2018/12: Was würde das Ende der OPEC bedeuten?

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Nach fast 60-jährigem Bestehen scheint die OPEC, die Organisation der erdölexportierenden Länder, zu wanken. Die Zusammenarbeit zwischen Riad und Moskau bei der Regulierung der Ölpreise und der steigende US-Export von Öl stellen die Organisation auf die Probe.
 

Die Organisation der erdölexportierenden Länder, die OPEC, ist eine Ölmarktinstitution, die seit fast 60 Jahren eine unnachgiebige Macht über den Rohölpreis ausübt. Diese Organisation befindet sich heute in einer tiefen Krise.

Das jüngste OPEC-Treffen in Wien bot neue Einblicke in den tobenden inneren Kampf des Kartells, der es auseinanderreißt und diese Institution letztlich irrelevant zu machen droht.

 

Zwei Jahre nachdem die Gruppe der 15 großen Ölproduzenten ein Bündnis mit Russland geschlossen hat, wurden die kleineren Mitglieder der OPEC marginalisiert und deren Stimmrecht verlor an Gewicht, weil Saudi-Arabien vor allem seine Partnerschaft mit Moskau zu bevorzugen scheint. Eine ungewöhnliche Partnerschaft zwischen Saudi-Arabien und Russland führt zu Meinungsverschiedenheiten innerhalb der OPEC, wobei eines der ältesten Mitglieder bereits ankündigte, dass es sich im Januar aus der Organisation zurückziehen würde.

 

Nachdem Russland seinen Einfluss auf die OPEC-Entscheidungen verstärkt und die Vereinigten Staaten Ende November zum ersten Mal seit Jahrzehnten offiziell den Status eines Netto-Ölexporteurs erreicht hatten, ist die neue Weltölordnung nun, wenn auch nur kurzzeitig, von drei Energie-Supermächten abhängig: Saudi-Arabien, Russland und den Vereinigten Staaten.

 

Die OPEC steht seit ihrer Gründung im Jahr 1960 unter dem Druck äußerer und innerer Kräfte. Doch selbst in den turbulentesten Jahren des Iran-Irak-Krieges in den 1980er Jahren kam die OPEC dennoch zweimal im Jahr zusammen und schaffte es, eine Politik zur Stützung des Rohölpreises zu koordinieren.

 

Dies war bei dem zentralen OPEC-Treffen letzte Woche in Wien, bei dem die Geopolitik rücksichtslos in die Gespräche eindrang, nicht der Fall.

Nach dem ersten Verhandlungstag gingen die OPEC-Mitglieder ohne Konsens auseinander und sagten eine Pressekonferenz ab, woraufhin die Rohölpreise einbrachen.

 

Die Ölmarke West Texas Intermediate (WTI) erlitt bereits im November einen kräftigen Verlust von 22 Prozent und markierte damit den schlechtesten Monat für die US-Öl-Benchmark seit der Finanzkrise 2008. Anfang Donnerstag verlor die WTI weitere drei Prozent an Wert, nachdem der saudische Energieminister Khalid Al-Falih gesagt hatte, dass ein „No Deal“-Ergebnis möglich sei und dass Saudi-Arabien nicht allein auf eine Produktionskürzung setzen würde.

 

Auf diese Kommentare folgte eine Erklärung des iranischen Ölministers Bijan Zanganeh. Er verkündete, dass sein Land die Ölproduktion unter keinen Umständen einschränken würde. Zanganehs Stellungnahme trug einen bitteren Unterton bezüglich der saudischen Zusammenarbeit mit US-Präsident Donald Trump, der Anfang November neue Sanktionen gegen den Iran verhängte.

 

Am zweiten Tag der Konferenz hielt der Ölmarkt den Atem an und wartete darauf, dass die russische Delegation an den Verhandlungstisch kommt. Russland – der zweitgrößte Ölproduzent der Welt – steigerte seine Ölproduktion auf ein postsowjetisches Hoch von 11,41 Millionen Barrel pro Tag (bpd), während russische Ölgesellschaften parallel stark

 

Moskau stimmte einer über den Erwartungen liegenden Kürzung von 230.000 bpd zu, was einen Löwenanteil der 400.000 bpd-Reduzierung des Nicht-OPEC-Kontingents darstellt. Laut Nachrichtenberichten will Saudi-Arabien seine Ölproduktion im Rahmen der kollektiven Kürzung der OPEC-Länder von 800.000 bpd um 250.000 bpd drosseln.

 

Nach Abschluss der OPEC-plus-Gespräche stabilisierten und erholten sich die Ölpreise ein wenig. Mehrere Analysten sagten, dass Öltermingeschäfte ohne eine Vereinbarung verkauft worden wären. Russland spielte eine entscheidende Rolle bei der Einbeziehung des Iran in den Rahmen einer Übereinkunft und unterstützte gleichzeitig befristete Ausnahmeregelungen der Kürzungen für Libyen, Nigeria, den Iran und Venezuela. Nach dem Abschluss des hart umkämpften Abkommens wies der nigerianische Ölminister Emmanuel Ibe Kachikwu darauf hin, dass es sinnlos wäre, Russland nicht „am Tisch zu haben“.

 

Andere OPEC-Mitglieder sind jedoch nicht sehr angetan von dem wachsenden Einfluss Russlands auf die Entscheidungen des Kartells. Das Emirat Katar, das 1961 der OPEC beitrat, kündigte einige Tage vor dem Treffen der Organisation in Wien seinen Austritt an. Die Ölförderung Katars ging stetig zurück und macht derzeit 609.000 bpd aus, was nur zwei Prozent der Gesamtproduktion der OPEC entspricht. Doch die Nachricht, dass eines der ältesten OPEC-Mitglieder das Kartell nach fast 60 Jahren verlässt, dient der in Wien ansässigen Ölproduzentengruppe als Schuss vor den Bug.

 

Zwei Tage intensiver Verhandlungen zeigten die zunehmende Missgunst der OPEC-Mitglieder, die sich durch die wachsende Partnerschaft zwischen Saudi-Arabien und Russland benachteiligt fühlen. Da mehrere Mitglieder gegen eine Machtverschiebung innerhalb der Organisation kämpften, waren sie bereit, gegen eine Vereinbarung zu stimmen, die den Ausverkauf in einer für ihre Wirtschaft kritischen Ware stoppen würde, was die OPEC und ihre Versammlung letztlich nutzlos und irrelevant machte.

 

Seitdem Saudi-Arabien und Russland Ende 2016 eine Einigung über Produktionskürzungen erzielt hatten, bestehen die Saudis darauf, dass Russland an allen Treffen teilnimmt. Der Erfolg dieser unerwarteten Partnerschaft ist ein Beweis dafür, dass selbst geopolitische Rivalen, die sich bei fast jedem Konflikt im Nahen Osten gegenüberstehen, zu Verbündeten werden können, wenn dies gegenseitige Vorteile bringt.

 

Der schwindende OPEC-Einfluss hat mit der Energie-Renaissance in den Vereinigten Staaten zu tun. Die Vereinigten Staaten haben sich zu einem der größten Ölproduzenten der Welt entwickelt. Kürzlich gelang es ihnen, Russland als Ölproduzent zu überholen – eine dramatische Wende, die die gesamte Weltordnung neu ausgerichtet und die OPEC erschüttert hat.

 

Ende November waren die Vereinigten Staaten Netto-Ölexporteur und verkauften mit 3,2 Millionen Barrel Rohöl mehr als doppelt so viel wie vor einem Jahr. Es war das erste Mal seit 1949, dass deren Erdölexporte die Importe überstiegen.

 

US-Ölproduzenten steigerten ihr Volumen in den letzten zwölf Monaten um einen Wert, der der gesamten Produktion des OPEC-Landes Nigeria entspricht, und erreichten mit 11,7 Millionen bpd im November einen Rekord. Nach Angaben der Energy Information Administration könnte die US-Rohölproduktion im April nächsten Jahres 12,05 Millionen bpd und im Dezember 2019 12,29 Millionen bpd erreichen.

 

Dies sind beunruhigende Statistiken für die OPEC, da sie die Kontrolle über die Bestimmung der weltweiten Ölpreise und des Marktanteils der Produzenten in den Vereinigten Staaten verliert. Während Russland in der Vergangenheit mit der OPEC zusammenarbeitete, sieht Saudi-Arabien Russland nun als einen wesentlichen Partner, um die internationalen Ölpreise durch gezielte Produktionskürzungen zu steuern.

 

Während sich die Partnerschaft zwischen Moskau und Riad verstärkt und der Zusammenhalt der OPEC zerbricht, stellte die wachsende Macht der Vereinigten Staaten über die globalen Ölmärkte einen wichtigen Faktor bei den Verhandlungen in Wien letzte Woche dar. Das Urteil ist noch offen, ob die OPEC-plus-Vereinbarung zur Senkung von 1,2 Millionen bpd im ersten Halbjahr 2019 ausreicht, um die steigende Produktion aus den USA auszugleichen und die Märkte ins Gleichgewicht zu bringen.

 

Noch vor dem Treffen und der damit verbundenen Entrüstung sah sich die OPEC einer bedrohlichen Zukunft gegenüberstehen. Anfang November tauchten Nachrichtenberichte auf, laut denen das King Abdullah Petroleum Studies and Research Center, ein Thinktank mit Sitz in Riad, eine Studie darüber durchgeführt haben soll, was es bedeuten würde, wenn sich die OPEC auflösen würde.

 

Die Denkfabrik, die vom ehemaligen Leiter der US-amerikanischen Energy Information Administration Adam Sieminski geleitet wird, beschäftigt sich mit der Frage, was das Ende der OPEC für die Weltölmärkte und die Rolle Saudi-Arabiens auf diesen Märkten bedeuten würde.