützen, so spart der Grundherr dern Betrag dieser Steuer an der Versicherung gegen den Einfall der Kosaken und Amerikaner.
Wenn also der Staat Erträge der Grundsteuer zugunsten der Grundherren verwendet, so sind diese Steuern einfach als Kapitalanlagen zu betrachten. Sie bedeuten die Entlohnung des Staates für Dienste, die er geleistet. Der Grundherr kann diese Steuern dort buchen, wo er den Lohn seiner Arbeiter bucht. Verpachtet er den Boden, so schlägt er die Steuer auf den Pachtzins, restlos, wenn der Staat billig und gut arbeitet, mit Profit, wenn der Staat bei seiner Arbeit den Witz eines tüchtigen Bauunternehmers entwickelt.
Wie verhalten sich aber die Dinge, wenn der Staat den Grundherrn besteuert, um mit dem Ertrag den Pächter oder die Arbeiter etwa vom Schulgeld zu befreien? Kann der Grundherr dann auch noch die Grundsteuer als einträgliche Auslagen betrachten? Nehmen wir an, es wäre nicht so, der Grundherr könne weder dem Pächter den Pachtzins um den Betrag des von diesem gesparten Schulgeldes erhöhen, noch könne er den Lohn der Arbeiter herabsetzen. Pächter und Lohnarbeiter hätten also einen um den Betrag des beseitigten Schulgeldes erhöhten Arbeitsertrag. Warum soll aber der Grundherr den Arbeitsertrag der Pächter und Arbeiter erhöhen? Weil er selbst besteuert wird? Das ist aber kein Grund, da der Arbeitsertrag des Pächters und Lohnarbeiters ja vom Arbeitsertrag auf Freiland 1, 2 und 3 bestimmt wird. Käme die Verwendung der Grundsteuererträgnisse auch den Freiländern 3 zustatten, etwa ebenfalls in Form einer Schulgeldermäßigung, dann allerdings wäre das Gleichgewicht zwischen dem Arbeitsertrage des Lohnarbeiters und Pächters und dem der Freiländer ungestört und dem Grundherm wäre es unmöglich, die Grundsteuer auf Pacht und Lohn abzuwälzen. Im anderen Falle aber sagt er dem Pächter: „Zu den sonstigen Vorteilen, die mein Acker dir bietet, kommt auch die freie Schule für deine Kinder. Fetter Lehmboden, gesundes Klima, schöne Aussicht auf den See, die Nähe des Marktes, freie Schulen — alles zusammengerechnet — du hast mir 100 M. Pacht für den Hektar zu zahlen.“ Und dem Lohnarbeiter sagt der Grundherr: „Du kannst ja wegziehen, wenn du mit dem Lohnabzug nicht einverstanden bist. Rechne nach, ob du mit dem Lohn, den ich dir zahle, bei der freien Schule für deine Kinder und den sonstigen sozialen Einrichtungen, du dich nicht ebenso gut stehst, wie wenn du Freiland 2 und 3 bebaust. Rechne nach, ehe du wegziehst!“
Man sieht, daß die Grundsteuer restlos abgewälzt wird, sobald ihr Ertrag nicht auch dem Freiländer, namentlich dem Freiländer 3 zugute kommt. Wird der Ertrag der Grundsteuer dagegen in irgend einer Form der Sparland-Kultur zugeführt, so überträgt sich die Erhöhung des Arbeitsertrages der Freiländer 3 auf den Lohn der in der Sparhand-Kultur beschäftigten Arbeiter, und die Grundsteuer ist in diesem Falle nicht nur nicht abwälzbar, sondern sie belastet sogar die Grundrente zweifach, einmal, um den vollen Betrag der Steuer, das andere Mal in Gestalt der erhöhten Forderungen der Arbeiter.
Diese merkwürdige Erscheinung wollen wir auch rechnungsmäßig zu schildern suchen: Grundrentner A. hat von seiner Rente von 525 Tonnen die Hälfte an Steuern zu entrichten. Der Ertrag der Grundsteuern wird den Freiländern 3, also der Sparland-Kultur, in irgend einer Form zugeführt. Das Produkt der Freiländer 3 steigt von 900 Tonnen auf etwa 1200 Tonnen.
Wir wenden hier unsere Lohn- und Rentenberechnungsformel an und erhalten folgende Rechnung:
Bisher:
Sparhand-Kultur A. 100 ha, 12 Arbeiter 480 t, je Mann 40 t,
Sparland-Kultur B. 100 ha, 60 Arbeiter 900 t, je Mann 15t.
laut Rechnung S. 28/29 ist die Rente 315 Tonnen, der Lohn 8,75.
Jetzt:
Sparhand-Kultur A. 100 ha, 12 Arbeiter, Produkt 480 t, je Mann 40 t,
Sparland-Kultur B. 100 ha, 60 Arbeiter, Produkt 1200 t, je Mann 20 t.
Unterschied 20 t.
Ausrechnung:
20 mal 12 = 240: 48 = 5 mal 60 = 300 Tonnen Rente (bisher 375), 20 — 5 = 15 Tonnen Lohn (bisher 8, 75).
A. 12 mal 15 t Lohn = 180 B. 60 mal 15 = 900 Lohn
Rente 300 300 Rente
Produkt 480 Produkt 1200
Durch die Art der Steuerverwendung geht also die Rente von 375 auf 100 zurück, wovon dann der Betrag der Steuer 50 % von 375 = 187,50 abzuziehen wäre, so daß von der ursprünglichen Rente von 375 nur mehr 112,50 Tonnen übrigbleiben. Der Steuersatz von 50% verwandelt sich also durch die lohntreibende Verwendung des Steuerertrages in einen Rentenrückang von 70 %. 375 — 112,50 = 262,50 : 375 = 70 %.
Man sieht also, wie sehr recht Frankfurth hatte, als er fragte, was mit dem Ertrag der Grundsteuer gemacht wird und wie unvernünftig es ist, an die Beantwortung der Frage, ob die Grundsteuer abwälzbar sei oder nicht, heranzutreten, ohne die dazu nötigen Vorarbeiten vollendet zu haben. Auch mag man jetzt schon ahnen, wie oft die von den Sozialpolitikern empfohlenen Mittel ihr Ziel verfehlen, wie oft sie auch das Gegenteil von dem Erstrebten bewirken mögen. Man sieht aber auch welche Macht der Staat bei der Verteilung der Arbeitsprodukte ausüben kann.
Nur um uns etwas Übung in der Beurteilung sozialpolitischer Vorschläge zu verschaffen, wollen wir auch noch den Fall untersuchen, daß der Staat zur Abwechslung statt der Kornzölle eine Korneinfuhrprämie einführt und daß er sich die dazu nötigen Mittel durch eine Grundrentensteuer verschafft. Der Staat nimmt also den Grundbesitzern einen Teil ihres Getreides und gibt es denen, die Getreide einführen, mittellar oder unmittelbar, also den Freiländern 1 und 2, aber nicht den Freiländern 3.
Wir gehen von den Verhältnisien aus, die wir S. 28/29 zur Grundlage unserer Rechnungen nahmen. Dem in Deutschland geltenden Lohnsatz von 8,75 Tonnen entspricht der Ertrag der Arbeit auf Freiland 1 und 2. Das heißt, das Arbeitsprodukt des Freiländers, das 30 Tonnen betragen mag, schrumpft durch Frachtkosten und Zölle auf 15 Tonnen zusammen und erfährt bei der Umwandlung des Erlöses dieser 15 Tonnen in die Gegenstände des Arbeitsertrages (Gebrauchsgüter des Freiländers) durch die Frachtkosten, die diese Rückfracht belasten, einen neuen Rückgang, so daß zuletzt bei der Ankunft im Hause des Freiländers auch nur 8, 75 Tonnen als Arbeitsertrag übrigbleiben.
Nun sollen in Deutschland die Kornzölle in Korneinfuhrprämien umgewandelt werden, nach dem Grundsatz: waren die Kornzölle den Rentnen recht, so sind jetzt den Arbeitern die Einfuhrprämien billig. Infolgedessen braucht der Freiländer nicht nur keinen Zoll mehr zu bezahlen, sondern erhält noch aus den Renten der deutschen Grundbesitzer für je 10 Tonnen, die er ins Reich einführt, noch etwa 3 Tonnen als Prämie ausgeliefert. So daß er jetzt 18 statt 15 Tonnen zum Verkauf bringt, und sein Arbeitsertrag mag jetzt betragen 8, 75 mal 18 : 15 = 10,50.
Geht der Arbeitsertrag der Freiländer auswärts, so steigt auch der Lohn der deutschen Arbeiter. Das Ergebnis ist dasselbe wie im vorangehenden Fall, der Grundherr muß Steuern zahlen, deren Ertrag dem Lohn zukommt, so daß die Steuer nicht nur nicht abwälzbar ist, sondern über die eigene Größe hinaus auf die Grundrente drückt. Doch das gestörte Gleichgewicht ist mit diesem Rentenrückgang noch nicht wieder hergestellt. Die Erhöhung der Löhne im Landbau auf Freiland 1, 2 und 3 führt dahin, daß Industrie-Arbeiter zur Landwirtschaft zurückkehren, daß mehr landwirtschaftliche, weniger industrielle Produkte auf den Markt geworfen werden, daß das Tauschverhältnis sich zu gunsten der Industrieprodukte und sonstigen Leistungen verschiebt und daß der Rentner nun noch für sein schon stark geschwächtes Rentenprodukt (Weizen) noch außerdem einen geringeren Rentenertrag (alles, was der Rentner zum Leben braucht) eintauscht.
Selbstverständlich wirkt diese Verschiebung im Tauschverhältnis der landwirtschaftlichen und industriellen Produkte auch zurück auf den erhöhten Arbeitsertrag der Freiländer 1, 2 und 3, sowie auf den Lohn der Landarbeiter, bis auch dort das Gleichgewicht im Arbeitsertrag aller gefunden ist.