2012/02: Hitler: Ein Deutscher von Braunschweigs Gnaden
Deutschland im Jahr 1932, Weimarer Republik: Im Berliner Reichstag ist die SPD seit der Wahl vom September 1930 stärkste Partei, dahinter folgt die NSDAP. Der Vorsitzende der Nationalsozialisten heißt Adolf Hitler, ein Staatenloser. Der gebürtige Österreicher hält sich seit Jahren ohne Pass in Deutschland auf.
Zur selben Zeit in Braunschweig: Aus dem ehemaligen Herzogtum Braunschweig wurde als Folge der Novemberrevolution von 1918 ein Freistaat. Bei der Landtagswahl 1930 erreicht die NSDAP gut 22 Prozent der Stimmen und wird damit stärkste Partei. Gemeinsam mit anderen Rechtsparteien verfügen die Nationalsozialisten über die Mehrheit im Parlament, stellen mit Ernst Zöllner den Landtagspräsidenten sowie mit Dietrich Klagges den Innenminister. Die rechten Populisten sitzen in Braunschweig also bereits fest im Sattel.
Ohne Pass keine Wahl zum Reichspräsidenten
Zurück nach Berlin. Die NSDAP sieht sich im Aufwind und hat doch ein Problem: Ihr Führer Adolf Hitler ist kein Deutscher. Seit 1929 waren mindestens zwei Versuche gescheitert, Hitler einen deutschen Pass zu verschaffen, zunächst in Bayern, später in Thüringen. Der Ausweis ist Voraussetzung dafür, dass Hitler bei der Wahl zum Reichspräsidenten am 13. März 1932 kandidieren darf. Sich schlicht auf offiziellem Weg um die deutsche Staatsbürgerschaft zu bewerben, erscheint Hitler wohl zu banal. Er sieht sich seit seinem Einsatz beim bayerischen Militär im Ersten Weltkrieg als Deutscher. Doch die Zeit drängt – und Hilfe naht aus Braunschweig. NSDAP-Genosse Minister Klagges kommt auf die Idee, Hitler eine Stelle als Professor für Organische Gesellschaftslehre und Politik an der Technischen Hochschule anzudienen. Allerdings schießt er damit über das Ziel hinaus, stößt im Landtag und in den Medien auf massiven Protest. Eine Professur erscheint für einen Mann, der wegen Hochverrats vorbestraft ist und keinen Schulabschluss hat, etwas zu hoch gegriffen.
Hitler wird Regierungsrat in Braunschweig
Die Braunschweiger NSDAP gibt ihre Pläne jedoch nicht auf, sondern einigt sie sich mit den Koalitionspartnern auf einen anderen Posten für ihren Parteichef: Hitler soll Regierungsrat beim Braunschweiger Landeskultur- und Vermessungsamt werden. Frei von jeder Sachkenntnis soll er nicht in der niedersächsischen Provinz seiner Arbeit nachgehen, sondern bei der Braunschweigschen Gesandtschaft in Berlin für die Region werben. Den nahen Wahltermin im Nacken nimmt Hitler an. Am 25. Februar 1932 wird er ernannt, einen Tag später legt er den Amtseid auf die Verfassung ab. Damit ist das wesentliche Ziel der Aktion erreicht: Adolf Hitler ist deutscher Staatsbürger. Dem Eingebürgerten liegt jedoch fern, in Berlin das Dasein eines mittleren Staatsdieners zu fristen. Stattdessen tritt Hitler gut zwei Wochen später zur Wahl des Reichspräsidenten an und erhält im ersten Wahlgang 30, im zweiten fast 37 Prozent der Stimmen. Reichspräsident bleibt der parteilose Paul von Hindenburg.
Da der Beamte Hitler seinen Dienstpflichten weiterhin nicht nachkommen möchte, stellt er nach knapp einem Jahr einen Antrag auf Entlassung aus den Diensten Braunschweigs. Dem wird umgehend stattgegeben. Die deutsche Staatsbürgerschaft behält er.
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