Nationale Interessen

Dohnany

Vorwort

Zeiten des Umbruchs verschütten oft gewohnte Wege und verlangen neue Orientierung. Wohin ein Land dann zu führen ist, darüber wird es immer verschiedene Meinungen geben. In diesem Buch habe ich versucht, meine Überlegungen zu umreißen.

 

Dass auch diese streitig sein werden, ist nicht nur meine Erwartung, ja mein Wunsch. Denn es sind Überlegungen zu wichtigen Themen, die aber in der politischen Debatte heute nicht immer die Aufmerksamkeit genießen, diC sie aus meiner Sicht verdienen.

Es geht zunächst darum, was für unser Land jetzt wichtig und was weniger wichtig ist, denn unser aller Möglichkeiten, unsere Arbeitszeit, unsere demokratische Überzeugungskraft, aber auch unsere finanziellen Mittel sind begrenzt. Sicherheit muss im Vordergrund stehen, äußere, wirtschaftliche, soziale und demokratische. Und um diese auch zukünftig zu bewahren, wird die deutsche Politik nach meiner Überzeugung eine Reihe außenpolitischer Richtungsentscheidungen zu treffen haben.

Denn andere Völker, andere Nationen haben andere Interessen, die wir verstehen müssen. Nur um diese Fragen geht es hier, denn die vielversprechende neue müssen. Nur um diese Fragen geht es hier, denn die vielversprechende neue Bundesregierung hat sich ein breites Feld der politischen Erneuerung vorgenommen, das ich hier nur berühren werde, wenn dabei auch die Interessen anderer Nationen unmittelbar betroffen sind. Es gilt dann, unsere Lage, unsere Kräfte und unsere Möglichkeiten realistisch einzuschätzen.

 

Die Gefahren des Klimawandels sind unübersehbar geworden und verlangen gemeinschaftliches Handeln aller Staaten der Welt.

 

In Europa erfahren wir aber gegenwärtig zugleich hässliche Auseinandersetzungen zwischen traditionell freiheitlich gesinnten Mitgliedsstaaten und den Institutionen der Europäischen Union. Das gefährdet den europäischen Zusammenhalt, den wir aber in dieser Welt der wechselnden Gefahren dringend brauchen.

Geschlossenheit muss wieder hergestellt werden.

Deutschland und Europa sind heute in Fragen der Sicherheit und der Außenpolitik nicht souverän. Es sind die USA, die hier in Europa die Richtung vorgeben. Verfolgen sie dabei auch unsere Interessen? Führen sie Europa außen- und sicherheitspolitisch in eine friedlichere Zukunft? Ich habe Zweifel daran, denn wie wir Europäer täglich erfahren: Amerika bleibt Amerika, auch unter Präsident Biden. Einerseits ruft er zu einem Kampf des Westens gegen Autokratien auf und beginnt damit eine gefährliche Konfrontation mit China, andererseits spricht er von einem zukünftigen Zeitalter der Diplomatie. Aber andererseits spricht er von einem zukünftigen Zeitalter der Diplomatie. Aber •relentlcss«, gnadenlos, soll diese Diplomatie sein.

 

Was kann das bedeuten? Nachdem die USA seit dem Ende des Kalten Krieges 1990 Russland an die Seite Chinas gedrängt haben, steht nun ein neuer Kalter Krieg mit China bevor? Ein Raunen über Krieg in Asien geht um die Welt; Vergleiche zu den Zeiten vor dem Ersten Weltkrieg werden gezogen. Die USA spielen dabei eine zemraJe Rolle. Es ist uru;er nationales Interesse als Deutsche und als Europäer, hier, um der Sicherheit Europas wi!len, auf die gefährliche Politik der USA in Asien einen mäßigenden Einfluss zu nehmen und so weit wie möglich Europa aus den amerikanischen Konflikten herauszuhalten.

 

Ich schrieb dieses Buch auch als enger Freund und Bewunderer der Vereinigten Staaten von Amerika, denen ich seit 70 Jahren unserer Bekanntschaft und Freundschaft viel zu verdanken habe. Aber gerade deßwegen enthält dieses Buch eine besorgte und kritische Grundhaltung. So schreibe ich hier mit einer gewissen Traurigkeit über
Entwicklungen in den USA, die diesem Lande großen Schaden antun könnten. Hier wären wir Europäer dann nicht nur Beobachter, es wären auch wir selbst, die von Entscheidungen der USA mitgerissen werden könnten. Aber zugleich halte ich nichts von einem billigen Antiamerikanismus. Jede Nation hat ihre Stärken und ihre
Schwächen, und die USA haben auch sehr viel Positives für Deutschland und Europa getan.

 

Über Chancen und Gefahren der transatlantischen Partnerschaft müssen wir dennoch offener miteinander reden, im Interesse Deutschlands, Europas und, nach meiner Überzeugung, auch der USA. Auch das gehört heute zu den vielen Bereichen der Politik, in denen wir die Folgen unseres Handelns oft nicht ehrlich genug debattieren. Ein Grund für mich, ein Buch ohne Schnörkel zu schreiben.


Ich begann dieses Buch Ende Juni 2021, etwa als die Bundesparteien sich inhaltJich für den Wahlkampf rüsteten. Jetzt liegt der Koalitionsvertrag vor, und dass dieser angesichts dreier so verschieden ausgerichteter Parteien nicht immer mit meinen Überlegungen übereinstimmt, kann für keine Seite überraschend sein. So ist dieses Buch, das nicht als eine Streitschrift entworfen wurde, am Ende zu einer solchen geworden. Als ein Buch, das Debatten eröffnen soll.

 

Klaus von Dohnanyi

Hamburg, im November 2021