2010/03: Wisnewski: Der Weg zur Weltherrschaft
Der Streit um die Jesuiten tobt seit Jahrhunderten.
»Die Schriften über die Gesellschaft Jesu zählen nach Tausenden. (…) Unter all diesen Werken gibt es freilich nur wenige, deren Autoren versucht haben, über den Gegenstand objektive Angaben zu machen, während alle übrigen bemüht sind, entweder zu schmähen und anzuklagen oder zu verteidigen und zu lobpreisen.«
Der Autor dieser Zeilen, René Fülöp-Miller, entschied sich dagegen für eine unparteiische Darstellung. Das Ergebnis war eine faszinierende Geschichte des Jesuiten-Ordens, in der Ansatz, Absicht und Methoden der Jesuiten klar zutage traten. Kapitelüberschriften wie »Hinter tausend Masken«, »Kaufmann mit dem Kaufmann, Soldat mit dem Soldaten«, »Die Diktatur der Milde«, »Komödie der Verkleidungen« und »Der Weg zur Weltherrschaft« sprechen eine deutliche Sprache.
Fülöp-Miller schildert die Karriere der Jesuiten von Predigern über Beichtväter
zu den Vertrauten der Mächtigen:
»In dem Maße aber, wie die Jesuiten eine immer größere Zahl von Beichtkindern gewannen, entwickelte sich in ihnen auch die Erkenntnis, dass nicht bloß die Macht über die Seelen der Masse wichtig sei, sondern vor allem die Beherrschung jener wenigen Menschen in einflussreicher Stellung, von denen das Schicksal der Völker abhing. Erst als ihnen nach und nach die Herrschaft über das Gewissen der Könige und der Fürsten zufiel, begann die eigentliche politische Rolle der Jesuiten. Der Weg zur Weltherrschaft, der zuerst von den unmittelbaren Betätigungen der Menschenliebe zum organisierten sozialen Wohlfahrtswerk geführt hatte, ging nun neuen Zielen entgegen, indem die Tätigkeit des Ordens sich mehr und mehr der geistlichen Leitung der Fürsten zuwandte; denn in den Herrschern sah der Jesuitenorden von nun an die Personifizierung der Volksgesamtheit.«
Ein netter Trick: Indem man das Interesse des Herrschers einfach mit dem Interesse des Volkes gleichsetzt, macht man sich und anderen vor, dass die Beeinflussung des Herrschers bereits dem Gemeinwohl diene. Davon abgesehen setzt Fülöp-Miller bereits voraus, dass die Jesuiten die Weltherrschaft tatsächlich anstreben.
Schon der Ordensgründer Ignatius von Loyola habe »die welthistorische Mission« der von ihm geschaffenen Gesellschaft »ziemlich bald mit völliger Klarheit erkannt«:
»Als die Kölner Jesuiten sich eine Zeitlang allzu viel mit Volksmissionen auf dem Lande beschäftigten, tadelte Ignatius dies ausdrücklich und schrieb, eine solche Tätigkeit sei nur für den Anfang zu empfehlen. Nichts sei schlimmer, als derartigen kleinen Erfolgen nachzulaufen und dabei die großen Aufgaben aus dem Auge zu verlieren; die Jesuiten hätten nicht bloß die Bekehrung von Bauernmassen, sondern weit höhere Zwecke anzustreben. Diese höheren Zwecke aber bestanden zumeist in der Gewinnung und dauernden Leitung der weltlichen und geistlichen Machthaber …«
Damit ist über den Sinn und Zweck der Bilderberger-Geheimkonferenzen eigentlich alles gesagt. Nicht, dass hier jeder Teilnehmer einem Jesuiten sein Herz ausschüttete – die Machtmechanismen hatten sich inzwischen wesentlich weiterentwickelt und diversifiziert.
Aber bestimmt waren diese Konferenzen nicht zufällig von einem Jesuitenmönch initiiert worden – und die Bilderberger-Treffen waren keineswegs die einzigen. Vielmehr scheinen die Jesuiten für jede Form und Ebene der Einflussnahme eine passende Organisation zu haben. So gründeten sie noch ganz andere Vereine als die Bilderberger oder beteiligten sich an entsprechenden Gründungen. So war unser Jesuit Joseph Hieronim Retinger ein wahrer Hecht im Karpfenteich. Er kannte nicht nur den holländischen Prinzen Bernhard, sondern auch zahlreiche sinistre Persönlichkeiten in den USA, all die namhaften Imperialisten und Globalisten seiner Tage, von Nelson und David Rockefeller und CIA-Chef Allen Dulles (dessen Neffe Avery katholischer Kardinal und Jesuit war) über den Eisenhower-Stabschef und einen der ersten CIA-Direktoren, Walter Bedell
Smith, und den CIA-Agenten Thomas Braden bis hin zu dem legendären CIA-Chef William »Wild Bill« Donovan, der übrigens ebenfalls an einer zumindest streng katholischen Schule erzogen worden war.
Da Retinger seit 1960 tot ist, könnte man nun einwenden, das Jesuiten-Thema bei den Bilderbergern sei damit erledigt.
Keineswegs. Vielmehr betreiben die Jesuiten vor allem in den USA ein riesiges Bildungsnetz für die Elite. »Jesuitische Schulen stellen eine der effektivsten apostolischen Aktivitäten der Gesellschaft Jesu in den Vereinigten Staaten dar«, heißt es auf der US-Website der Jesuiten. »Jesuiten und ihre [Laien-]Kollegen erziehen in 71 Sekundar- oder Vor-Sekundarschulen jedes Jahr über 46 000 Jungen und Mädchen.« Aber nicht nur das.
- So gehören der amerikanischen Association of Jesuit Colleges and Universities dreißig Universitäten und Colleges an.
- Weltweit gibt es heute insgesamt nicht weniger als 3730 jesuitische Bildungseinrichtungen mit 2,5 Millionen Schülern und Studenten (Quelle: jesuit.org).
- Eine ungeheure Zahl für einen nicht einmal 20000 Mitglieder zählenden Orden (Quelle: jesuiten.de).
- Sein globaler Einfluss speziell auf elitäre und ehrgeizige Schichten ist damit gewaltig. Und selbstverständlich landen diese Schüler und Studenten früher oder später auf den obersten Ebenen von Staat und Gesellschaft – und damit natürlich auch bei den Bilderbergern.
Nehmen wir nur einmal die amerikanischen Konferenzteilnehmer seit 1991. Zum Beispiel den Bilderberger William McDonough, von 1993 bis 2003 Chef der Federal Reserve Bank of New York (in deren Kellern auch das deutsche Staatsgold lagert; siehe manager magazin, 1.7.2004). Danach diente er dem Vorsitzenden des Finanzkonzerns Merrill Lynch als »spezieller Berater«. McDonough besuchte die berüchtigte Jesuiten-Universität Georgetown (aus der viele Banker, Militärs und Geheimdienstler hervorgingen) und das College vom Heiligen Kreuz – ebenfalls eine Jesuiteneinrichtung.
Sein Vorgänger bei der New Yorker Federal Reserve, E. Gerald Corrigan, besuchte gleich zwei Jesuiten-Universitäten, nämlich Fairfield und Fordham. In Georgetown wiederum studierte der spätere amerikanische Präsident und Bilderberger Bill Clinton, und zwar an der Edmund Walsh School of Foreign Service, benannt nach dem Jesuitenpriester Edmund A. Walsh.
Dort lehrte ab den späten siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Henry Kissinger als Professor. Der EU-Kommissar (ab 1985) Peter D. Sutherland, Mitglied des Steering Committee der Bilderberger und der Trilateralen Kommission, wurde von den Jesuiten des Gonzaga College in Dublin erzogen.
Typisch für die Jesuiten-Karriere war danach der Job als Generaldirektor des entgrenzenden Freihandelsabkommens GATT, aus dem 1995 das »Welthandelsministerium« WTO (World Trade Organization) hervorging.
Der ehemalige belgische Ministerpräsident und Bilderberger Jean-Luc Deheane besuchte das Sint-Jozefscollege im belgischen Aalst. US-Senator (Connecticut) und Bilderberger Christopher J. Dodd besuchte die jesuitische Georgetown Preparatory School und diente Präsident Clinton als Botschafter. Dodds ältester Bruder war Professor der Georgetown University.
Der frühere US-Botschafter (Japan), Ex-Sprecher des Repräsentantenhauses und Bilderberger Thomas S. Foley besuchte die Gonzaga Preparatory School der Jesuiten in Spokane. Der frühere niederländische Premier und Bilderberger Ruud Lubbers besuchte das jesuitische Canisius College in Nimwegen, Holland. Der Bilderberger und zeitweilige EU-Kommissar Mario Monti besuchte das L’Istituto Leone XIII der Jesuiten in Mailand. Der bekannte Bilderberger, Publizist und Gründer der National Review William F. Buckley besuchte das Beaumont College, eine Jesuitenschule in England.
Angehörige des Lehrkörpers der jesuitischen Georgetown University sind regelmäßig Gäste auf Bilderberg-Konferenzen: Sally A. Shelton, Senior Fellow, Georgetown University, Witwe des CIA-Direktors William Colby (ermordet 1996) Daniel K. Tarullo, Professor an der Georgetown University Casimir A. Yost, Professor an der Georgetown University Donald F. McHenry, Professor an der Georgetown University Peter F. Krogh, Ex-Dekan und Distinguished Professor an der Georgetown University
Das waren, wie gesagt, nur die amerikanischen Teilnehmer der letzten knapp zwanzig Jahre. Unter den Mitgliedern anderer Nationalitäten dürften die Jesuiten eine ähnlich große Rolle spielen.
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