2015/09: Die Gräueltaten der Gaddafi-Gegner
Gaddafis Gegner sollen Dutzende ausländische Söldner im Eilverfahren abgeurteilt und erschossen haben. Amnesty International ist alarmiert. Das neue Rechtssystem im Land gründen die Aufständischen auf Basis der Scharia.
Die Zagreber Zeitung „Vecernji List“ berichtete von zwölf Serben, neun Kroaten, elf Ukrainern und zehn Kolumbianern. Sie seien nach der Niederlage der Verbände des gestürzten Machthabers Muammar el Gaddafi in Misrata im Mai von den Rebellen gefangen genommen, in Schnellverfahren abgeurteilt und erschossen worden.
Das schrieb die Zeitung unter Berufung auf einen libyschen Augenzeugen auf ihrer Website. In Libyen gab es immer wieder Hinweise darauf, dass die Gaddafi-Truppen durch Söldner aus dem Ausland verstärkt wurden.
Der Bericht passt in das Bild, das die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) zeichnet. Nach dem Ausbruch des Aufstands gegen den libyschen Diktator im Februar hätten Oppositionskämpfer Anhänger des Gaddafi-Regimes oder ausländische Söldner entführt, willkürlich festgehalten, gefoltert und ermordet, teilte Amnesty International am Dienstag in London mit. Darunter wohl auch Menschen, die irrtümlich für Gaddafi-Getreue gehalten wurden.
Ermittlungen oder Konsequenzen: Fehlanzeige
Möglicherweise seien auch Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden, prangert Amnesty an. „Es sind weder unabhängige oder glaubwürdige Ermittlungen vom Übergangsrat veranlasst worden, noch Maßnahmen, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen“, heißt es in dem Bericht.
Libyer schwarzafrikanischer Herkunft sowie aus den Regionen Tawargha und Sabha oder den Gaddafi-Hochburgen Sirte und Bani Walid seien weiterhin besonders durch Racheakte gefährdet, warnte AI.
Nach Einschätzung der Menschenrechtler sind die meisten der in Gefangenenlagern in Tripolis und El Sawija festgehaltenen Ausländer keine Söldner, sondern Wanderarbeiter.
Internationale Standards bei Strafverfolgung gefordert
Ohne ein funktionierendes Justizsystem und ohne interessierte Zivilgesellschaft oder Medien hätten Opfer keine Chance auf Gehör. 42 Jahre nach dem Ende der brutalen Unterdrückung und nach fast sieben Monaten des Konflikts steht der Übergangsrat nach Worten von AI heute großen Herausforderungen gegenüber.„Die neuen Autoritäten müssen mit den Missständen der vergangenen vier Jahrzehnte vollständig Schluss machen und neue Standards setzen, mit den Menschenrechten im Mittelpunkt“,forderte AI. Die Verantwortlichen für Grausamkeiten unter dem Gaddafi-Regime müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Es müssten aber für Verbrecher auf beiden Seiten die gleichen, internationalen Standards gelten, sonst drohe ein Teufelskreis aus Gewalt und Vergeltung.
Übergangsrat verspricht Rechtsstaat – mit Scharia
Der libysche Übergangsrat versprach, einen Rechtsstaat zu errichten. Ziel sei es, einen Rechtsstaat, einen Sozialstaat, einen Staat aufzubauen, in dem die islamische Rechtsprechung Scharia die wichtigste Quelle der Gesetzgebung sei, sagte Übergangsratschef Mustafa Abdul Dschalil bei seiner ersten öffentlichen Rede vor Tausenden Anhängern in Tripolis.„Wir werden keine extremistische Ideologie von rechts oder links zulassen“, sagte Dschalil nach Angaben des US-Nachrichtensenders CNN. Er forderte Einigkeit und sprach sich gegen Hass und Neid aus. Außerdem dürften die Menschen das Gesetz nicht in die eigene Hand nehmen.
Nach dem Internationalen Währungsfonds (IWF) erkannte nun auch die Weltbank den Übergangsrat in Libyen als legitime Regierung an. „Wir sind bereit, dem libyschen Volk zu helfen“, teilte die Organisation am Dienstag mit. „Unsere Experten haben bereits angefangen, sich mit ihren Partnern abzusprechen und arbeiten daran, schnell die Arbeit aufzunehmen.“ Die Anfragen aus Libyen beträfen insbesondere die Wasser- und Energieversorgung sowie den Transportsektor. Der IWF hatte den Rat am Samstag anerkannt.
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