7. Die Bestandteile des Brutto-Zinses.
Die Natürliche Wirtschaftsordnung (1919 - 3. Auflage)-Fotokopie
- Siehe auch FT: Die natürliche Wirtschaftsordnung
(Urzins, Risikoprämie und Hausseprämie) (*).
Wer die hier behandelte Zinstheorie auf ihre Richtigkeit mit Hilfe der Zahlen prüfen will, die ihm die Statistik liefert, wird oft genug auf Widersprüche stoßen. Das liegt daran, daß der Zinsfuß neben dem Urzins in der Regel noch andere Bestandteile mit sich führt, die nichts mit dem Zins zu tun haben.
Neben der Risikoprämie (Gefahrbeitrag) enthält der Zinsfuß oft noch einen eigentümlichen, von den Schwankungen im allgemeinen Preisstand der Waren bestimmten Bestandteil, den ich in Anlehnung an seinen fremdnamigen Gefährten mit Hausseprämie bezeichne.
Um die Natur dieses Zinsbestandteiles richtig zu erfassen, braucht man sich nur das Benehmen der Geldborger und Geldverleiher anzusehen, wenn eine allgemeine Preissteigerung erwartet wird. Eine allgemeine Preissteigerung hat das Eigentümliche an sich, daß man das geborgte Geld mit einem Teil der Waren, die man mit dem Geld erstanden und dann wieder verkauft hat, zurückerstatten kann; daß also neben dem regelrechten Handelsgewinn noch ein Sondergewinn, ein Mehr, verbleibt. Dieses Mehr muß natürlich die allgemeine Kauflust wecken, und zwar um so stärker, je größer das erwartete Mehr ist, und namentlich je begründeter die Erwartung einer Fortdauer der Preissteigerung erscheint.
Wer mit fremden Geldern arbeitet, vergrößert dann seine Ansprüche an die Banken bis zur äußersten Grenze seines Kredites (der in der Regel mit der Preissteigerung, die die Schuldner begünstigt, wächst), und wer sein Geld bisher an andere verlieh, sucht selber Geschäfte zu machen und verzichtet nur dann
(*) Dieses Wort „Hausseprämie“ setze ich an die Stelle des früher von mir angewandten „Ristorno“, weil der Sinn (Gewinnanteil des Geldgebers an erwarteter Preissteigerung) damit besser ausgedrückt wird.)
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darauf, wenn der Borger ihn mit einer Zinsfußerhöhung an den erwarteten Gewinnen beteiligt.
Durch die allgemeine Preissteigerung (Hochkonjunktur, d. h. geschäftliche Hochflut) droht dem Besitzer von Bargeld und Bargeldforderungen (Staatspapiere, Hypotheken usw.) ein Verlust, der darin besteht, daß er für das Geld immer weniger Waren erhält. Vor diesem Verluste kann sich der Geldbesitzer nur dadurch schützen, daß er sich durch Verkauf der Staatspapiere und Ankauf von Aktien, Häusern, Waren des Geldes entledigt. Ist das geschehen, so kann ihm die Hochkonjunktur nichts mehr anhaben. Den Schaden hat daun der, der die Staatspapiere, die Hypotheken, Wechsel, Obligationen gekauft hat. Diesen Schaden nimmt aber niemand so ohne weiteres auf sich. Kauft darum in solchen Zeiten jemand Staatspapiere oder Wechsel, so verlangt er im Diskont eine Entschädigung dafür, daß er Waren, Aktien, Grundstücke zu einer Zeit verkauft, wo alle eine Preiserhöhung dieser Dinge erwarten, um mit dem Erlös Dinge (Geldforderungen) zu kaufen, auf deren Kosten sich die erwartete Preiserhöhung vollziehen wird. Und diese Forderung kann er nach Lage der Marktverhältnisse leicht durchdrücken. So geht also der Wechseldiskont herauf, und der Kurs der festverzinslichen Papiere herunter.
Wie aber, wenn Schlaumeier sich sagt: Ich habe zwar selbst kein Geld, doch habe ich Kredit. Ich borge mir gegen Wechsel das nötige Geld, kaufe Waren, Aktien usw., und wenn der Wechsel fällig wird, so verkaufe ich das Gekaufte zu den dann höheren Preisen, bezahle meine Schuld und behalte den Unterschied für mich! Schlaumeier dieser Art gibt es viele, und diese vielen treffen sich an demselben Ort, zur selben Zeit, d. i. im Vorsaal des Geldmannes, der Reichsbank. Die reichsten Männer des Landes stehen da, neben kleinen Fabrikanten und Kaufleuten. Alle zeigen unersättlichen Geldhunger. Nun sieht der Geldmann den Andrang und erkennt, daß sein Geld nicht reicht, um sie alle zu befriedigen (würde er sie befriedigen, so kämen sie gleich mit verdoppelten Ansprüchen zurück). So erhöht er, um sich des Andranges zu erwehren, den Zinsfuß (Diskont), erhöht ihn solange, bis die Schlaumeier im Zweifel sind ob der vom geplanten Geschäfte erwartete Gewinn noch Deckung für den erhöhten Zinsverlust schafft. Dann ist der Ausgleich geschaffen; der Geldhunger verschwindet, der Vorsaal des Geldmannes leert sich. Dann ist das, was der Geldbesitzer durch die Preissteigerung der Waren verliert, in den Zinsfuß übergegangen.
Das, was also durch eine allgemeine Preissteigerung der Waren am Geldkapital verloren geht, muß der Zinssuß ersetzen. Beträgt z. B. die erwartete Preissteigerung 5% im Jahr, so muß bei einem Urzins von 3 oder 4% der Zinsfuß bei Darlehen 8 oder 9% ausmachen, um das Geldkapital unberührt zu lassen. Zweigt der Kapitalist vom Ertrag dieser 9% die 5% ab, die der Preissteigerung entsprechen und legt diese zum Kapital, so ist sein Nutzen derselbe wie vor der Preiserhöhung, 105 = 100, d. h., für 105 erhält er jetzt so viel Ware wie vorher für 100.
So würde es gar nicht überraschen, wenn bei näherer Untersuchung es sich herausstellte, daß die Kapitalisten in Deutschland (Grundrentner ausgenommen) in den letzten 10 bis 15 Jahren trotz durchschnittlich höherer Dividenden und Zinsen eigentlich einen regelwidrig niedrigen Reinzins bezogen haben. Sind
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Natürlich wird dieser Bestandteil des Zinsfußes sofort verschwinden, sowie die erwartete allgemeine Preissteigerung sich verwirklicht hat; nicht die eingetretene Preissteigerung, sondern die Erwartung einer solchen, die Hoffnung auf einen künftigen, noch nicht zur Tat gewordenen Preisunterschied reizt zum Kauf, zur Anlage des Geldes und bewirkt, daß die Ansprüche an die Banken steigen. Sowie die Hoffnung auf eine weitere Preissteigerung schwindet, fehlt auch der Reiz zum Kauf, und die Gelder kehren zur Bank zurück. Dann fällt der Zinsfuß; die Hausseprämie scheidet aus den Bestandteilen des Zinsfußes aus. Selbstverständlich verschwindet bei einem erwarteten allgemeinen Preisrückgang sofort jede Spur dieser Hausseprämie aus dem Zinsfuß.
Die Höhe der Hausseprämie richtet sich natürlich ganz nach dem Umfangder erwarteten allgemeinen Preissteigerung. Erwartet man eine sprunghafte, schnelle und starke Preissteigerung, so werden die Ansprüche an die Geldinstitute auch gleich in dasselbe Tempo verfallen, und der Zinsfuß wird sprungweise schnell und stark steigen.
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Sparkasseneinlagen.
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