4. Warum man aus Papier Geld machen kann.

a) Die Tatsache.

Das Papiergeld, so sagt man also, ist unmöglich, weil das Geld doch immer nur seinen eigenen, inneren, Wert, seinen Stoffwert oder Wertstoff eintauschen kann, und weil doch das Papiergeld keinen solchen, „Wertstoff“ besitzt.

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In eigentümlichem Gegensatz zu dieser Behauptung steht aber die Tatsache, daß der gewaltige, moderne Warenaustausch in der Welt fast ausschließlich mit Papiergeld oder nur zum Teil durch Gold gedecken Banknoten abgewickelt wird. Man kann heute auf irgend einem beliebigen Breitegrad die Reise um die Welt machen, ohne anderes Geld als Papiergeld oder Banknoten auszugeben oder zu erhalten. Deutschland, England und die Türkei sind meines Wissens heute die einzigen Kulturländer mit vorwiegend metallenem Geldumlauf, sonst sieht man die Goldmünzen nur noch ausnahmsweise im Verkehr (*).

 

(*) Seitdem dies geschrieben wurde (1907), sind auch die letzten Goldmünzen aus dem Verkehr verschwunden.)

 

In Norwegen, Schweden, Dänemark, Osterreich, Holland, Belgien, der Schweiz, Rußland, Italien, Frankreich, Spanien, Griechenland, den Vereinigten Staaten von Nordamerika, Kanada, Mexiko, Brasilien, Argentinien, Paraguay, Chile, Australien, Neuseeland, Brit. Indien, Japan, Holl. Indien, also fast in der ganzen Welt wickelt sich der Handel ganz allgemein mit Papiergeld oder Banknoten, sowie sogenannten Scheidemünzen ab. Wer Gold haben will, muß die Reise zur Hauptstadt antreten und das Gold von der Notenbank fordern — dann erhält er oft auch nur Gold in Barren, nach Abzug einer Prämie. Im Verkehr verlangt in all diesen Ländern niemand die Zahlung in Gold, ja, in manchen dieser Länder gibt es wie in Argentinien, Urugay, Mexiko, Indien, überhaupt keine goldenen Münzen, die mit dem Landesgeld übereinstimmen. Kaufen wir in Deutschland mit gemünztem Gold Wechsel auf irgend eines der oben genannten Länder, so werden uns diese Wechsel ganz regelmäßig mit Papier ausgezahlt, oder wenn wir nicht dagegen Einspruch erheben, mit einem Sack voll Silbermünzen, die durch einen einfachen Hammerschlag die Hälfte ihres, Wertstoffes verlieren würden (frei nach Helfferich).

 

Diese Banknoten versprechen zwar laut Inschrift dem Inhaber eine bestimmte Menge Gold, und darauf gründet auch die allgemeine Ansicht, daß es sich hier nicht um Papiergeld handelt, jedoch genügt dieser Umstand nicht für die Erklärung der Tatsache, daß auf je einen Rubel, Rupie oder Dollar in Gold, zwei, drei und mehr Rubel, Rupien oder Dollar in Papiergeld entfallen. Zwei Drittel der umlaufenden Banknoten sind nicht durch Gold gedeckt, zwei Drittel der umlaufenden Banknoten müssen darum auch anderen Umständen als dem Einlösungsversprechen ihr Dasein und ihre Eigenschaften verdanken. Es müssen in der Welt, im Handel, auf der Börse, kurz irgendwo Kräfte vorhanden sein, die den Inhaber der Banknoten davon abhalten, die Einlösung in Gold zu verlangen, Kräfte, die die sonst unverständliche Tatsache erklären können, daß die Gläubiger der Notenbank (die Inhaber der Banknoten) 10 – 20 – 100 Jahre lang auf die Geltendmachung ihrer Forderungen verzichten, wie es ja auch Kräfte geben muß, die es bewirken, daß die Münzen Jahrhunderte lang von der Goldschmiede fernbleiben.

 

Ich werde gleich die Quelle dieser Kräfte aufdecken. Jetzt will ich nur ihr Dasein feststellen, um den Leser für meine Behauptungen empfänglich zu machen, daß in all den oben genannten Ländern es sich trotz der Inschrift der Banknoten nicht mehr um Metallgeld, sondern um Papiergeld handelt.

 

Wenn der Staat auf ein Stück Papier schreibt:

 

„Dies sind 10 Gramm in Gold“

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so glaubt es alle Welt, und es kommt vor, daß ein solcher Papierfetzen ungehindert Jahrzehnte lang pari mit massivem Gold, zuweilen sogar mit Aufgeld von Hand zu Hand geht(*)

 

(*) In Schweden bezahlt man augenblichich (1916) für 100 Kronen in Papiergeld 105 Kronen Gold. Die im Kriege aufgekommenen Ersatzstoffe sind durchweg teuer und schlecht, mit bitterem Nachgeschmack. Nur allein der Goldersatz, das Papiergeld, löst keine Großseufzer nach dem Frieden aus.)

 

Wenn aber derselbe Staat auf einem gleichen Stück Papier die Lieferung einer Milchkuh versprechen würde, so kämen alle Inhaber solcher Zettel schon gleich am nächsten Tage mit einem Strick, um die Kuh abzuholen.

 

Wenn aber ein Papierzeitel ein Quantum Gold Jahrzehnte lang bei einer unendlichen Reihe von Menschen in den verschiedensten wirtschaftlichen Lagen so vollständig ersetzen kann, während ein gleicher Zettel eine Kuh oder irgend einen anderen Gebrauchsgegenstand keine 24 Stunden vertreten kann, so beweist das, daß der Papierzettel und die Goldmünze für alle Bürger in allen wesentlichen, für sie in Betracht kommenden Eigenschaften vertretbar, d. h. gleichgültig sind, daß Goldblech und Papierzettel in der Geldform allen die gleichen Dienste erweisen. Ferner: Wenn das Einlösungsversprechen die Deckung der Banknote wäre, die sie in Umlauf erhält, wenn demnach die Banknote als einfacher Schuldschein zu betrachten wäre, wenn der Aussteller Schuldner, der Inhaber Gläubiger wäre (wie bei einem Wechsel), so mühten doch auch der Regel nach die Emissionsbanken ihren Gläubigern, d. h. den Inhabern der Banknoten Zins zahlen — wie das doch bei allen Schuldscheinen ausnahmslos der Fall ist. Und doch ist bei der Banknote das Verhältnis auf den Kopf gestellt; hier ist es der Schuldner, die Bank (Aussteller), der den Zins erhebt und der Gläubiger (Inhaber), der den Zins bezahlt. Um dieses Wunder zu bewirken, um das Verhältnis vom Gläubiger zum Schuldner derart umzustürzen, daß die Emissionsbank ihre Schulden (Banknoten, Emissionsrecht) als das köstlichste Kapital betrachten kann, müssen doch der Banknote Kräfte besonderer Art eigen sein, die sie aus der Galtung der Schuldscheine herausheben.

 

Ferner: wenn die Banknoten als Schuldscheine des Staates zu betrachten sind, so bleibt auch die Tatsache unerklärlich, daß solche Schuldscheine, trotzdem sie dem Inhaber keinen Zins eintragen, dabei nur zu 1/3 gedeckt sind und nicht amortisiert werden, der Regel nach höher im Kurs stehen als die Titel der gewöhnlichen Staatsschulden, die dem Inhaber Zins eintragen und die durch die Staatsgewalt und durch die Staatseinnahmen gedeckt sind. Wie z. B. 100 Mark in Reichsbanknoten, die auch vom Inhaber (Gläubiger) verzinst werden, heute 117 Mark Reichsanleihe gelten, die dem Inhaber 3% Zins einbringen (1911).

 

Auf Grund dieser Tatsachen leugnen wir also, daß es das Einlösungsversprechen ist, das den Banknoten und dem gemeinen Papiergeld den Lebensodem einflößt. Wir behaupten, daß es irgendwo anders im Handel Kräfte geben muß, die die Rolle spielen, die man heute allgemein dem Metallfonds (der sogenannten Deckung) oder dem Einlösungsversprechen zuschreibt; wir behaupten, daß diese augenblicklich hier noch verborgenen Kräfte, die, wie wir gesehen haben, einen Schuldschein (Banknote) in ein Kapital verwandeln, die  den Gläubiger zwingen, dem Schuldner den Zins zu zahlen, auch durchschlagend genug sind, um für sich allein die Rolle des Geldes auf dem Markte

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durchzuspielen. Wir behaupten auf Grund der oben genannten Tatsachen klipp und kar, daß man Geld aus Zellstoff machen kann, das ohne Einlösungsversprechen irgend einer Art, ohne Anlehnung an irgend eine bestimmte Ware (Gold z. B.) die Inschrift trägt:

Ein Taler“ (Mark, Schilling, Franken usw.) oder mit mehr Worten

 

Dieser Zettel ist an und für sich ein Taler“

oder:

 

„Dieser Zettel gilt im Handel, an den Staatskassen und vor Gericht 100 Taler“

 

oder, um den Sachverhalt zwar ohne Gewinn für die Klarheit, aber drastischer darzustellen:

 

„Wer diesen Zettel zur Einlösung bei der Reichsbank vorzeigt, erhält dort ohne Legitimation 100 Knutenhiebe (negatives Zahlungsversprechen).
Auf den Märkten, in den Läden aber erhält der Inhaber an Waren soviel, wie ihm Nachfrage und Angebot zusprechen werden, mit einem Wort: was er mit diesem Zettel im Lande erhandeln kann, das ist es, was er beanspruchen kann.“

 

Ich glaube, ich habe mich hier deutlich genug ausgedrück und keinen Zweifel mehr darüber gelassen, was ich unter dem Ausdruck Papiergeld verstehe. Jetzt wollen wir den Kräften nachspüren, die es möglich machen, daß das Volk sich um Zettel mit irgend einer der obigen Inschriften reißt, daß man zur Erlangung solcher Zettel im Schweiße des Angesichts arbeitet, daß man seine Erzeugnisse, die Waren mit Wertstoff und Stoffwert, gegen solche Fidibusse hergibt, daß man Schuldscheine, Wechsel, Pfandbriefe, die auf solche Zettel lauten, annimmt und als sogenannte Wertbewahrer oder Wertkonserven aufbewahrt, daß man nachts weinend auf dem Bette sitzt, nachgrübelnd, wie man sich solche „Papierwische“ für den fälligen Wechsel verschaffen kann; wie man auch Bankerott macht, gepfändet wird und der Unehre verfällt, weil man seiner Verpflichtung, Zettel mit obiger Inschrift zu einer bestimmten Stunde, an einem bestimmten Ort abzuliefern, nicht nachkommen kann, und schließlich, wie man jahraus, jahrein, ohne Vermögensverlust in Saus und Braus leben kann, weil man solche Zettel als Kapital irgendwo angelegt hat. Die geheime Quelle, aus welcher der Papierfidibus, das Papiergeld und das Geldpapier, das Geld der John Law und anderer Papiergeldschwindler, der Greuel aller Nationalökonomen und Krämerseelen, die Lebenskräfte zu solchen Taten schöpft, soll jetzt aufgedeck werden.

b) Die Erklärung der Tatsache.

Wenn ein Mensch irgend einen Gegenstand braucht und haben will, und es trifft sich, daß der gesuchte Gegenstand im Besitze anderer, und sonst nicht zu haben ist, so wird er sich in der Regel genötigt sehen, etwas von seiner Habe anzubieten, um den Besitzer

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der gesuchten Sache zu veranlassen, ihm das, was er braucht, abzutreten.  Er wird also den Gegenstand durch Tausch an sich bringen. Und selbst dann wird er das tun müssen, wenn dem an deren der gesuchte Gegenstand nutzzlos ist. Es genügt, wenn der Eigentümer weiß, daß der andere den Gegenstand braucht oder gar haben muß, dann gibt er ihn sicher nicht umsonst, ja, in vielen Fällen wird es vorkommen, daß jemand eine Sache nur darum aufhebt und in Besitz nimmt, weil er weiß, daß hinter ihm jemand folgt, der die Sache nützlich verwenden kann. Und je dringender dieser andere den Gegenstand braucht, um so höher wird der Besitzer seine Forderung schrauben.

 

Das hier Gesagte erscheint heute so selbstverständlich und natürlich, daß viele es für überflüssig ansehen werden, es auszusprechen; ja, so viel ich weiß, ist es hier das erste Mal, daß in einer volkswirtschaftlichen Schrift dieser Satz niedergeschrieben wird. Und doch handelt es sich hier um das eigentliche Grundgesetz der heutigen Volkswirtschaft, des Handels, der wirtschaftlichen Beziehungen der Bürger untereinander und der Bürger zum Staate.

Die obige „welterschütternde“ Entdeckung ist nicht weniger blöde und dumm und selstverständlich als die Newtonsche Entdeckung der Schwerkraft. Dafür hat sie auch für die Voltswirtschaft die gleiche bahnbrechende Bedeutung, die der Newtonschen Entdeckung für die Wissenschaft zugesprochen wird.

Mit der Inbesitznahme oder Aneignung eines Gegenstandes, den man nicht selbst gebrauchen kann, der aber, wie wir annehmen oder wissen, von anderen gesucht wird, können wir nur einen Zweck verfolgen: wir wollen diesen anderen Verlegenheiten bereiten und diese Verlegenheiten ausbeuten. Wir wollen Wucher mit dem Gegenstand treiben, denn jemand in Verlegenheit bringen und diese Verlegenheit ausbeuten, heißt Wucher treiben.

 

Der Umstand, daß diese Ausbeutung eine gegenseitige ist, beschönigt vielleicht den Sachverhalt, ändert aber nichts daran, daß die wechselseitige Ausbeutung der Notlage des Nächsten (*), die nach allen Regeln kaufmännischer Kunst betriebene, gegenseitige Plünderung die Grundlage unserer Volkswirtschaft bildet, die Grundlage, auf der der Tausch aller Waren sich abspielt, das ökonomische Grundgesetz, welches das Tauschverhältnis der Produkte, die Preise der Waren selbstherrlich bestimmt. Nähme man diese Grundlage fort, so würde unsere Volkswirtschaft in sich zusammenstürzen, und es bliebe für den Austausch der Produkte kein anderes Mittel übrig, als sie nach christlicher, sozialistischer, kommunistischer brüderlicher Vorschrift gegenseitig zu verschenken. Sind Beispiele nötig zur Erläuterung dieses Satzes?

 

(*) Man braucht hier durchaus nicht immer an frierende Bettler zu denken. Der 1000-fache Millionär Rockefeller ist jedesmal in solcher „Notlage„, wenn Brennstoffsurrogate den Absatz des Petroleums hemmen. Auch Krupp ist jedesmal in „Notlage“, wenn er für die Erweiterung seines Werkes den Acker eines Bäuerleins braucht.)

 

Warum erhebt die Post für einen Brief 15 Pf. und für eine Drucksache 5 Pf., trotzdem die Leistung der Post bei beiden Gegenständen die gleiche ist? Doch nur, weil der Briefschreiber in der Regel zwingende Gründe für den Brief hat, während der Versand der Drucksache oft unterbleiben würde, wenn das Porto höher wäre. Der Briefschreiber ist in einer Zwangslage, der Absender der Drucksache nicht,

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darum allein muß der Briefschreiber für die gleiche Leistung das doppelte Porto bezahlen!

 

Warum werden in Deutschland Apotheken mit einem Warenvorrat von 10000 Mark für eine halbe Million verkauft? Weil das Staatsmonopol dem Apotheker gestattet, die Notlage der Kranken schonungsloser auszubeuten, als es bei Freihandel möglich wäre, weil die auf Krücken ankommenden Kunden nicht die ein gesunder Springinsfeld den Wettbewerb der Nachbarapotheke ausspielen können.

 

Warum gehen oft die Preise des Getreides in Deutschland, trotz reicher Ernten, in die Höhe? Weil der Grenzzoll den Wettbewerb ausschließt, weil der Bauer weiß, daß seine Landsleute sein Getreide kaufen müssen usw. Es heißt zwar, die „Marktverhältnisse“ trieben die Preise auf und ab, man sucht das persönlich Bewegende, die Handlung auszuschließen und einen Sündenbock und solchen Wucher verantwortlich zu machen, indem man sagt, die Preise würden durch Nachfrage und Angebot bestimmt; aber was wären solche Marktverhältnisse solche Konjunkturen, was wären Nachfrage und Angebot ohne handelnde Personen? Diese handelnden Personen bewirken die Preisverschiebungen, und als Werkzeug dienen ihnen die Marktverhältnisse. Die handelnden Personen aber sind wir, wir alle, das Volk. Jeder, der etwas zu Markte trägt, ist von demselben Geist beseelt, so hohe Preise zu fordern, wie es die Marktverhältisse zu fordern gestatten. Und jeder sucht sich zu entschuldigen (wie auch jeder durch die Wechselseitigkeit des ganzen Systems entschuldigt wird), indem er sich auf die unpersönlichen Marktverhältnisse beruft.

 

Freilich, wer mit Karl Marx behauptet, daß sich die Waren selbst austauschen, und zwar im Verhältnis zu „ihrem Werte„, der braucht nicht zu wuchern, der braucht keine Notlage auszubeuten, der kann seine Arbeiter aushungern, seine Schuldner auswuchern, ohne Gewissenspein zu empfinden. Denn den Wucher begeht in diesem Falle nicht er, sondern die Sache, sein Eigentum. Nicht er tauscht sondern die Wichse tauscht sich gegen Seide, Weizen, Leder (*). Die Ware begeht also den Handel und zwar auf Grund „ihres Wertes„.

 

(*) Das Kapital Bd. 1, S. 8.)

 

Wer aber diese geheimnisvolle, gespensterhafte Eigenschaft der Waren, den genannten „Wert“ nicht zu erfassen vermag und darum den Tausch der Produkte als eine Handlung, die Waren und Marktverhältnisse als ein Werkzeug dieser Handlung betrachtet, der wird für solche Handlung, wie bereits erwähnt, keine anderen Richtpunkte finden, als den Wunsch, der alle Warenbesitzer beseelt, möglichst wenig zu geben und möglichst viel zu nehmen. Er wird bei jedem Tausch, in den Lohnverhandlungen wie bei den Börsenjobbern, beobachten, daß alle Parteien sich danach erkundigen, wie die Marktverhältnisse sind, ob der Käufer dringend der Ware bedarf, und namentlich wird er sich hüten zu zeigen, daß er selbst es nötig hat, seine Waren eilig zu verkaufen. Kurz, er wird sich überzeugen, dass die Grundsätze des Wuchers auch die des Handels im allgemeinen sind, er wird zwischen Handel und Wucher nur Maßunterschiede, keine Artunterschiede feststellen. Der Warenbesitzer, der Arbeiter, der Börsenmann hat es auf die Ausbeutung der Marktlage, des Volkes im großen abgesehen. Der

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Berufswucherer richtet seine Angriffe mehr auf eine Person; das ist vielleicht alles, was den Handel vom Wucher unterscheidet. Darum wiederhole ich: Das Streben, für eine möglichst geringe Leistung eine möglichst große Gegenleistung herauszuholen, das ist die Kraft, die den Austausch der Produkte leitet und beherrscht.

 

Es ist nötig, dieses mit rücksichtsloser Klarheit festzustellen, denn nur von dieser Erkenntnis aus kann die Möglichkeit des Papiergeldes voll begriffen werden.

 

Angenommen nun, Müller wäre auf irgend eine Weise in den Besitz eines, für irgend eines seiner geistigen oder körperlichen Bedürfnisse nutzlosen Stückchens Geldpapier gelangt, und Schulz versucht ihn, ihm den Fetzen zu überlassen, weil er ihn zu irgend einem Zwecke gebrauchen kann, so wird nach obiger Erkenntnis Müller das Geldpapier nicht unentgehtlich hergeben. Die Entgeltlichkeit aber würde schon das Geldpapier in Papiergeld verwandeln, denn alles, was wir zunächst vom Papiergeld erwarten, ist, daß es mehr als das Geldpapier kostet. Es soll nicht umsonst zu haben sein. Seinen Zweck erfüllt ja das Geld dadurch, daß immer wieder jemand das Geld sucht und zu seiner Erlangung etwas in Tausch geben muß (*).

 

(*) Die bürgerlichen und sozialistischen Lehrsätze verneinen solche Entgeltlichkeit, müssen sie verneinen, denn die Entgeltlichkeit würde die Hergabe des Geldpapieres zu einem Tausche stempeln, und der Tausch setzt nach ihren Worten den Tauschwert, den Stoffwert oder Wertstoff voraus, und wir nehmen an, daß jenes Stüdchen Geldpapier frei sei von Tauschwert, Wertstoff oder Stoffwert. (Ganz einerlei, ob man sich unter diesen Ausdrücken etwas vorstellen kann oder nicht.) Beim Tausche könne ja eine Ware immer nur den Wert eintauschen, den sie selber hat (innerer Wert), so sagt die bürgerliche und sozialistische „Wertlehre“ und wenn der gedachte Fetzen Geldpapieres keinen Tauschwert hat, so ist der Tausch, jede Entgeltlichkeit ausgeschlossen. Es fehle für solchen Tausch sowohl jedes „Wertmaß“ zur Ausmessung der Gegenleistung, wie auch die Werteinheit zur „Berechnung der Gegenleistung“. Geldpapier und Waren seien einfach nicht vergleichbare Größen.)

 

Wir brauchen also zur Erklärung der Möglichkeit, daß Geldpapier sich in Papiergeld verwandeln kann, nur noch nachzuweisen, daß Schulz wirklich in die Lage kommen kann, das im Besitze Müllers befindliche Stückchen Geldpapier an sich zu bringen.

 Ein solcher Nachweis ist aber leicht genug zu erbringen.

 

Die Produkte der Arbeitsteilung (** ), die Waren, sind von vornherein für den Tausch bestimmt, d. h. sie haben für ihre Verfertiger die gleiche Bedeutung, wie das Geld für uns alle hat — sie sind als Tauschobjekte nützlich. Nur die Aussicht, die Produkte (Waren) gegen andere Waren tauschen zu können, veranlaßt die Erzeuger, die Urwirtschaft zu verlassen und die Arbeitsteilung einzuführen.

 

(**) Unter Arbeitsteilung ist hier solche Arbeit zu verstehen, die Tauschgegenstände, also Waren erzeugt, im Gegensatz zur Urwirtschaft, die auf die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung gerichtet ist. Die industrielle Arbeitsteilung, darin bestehend, daß die Herstellung der einzelnen Waren in Teile zerlegt wird, ist nur technische Arbeitsteilung und nicht mit der ökonomischen Arbeitsteilung zu verwechseln.)

 

Zum Tausch der Produkte gehört aber wieder ein Tauschmittel, sogenanntes Geld, denn ohne solches Tauschmittel wäre man auf den Tauschhandel angewiesen, von dem wir wissen, daß er bei einer gewissen Entwicklung der Arbeitsteilung einfach versagt. Jeder kann sich leicht vorstellen, daß der Tauschhandel ganz unentwickelte Zustände voraussetzt.

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Das Geld, ein Tauschmittel, ist die Grundlage und Voraussetzung entwickelter Arbeitsteilung, der Warenproduktion. Für die Arbeitsteilung ist ein Tauschmittel unentbehrlich.

 

Aber es gehört zum Wesen eines Tauschmittels, daß bei seiner Herstellung die Gewerbefreiheit auf irgend eine Weise ausgeschaltet werde. Stände es jedermann frei, Geld zu verfertigen, und zwar jedem nach seiner Weise, so würde die Vielgestaltigkeit solchen Geldes dieses für den Zweck, den es erfüllen soll, einfach unbrauchbar machen. Jeder würde sein eigenes Produkt als Geld erklären und damit wären wir ja wieder beim Tauschhandel angekommen.

 

Wie nötig die Einheitlichkeit im Geldwesen ist, erkennt man auch daran, daß man nicht einmal glaubte, mit der Doppelwährung auskommen zu können. Und wie wäre es, wenn man sich zwar über die Goldwährung geeinigt hätte (eine solche Einigung fällt aber an sich schon mit dem Begriff „Staat“ zusammen, denn alles das, worüber wir Einigung erreicht haben, bildet das eigentliche Baumaterial des Staates), man aber die Gewerbefreiheit in der Herstellung der Münzen beibehalten hätte und nun Münzen von jedem möglichen Feingehalt umliefen?

 

Wie aber auch immer diese notwendige Ausschließung der Gewerbefreiheit bei der Herstellung des Geldes erzielt wird, ob durch gesetzliches Verbot, oder durch natürliche Schwierigkeiten für die Beschaffung des Materials (Gold, Kauri usw.), ob man dabei bewußt oder unbewußt vorgegangen ist, ob das Volk in einer Versammlung feierlich darüber beschloß, oder dem Schube der vorwärtsdrängenden Volkswirtschaft nachgab, einerlei, es handelt sich da um eine Handlung des Volkes, und was ist eine solche einmütige Handlung anders als ein Gesetz, als eine staatliche Handlung? Das Tauschmittel trägt also immer das Gepräge einer staatlichen Einrichtung und diese Bezeichnung berdient sowohl das gemünzte Metall, wie auch die Kauri- Muschel und die Banknote. Von dem Augenblick an wo das Volk dazu gekommen ist semerlei wie, einen bestimmten Gegenstand als Tauschmittel anzuerkennen, hat dieser Gegenstand das Gepräge einer staatlichen Einrichtung.

 

Also entweder staatliches Geld oder überhaupt kein Geld. Gewerbefreiheit in der Herstellung des Geles ist einfach unmöglich. Ich brauche mich hier nicht weiter aufzuhalten, denn die Sache ist selbstverständlich (*).

 

(*) Bei einem natürlichen Geldstoff wird man die Gewerbefreiheit dadurch ausschalten daß man solchen Stoff wählt (Kauri, Gold), der an Ort und Stelle nicht beliebig oder überhaupt nicht hervorgebracht werden kann.)

 

Der Umstand, daß wir heute die Produktion des Geldstoffes freigeben und dabei durch das freie Prägerecht den Geldstoff praktisch zu Geld machen, sagt gar nichts gegen diesen Satz, denn trotz Prägerecht ist der Geldstoff an und für sich doch kein Geld, wie die Geschichte der preußischen Taler das schlagend beweist. Dieses freie Prägerecht wird durch Gesetz erteilt, haftet also nicht am Gold und kann durch Gesetz jeden Tag zurückgezogen werden (Silbersperre).

 

Übrigens besteht diese Gewerbefreiheit in der Hervorbringung des Geldtoffes (Gold) auch nur dem Namen nach, da die Natur der Goldproduktion diese Freiheit wieder zunichte macht.

 

Auch der Umstand, daß man früher in manchen unentwickelten Ländern, z. B. in Nordamerika während der Kolonialzeit, Pulver, Salz, Tee, Felle usw. als Tauschmittel benutzte, sagt nichts gegen obigen Satz, denn hier handelt es

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sich unmittelbar um Tauschhandel, nicht um Geld. Das im Tausch gegen die eigenen Produkte erhaltene Salz (Tee, Pulver usw.) wurde einfach im Hause verbraucht und nicht weitergegeben. Diese Waren liefen nicht um, sie kamen niemals zum Ausgangspunkt (Hafen) zurück, sondern wurden ihrer körperlichen Eigenschaften wegen gekauft und verbraucht. Sie mußten immer wieder durch neue ersetzt werden. Zum Wesen des Geldes gehört es aber, daß das Geld nicht seines Materials (Geldstoffes) wegen gekauft werde, sondern seiner Eigenschaft als Tauschmittel wegen; daß es nicht verbraucht, sondern nur als Tauschmittel gebraucht werde. Das Geld beschreibt einen Kreis, den es ewig durchläuft, es kehrt zum Ausgangspunkt zurück. Um als Geld betrachtet werden zu können, hätte das Teepaket, nachdem es, von China kommend, jahrelang durch die Kolonien Nordamerikas gepilgert war, wieder mal nach China zurückwandern müssen, wie das doch mit den jetzigen Silberdollars in Amerika der Fall ist, die etwa, von Colorado kommend, auf dem Handelswege nach China gelangen, dort sich jahrzehntelang herumtreiben, um gelegentlich wieder auf dem Handelswege zur Lohnzahlung in die Silbergruben Colorados hinabzusteigen. Das Teepaket würde auch immer teurer, je weiter es sich vom Hafen entfernte, alle Fracht-, Handels- und Zinsspesen wurden auf seinen Preis geschlagen, während obiger Silberdollar, nachdem er vielleicht zehnmal die Reise um die Welt gemacht, dem Arbeiter in der Silbergrube zum gleichen Preise, wofür er ihn ursprünglich geliefert, zurückgegeben werden mag. In fast allen Ländern findet man Münzen, die 100 und mehr Jahre alt sind, die vielleicht 100000mal den Besitzer gewechselt haben, ohne daß es in der langen Reihe einem einzigen je eingefallen wäre, sie zu verbrauchen, d. h. sie des Silber- oder Goldgehaltes wegen einzuschmelzen. Sie sind 100 Jahre lang als Tauschmittel gebraucht worden. 100000 Besitzern waren sie nicht Gold, sondern Geld, keiner von ihnen bedurfte des Geldstoffes. Das Kennzeichen des Geldes ist eben, daß dem Inhaber das Geldmaterial gleichgültig ist. Darum, d. h. dieser völligen Gleichgültigkeit wegen, ist es auch allein erklärlich, daß giftige, mit Grünspan überzogene Kupfermünzen, verschlissene Silbermünzen, schöne Goldmünzen, bunte Papierschen gleichwertig einherlaufen.

 

Etwas anders als mit dem Tee verhält es sich schon mit den Kauri-Muscheln, die in Innerafrika als Tauschmittel benutzt werden und die schon mehr Ähnlichkeit mit dem Geld haben. Die Kaurimuschel wird nicht verbraucht; ihr gegenüber sind die Käufer viel gleichgültiger als die Käufer von Tee und Pulver. Sie läuft um, braucht nicht immer ersetzt zu werden, mag sogar zuweilen zum Ausgangspunkt, der Küste, zurückgelangen. Hier und da mag sie wohl auch von den Fräulein zu geldfremden Zwecken als Zierrat verwendet werden, aber ihre wirtschaftliche Bedeutung stützt sich nicht mehr auf diese Verwendung. Die Kaurimuschel würde sicherlich wohl weiter als Tauschmittel verwendet werden, falls sie als Zierral ganz außer Mode käme, vorausgesetzt, daß kein anderer Gegenstand sie als Tauschmittel vom Markte verdrängte. Sie wäre dann reines Tauschmittel, wirkliches Geld, wie unsere Kupfer- Nickel, Silbermünzen und unsere Geldscheine, die ja auch keine andere Verwendung wirtschaftlich zulassen, als die eines Tauschmittels. Und wir könnten sie auch, wie unser heutiges Geld, als staatliches Geld oder wenigstens gesellschaftliches Geld bezeichnen, mit der Einschränkung, die der Begriff Staat in so unentwickelten Verhältissen erfährt. Das Staatsmonopol der Geldfabrikation wäre hier, ähnlich wie bei der Goldwährung,

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durch die Unmöglichkeit gewahrt, Muscheln nach Belieben hervorzubringen, da sie, tausend Meilen weit, am Meeresstrand gefunden werden. (Die Muschel ist wie das Gold für den Europäer, nur auf dem Handelsweg, durch Tausch erreichbar.)

 

Ist es aber so, daß für die Arbeitsteilung ein Tauschmittel, also Geld, unentratbare Voraussetzung ist, und daß ein solches Tauschmittel nur als staatliches d. h. vom Staate verfertigtes oder kontrolliertes Geld, von staatlichen Gesetzen, besonderen Währungsgesetzen beherrschtes Geld denkbar ist, so fragt es sich, was der Warenproduzent mit seinen Erzeugnissen anfangen kann, falls er sie auf den Markt bringt, und er dort auf kein anderes Geld stößt, als Geldpapier, weil der Staat kein anderes Geld als Papiergeld herstellt? Weist der Erzeuger das Geld zurück (etwa weil es den bürgerlichen und sozialistischen Wertlehren widerspricht), so muß er auch auf den Austausch seiner Produkte verzichten und die Karloffeln, Zeitungen, Besen oder was es sei, wieder nach Hause bringen. Auf sein Gewerbe, auf die Arbeitsteilung muß er überhaupt verzichten, denn wie will er etwas kaufen, wenn er selber nichts mehr verkauft, wenn er das Geld, das der Staat in Umlauf gesetzt hat, nicht annehmen will? Er wird also der Regel nach nur 24 Stunden streiten können, nur 24 Stunden wird er seiner Werttheorie treu bleiben und gegen den, Papiergeldschwindel eifern können, Dann werden ihn Hunger, Durst und Kälte mürbe machen und ihn zwingen, seine Waren gegen Papiergeld anzubieten, dem der Staat die Inschrift gegeben:

„Der Vorzeiger dieses Papiers erhält auf der Reichsbank

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auf den Märkten aber an Waren soviel, wie ihm Nachfrage und Angebot zumessen werden.“

 Hunger, Durst und Kälte (zu denen sich noch der Steuerexekutor gesllen mag) werden alle, die nicht zur Urwirtschaft zurückkehren können (heute die ausnahmslose Regel für die Bürger eines neuzeitlichen Staates), alle, die die Arbeitsteilung, ihr Gewerbe weiter betreiben wollen, zwingen, ihre Erzeugnisse gegen das vom Staate ausgegebene Geldpapier anzubieten, d. h. mit ihren Produkten Nachfrage nach Geldpapier zu halten, und diese Nachfrage wird wiederum alle, die in den Besitz solchen Geldpapieres gelangt sind, veranlassen, dieses nicht umonst herzugeben, sondern soviel dafür zu fordern, wie es die Marktverhältnisse gestalten werden. Das Geldpapier verwandelte sich also in Papiergeld:

  1. Weil die Arbeitsteilung große Vorteile bietet.
  2. Weil die Arbeitsteilung Waren erzeugt, die nur als Tauschgegenstände dem Verfertiger nützlich sind.
  3. Weil der Austausch der Waren, bei einer gewissen Entwicklung der Arbeitsteilung, ohne Tauschmittel unmöglich wird.
  4. Weil das Tauschmittel, seiner Natur nach, nur als gesellschaftliches, staatliches Geld denkbar ist.
  5. Weil nach unserer Annahme der Staat kein anderes Geld als nur Geldpapier verfertigte.
  6. Weil alle Besitzer der Waren vor der Entscheidung standen, entweder das Geldpapier des Staates im Tausch gegen ihre Erzeugnisse anzunehmen, oder aber auf die Arbeitsteilung zu verzichten, und schließlich
  7. Weil die Inhaber des Geldpapieres dieses nicht umsonst hergaben, sowie sie sahen, daß die in Verlegenheit gebrachten Warenbesitzer ihre Waren gegen Geldpapier anboten.

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Der Beweis, daß man Geld aus Zellstoff machen kann, ist also in allen Teilen lückenlos erbracht, und ich könnte nun gleich zu der nächsten Frage, wieviel ein Stück Geldpapier an Waren dem Besitzer einbringen wird und soll übergehen. Aber die Wichtigkeit des Gegenstandes veranlaßt mich, Rücksicht auf die dem Papiergeldbegriff entgegenstehenden Vorurteile zu nehmen und die Hirngespinstigkeit der wichtigsten von ihnen darzutun. Ich hoffe dadurch das Vertrauen der  wenigen umsichtigen Leser zu gewinnen, die zwar anerkennen, der oben erbrachte Beweis sei wohl richtig aus den erwähnten Annahmen gezogen, die dann aber fürchten, diese Voraussetzungen wären vielleicht nicht vollständig und die Sache könnte an irgend einem nicht erwähnten Umstand scheitern. Ich bedarf aber, um weiter (*) auf dem erbrachten Beweis bauen zu können, der vollen Überzeugung des Lesers, daß man Zellstoffgeld, Geld ohne Wertstoff und ohne Stoffwert, Papiergeld mit irgendeiner der oben erwähnten Inschriften wirklich machen kann. Es ist dies die unentratbare Voraussetzung, um auch weiter im Einverständnis mit meinem Leser zu bleiben. Wenn es nicht ebenso wahr ist, daß man mit Papier Geld machen kann, wie, daß „Marley tot war“ (**), so fällt alles, was ich noch sagen werde, als wesenlos in sich zusammen.

 

(*) Übrigens erwähne ich hier vorsichtshalber noch einmal, daß ich bieher nur die Möglichkeit, aus Geldpapier Papiergeld zu machen, behandelt, die Frage aber, welche Vorteile ein solches Geld gegenüber dem Metallgeld haben könnte, ganz unberührt gelassen habe. Das kommt später.)

 

(**) In Dickens „Weihnachtsgeschichten„.)

 

Ich hätte mir die Sache auch leicht machen können, wie andere, die sich mit dem Papiergeldproblem abgeplagt haben; ich hätte sagen können, der Staat ordere die Bezahlung der von ihm ausgeschriebenen Steuern und Bußen in Geldpapier. Wenn der Staat z. B. Briefmarken nur gegen von ihm verfertigtes Geldpapier verkauft, wenn er die Bahngelder nur in seinem Geldpapier einfordert, wenn man die Zölle, das Kirchengeld, das Schulgeld, das Holz der Staatsforsten, das Salz der Staatsdomänen usw. nur mit staatlichem Papiergeld zahlen kann, so wird jeder ein solches Papier als etwas sehr Kostbares aufbewahren und es nicht unentgeltlich abgeben. Der Staat liefert dem Inhaber statt Gold Staatsleistungen. Eine vielgestaltige statt einer eingestaltigen Leistung. Dann wären es diese Leistungen, die dem Papiergeld Leben geben.

 

Aber mit dieser Erklärung würden wir, wie wir das noch kennen lernen werden, nicht weit kommen und bald, wie alle Papiergeldreformer und Geldpapierfabrikanten, wiederkäuend vor dem Berge stehen. Wer die wahre Grundlage des Papiergeldes, das sind die oben erwähnten 7 Punkte, nicht erkannt hat – kann keine einzige wirtschaftliche Erscheinung auf ihren letzten Grund zurückführen.

 

Im Vordergrund der Beweise gegen die Möglichkeit des Papiergeldes steht die Behauptung, sozusagen das Prunkstück der Metallisten: Ware kann nur mit Ware getauscht werden, da niemand einen nützlichen Gegenstand gegen einen unnützen (Papiergeldfidibus) hergeben wird!

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 Mit diesem blendenden Satze, der so einleuchtend klingt, daß ihm, soviel ich weiß, sämtliche Papiergeldtheoretiker vorsichtig aus dem Wege gegangen sind, wahrscheinlich, weil sie dem Trugschluß nicht beikamen, hat man immer das Papiergeld von vornherein als unmögliche Bestrebung kennzeichnen können und alle wissenschaftlich vorgehenden Forscher von vornherein von dem Papiergeldprobleme ferngehalten.

 

Also Ware kann nur gegen Ware ausgetauscht werden. Das ist zweifellos richtig, aber was ist Ware? Ware ist das Erzeugnis der Arbeitsteilung, und die Produkte der Arbeitsteilung sind ihren Verfertigern nur als Tauschmittel nützlich, unmittelbar aber nuzlos, wie wir das bereits gezeigt haben. Was könnte ein Gutsbesitzer mit den 1000 Tonnen Kartoffeln, was würde der mit einer Million Spindeln arbeitende Spinnereibesitzer mit dem Garn anfangen, wenn er es nicht verkaufen könnte, wenn ihm das Garn nicht als Tauschgegenstand diente?

 

Nach dieser Begriffsbestimmung klingt der Satz: „Ware läßt sich nur gegen Ware verkaufen“ schon anders, denn er verlangt vorerst nur (im Ausdruck Ware ist es stillschweigend mit eingeschlossen), daß das, was ausgetauscht wird, für seine Besitzer oder Verfertiger nutzlos sei. Er fordert darum auch nur daß das, was gegen die Ware ausgetauscht wird auch seinem Besitzer nußlos sei. — Und ist das nicht der Fall mit dem Papiergeldfidibus? Ist der Fidibus, wenn wir von seiner Eigenschaft als Geld absehen, nicht ein gänzlich nutzloser Gegenstand?

 

Also der Satz: „Ware kann nur gegen Ware ausgetauscht werden“ verwandelt sich so schon in einen Beweis für, nicht gegen die Papiergeldtheorie, er zeugt gegen, nicht für das Metallgeld.

 

Und wie steht es mit der Begründung: „Da niemand einen nützlichen Gegenstand gegen einen unnützen hergibt“? Wird hier nicht der Vordersatz: „Ware kann nur gegen Ware umgetauscht werden, geradezu umgestoßen“? In der Behauptung wird von Ware gesprochen, und Ware ist dem Besitzer immer ein unnützes Ding. In der Begründung aber wird nicht mehr von der Ware gesprochen, sondern von nützlichen Dingen, von Gebrauchsgütern. Auf unsere Beispiele angewandt lautet also obiger Satz wie folgt:

Kartoffeln können gegen Garn ausgetauscht werden, weil Kartoffeln dem Gutsbesitzer, und Garn dem Spinnereiaktienbesitzer durch ihren Stoffwert nützliche Dinge sind. Und dies ist doch offenbar falsch. Was könnte, ich wiederhole die Frage, der Spinnereibesitzer mit all dem Garn anfangen? Wenn nun auch die Begründung falsch ist, so ändert das nichts an der Richtigkeit der Behauptung, daß Ware nur gegen Ware ausgetauscht werden kann, und um das Papiergeld mit dieser Behauptung in Einklang zu bringen, müssen wir nachweisen können, daß das Geldpapier ebensogut Ware ist, wie alle Waren, deren Tausch es vermitteln soll. Wohlverstanden, das Stück Geldpapier, der bunte Zettel mit der tollen Aufschrift:

„100 Knutenhiebe

werden im Reichsgeldamt dem Vorzeiger dieses ohne Legitimation erteilt; auf dem Markte aber erhält der Inhaber an Waren so viel wie er damit erhandeln kann.“

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soll an und für sich alle Eigenschaften einer so wichtigen Ware, wie es doch das Geld ist, besitzen. Wir wollen für das Papiergeld keine erborgten, erschlichenen, übertragenen Eigenschaften. Den Papiergeldfidibus sollen wir namentlich nicht darum als Ware anerkennen, weil der Staat irgend eine, von seinem Wirken als Geld unabhängige Leistung dem Inhaber verspricht. Im Gegenteil, ich will den Leser dahin bringen, daß er den anscheinend widersinnigen Satz unterstreicht:

 

„Das Papiergeld ist chemisch reine Ware, und zwar der einzige Gegenstand, der uns schon als Ware nützlich ist.

 

Welche Eigenschaften muß ein Ding in sich vereinigen, um als Ware angesehen zu werden?

  1. Es muß dafür Nachfrage bestehen, d. h. es muß irgend jemand da sein, der den Gegenstand haben will oder haben muß, und der darum bereit ist, eine andere Ware dafür in Tausch zu geben.
  2. Um diese Nachfrage zu erzeugen, muß der betreffende Gegenstand dem Käufer natürlich nützlich sein, denn sonst sucht und bezahlt man den Gegenstand nicht. Flöhe, Unkraut und Gestank sind aus diesem Grunde keine Waren, auch alles nicht, was keinen Eigentümer hat. Ist der Gegenstand aber nützlich (wohlverstanden dem Käufer, nicht dem Besitzer nützlich) und kann man ihn nicht umsonst erhalten, so sind alle Bedingungen erfüllt, die eine Sache zur Ware machen.

Daß das Geldpapier die Bedingung 1 erfüllt, haben wir bereits bewiesen, als wir zeigten, daß das Geld, und zwar staatliches Geld, unentratbare Voraussetzung entwickelter Arbeitsteilung ist und daß alle Warenbesitzer durch die Natur ihres Besitzes gezwungen würden, ihre Waren gegen Geldpapier anzubieten, also Nachfrage nach Geldpapier zu halten, falls der Staat kein anderes Geld machte. Würde man in Deutschland mit dem Golde heute ebenso verfahren, wie man mit dem Silber verfuhr, und würde der Staat das Gold durch Geldpapier ersetzen, so  müßten auch alle Warenbesitzer und Warenverfertiger unter das Joch dieses Papiergeldes sich beugen. Alle ohne Ausnahme wären gezwungen, mit ihren Produkten Nachfrage nach dem Geldpapier zu halten. Ja, man könnte sagen die Nachfrage nach Geldpapier wird unbedingt genau so groß sein, wie das Angebot von Waren, das seinerseits wieder der Warenerzeugung entspricht.

 

Bedingung Nr. 1 einer Ware erfüllt also das Geldpapier in kräftigster Weise. Petroleum, Weizen, Baumwolle, Eisen sind sicherlich auch Dinge mit ausgeprochener Wareneigenschaft; sie gehören zu den wichtigsten Stapelartikeln des Marktes. Trotzdem ist für diese Waren die Nachfrage keine so unbedingte wie beim Papiergeld. Jeder, der heute Waren erzeugt, also ein Gewerbe betreibt, d. h. die Urwirtschaft aufgegeben und die Arbeitsteilung eingeführt hat, hält  mit seinen Produkten Nachfrage nach einem Tauschmittel. – alle Waren, ohne Ausnahme, verkörpern Nachfrage nach Geld, d. h. nach Geldpapier, wenn der Staat kein anderes Geld herstellt —, aber nicht alle Warenbesitzer kaufen mit dem Gelde, das sie für ihre Produkte lösten, Eisen, Petroleum, Weizen. Auch gibt es für Eisen, Petroleum, Weizen viele Ersatzgüter, während es für das Geld nur einen einzigen Ersatz gibt, das ist die Urwirtschaft oder der Tauschhandel, und diese kamen erst dann in Betracht, wenn die 90 % unserer heutigen

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Bevölkerung, die der Arbeitsteilung ihr Dasein verdanken, verhungert, tot und begraben wären.

 

Die Nachfrage nach Geldpapier wird also durch alle Produkte der Arbeitsteilung hervorgerufen, d. h. durch die Wareneigenschaft dieser Produkte. Die Arbeitsteilung die Urmutter der Ware ist die unerschöpfliche Quelle der Nachfrage nach Geld, während die Nachfrage für die sonstigen Waren viel weniger stark gefügt ist.

 

Die Entstehung der Nachfrage nach einer Sache kann man sich natürlich nur dadurch erklären, daß der nachgefragte Gegenstand (hier das Papiergeld) dem Käufer (nicht dem Besitzer) irgend einen Dienst erweist, also nützlich ist (Punkt 2).

 

Nun frage ich: Ist der zu Geld erhobene Papierfidibus, das staatlich allein anerkannte und dadurch allein mögliche Tauschmittel, der viereckige bedruckte Zettel, kein nützliches Ding?

 

Ist das Ding da, der Fidibus, der dem Arbeiter, dem Arzt, dem Tanzlehrer, dem König, dem Pastor gestattet, ihre ihnen persönlich völlig nutzlosen Produkte oder Leistungen gegen Gebrauchsgüter umzutauschen, kein nützlicher Gegentand?

 

Wir müssen hier selbstverständlich nicht, wie es in der Regel der Fall ist, an das körperliche des Geldes, an den Fidibus denken, sondern an das Ganze, an den Fidibus mit seinen staatlichen Vorrechten als Tauschmittel, als Geld. Wir müssen uns das Geld als ein Fabrikat denken, sogar als ein gesetzlich geschütztes und vom Staate allein erzeugtes Fabrikat.

 

Gewiß, wenn wir die Hauptsache am Papiergeld, seine Eigenschaft als gesetzlich allein anerkanntes und praktisch alleinherrschendes Tauschmittel abziehen, so bleibt wahrhaftig nur nuhzlose Makulatur übrig; aber geschieht mit den meisten Dingen nicht genau dasselbe, wenn man von ihrem Gebrauch absieht und nur an den Stoff, aus dem sie bestehen, denkt? Tragen wir von einem Ölbild die Farben zusammen, schlagen wir mit dem Hammer auf eine Scheidemünze, auf ein Tintenfaß, eine Suppenschüssel — was bleibt? Makulatur, Unrat. Betrachten wir ein Haus als einen Steinhaufen, die Königskrone als Metall, ein Buch als Papier, kurz, in allen Dingen nur den Stoff so sehen wir in den weitaus meisten Fällen auch nicht viel mehr als einen Fidibus.

 

Wir brauchen das Piano nicht als Brennholz, die Lokomotive nicht als Gußeisen und das Papiergeld nicht als Tapete. Also warum spricht man nur immer vom Zellstoff, wenn vom Papiergeld die Rede ist? Warum sprechen wir nicht vom Tauschmittel?

 

Wir betrachten alle übrigen Dinge als das, wofür sie bestimmt sind, und wenn wir das auch beim Papiergeld täten, so würden wir sehen, daß es sich nicht um ein Stückchen Papier handelt, sondern um ein hochwichtiges, unentbehrliches Fabrikat, um das wichtigste und nützlichste aller Gebrauchsgüter.

 

Daß dieses Fabrikat so gut wie keine Herstellungskosten verursacht, kann ihm nichts verschlagen. Wir suchen in den sonstigen Dingen, die wir kaufen, doch auch nicht das Blut und den Schweiß der Arbeiter. Hat etwa der gesamte, nach Milliarden berechnete Bauplatz der Stadt Berlin einen Pfennig Erzeugungskosten verursacht!

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Man sehe also bei der Betrachtung des Papiergeldes ganz vom Fidibus ab, man gewöhne sich daran, dieses Geld als ein unentbehrliches, nützliches, dabei noch vom Staate geschütztes Fabrikat zu betrachten, und ohne Schwierigkeiten wird man dann in dem Geldpapier einen Gegenstand erkennen, der alle Eigenschaften einer Ware hat, und statt dann noch im Bestehen des Papiergeldes einen Widerspruch gegen den Lehrsatz zu erblicken, daß Ware nur mit Ware bezahlt werden kann, wird man im Papiergeld eine neue Bestätigung dieses Lehrsatzes erblicken.

 

Wer sich die Mühe geben will, die Währungsliteratur durchzustöbern, wird die Beobachtung machen, daß das Geld regelmäßig nicht als ein, ganz bestimmten Zwecken dienendes Fabrikat (Tauschmittel), sondern als ein Rohstoff für Industriezwecke (Goldschmied) behandelt wird, der nur nebenbei, vorübergehend als Geld zu wirken hat. Dabei laufen in manchen Ländern und bis vor kurzem auch in Deutschland Münzen um, die vor 100 oder 200 Jahren geprägt wurden, während ein Jahr alte Waren in der Regel schon zu den Lagerhütern gerechnet und mit erheblichen Abstrichen in den Bestandsaufnahmen der Kaufleute aufgeführt werden.

 

Wenn das Geld nur Rohmaterial zu Industriezwecken wäre, so würde jeder es nur kaufen, wie man jede andere Ware kauft, d. h. nur unter der Bedingung, daß man es, mit Zins und Gewinnzuschlag belastet, wieder weitergeben kann. Nun rechne einer nach, für wieviel der schon erwähnte Dollar, der von den Colorado Bergwerken kommend, 10, 20 Jahre lang in China sich herumtrieb und dann wieder zur Lohnzahlung in den Colorado-Bergwerken verwendet wurde, dort dem Arbeiter angerechnet werden müßte, der ihn selbst gefördert hat, falls er auf dem langen Wege, immer wieder mit Zins, Fracht und Gewinnzuschlag belastet, weitergegeben worden wäre. Und doch wäre diese Belastung nötig gewesen, wenn jeder den Dollar des Silbers wegen gekauft hätte, wenn niemand noch nebenbei einen anderen Nutzen aus ihm gezogen hätte — nämlich den Tausch seiner Erzeugnisse gegen Gebrauchsgüter.

 

Man kann sogar das Geld, und besonders das Papiergeld, als die Ware bezeichnen, bei der die Wareneigenschaft am reinsten hervortritt, denn das Geld, und hauptsächlich das Papiergeld, wird nur als Ware (Tauschware) benutzt, nicht aber wird das Geld gekauft, um es, wie es bei den übrigen Waren der Fall ist, in der Fabrik in der Küche, also fern vom Markte, zu verbrauchen.

 

Das Geld ist und bleibt Ware; sein Nutzen liegt ausschließlich in seinem Gebrauch als Tauschware. Alle übrigen Waren werden nur zum Verbrauch gekauft (von den Kaufleuten abgesehen, für welche Ware und Geld —Ware bleiben). Man verfertigt die Ware zum Verkauf, aber man kauft sie zum Verbrauch. Man verkauft Ware, man kauft Gebrauchsgüter. Nur das Geld allein kauft jeder als Ware. Nur allein das Geld ist uns bereits als Ware ein nützliches Gebrauchsgut (nämlich als Tauschmittel); das Geld, und vornehmlich das Papiergeld, ist also überhaupt

die einzig nützliche Ware.

 Die Metallisten begreifen das Metallgeld ganz regelmäßig nur als einen Rohstoff für die Goldschmiede. Eine Mark, sagt der Bimetallist Arendt, ist der 1392. Teil von einem Pfund Gold, und die Vertreter der Goldwährungslehre

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haben natürlich keine Ursache gehabt, eine Ansicht anzugreifen, die ihrem Verfechter alle Waffen raubte für die Verteidigung seiner Sache (*).

 

(*) M. Chevalier, La Monnaie, Paris 1866. S. 36: „Ich glaube an dieser Grundanschauung festhalten zu müssen, die ich mit gutem Recht als eine andere Begriffserklärung des Geldes erklären kann, d. h. daß die Münzen einfach Metallbarren sind, deren Gewicht und Feingehalt gewährleistet sind.“)

 

Die Vertreter des Papiergeldgedankens, die doch dieses Märchen vor allen Dingen hätten widerlegen müssen, gehen regelmäßig, wie die Rate um den heißen Brei, um diese Frage herum. Daß das Geld an sich, ohne Rücksicht auf den Stoff, ein Fabrikat, ein nützlicher, ja unentbehrlicher Gegenstand ist, haben sie offenbar noch nicht klar genug eingesehen, und so fanden sich alle genötigt, bei dem Abfassen der Inschrift des Papiergeldes dem Inhaber irgend eine — von der Geldfunktion gesonderte — Leistung (Gold, Zins, Weizen, Arbeit, Land usw.) zu versprechen. Der Austausch der Produkte, den das Geld allein ermöglicht, genügt ihnen als Leistung offenbar nicht, um dem Papiergeld Käufer oder Abnehmer zu sichern.

 

Eine Ausnahme finde ich allein in der Inschrift des von der Provinz Buenos Aires 1869 ausgegebenen Papiergeldes, durch die, soweit mir bekannt, zum erstenmal der Geldbrief an sich (also der Zettel, das viereckige Stück bedrucken Papieres) für Geld erklärt, und in der dem Inhaber keine Einlösung versprochen wird. Die Inschrift lautet:

La Provincia de Buenos-Ayres
reconoce este Billete por
un peso
moneda corriente. 10 Enero de 1869.

Übersetzt: Die Provinz Buenos Ayres anerkennt diesen Zettel für einen Peso (Taler) Landesgeld.

 

Ich habe nicht erfahren können, ob diese Inschrift eine Folge der Erkenntnis ist oder einfach eine Verlegenheitsinschrift, wie die des jetzigen argentinischen Papiergeldes, die dem Inhaber bei Sicht X Taler Papiergeld in Zahlung zu geben verspricht. „La Nacion pagara al portador y à la vista y por medio del Banco de la Nacion 100 Pesos moneda nacional.“ Offenbarer Unsinn, denn ein Peso mon. nac. ist weiter nichts als der gleiche Papiertaler. Die Bank verspricht also dem Inhaber den Zettel in Zahlung desselben zurück zugeben.

 

Ein Vorschlag, der immer wieder, bis in die neueste Zeit, auftaucht, ist der: Der Staat verfertigt Papiergeld in genügender Menge, um den gesamten Grundbesitz aufzukaufen und um so mit einem Schlage die soziale Hauptfrage zu lösen, nämlich die Grundrente dem Volke zuzuführen. Der Grundbesitz dient dann dem Papiergeld als Deckung, wird aber, dem Zwecke der Sache entsprechend, dem Vorzeiger nicht wieder ausgeliefert. Der Inhaber muß sich mit der Sicherheit begnügen, wie er sich — so glaubt man — damit begnügt, daß die Banknoten durch Gold gedeckt sind. (was aber durchaus nicht der Fall ist, denn der Inhaber der Banknoten begnügt sich mit dem Dienst, den die Banknoten als Tauschmittel verrichten. Wäre es nicht so, so würde er das Gold sofort abholen, wie es die Goldschmieden übrigens tun.) In diesem, unter jedem währungstechnischen Gesichts-

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punkt ganz tollen Vorschlag wird auch wieder ganz übersehen, daß die Vermittlung des Warentausches eine genügende Leistung des Papiergeldes ist, und daß, solange wir diese Leistung dem Papiergeld sichern (dazu ist nur nötig, daß man ein anderes Geld macht), jede andere Leistung überflüssig ist. Die Schwierigkeit für das volle Erfassen des Begriffes „Geld“ liegt darin, daß der Nutzen, den wir vom Geld erwarten, so ganz und gar vom Stoff des Geldes unabhängig ist. Das Geld bedarf offenbar des Stoffes nur, um greif- und sichtbar zu sein, damit wir überhaupt sein Dasein feststellen und es übertragen können, nicht etwa weil wir etwas vom stofflichen Teil des Geldes erwarten. Wie könnte sich sonst eine Münze 1 bis 10, bis 100 Jahre im Umlauf erhalten, wie könnte sich eine Banknote 24 Stunden im Verkehr behaupten? Auf die Menge allein kommt es beim Geld an, denn von dieser Menge hängt es z. B. ab, wie groß das Angebot des Geldes und wie groß die Warenmenge sein wird, die wir für das Geld erhandeln werden. Eigenschaften hat das Geld als Körper nicht, wenigstens keine tätig wirkenden Eigenschaften, und niemand würde sie vermissen, wenn sie gänzlich fehlten. Hat man nicht seiner Zeit das Gold dem Silber in Deutschland vorgezogen, bloß weil man für 1 kg Gold 16 mal mehr Ware geben mußte als für 1 kg Silber. Weil man also 16mal weniger Geldstoff erhielt, darum zog man das Gold dem Silber vor.

 

Bei allen Gebrauchsgütern heißt es ausnahmslos beim Käufer: je mehr, je lieber; beim Geldstoff heißt es dagegen: je weniger, je lieber. Beim Geld genügt es eben, daß man es zählen kann — der Rest ist immer lästiger Ballast.

 

Man kauft den Hönig, weil er schmeckt, das Bier, weil es berauscht, den Ballast, weil er wiegt, den Meterstock, weil er eine bestimmte Länge hat, das Litermaß seines Raumgehaltes wegen. Aber beim Geld verlangt man keinen Geschmack, kein Gewicht, keinen Raum, nichts Körperliches, nichts für die unmittelbare Befriedigung eines persönlichen Bedürfnisses. Wir kaufen das Geld als Ware, um es als Ware wieder loszuschlagen.

 

Wie gleichgültig das Volk den körperlichen Eigenschaften des Geldes gegenüber ist, ermißt man am besten daran, daß unter tausend kaum einer zu sagen weiß, wieviel Gramm Feingold er für eine Mark gesetzmäßig zu fordern hat. Wer es nicht glaubt, kann ja leicht den Versuch machen. Darum fordert man ja auch allein, daß das Geld möglichst wenig körperliche Eigenschaften habe; darum ist man, wie unbewußt, in der Wahl des Geldmaterials nach und nach auf den Naturstoff gelangt, der von allen Körpern des Weltalls am stiefmütterlichsten mit Eigenschaften versehen wurde, nämlich das Gold. Wie bettelhaft arm an Eigenschaften ist das Gold, verglichen mit irgend einer Ware, etwa einem Hammer, einem Buch, einem Kanarienvogel.

 

Nicht seiner Farbe wegen hat man das Gold zu Geld gemacht, nicht seines Gewichtes, seines Raumgehaltes, seines Klanges, seines Geruches, seines Geschmackes, auch nicht seiner chemischen Verwandtschaften wegen. Das Gold rostet nicht, fault nicht, wächst nicht, zergeht nicht, kratzt, brennt und schneidet nicht, es ist leblos, das Urbild des Todes.  Nicht wirksame, sondern nach allen Seiten hin unwirksame Eigenschaften suchen wir in der Geldsubstanz. Von allen Körpereigenschaften das Mindestmaß, das ist die allgemeine Forderung, die das Volk an den stofflichen Teil des Geldes stellt.

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Kühl bis ans Herz hinan, wie der Kaufmann seinen Waren gegenüber, so betrachtet jeder die Geldsubstanz. Kommt man mit dem Schatten des Goldes aus, so zieht man den Schatten vor, wie Dasein und Beliebtheit der Banknote es schlagend beweisen.

 

Je unwirkamer die Eigenschaften einer Substanz sind, um so wirkamere Vorzüge hat sie als Geldmaterial. Das ist das ganze Geheimnis der Papierwährung. Man sagt, die allgemeine Vorliebe für Edelmetalle habe das Gold und Silber zu Geld gemacht. Ich glaube aber, daß im Gegenteil die allgemeine Gleichgültigkeit der Warenerzeuger diesen Metallen gegenüber der Grund gewesen ist, warum die Menschen sich einigen konnten, diese Metalle als Geld anzuerkennen. Über eine gleichgültige, neutrale Sache einigt man sich immer schneller als über Eigenschaften, die, je nach unseren persönlichen Veranlagungen, auch verschieden auf uns einwirken. Das Gold hat von allen natürlichen Dingen die wenigsten Eigenschaften, die geringste Verwendbarkeit in der Industrie und Landwirtschaft. Keinem Stoffe gegenüber sind wir so gleichgültig wie gerade beim Gold, darum war es so leicht, das Gold zu Geld zu erklären.

 

Das Gold findet gewerbliche Verwendung in der Schmuckwarenindustrie, aber gerade die, die das Geld als Tauschmittel benutzen, die Warenerzeuger, die Arbeiter, Bauern, Handwerker, Kaufleute, der Staat und das Gericht brauchen in der Regel keine Schmucksachen. Junge Mädchen mögen für das Gold eine Vorliebe haben (oft auch nur, weil Gold Geld ist), aber junge Mädchen, die keine Waren erzeugen, brauchen keine Tauschmittel, erzeugen keine kaufmännische Nachfrage nach Geld. Und man wird doch nicht die jungen Mädchen darüber bestimmen lassen, was als Geld gebraucht werden soll. Das weitaus wichtigste Verkehrsmittel, die Voraussetzung der Arbeitsteilung, die Finanzen des Staates, wird man doch nicht auf die wirtschaftlich schwächsten Bürger, auf putzsüchtige, junge Mädchen begründen!

 

Die Rolle, die der stoffliche Teil des Geldes spielt, läßt sich ziemlich gut mit dem vergleichen, was das Leder des Fußballes für die Spieler bedeutet. Es kommt den Spielern durchaus nicht auf die stofflichen Eigenschaften des Balles an, auch nicht auf seinen Besitz. Zerrissen, beschmutzt, neu oder alt, alles ist gleichgültig. Ist der Ball greifbar und sichtbar, so kann die Balgerei losgehen. Und um mehr handelt es sich beim Geld auch nicht. Haben oder nicht haben; ein steter, rastloser Kampf um seine Erwerbung, nicht weil man den Ball, das Geld an sich, den Geldstoff braucht, sondern weil man weiß, daß andere das Geld wiedergewinnen und zu seiner Wiedergewinnung Opfer bringen müssen. Beim Fußball bestehen diese Opfer in Fußtritten, beim Geld in Waren. Das ist der ganze Unterschied. Und wer Liebhaber ist von kurzen Begriffserklärungen, der wird vielleicht Freude empfinden, wenn ich sage: das Geld ist der Fußball der Volkswirtschaft.