IZ: 3.1 Brot, Butter, Oliven und Paprika

Zellmembrane

Als mir klar wurde, daß Membranen ein Merkmal aller intelligenten Lebensformen sind, wandte ich meine Aufmerksamkeit dem Verständnis ihrer Struktur und Funktion zu. Um die grundlegende Struktur einer Membran darzustellen, erfand ich eine gastro­nomische »Delikatesse«. Man stelle sich ein mit Butter bestrichenes Sandwich mit zwei Arten von entsteinten Oliven vor: mit Paprika gefüllten und ungefüllten. Die Gourmets unter meinen Lesern bitte ich an dieser Stelle vorsorglich um Verzeihung, doch als ich einmal die Sandwich-Analogie aus meinen Vorträgen wegließ, waren viele »Stammhö­rer« enttäuscht. Also präsentiere ich Ihnen hier dieses einfache Experiment zum besse­ren Verständnis, wie eine Zellmembran funktioniert. Wir nehmen uns ein zusammenge­klapptes, mit Butter bestrichenes Sandwich und gießen einen Teelöffel dunkle Flüssig­keit auf die obere Brotscheibe.

Wie auf der Abbildung zu sehen, sickert die Flüssigkeit durch das Brot und wird an der Butter aufgehalten, weil die fettige Substanz in der Mitte des Sandwichs eine Barriere darstellt.

 

Jetzt machen wir nochmals das Gleiche, aber diesmal belegen wir das Sandwich mit ge­füllten und ungefüllten Oliven. Wenn wir jetzt die dunkle Flüssigkeit auf die obere Brotscheibe gießen, zeigt sich ein anderes Ergebnis. Von den gefüllten Oliven wird die Flüssigkeit ebenso aufgehalten wie von der Butter, aber in den entsteinten, ungefüllten Oliven gibt es einen Kanal, durch den die Flüssigkeit auf die andere Seite unseres Membran-Sandwichs und durch die un­tere Brotscheibe auf den Teller fließen kann.

Der Teller entspricht in dieser Analogie dem Zytoplasma der Zelle. Wenn die Flüssig­keit durch die Olive fließt, hat sie die fettige Membran-Barriere erfolgreich durchdrun­gen.

 

Es ist für die Zelle wichtig, bestimmte Moleküle durch diese Barriere durchzulassen, denn die Flüssigkeit in meiner Analogie ist die Nahrung der Zelle. Wäre die Membrannur ein Butterbrot, dann würde sie wie eine Festungsmauer sämtliche Moleküle und Strahlungssignale der Zellumgebung abwehren. Hinter solch einer Festungsmauer wür­de die Zelle jedoch verhungern, weil sie keine Nahrung erhielte. Wenn Sie die kernlo­sen Oliven hinzufügen, durch die Nahrung und Information in das Zellinnere vordrin­gen können, wird die Zellmembran zu einem vitalen und genialen Mechanismus, der ausgewählte Nährstoffe in das Zellinnere durchläßt.

 

In der Zellbiologie entsprechen die butterbestrichenen Brotscheiben den Phosphorlipi­den, die einer der beiden wesentlichen Bestandteile der Membran sind. (Der andere we­sentliche Bestandteil sind die »Oliven«-Proteine, auf die ich gleich weiter eingehen wer­de.) Phosphorlipide bestehen sowohl aus polaren wie auch aus unpolaren Molekülen, weshalb ich sie »schizophren« nenne, auch wenn dieser Zusammenhang für den Laien zunächst nicht ersichtlich ist. Alle Moleküle unseres Universums sind je nach der che­mischen Bindung, die die Atome zusammenhält, entweder polar oder unpolar. Die Ver­bindungen zwischen polaren Molekülen weisen positive und/oder negative Ladungen auf, daher ihre Polarität. Aufgrund dieser positiven und negativen Ladung verhalten sie sich wie Magnete – sie ziehen andere geladene Moleküle an oder stoßen einander ab.Zu den polaren Molekülen gehört Wasser und alles, was sich in Wasser auflöst. Aus un­polaren Molekülen besteht Öl und alle Substanzen, die sich in Öl auflösen. Hier gibt es keine positiven oder negativen Ladungen zwischen den Atomen. Sie erinnern sich: Wasser und Öl kann man nicht mischen, ebenso wenig wie fettige unpolare und wässe­rige polare Moleküle. Denken Sie nur an eine Salatsoße. Wenn sie eine Weile steht, set­zen sich Essig und Öl voneinander ab. Das kommt daher, daß Moleküle ebenso wie Menschen lieber in einer Umgebung sind, die ihnen Stabilität verleiht. Die polaren Es­sigmoleküle sind in einer wässrigen Umgebung stabiler und die unpolaren Öl-Moleküle streben nach einer unpolaren Umgebung. Phosphorlipide tun sich jedoch schwer damit, Stabilität zu finden, weil sie sowohl polar als auch unpolar sind. Der Phosphatteil des Moleküls strebt zum Wasser, während der Lipid-Teil das Wasser meidet und sich lieber dem Öl zuwendet.

 

Die Phosphorlipide unserer Membran sind geformt wie Lutscher mit einem zusätzlichen Stiel (siehe Abbildung) Der runde Teil des Lutschers hat zwischen seinen Atomen eine polare Spannung, was der Brotscheibe unserer Sandwich-Analogie entspricht. Die bei­den Stiele sind unpolar und lassen keine positiv oder negativ geladenen Atome oder Moleküle durch. Dieser Lipidkern wirkt wie eine elektrische Isolierung, was die Zelle auf wunderbare Art davor bewahrt, von sämtlichen Molekülen ihrer Umgebung über­schwemmt zu werden.

Bild der Zellmembran-Oberfläche einer mensch­lichen Zelle unter dem Elektronenmikroskop. Die Dunkel-Hell-Dunkel-Schichten der Zell­membran entsprechen der Anordnung der schüt­zenden Phosphorlipid-Moleküle. Die helle mitt­lere Schicht der Membran (die »Butter« in unse­rer Sandwich-Analogie) zeigt die hydrophobe Zone, die aus den »Beinchen« der Phosphorlipi­de gebildet wird. Die dunklen Bereiche unter- und oberhalb davon (die »Brotscheiben«) ent­sprechen den wasserliebenden »Phosphat-Köpfen«.

 

Die Zelle könnte jedoch nicht überleben, wenn die Membran nur einem »

Sandwich« entspräche. Die meisten Zellnährstoffe bestehen aus geladenen polaren Molekülen, und diese könnten die unpolare Lipidbarriere nicht durchdringen. Außerdem könnte die Zel­le keine Abfallprodukte loswerden.