11. Kapitel--VII: Judaismus und Puritanismus 1911: Die Juden und das Wirtschaftsleben von Werner Sombart: Zweiter Abschnitt - 11. Kapitel: Die Bedeutung der jüdischen Religion für das Wirtschaftsleben

11. Kapitel: Die Bedeutung der jüdischen Religion für das Wirtschaftsleben

VII. Judaismus und Puritanismus

Ich habe schon zu verschiedenen Malen gesagt, daß mich die Studien Max Webers über die Bedeutung des Puritanismus für den Kapitalismus stark angeregt haben zu meinen Untersuchungen über den Judaismus, in Sonderheit weil ich den Eindruck gewonnen hatte, daß die tragenden und für die kapitalistische Entwicklung bedeutsamen Ideen des Puritanismus in der jüdischen Religion viel schärfer und natürlich auch viel früher ausgebildet worden seien. Ich kann nun hier nicht im einzelnen den Nachweis führen, in wie weit diese Annahme richtig war: dazu müßte ich die Ergebnisse dieses ganzen Kapitels in Vergleich stellen, mit den Grundideen des Puritanismus, wie sie Weber herausgearbeitet hat. Mir scheint aber, daß ein solcher Vergleich in der Tat die fast völlige Ubereinstimmung jüdischer und puritanischer Anschauungen ergeben müßte, wenigstens insoweit sie für die hier untersuchten Zusammenhänge bedeutsam sind: die Präponderanz der religiösen Interessen; die Bewahrungsidee, (vor allem,) die Rationalisierung der Lebensführung; die innerweltliche Askese; die Verquickung religiöser Vorstellungen mit Erwerbsinteressen; die rechnerische Behandlung des Sündenproblems und manches andere sind in beiden Fällen dieselben.

Um nur einen besonders wichtigen Punkt noch zu urgieren, die eigentümliche Stellung zum Sexualproblem, die Rationalisierung des Geschlechtsverkehrs ist in Judaismus und Puritanismus bis in’s kleinste gleich. In einem der ersten Hotels Philadelphias fand ich in den Zimmern den gedruckten Anschlag: „Unsere verehrten Gäste, die Geschäfte mit Frauen zu erledigen haben, werden höfl. ersucht, während der Anwesenheit der Dame in ihrem Zimmer die Tür offen zu lassen“. Im Talmud aber (Kidd. 82a) heißen diese Worte: „Wer sein Geschäft bei Frauen hat, sei nicht mit ihnen allein ……“ Daß der englische Sonntag der jüdische Sabbat ist, lehrt ohne weiteres der Vergleich usw.

Übrigens sind die inneren Beziehungen zwischen Judaismus und Puritanismus — wenn auch ohne recht befriedigendes Ergebnis — von anderer Seite zum Gegenstande der Untersuchung gemacht worden in den Studien von John G. Dow, Hebre, and Puritann in der Jew. Quarterly Review, Vol. 3 (1891), 52 .

Und erinnern möchte ich daran, daß der helläugige Heinrich Heine diese Verwandtschaft zwischen Puritanismus und Judentum längst gesehen hatte: „Die protestantischen Schotten“ fragt er in den „Geständnissen „sind sie nicht Hebräer, deren Namen überall biblisch, deren Cant sogar etwas jerusalemmitisch-pharisäisch klingt und deren Religion nur ein Judentum ist, welches Schweinefleisch frißt?

Puritanismus ist Judaismus.

Auf Grund Webers und meiner Darstellungen, denke ich, kann es nun nicht mehr schwer sein, diesen geistigen Zusammenhang, ja diese geistige Übereinstimmung, festzustellen. Schwieriger wird die andere Frage zu beantworten sein; ob etwa eine äußere Beeinflussung des Puritanismus durch die jüdische Religion nachweisbar ist, und welcher Art diese etwa gewesen sein mag. Bekannt sind die engen Beziehungen, die während der Reformationszeit zwischen dem Judentum und manchen christlichen Sekten sich herausbildeten, bekannt die Modeliebhaberei für die hebräische Sprache und judaistische Studien, Bekannt ist aber insbesondere auch die geradezu fanatische Verehrung, die im 17. Jahrhundert die Juden in England namentlich bei den Puritanern genossen. Nicht nur, daß die religiösen Anschauungen der führenden Männer wie Oliver Cromwells durchaus im Alten Testamente verankert waren: Crommwell träumte von einer Versöhnung des Alten und Neuen Testamentes, von einer innigen Verbindung des jüdischen Gottesvolkes und der englisch-puritanischen Gottesgemeinde. Ein puritanischer Prediger, Nathanael Holmes (Homesius), wünschte nichts sehnlicher als nach dem Buchstaben mancher Prophetenverse der Knecht Israels zu werden, um ihm auf den Knien zu dienen. Das öffentliche Leben und die Kirchenpredigten erhielten geradezu eine israelitische Färbung. Es fehlte nur noch, daß die Parlamentsredner hebräisch sprachen, so hätte man sich nach Palästina versetzt glauben können, die Levellers, die sich selbst „Jews“ nannten, verlangen, daß die Staatsgesetze die Thora schlechthin zur Norm für England erklären möchten; Cromwells Offiziere schlagen ihm vor, den Staatsrat aus 70 Mitgliedern zu bilden nach der Zahl der jüdischen Synhedristen; im Parlamente von 1653 sitzt der Obergeneral, Thomas Harrison, ein Wiedertäufer, der mit seiner Partei das mosaische Gesetz für England eingeführt wissen wollte; 1649 wird ein Antrag im Parlamente eingebracht: den Sonntag auf den Sabbat, zu verlegen; „The Lion of Judah‘ war die Inschrift auf den Bannern der siegreichen Puritanner v. Bezeugt ist aber auch die Tatsache, daß in jenen Zeiten nicht nur das Alte Testament, sondern auch die rabbinische Literatur in den Kreisen der christlichen Geistlichkeit und der christlichen Laienwelt gründlich gelesen wurde. Denkbar also wäre eine direkte Ableitung der puritanischen Lehren aus den jüdischen sehr wohl. Dem Kirchenhistorischen Fachmanne muß es überlassen bleiben, hier Klarheit zu schaffen. An dieser Stelle muß es mit den wenigen Hinweisen sein Bewenden haben.

Zum Schlusse möchte ich nur noch auf ein schnurriges Büchlein aufmerksam machen, das im Jahre 1608 erschienen ist, und dessen Inhalt vielleicht symptomatisch wertvoll die enge geistige Verbindung aufweist, in die damals in der herrschenden Anschauung Puritanismus (oder Calvinismus) und Judentum miteinander gebracht wurden. Es hat den Titel „Der calvinische Judenspiegel“ und behandelt auf Seite 33 die Beziehung zwischen den beiden Religionsgemeinschaften in folgender am santer Weise:

„Wann ich auff mein Eydt den grundt und die warhaffte Ursache sagen sol, warumb ich Calvinisch worden sei, so muss ich bekennen, dass mich darzu nichts anders bewogen hat als nur allein diese nemblich dass unter allen kein gefunden werde die mit dem Judenthumb so gleich einstimme, und deren antworte als dieselbe vom Glauben und Leben: [die angeführten Gründe sind teils ernst teils satirisch.] 8. die Juden hassen den Namen Mariae und dulden sie nur allein wann sie von Goldt und Silber gemacht oder auff Geldt geschlagen: also auch wir halten ihn nichts mehr usw. aber Mariengroschen und Sonnenkronen, darauff Marien Bildere gestempfft, haben wir gern und halten in ehren, wie auch von Goldt und Silber gefortmierte dann die in unsern Kraem dienen, 9. die Jüden stechen sich in alle Lande, das Volk zu betriegen; wir auch: Dann wir darumb unser Vatterland verlassen und uns in andere Lande, da wir nicht bekand und unwerth sein begeben, damit wir durch unser Falsch und List, den betriglichen Storiern gleich ….. die unverständigen verführen, betriegen und an uns bringen“ ….. usw.

Also!