Die Hartnäckigkeit der US-Amerikaner bei ihren Spezialoperationen in der Ukraine steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der »Roll-Back«-Politik ab 1948. Diese Politik zielte darauf ab, die von der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg beherrschten Gebiete Osteuropas zu befreien. Die USA und Großbritannien wollten dafür Widerstandsbewegungen in den osteuropäischen Ländern durch Waffenlieferungen und Propaganda unterstützen sowie antikommunistische Exilanten einschmuggeln.

Tatsächlich hatten die USA seit Ende der 1940er-Jahre strategische Interessen in der Ukraine. Unmittelbar nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes wurde der ukrainische nationalistische Widerstand in Form eines Partisanenkrieges fortgesetzt. Die Ukrainische Aufständische Armee (UPA), ein Ableger der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), sowie andere bewaffnete Gruppen, die während der Nazi-Herrschaft mit dem Regime kollaboriert hatten, wurden nun in den Aufmarsch des Kalten Krieges einbezogen. Das Committee of Subjugated Nations, das 1943 von den Nazis gegründet worden war, wurde 1946 als Antibolschewistischer Block der Nationen (ABN) unter US-Schirmherrschaft wieder etabliert. Damals arbeitete der US-Geheimdienst mit Mykola Lebed und der OUN zusammen. Lebed war die rechte Hand des ukrainischen Faschistenführers Stepan Bandera und setzte den Kampf für eine unabhängige Ukraine nun an der Seite der CIA fort.(155) Er war von der Gestapo in einem Trainingszentrum bei Krakau ausgebildet worden. Dort baute er die »Ukrainische Trainingseinheit« und die Sluzhba Bezpeky auf, den Auslandsgeheimdienst der OUN-B. Augenzeugenberichten zufolge befahl er dabei auch die Folter von Juden. Nach dem Krieg führte er auch im Dienst der US-Amerikaner Folterungen an Gefangenen durch.

Ein Projekt hatte den Codenamen »AERODYNAMIC«, und dabei ging es nicht nur um Einzeloperationen, wie ein Geheimdokument der CIA von 13. Juli 1953 zeigt: »Das Ziel von Projekt AERODYNAMIC ist es, den antisowjetischen ukrainischen Widerstand für die Zwecke eines kalten und eines heißen Krieges zu nutzen und auszubauen. Dabei werden Gruppen wie der Hohe Rat für die Befreiung der Ukraine und seine Untergrundarmee Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) genutzt, ebenso wie die Auslandsvertretung des Hohen Rates ZPUHVR in Westeuropa und den Vereinigten Staaten sowie andere Organisationen wie die OUN/B.«(159) Letztere wurde nach dem ersten Buchstaben von Bandera benannt, und auch die anderen Organisationen gehörten dem faschistischen Spektrum an. Das ZPUHVR war nichts anderes als ein Ableger von CIA und MI6. Neben der US-Operation AERODYNAMIC führten auch die Briten (Operation VALUABLE) und die Franzosen (Operation MINOS) Guerillaprojekte in der Ukraine durch.(160)

Als 1994 der Nordatlantikrat beschloss, Polen, Ungarn und Tschechien in die NATO aufzunehmen, wurde die Ukraine der erste GUS-Staat, der sich der »Partnerschaft für den Frieden« anschloss. Dies war ein neu geschaffener Warteraum für künftige NATO-Mitgliedschaften. Zu diesem Zeitpunkt erkundeten Ölfirmen bereits die Möglichkeiten rund um das Schwarze Meer.(164) Nach der Orangenen Revolution 2004 versicherten die USA der Regierung in Kiew ihre Unterstützung bei transatlantischen Bestrebungen.(165) Im Jahr 2006 wurde bekannt, dass NATO-Instrukteure ukrainische Neonazis der Organisation UNA-UNSO in Estland in Häuserkampf- und Sabotage-Techniken ausbildeten und so den Aufbau einer paramilitärischen »Stay-Behind«-Geheimtruppe betrieben. Gleichzeitig absolvierten ukrainische Offiziere ihre Ausbildung bereits am NATO Defense College. Dies war die Zeit, in der die NATO de facto »die Ukraine annektierte«(166).

Inzwischen wurden in Washington Pläne entworfen, wie in schwachen Staaten präventiv eingegriffen und eine »Markt-Demokratie« etabliert werden kann. Teil des Drehbuchs war es, diese Staaten einer »geteilten Souveränität« zwischen »anerkannten nationalen politischen Autoritäten und einem externen Akteur« zu
unterwerfen.(167) Im Kern handelt es sich dabei um eine spezifische Politik des räuberischen Neoliberalismus, bei der Demokratieförderung, Wirtschaftskrieg und die Anwendung militärischer Gewalt miteinander verbunden sind.(168) Die Ukraine stand dabei ganz oben auf der Liste. Umgesetzt wurde diese begrenzte Souveränität in Form einer EU-Assoziation und der Östlichen Partnerschaft. Gemäß dem Vertrag von Lissabon, der 2007 beschlossen und 2009 in Kraft trat, sind die angeschlossenen Staaten verpflichtet, ihre Wirtschaft zu öffnen und ihre Sicherheitspolitik an die der NATO anzugleichen.(169) Diese inhärente sicherheitspolitische Dynamik führte dazu, dass die EU zu einem Treiber eines neuen Kalten Krieges wurde.

Als auf dem NATO-Gipfel in Bukarest im Jahr 2008 der Ukraine und Georgien die Mitgliedschaft in Aussicht gestellt wurde, geriet das »Grenzland« noch tiefer in eine Zerreißprobe. Das Land bestand aus zwei ethnischen Hauptformationen, der russischen und der ukrainischen. Daraus einen Nationalstaat zu formen, wäre ohnehin eine gigantische Aufgabe gewesen. Der Versuch, die geopolitische Ausrichtung zu ändern, führte letztendlich zu einer Spaltung und möglicherweise sogar zur Zerstörung des Landes.(171) Doch dies schien die Befürworter einer NATO-Integration nicht zu beunruhigen. Unterstaatssekretärin Victoria Nuland gab in einer Rede am 13. Dezember 2013 vor der US-Ukraine-Stiftung damit an, dass die Vereinigten Staaten seit der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 insgesamt fünf Milliarden Dollar für politischen Einfluss investiert haben.

In einem unverschlüsselten Telefonat propagierte Victoria Nuland einen Regimewechsel in Kiew und lieferte damit Wladimir Putin einen willkommenen Vorwand für die Besetzung und – nach einem Referendum – Eingliederung der Krim in die Russische Föderation.

Die Proteste auf dem Maidan im Winter 2013/14 waren dann die willkommene Gelegenheit für einen Putsch.(172)

Am Wochenende des 13. und 14. April 2014, kurz nach dem mit westlicher Hilfe erzwungenen Regierungswechsel, weilte CIA-Direktor John Brennan in Kiew. Ihm folgten Dutzende CIA-Berater. Zusätzlich wurden 400 Söldner der Sicherheitsfirma Academi, ehemals Blackwater, für verdeckte Operationen von CIA und Pentagon eingeflogen. Der Fokus lag auf geheimdienstlicher Zusammenarbeit gegen Russland. Kurz darauf begann die sogenannte »Anti-Terror-Operation« gegen die Separatisten. (173) Aus der Korrespondenz vom 5. und 6. April zwischen Phillip Karber, dem damaligen Präsidenten der Denkfabrik Potomac Foundation in Washington, die das Regime in Kiew beriet, und General Wesley Clark, einem ehemaligen NATO-Kommandeur, geht später hervor, dass die NATO die Kräfte Kiews bereits vor den ersten Besetzungen im Donbass beraten hatte.(174) Das westliche Bündnis war also in die Kiewer Regimewechsel-Operation und die Konfrontation mit Russland von Anfang an eingebunden und sogar eine treibende Kraft.

Nach Angaben des U. S. Congressional Research Service haben die USA die Ukraine von 1991 bis 2014 mit vier Milliarden Dollar militärisch unterstützt. 2014 kamen noch einmal 2,5 Milliarden Dollar dazu sowie eine Milliarde aus dem NATO-Treuhandfonds. Doch das ist noch nicht alles. Großbritannien hat mit Kiew eine Reihe von Militärabkommen geschlossen, die unter anderem eine Investition von 1,7 Milliarden Pfund in die Stärkung der ukrainischen Marine vorsahen. Es ging um die Bewaffnung ukrainischer Schiffe mit britischen Raketen, die gemeinsame Herstellung von acht schnellen Raketenwerfern, den Bau von Marinestützpunkten am Schwarzen und am Asowschen Meer.(175) Im Jahr 2020 kam ein Zehn-Milliarden-Dollar-Plan von Erik Prince, dem Gründer von Blackwater, hinzu. Er bestand darin, durch eine Partnerschaft zwischen seinem Unternehmen Lancaster 6 und dem wichtigsten ukrainischen Geheimdienst, der wiederum von der CIA kontrolliert wird, eine Privatarmee in der Ukraine aufzubauen. (176) Dabei arbeitet Blackwater mit dem faschistischen Asow-Bataillon eng zusammen.(177) Ganz so eigennützig war die Militärhilfe jedoch nicht: Am 7. Juli 2014 konfiszierte Washington in einem weiteren Akt des Wirtschaftskrieges die ukrainischen Goldreserven und verfrachtete 40 versiegelte Boxen per Flugzeug in die USA. Insgesamt beläuft sich der inzwischen transferierte Betrag auf zwölf Milliarden Dollar.(178)

Die Recherche führt zum Combat Training Center in Jaworiw, 60 Kilometer westlich von Lwiw an der Grenze zu Polen. Dort haben US-amerikanische Spezialeinheiten und Ausbilder der Nationalgarde von 2015 an bis zum Beginn des Jahres 2022 mehr als 27 000 ukrainische Soldaten ausgebildet. Das haben Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums der New York Times bestätigt.(179) Auch andere NATO-Staaten waren an diesen Aktivitäten beteiligt. In den vergangenen sieben Jahren haben somit Spezialkräfte des westlichen Bündnisses tausende ukrainische Soldaten auf NATO-Standard gebracht und sukzessive bewaffnet.

Seit 2014 entfalten mehrere NATO-Staaten, allen voran die USA, Kanada und Großbritannien, eine Vielzahl militärischer Aktivitäten in der Ukraine. Dazu gehören gemeinsame Boden-, Luft- und Seemanöver. Im Jahr 2021 fanden mindestens zehn solcher Aktivitäten statt, und weitere waren für 2022 geplant. 2017 errichtete die US- Navy einen Militärhafen in Otschakow westlich der Krim – zusätzlich zum Flugplatz, den US-Militärs zusammen mit den Ukrainern bereits betrieben.(180) Am 24. März verabschiedete die Ukraine eine Militärstrategie, die die Regierung dazu verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zur Wiedereingliederung der Krim und der Republiken Donezk und Luhansk zu ergreifen. Am 10. November unterzeichneten die USA und die Ukraine eine Charta zur strategischen Partnerschaft, in der es hieß, dass »die USA nie die versuchte Annexion der Krim durch Russland akzeptieren« werden.(181)

Damit ist die Ukraine schrittweise de facto zu einem NATO-Partner geworden, ohne dass dies auf dem Papier offiziell gemacht wurde. Dies verweist auf ein geheimes Netzwerk von Kommandos und Agenten, die Waffen, geheimdienstliche Informationen und Training für die ukrainischen Truppen bereitstellen. Ein Großteil dieser Aktivitäten findet auf Militärstützpunkten in Deutschland, Frankreich und Großbritannien statt. Aber auch nach Kriegsbeginn operieren CIA-Agenten, vor allem in Kiew. Zusätzlich sind Kommandos aus Großbritannien, Frankreich, Kanada und Litauen in der Ukraine aktiv. Die Zehnte Special Forces Group der US-Armee, die auch an der Ausbildung in Jaworiw beteiligt war, hat einen Planungsstab in Deutschland aufgebaut, an dem mittlerweile 20 Nationen beteiligt sind. (182)

Fasst man das alles zusammen, so wird deutlich: Die Ukraine wurde vonseiten des Westens darauf vorbereitet, einen Stellvertreterkrieg mit Russland zu führen. 

Dieser Krieg, bei dem die NATO aus dem Hintergrund unterstützt, wird flankiert von einem Wirtschaftskrieg und einer Propaganda-Offensive gegen Russland. Gleichzeitig sollte der Raketenschild der USA in Rumänien und Polen die Umzingelung Russlands abschließen und durch Raketen ohne Vorwarnzeiten die Erstschlagfähigkeit gewährleisten. Diese Maßnahmen entsprachen dem Streben der USA nach »Full-spectrum dominance«. US-Kriegsminister Lloyd Austin formulierte das Ziel, Russland so zu schwächen, dass das Land sich davon nicht mehr erholen kann. (183)

Doch die verdeckten Bemühungen des Westens, die Ukraine zu einem Frontstaat für eigene Interessen auszubauen, gehen noch weiter. Ausländische Kombattanten, die zum Teil freiwillig ins Land kamen oder von Sicherheitsfirmen angeheuert wurden, sollten die ukrainischen Streitkräfte verstärken. Ein Teil von ihnen wurde ebenfalls in Jaworiw ausgebildet. US-Militärberater organisierten sie in einer Art Fremdenlegion, die bis zu 2500 Söldner umfassen sollte. Doch die Hoffnung, damit den Krieg drehen zu können, erfüllte sich nicht. Russland war natürlich auch über diese Aktivitäten informiert. In der Nacht zum 13. März 2022 haben mehrere russische Marschflugkörper den Truppenübungsplatz Jaworiw fast völlig zerstört. Augenzeugen sprechen von einer ungeheuren Feuerkraft. Ein 46-jähriger ehemaliger Polizist aus Dallas berichtete dem Sender CBS, dass seine Einheit beim Angriff auf Jaworiw die Hälfte ihrer Männer verloren habe.(184)

Auch die Aktionen westlicher Geheimdienste im Untergrund dauern an. Jacques Baud, ehemaliger Oberst des Schweizer Generalstabs und ehemaliger Angehöriger des strategischen Nachrichtendienstes, der ein guter Kenner der Verhältnisse in der Ukraine ist, vermutet, dass die Explosion Anfang August 2022 auf dem russischen Luftwaffenstützpunkt Saki auf der Krim eine Operation des ukrainischen Geheimdienstes war, unterstützt vom Westen:

»Die Vorfälle auf der Krim zeigen indirekt, dass es den vom Westen im Februar behaupteten Volkswiderstand nicht gibt. Es handelt sich sehr wahrscheinlich um das Werk ukrainischer und westlicher (wahrscheinlich britischer) Geheimagenten.«(185)

Er spricht von Terroroperationen hinter den feindlichen Linien, die sich auch gegen prorussische Persönlichkeiten richten, und rechnet auch die Ermordung der Journalistin Darja Dugina am 21. August 2022 in Moskau dazu. Jacques Baud widerspricht auch der offiziellen westlichen Version, dass russische Truppen für das Massaker in Butscha Anfang April 2022 verantwortlich seien. Stattdessen betrachtet er es als Ablenkungsmanöver: »Die ukrainischen Verbrechen wurden allmählich in den sozialen Netzwerken aufgedeckt, und am 27. März befürchtete Selenskyj, dass dies die Unterstützung des Westens gefährden würde. Da kam das Massaker von Butscha am 3. April, dessen Umstände nach wie vor unklar sind, gerade recht. Großbritannien, das damals den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat innehatte, lehnte dreimal die russische Bitte ab, eine internationale Untersuchungskommission zu den Verbrechen von Butscha einzusetzen. Der ukrainische sozialistische Abgeordnete Ilja Kywa enthüllte auf Telegram, dass die Tragödie von Butscha von Spezialkräften des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 geplant und vom SBU durchgeführt wurde.« Damit hat auch der ukrainische Geheimdienst nach dem Abzug der Russen aus Butscha Kollaborateure gefoltert und ermordet. Die Aufnahmen des Satellitenbetreibers Maxar, einem Partner der US-Regierung, die angeblich Leichen auf den Straßen zeigen, weisen eine um die Hälfte reduzierte Datenrate auf , was den Verdacht nährt, dass auf diese Weise eine Manipulation verschleiert wurde.(186) Dies entlastet umgekehrt aber die russische Seite nicht von schweren Kriegsverbrechen. (187)

Unabhängig von den Morden in Butscha gibt es also eine Kontinuität geheimdienstlicher Interventionen des Westens in der Ukraine seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Dabei sieht der Militäranalyst Jacques Baud das grundsätzliche Problem darin, dass sowohl bei den Ukrainern als auch im Westen ein ganzheitlicher Konfliktansatz fehle. Beide hätten operative Kunst durch Brutalität ersetzt. Wenn diese Einschätzung richtig ist, betreiben westliche Geheimdienste die Verlängerung des Abschlachtens in der Ukraine und täuschen darüber vorsätzlich die Öffentlichkeit.

Dazu passt, dass die Vereinigten Staaten in der Ukraine ein Trainingsprogramm zur Kriegsführung im Untergrund organisiert haben, das faktisch eine Neuauflage der Stay-Behind-Strukturen des Kalten Krieges darstellt. Gemäß dem »Resistance Operating Concept« sollen hinter den feindlichen Linien militärische und zivile Ressourcen mobilisiert werden, um Sabotageakte und Anschläge durchzuführen: »Techniken der Guerrilla-Kriegsführung schließen traditionell Raubüberfälle, Angriffe aus dem Hinterhalt, Sabotage, Bedrohungstechniken ein, um den Bewegungsspielraum des Feindes zu begrenzen, seine Moral zu untergraben und seine materielle Stärke zu verringern.«(188) Dies legt nahe, dass es bei diesen Maßnahmen nicht um westliche Werte oder die Freiheit der Ukraine geht, sondern vielmehr darum, Russland auf ukrainischem Boden zu destabilisieren.