1920/08: Vertrag von Sèvres (Osmanisches Reich)
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- Wikipedia: Vertrag von Sèvres (Osmanisches Reich)
- Wikipedia: Triple Entente
- PDF: Treaty of Sevres
Der am 10. August 1920 geschlossene Friedensvertrag von Sèvres stellte harte Friedensbedingungen: Das ehemalige osmanische Großreich wurde durch den Vertrag drastisch reduziert, seine Streitkräfte erheblich eingeschränkt und das Land in Interessensphären aufgeteilt.
Nach Artikel 121 des Vertrages verzichtete die Türkei damit auf alle Rechte in Libyen. Italien hatte Tripolitanien und die Kyrenaika ab 1922 wieder fest in der Hand.
Hedschas (dieses wurde 1925 vom Sultanat Nadschd erobert), Armenien und Mesopotamien sollten unabhängig werden.
Kurdistan sollte gemäß Artikel 62 Autonomie erhalten, durch Artikel 64 wurde darüber hinaus eine mögliche staatliche Unabhängigkeit in Aussicht gestellt. Dafür mussten die Kurden innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Vertrags dem Völkerbund nachweisen, dass die Mehrheit der Kurden eine Unabhängigkeit von der Türkei möchte.
Zudem wurde dem seit Jahrhunderten in diesem Gebiet ansässigen Volk der Assyrer/Chaldäer ein expliziter Minderheitenschutz eingeräumt. Die Ansprüche der Kurden und der Armenier auf anatolischen Boden überschnitten sich mehrfach. Während Armenien gleichberechtigt mit europäischen Kleinstaaten wie Belgien oder Tschechoslowakei am Verhandlungstisch saß, war der vom osmanisch-kurdischen Diplomaten Mehmet Şerif Pascha geführten kurdischen Delegation dort „nicht einmal ein Katzentisch eingeräumt“. Da die Kurden keine mächtigen Fürsprecher wie die Armenier hatten, begnügte sich ihr Wortführer mit einem nur ein Drittel der osmanischen Kurdenbevölkerung erfassenden Autonomiegebiet. Diese namentliche Erwähnung entfiel später im Vertrag von Lausanne.
Ostthrakien (mit Ausnahme von Istanbul und seiner unmittelbaren Umgebung) sollte gemäß der „Großen Idee“, alle Griechen in einem Staat zu vereinen, an Griechenland abgetreten werden. Westthrakien hatte Bulgarien im Vertrag von Neuilly-sur-Seine abtreten müssen. Hierzu schloss Griechenland mit den anderen Alliierten zwei weitere Verträge, einen Vertrag hinsichtlich Westthrakien und einen zum Schutz von Minderheiten. Smyrna und das umliegende Gebiet wurde bei fortbestehender nomineller osmanischer Souveränität verwaltungsmäßig unter einem lokalen Parlament vom osmanischen Staat abgetrennt und griechischer Verwaltung und Besatzung unterstellt. Nach einer 5-jährigen Übergangszeit sollte das Lokalparlament nach fakultativer Volksabstimmung über einen Anschluss des Gebiets an Griechenland entscheiden.
Das osmanische Reich verzichtete auf seine Besitzungen in Syrien und Mesopotamien (Abschnitt VII des Vertrages). In diesen Gebieten sollten Mandate des Völkerbundes errichtet werden. In Palästina sollte unter Verweis auf die Balfour-Deklaration eine Nationale Heimstätte für das Jüdische Volk entstehen.
Das Königreich Hedschas wurde als neuer unabhängiger Staat konstituiert und die Rechte des osmanischen Reiches in diesem Teil Arabiens auf diesen übertragen. Das Zugangsrecht zu den heiligen Stätten Medina und Mekka wurde geregelt (Abschnitt VIII des Vertrages)
Die Annexion Zyperns durch Großbritannien 1914 wurde sanktioniert, ebenso wurde das 1914 ausgerufene britische Protektorat über Ägypten anerkannt und auf Hoheits- und Tributrechte des Osmanischen Reichs in seinem früheren Vasallenstaat verzichtet. Ebenfalls wurden die Abkommen zwischen Ägypten und Großbritannien über den Sudan durch das osmanische Reich anerkannt (Abschnitt IX des Vertrags).
Die französischen Protektorate über Marokko und Tunesien wurden anerkannt (Abschnitt IX); die im Vertrag von Ouchy 1912 vorbehaltenen Reservatrechte des Sultans in Libyen aufgehoben und die italienische Herrschaft über die bereits seit 1912 von Italien besetzten Inseln des Dodekanes, vergrößert um die Insel Kastelorizo, anerkannt und auf die Souveränitätsrechte zugunsten Italiens verzichtet (Abschnitt X des Vertrages).
In den Folgeartikeln enthielt der Vertrag Bestimmungen zur Regelung der Staatsangehörigkeit, zum Schutz von Minderheiten, zur Verfolgung von Kriegsverbrechen, über die nahezu vollständige Auflösung der osmanischen Streitkräfte bis auf eine Ehrengarde des Sultans und Polizeikräfte, Demilitarisierung der Meerengen, Kriegsgefangene und Kriegsgräber, wirtschaftliche und finanzielle Bestimmungen und insbesondere den Verzicht auf alle Rechte jeglicher Art außerhalb der neuen Grenzen des osmanischen Staates und außerhalb Europas (Art. 132).
Der Vertrag von Sèvres bildete die letzte Stufe mehrerer Verträge, Abkommen und Deklarationen seitens der Entente-Mächte, die den Weltkrieg gewonnen hatten.
Der Vertrag wurde durch Bevollmächtigte des osmanischen Sultans Mehmed VI. und der osmanischen Regierung unter Großwesir Damad Ferid Pascha unter heftigem Protest unterzeichnet. Die Ratifizierung des Vertrags durch das Osmanische Parlament erfolgte nie, weil der Sultan das Parlament auflöste. Der Vertrag wurde zudem von der Nationalbewegung unter Mustafa Kemal im Rest der Türkei abgelehnt.
Die Artikel 226 bis 230 hatten die Errichtung internationaler Militärgerichte zur Verfolgung von Kriegsverbrechen der Osmanen vorgesehen. Auf Druck der Siegermächte des Ersten Weltkriegs (insbesondere der Briten) fanden im Osmanischen Reich bereits seit Anfang 1919 Prozesse nationaler Militärgerichte statt (Unionistenprozesse). Weil einerseits eine Rechtsprechung auf internationaler Ebene fehlte, nach der Einzelpersonen für ihre Mitschuld an Kollektivverbrechen verurteilt werden konnten, und es andererseits gegensätzliche Auffassungen und Interessen zwischen den Siegermächten gab, kam es zu keiner internationalen Verfolgung.
Es blieb bei den nationalen türkischen Militärgerichten 1919/1920. Diese wiederum verloren durch das im Land herrschende Chaos (Besetzung Smyrnas durch die Griechen 1919, die Türkische Befreiungsbewegung unter Mustafa Kemal, die Einmischung der Briten in die Prozesse durch Verhaftungen und Auslieferungen nach Malta) mit der Zeit immer mehr an Bedeutung und wurden schlussendlich als Teil des Plans der Alliierten zur Aufteilung des Osmanischen Reichs aufgefasst und einen Tag nach der Unterzeichnung des Vertrags von Sèvres am 11. August 1920 durch die Regierung in Ankara unter Mustafa Kemal verboten. Mit der Abdankung des Kabinetts der Istanbuler Sultansregierung unter Großwesir Damat Ferid am 17. Oktober 1920 verloren die Gerichte vollkommen ihre Bedeutung. Nach der alliierten Besetzung Istanbuls am 16. März 1920 wurden Anstrengungen zur Gründung der Großen Nationalversammlung in Ankara unternommen. Nach der Gründung der Nationalversammlung in Ankara am 23. April 1920 gab es im Land zwei verfeindete Regierungen.
Die harten Bedingungen des Vertrags von Sèvres hatten mehrere Gründe. Dazu wurden der Völkermord an den Armeniern, die Erinnerung der Alliierten an die verlustreiche Dardanellenschlacht von 1915, das Bestreben der Siegermächte das Osmanische Reich aufzuteilen (was bereits vor und während des Krieges in geheimen Verhandlungen, wie dem Abkommen über Konstantinopel und die Meerengen, beschlossen worden war) und das jahrhundertelange Vorhaben, die Türken aus Europa zu verdrängen, gezählt. Lloyd George äußerte, der Krieg und die Niederlage der Türken habe die Gelegenheit gebracht, dieses „Problem ein für allemal zu erledigen“. Die Alliierten hatten am 18. Dezember 1916 US-Präsident Wilson mitgeteilt, die „Völker zu befreien, die der blutigen Tyrannei der Türken unterworfen waren“.
Der französische Außenminister hatte am 10. Januar 1917 erklärt: „Die hohen Kriegsziele schließen die Befreiung der Völker ein, die gegenwärtig der mörderischen Tyrannei der Türken unterworfen sind, und die Verdrängung des Osmanischen Reiches, das der westlichen Zivilisation so vollständig fremd ist, aus Europa“.
Äußerungen wichtiger alliierter Staatsmänner zum Vertrag von Sèvres waren: „Wenn die Friedensbedingungen verkündet werden, wird man sehen, zu welch harten Strafen die Türken wegen ihrer Verrücktheit, ihrer Blindheit und ihrer Morde verurteilt werden … Die Strafen werden so fürchterlich sein, dass selbst ihre ärgsten Feinde zufriedengestellt sein werden.“ (Lloyd George) Curzon bezeichnete die Türkei in einer Erklärung vom 4. Juli 1919 als „einen Verbrecher, der auf seine Aburteilung wartet“. „Was mit Mesopotamien geschehen wird, muss in den Sitzungen des Friedenskongresses entschieden werden, aber eines wird nie geschehen. Es wird niemals wieder der verdammten Tyrannei des Türken überlassen.“ (Lloyd George, 20. Dezember 1917)
Als Völkerbundmandate wurden Mesopotamien (Königreich Irak) und Palästina an Großbritannien, Syrien und der Libanon an Frankreich übergeben, Ostthrakien und Smyrna kamen an Griechenland. Der Bosporus und das Marmarameer sollten entmilitarisiert und unter internationale Kontrolle gestellt werden.
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