1911-Die Juden und das Wirtschaftsleben
12. Kapitel: Jüdische Eigenart 1911: Die Juden und das Wirtschaftsleben von Werner Sombart: Zweiter Abschnitt - 11. Kapitel: Die Bedeutung der jüdischen Religion für das Wirtschaftsleben
12. Kap. Jüdische Eigenart
I. Das Problem,
Es kostet wahrhaftig keine geringe Uberwindung, in einem wissenschaftlichen Buche das in der Uberschrift dieses Kapitels, ausgedrückte Problem abzuhandeln. Ist doch ganz allgemein in letzter Zeit alles, was nach Völkerpsychologie ausschaut, zum Spielball dilettantischer Launen geworden und wird doch ganz besonders die Schilderung jüdischen Wesens von rohen Geistern mit groben Instinkten als politischer Sport ausgeübt zum Ekel und Überdruß für alle, die sich in unserer grobschlächtigen Zeit Geschmack und Unbefangenheit bewahrt haben. Der unverantwortliche Mißbrauch, der mit völkerpsychologischen Kategorien unausgesetzt getrieben wird, hat denn auch schon dahin geführt, daß man ein ganzes Heer von Gründen mobil gemacht hat, die die Unmöglichkeit kollektivpsychologischer Aussagen wissenschaftlich erweisen sollen. Wenn man die Bücher von Friedrich Hertz, von Jean Finot und anderen liest bekommt man freilich fast den Eindruck, als sei es wirklich ein aussichtsloses Beginnen, in einer irgendwelchen Vielheit von Menschen psychologische Übereinstimmungen festzustellen; als hätten alle, die bisher eine Wissenschaft wie die Völkerpsychologie anzubahnen sich mühten, einem Phantome nachgejagt. Der schöne Bau liegt, in Trümmern, und man möchte daran zweifeln, daß er je wieder aufgerichtet werden könnte.
Und doch, und doch! Wir mögen noch so sehr von den Beweisgründen überzeugt sein, die wir in den Fritischen Büchern, zusammengetragen finden; wir mögen einen ganzen Tag, eine ganze Woche lang darauf ausgewesen sein, die Trugbilder zu zerstören, die uns frühere Schriftsteller von dem Wesen eine Volkes oder einer andern Menschengemeinschaft vorgegaukelt, haben; mögen uns (beispielshalber) köstlich amüsiert haben über die elegante Art, wie Jean Finot die Mahr vom französischen „Esprit“ ins Reich der Fabel verweist und uns haarklein und scharfsinnig auseinander setzt: es gäbe keine Franzosen, oder Friedrich Hertz und die vielen andern: es gäbe keine Juden: wenn wir dann wieder einmal über die Straße gehen und die Augen aufschlagen, so rufen wir plötzlich wohl ganz erstaunt aus: sieh da, da steht er ja, den wir eben begraben haben; oder ein Buch lesen oder ein Bild betrachten: so ertappen wir uns plötzlich bei dem Gedanken: wie echt deutsch, wie Heinstädtisch, wie französisch und sehen vor unsern geistigen Augen diese ganz besondere Art von Menschen leibhaftig vor uns, die wir eben mit tausend Gründen aus der Welt fortdiskutiert haben.
Ist das nur Spuk der Phantasie?
Aber es ist nicht nur das instinktive Gefühl, das uns an jenen Bildern festhalten läßt: auch die nüchterne Überlegung führt uns dazu, so etwas wie volkliche Eigenart in die Kette unserer kausalen Betrachtung des Menschenschicksals einzufügen. Ich möchte sagen, daß alle sozialen Wissenschaften notwendig einer solchen Hilfskonstruktion, wie die völkerpsychologische Hypothese, bedürfen, um in das bunte Durcheinander der Einzeltatsachen Ordnung zu bringen; daß wir Kollektivseelen (man verzeihe einstweilen das Wort, das ich gleich erklären werde) gleichsam als Substanz der sozialen Welt annehmen müssen, um auf sie die tausendfaltigen sonst in der Luft schwebenden Regungen der Gesellschaft, um alle Massenerscheinungen, die doch der Gegenstand unserer Untersuchung sind, auf sie zu beziehen. Die Hypostasierung einer kollektiven Peyche ist also für den sozialen Theoretiker eine Denknotwendigkeit.
Um es an dem Beispiel zu verdeutlichen, das uns der Inhalt dieses Buches gewährt: wenn wir von einer jüdischen Religion gesprochen haben, wen anders sollen wir uns als Träger denken als das jüdische Volk, dessen Eigenart dieses eigenartige Gebilde — die Formung seiner religiösen Vorstellungen — bis in alle Einzelheiten hinein entspricht. Hier ist der Zusammenhang deutlich und auch dem ungeübten Auge wahrnehmbar.
Aber auch dort, wo wir die Einwirkungen der Juden auf den Gang des Wirtschaftslebens aus „objektiven“ Umständen zu erklären uns angelegen sein ließen: blieben diese Erklärungen nicht ganz und gar lückenhaft ohne die Annahme einer ganz bestimmten jüdischen Eigenart? Ich meine doch schon ein flüchtiger Überblick über die Ergebnisse unserer Untersuchungen muß dazu führen, diese Frage mit Entschiedenheit zu bejahen. Ist es denn nicht absurd anzunehmen: es sei für den Verlauf der Wirtschaftsgeschichte gleichgültig gewesen, ob in die westeuropäischen Länder seit dem Ausgange des Mittelalters statt Juden Eskimos oder warum nicht Gorillas eingewandert wären ?!
Gehen wir die einzelnen objektiven Umstande der Reihe nach durch: die räumliche Verbreitung: nun ebensowenig wie wir die Entstehung der Diaspora ohne subjektivistischen Einschlag erklären können, ebensowenig ihre eigentümliche Wirkung. Wir sollen doch klar darüber sein, daß es mit der Zerstreuung eines Volkes noch nicht getan ist; daß keineswegs immer aus dieser Zerstreuung ökonomisch oder anderswie kulturell bedeutsame Wirkungen hervorzugehen brauchen, daß vielmehr die Zerstreuung ebensogut zur Vernichtung, zur Auslöschung eines Volksstammes führen kann.
Man sagt — gewiß mit Recht — daß die internationale Verbreitung die Juden zum Dolmetsch befähigte. Aber auch zum Unterhandler, zum Vertrauensmann des Fürsten, die seit altersher aus solchen Dolmetschen hervorgegangen sind? Bedurfte es dazu nicht erst wieder besonderer, eigener Veranlagung?
Wir haben ohne weiteres die räumliche Verbreitung der Juden für einen großen Teil ihres Erfolges im internationalen Handels- und Kreditverkehr verantwortlich gemacht. Ja — aber war die Voraussetzung einer solchen Wirkung nicht der Umstand, daß die über alle Lande zerstreuten Juden auch nach der Zerstreuung zusammenhielten? Wie, wenn sie die inneren und Äußeren Beziehungen nicht aufrechterhielten, wie so manche in alle Welt versprengten Bestandteile anderer Stämme und Völker?
Ich habe selbst auf die Bedeutung hingewiesen, die die Versprengung der Juden während der letzten Jahrhunderte dadurch gewonnen hat, daß sie gerade unter Völkerschaften gerieten, die reif zur Entwicklung des Kapitalismus waren. Aber zu bedenken ist doch wiederum, daß diese starke Wirkung, die die Juden in Holland, England, Deutschland, Osterreich-Ungarn ausgeübt haben (und noch ausüben), die offenbar viel stärker war als die, die sie unter Spaniern, Italienern, Griechen oder Arabern ausüben konnten, zum guten Teil auf die Kontraste zurückzuführen ist, zwischen ihnen und den neuen Wirtsvölkern. Je schwerer, je dickflüssiger, je geschäftsfremder die Bevölkerung ihrer Umgebung ist, desto größeren Einfluß scheint das Judentum auf das Wirtschaftsleben zu gewinnen: dank doch offenbar wiederum seiner bestimmten Eigenart
Woher auch die innere Fremdheit stammen mochte: daß sie jene besondere Bedeutung für das Wirtschaftsleben erlangen konnte: das ist doch gewiß wieder nicht ohne die Annahme einer jüdischen Eigenart denkbar. Daß ein Volk oder ein Volksteil gehabt und verfolgt wird, ist doch noch nicht Grund genug, damit nun daraus Anregung zu doppelt gespannter Tätigkeit erwachse. Im Gegenteil, in den meisten Fällen wird diese Geringschätzung und Mishandlung moralisch verwüstend, niederdrückend wirken, Nur wo ganz besondere Eigenschaften in den Menschen vorhanden sind, gegen die sich die Verstimmung und Verunglimpfung richten, werden diese zu einem Quell gesteigerter Tatkraft werden.
Und wiederum: die eigentümliche Wirkung, die die Zurücksetzung (oder Privilegierung) der Juden im bürgerlichen Leben ausübte: daß sie sie zu ökonomischen Kraftleistungen anspornte: wie sollte sie keine jüdische Eigenart zur Voraussetzung haben? Ist es denn nicht eine Binsenwahrheit, daß Energien, wenn sie durch irgend welchen Außeren Umstand freigesetzt werden sollen, erst vorhanden sein müssen: Ist es denn nicht selbstverständlich, daß dort, wo ein äußeres Ereignis den Ehrgeiz eines Menschen anstachelt, dieser von besonderer Seelenbeschaffenheit sein mußte? Dasselbe Schicksal macht doch aus dem Einen einen Lumpen und Tagedieb, aus dem andern einen Helden und Allesbezwinger, Trivialitäten.
Umgekehrt: in wichtigen Punkten, sahen wir, war die Rechtsstellung der Juden in den verschiedenen Staaten und zu verschiedenen Zeiten verschieden: z. B. wechselten die Bestimmungen über die Zulassung zu den einzelnen Berufen, In einigen Ländern, wie England, genossen sie hierin seit ihrer Wiederzulassung fast völlige Gleichberechtigung: trotzdem sahen wir sie allerorten den gleichen Berufen zuströmen, Gerade auch in England fangen sie als bullion merchants oder shopkeepers an, ebenso in Amerika, um dann ihre kommerzialistische Mission wie überall durchzuführen. Da müssen wir doch abermals auf eine besondere Eigenart schließen.
Und daß Reichtum allein noch nicht genügt, um wirtschaftlich große Dinge zu vollbringen, daß der, der ihn hat, vielmehr auch bestimmte Eigenschaften des Geistes besitzen muß, damit der Reichtum in kapitalistischem Sinne verwertet werde: soll das auch erst wieder „bewiesen“ werden?
Wie wohl eine künftige Menschheit über unsere Zeit urteilen mag, in der allen Ernstes in Zweifel gezogen wird, daß Juden anders geartet sind wie Zulukaffern; in der es notwendig ist, sich erst zu entschuldigen, wenn man sich unterfängt, von einer bestimmten Volkesart überhaupt nur zu sprechen! Und doch zwingen uns die vielen menschenblinden Geschichtsinterpreten, die überallhin ihre Eier legen, zu solcherart Umständlichkeiten.
Ich möchte doch aber nicht unerwähnt lassen, daß auch von anderer Seite her ein wissenschaftliches Bedürfnis nach völkerpsychologischen Untersuchungen immer dringendergeltend gemacht wird: von den „Rassetheoretikern“ den Anthropologen und Kraniologen. Man kann getrost sagen, daß nach den Untersuchungen der letzten Jahre die nie aus den Flegeljahren herausgekommene anthropologische Kraniologie in ihrer heutigen Gestalt erledigt ist. Es wird heute keinem ernsten Anthropologen mehr einfallen, aus dem Schädelbau oder andern somatischen Eigenschaften auf eine bestimmte Seelenverfassung zu schließen. Der ganze schöne Traum von den langschädeligen Edelingen, die im Kampfe mit der gemeinen Rundköpfigkeit liegen, von der Verknüpfung ganzer Kulturen mit dem Schädelindex ist heute wohl endgültig ausgeträumt. Man versteht heute kaum noch die Unverfrorenheit, mit der ohne auch nur die Spur eines Beweises der Satz aufgestellt werden konnte: der Schädelindex bestimmt die Seelenart des Menschen!
Aber: man wird doch heute weniger als je darauf verzichten wollen, Zusammenhänge zwischen somatischen und seelischen Eigentümlichkeiten festzustellen. Und darum wird man sich nach Beweisen für solche Zusammenhänge umsehen, und da wird man auf völkerpsychologische Erkenntnisse zurückgehen müssen. Man wird nämlich alsbald gewahr werden, daß man den Weg, den man eingeschlagen hatte, umgekehrt gehen muß: daß man erst versuchen muß, bestimmte seelische Eigenarten bei bestimmten Menschengruppen herauszufinden, um dann die somatischen Merkmale, die man bei dieser selben Gruppe beobachtet hat, in Parallele mit den seelischen Eigenarten zu stellen und so durch konstante Vergleichung der beiden Reihen vielleicht zu gesetzmäßigen Korrelatverhältnissen durchzudringen, Voraussetzung für die Anwendung dieses wissenschaftlich allein einwandfreien Verfahrens ist aber natürlich eine wohlgegründete und wissenschaftlich gefestigte Kollektivpsychologie.
Und diese sollte wirklich ein unlösbares Problem sein? Ich glaube doch nicht. Wenn wir nämlich die Einwände, die gegen sie erhoben werden, genau prüfen, so finden wir doch bald heraus, daß sich alle Bedenken nur gegen eine fehlerhafte Verwirklichung, nicht aber grundsätzlich gegen die Kollektivpsychologie überhaupt richten. Ist hier auch nicht der Ort, in allen Einzelheiten die Möglichkeit einer Kollektivpsychologie nachzuweisen, so will ich doch zum besseren Verständnis dessen, was ich über den besonderen Fall zu sagen habe, wenigstens einige Hinweise geben, wie man etwa sich eine Wissenschaft der Kollektivpsychologie zu denken hätte.
Was wir erfahren möchten, ist die seelische Eigenart einer Gruppe von Menschen. Ich sprach deshalb von Kollektivsychologie im Gegensatz zur Individualpsychologie, aber auch zu dem, was man neuerdings als Sozialpsychologie bezeichnet, mit der die Kollektivpsychologie nicht zu verwechsel ist. Jene, die in letzter Zeit eine Reihe beachtenswerter Bearbeitungen erfahren hat (Eulenburg! Simmell und doch auch Wundt, trotz seiner andern Terminologie), und die ihrer viel größeren Jugend, ungeachtet der wissenschaftlichen Reife viel näher steht als ihre ältere Schwester, setzt sich ja zur Aufgabe, diejenigen seelischen Erscheinungen festzustellen und zu analysieren, die aus der Tatsache der Vergesellschaftung sich ergeben; diese dagegen will alle seelische Eigenart der Gruppe erfassen. Und es erhebt sich nun die erste gewichtige Frage: welchen Sinn es hat, von einer Gruppe von Menschen bestimmte Seeleneigenschaften auszusagen. Was es also bedeutet, wenn wir etwa urteilen: die Deutschen sind gemütvoll; die Slaven sind musikalisch; das Proletariat ist rationalistisch; die Großstädter sind ….., die Germanen sind ……, die Professoren sind …., die Juden sind …. usw. Wir müssen uns ja immer dem Einwande aussetzen, den unser guter Freund gegen eine solche Feststellung erhebt, der nämlich behauptet: seine verstorbene Tante oder der Kanzleirat Müller nebenan oder sonst noch wer seien „ganz anders“ gewesen, als wir von der Gruppe ausgesagt hatten, der sie angehörten. Und unser Freund kannte alle diese Leute sehr gut und hat gewiß recht.
Wie also?
Die älteren Vertreter der „Völkerpsychologie“ wußten sich leicht zu helfen. Sie beschränkten ihre Untersuchungen zumeist auf die Völker (oder was ihrer Ansicht nach dazu gehörte), und diese Völker statteten sie mit einer besonderen Seele aus, die sie auch „Volksseele“ nannten, und von der nun natürlich ebenso wie von einer Individualseele alle Eigenschaften ausgesagt werden konnten. Diese geheimnisvolle Volksseele taucht heute noch unter dem Namen „psychisches Diapason“ auf und schwebt den meisten „Völkerpsychologen“ unserer Tage vor, wenn sie (wie etwa der geistvolle Leroy-Beaulieu) bei einer Analyse der jüdischen Eigenart (499). „le juif et la race juive“ „l‘originalité nationale et les facultés individuelles“, „Israel en tant hue peuple et le juif en tant qul’individu“ in einen Gegensatz zueinander stellen.
Wir wollen zunächst diesen Zweig der Peychologie nicht auf „die Völker“ beschränkt sehen, sondern wollen jede beliebige Gruppe von Menschen auf ihren seelischen Zustand untersuchen: daher Kollektivpsychologie (besser als Massenpsychologie, die vielmehr einen besonderen Zweig der Sozialpsychologie bildet) statt Völkerpsychologie.
Uns mutet aber auch alle „Volksseele“ mystisch an. Sie erscheint uns als ein trügerisches Nebelgebilde, von dem, wenn wir es durchleuchten, nichts übrig bleibt, das jedenfalls keine irgendwelche Realität ist, sondern höchstens in unserer Vorstellungswelt als Hilfsmittel des Denkens seinen Platz hat.
Die einzigen Realitäten sind vielmehr die lebendigen Menschen, die die Gruppe bilden (oder auch: gebildet haben und — unter bestimmten Voraussetzungen — bilden werden). Man könnte daran denken, neben ihnen noch eine zweite Realität anzunehmen: die in irgendwelcher Stofflichkeit verkörperten Werke jener Einzelmenschen; also Bauwerke, Dichtwerke, Musikwerke, technische Werke usw. eines Volkes etwa Zweifellos haben diese Werke auch losgelöst von ihren Schöpfern und ihren Genießern, ein selbständiges Leben und können in ihrer Wesenheit selbständig erfaßt werden: äußerlich, aber auch ihrem „Geist“ nach, so daß man etwa von der griechischen Architektur aussagt: sie sei von edler Harmonie erfüllt, während die ägyptische oder babylonische anders (etwa als Verkörperung des Kolossalen oder sonstwie) gekennzeichnet wird. Aber sobald wir „die Seele“ dieser Werke fühlen wollen, können wir doch nichts anderes tun, als daß wir sie in ihren Beziehungen auf lebendige Menschen zu fassen suchen und als deren Äußerungen, als deren Betätigungen zu verstehen trachten: nicht sowohl ihres Schöpfers als vielmehr einer gedachten Idealperson, Kollektivpsychologie wird also immer wieder auf die Einzelpersonen hinweisen, als auf die einzigen Realitäten, deren Wesen sie feststellen soll.
Und diese Individuen sind alle verschieden. Wie komme ich zur Aussage einer bestimmten Eigenschaft, die der gesamten Gruppe anhaften soll?“
Nun — wenn „wissenschaftlich“ verfahren werden soll; auf dem Wege eines sehr verwickelten Beobachtungs- und Abstraktionsverfahrens, dessen einzelne Bestandteile etwa folgende sind.
Zunächst gilt es ein möglichst großes und möglichst zuverlässiges Material herbeizuschaffen, (Material für die Kollektivpsychologie sind aber einzelpsychologische Tatsachen.) Zu diesem Behufe können verschiedene Methoden angewendet werden. Es gibt grundsätzlich zwei Arten der Ermittlung: die unmittelbare und die mittelbare. (Es ist hier, wenn von Individualpsychologie die Rede ist, immer nur die Vulgärpsychologie gemeint. Die sogenannte „wissenschaftliche“ Paychologie ist für unsern Zweck gar nicht verwendbar, da sie ja bisher bis zur menschlichen Psyche überhaupt noch nicht gelangt ist.)
Die unmittelbare Erkenntnis gewinnt ihre Einsicht aus der Beobachtung lebendiger Menschen und aller ihrer Außerungen. Sie kann sich des induktiven oder des statistischen Ermittlungsverfahrens bedienen. Die Induktion fußt auf der Einzelbeobachtung. Diese kann wiederum zwiefacher Art sein: direkt und indirekt. Direkt ist sie, wenn sie den Menschen selbst und sein lebendiges Wirken zu umfassen trachtet, was wiederum entweder mittels des eigenen persönlichen Erlebnisses oder durch Erkundung der persönlichen Erlebnisse anderer oder durch biographische Berichte aus der Vergangenheit geschehen kann. Indirekt: wenn sie aus den stofflich festgelegten Werken auf die Psyche diesmal, ihres Schöpfers schließt: aus dem „Tagebuch“ auf Goethe, aus der „Zauberflöte“ auf Mozart usw.
Die Statistik liefert Massenbeobachtung seelischer Vorgänge oder (zumeist) bestimmter Symptome, aus denen sich seelische Eigenarten ablesen lassen: Bevölkerungsbewegung, Verbrechen, Lektüre usw.
Das Ergebnis von solcherart Studien ist nun zunächst eine (möglichst große!) Reihe von eigenartig gekennzeichneten Einzelpersonen (die man persönlich kennen mag oder als Unbekannte mit Nummern versehen muß). An diesen Individuen werden nun je bestimmte Eigenarten festgestellt, die man vorher genau gekennzeichnet hat: es seien die Eigenarten a, b, c, d, e, f, g, h, i, k. Die Nebeneinanderstellung der beobachteten Individuen ergibt nun folgendes schematisches Bild:
- Individuum A hat die Eigenschaften a, b, c, d, e, f, g,
- Individuum B hat die Eigenschaften a, b, c, d, h, i, k,
- Individuum C hat die Eigenschaften a, b, c, e, f, g,
- Individuum D hat die Eigenschaften a, b, f, g, h,
- Individuum E hat die Eigenschaften d, e, f, g.
Nun beginnt die Auszählung: es wurden ermittelt bei 5 (500, 5 000 000) Individuen
- die Eigenschaften a, b, f, 9 je 4 mal = 80%
- die Eigenschaften c, d, e je 3 mal = 60%
- die Eigenschaften h, k, je 1 mal = 20%
Diese unmittelbare Beobachtung an lebendigen Menschen wird dann ergänzt durch die mittelbare Erkenntnis aus den (von ihren Schöpfern losgelösten) Werken. Diese Werke, sagte ich schon, können materieller oder geistiger Natur sein: die wichtigsten, (aus denen insonderheit eine bestimmte „Volkspsyche“ abgelesen werden soll) sind.
- in der Breite: Sprache, Recht (Sitte), Religion (Mythos), Wirtschaft, traditionale Technik;
- in den Höhen: Philosophie, Dichtkunst, bildende Künste, Kunstmusik, Architektur, rationale Technik;
- in den Tiefen: Volkskunst, Volkslieder, Sprichwörter usw.
Auch diese Werke werden nun daraufhin untersucht, welche Eigenarten in ihnen häufig oder immer wiederkehren, und aus diesen Eigenarten werden bestimmte seelische Qualitäten abgeleitet. Die glückliche Analyse dieser Werke liefert natürlich einen außerordentlich wichtigen Beitrag zur Lösung der Aufgabe.
(im Vorbeigehen bemerkt: ich halte es für ganz falsch, die Werke der ganz Großen hier als Quellen zu benutzen. Die ganz Großen gehören zumeist gar nicht einer besonderen Gruppe, Volke, Rasse, Klasse an, sondern sind Sie selbst in ganz einziger Eigenart oder allenfalls der Ausdruck einer ganzen Zeit. Will man aus deutscher Dichtung Schlüsse ziehen, so wähle man nicht Goethe, sondern Uhland; als jüdischen Philosophen betrachte man nicht Spinoza, sondern Maimonides, Mendelssohn oder Simmel; als italienischen Maler nicht Michel Angelo, sondern vielleicht Tizian; als englischen Dichter nicht Shakespeare sondern Dickens usw.)
Ich erhalte so als Ergebnis eine Fülle von Eigenschaften: in einem bestimmten Mengenverhältnisse die einzelnen zueinander: 80 a, 60 c usw., ebenso wie schon vorher bei der personalen Beobachtung.
Und nun kommt die synthetische Volte. Diese vielerlei Eigenschaften füge ich jetzt zu einem Ganzen zusammen derart, daß (etwa nach Art der chemischen Atomkomposition) in diesem Ganzen (das also die Einheit darstellt) alle Eigenschaften in demselben Mengenverhältnis sich wiederfinden, in dem ich sie vorher durch Beobachtung der Einzelindividuen ermittelt hatte. Vielleicht lasse ich bei dieser Zusammenfügung die in ganz geringer Menge vorhandenen Eigenschaften als quantité négligesble ganz verschwinden; also in unserm Schema etwa die Eigenschaften h und k und bilde die Einheit mit den Bestandteilen a, b, c, d, e, f, g in dem Verhältnis, daß diese zusammen = 1 sind. Diesem seltsamen Gebilde, dem kein lebendiger Mensch entspricht, jedenfalls nicht zu entsprechen braucht, hauche ich nun kraft meiner Schöpfungsmacht Leben ein, indem ich mir einen Menschen vorstelle, der mit diesen verschiedenen Eigenschaften in dem bestimmten Mischungsverhältnisse ausgestattet ist, und diesem Gedankengebilde lege ich des weiteren den Namen der Gruppe bei, innerhalb deren ich die Untersuchungen anstelle: ich sage: das ist der Deutsche, das ist der Professor, das ist der Jude.
Aber es hat vielleicht nie solch einen Deutschen, nie solch einen Professor, nie solch einen Juden gegeben.
Diese Erschaffung eines neuen Menschentyps ist ein durchaus legitimer Akt unserer wissenschaftlichen Schöpfertätigkeit. Wir dürfen nur die rein geistige Natur dieses neuen Wesens nicht verkennen, müssen uns also jederzeit bewust bleiben (ich wiederhole es noch einmal, weil ich diese Feststellung für entscheidend wichtig halte), daß ihm keinerlei Realität in der Wirklichkeit gegenübersteht, daß kein einziger Mensch in der Gruppe genau so beschaffen ist wie unser Homunculus, daß es eine ganze Menge von Gruppenangehörigen gibt, die vielleicht keinen einzigen Zug gemeinsam haben mit unserm Gedankenmenschen. Müssen uns bewußt bleiben, daß dieses Gebilde unseres Geistes nichts anderes sein soll als ein Hilfsmittel unseres Denkens, mittels dessen wir uns die Massenwirkungen einer sozialen Gruppe verständlich machen wollen. Wir müssen eine Hilfskonstruktion dort sehen wo die Alteren eine Volksseele erblickten.
(Wollte man ganz auf dem Boden der persönlichen Wirklichkeit bleiben, so dürfte man immer nur sagen: in dieser Gruppe sind diese Züge bei mehr Individuen anzutreffen als in jener, sind andere Züge seltener als in der andern Gruppe: es gibt aber auch zerstreute Offiziere und stramme Professoren.)
Die rein geistige Natur dieses idealen Gruppenmenschen tritt besonders deutlich in die Erscheinung, wenn man die von ihm ausgesagten Eigenschaften gar nicht mehr auf Angehörige der Gruppe bezieht, sondern auf beliebige Andere. Dann kann es sich ereignen, daß der „Geist„, die Wesenheit, die man erst aus der Beobachtung einer Gruppe festgestellt hatte, nun auf eine andere Gruppe übertragen werden, und daß schließlich scheinbar höchst seltsamer Weise beispielshalber die Juden Christen und die Christen Juden werden, wie es Chamberlain in Aussicht stellt, wenn er folgende Sätze schreibt (500):
„Man braucht nicht die authentische Hethiternase zu besitzen, um Jude zu sein; vielmehr bezeichnet dieses Wort von allem eine besondere Art zu fühlen und zu denken; ein Mensch kann sehr schnell, ohne Israelit zu sein, Jude werden. Mancher braucht nur fleißig bei Juden zu verkehren, jüdische Zeitungen zu lesen und an jüdische Lebensauffassung, Literatur und Kunst sich zu gewöhnen. Anderseits ist es sinnlos, einen Israeliten echtester Abstammung, dem es gelungen ist, die Fesseln Esras und Nehemias abzuwerken, in dessen Kopf das Gesetz Mose und in dessen Herzen die Verachtung anderer keine Stätte mehr findet, einen Judent zu nennen ….. Ein rein humanisierter Jude ist …… kein Jude mehr, weil er, indem er (!) der Idee des Judentums entsagt, aus dieser Nationalität, deren Zusammenhang durch einen Komplex von Vorstellungen, also einen „Glauben“ bewirkt wird, ipso facto ausgetreten ist. Mit dem Apostel Paulus müssen wir einsehen lernen: „Denn das ist nicht ein Jude, der auswendig ein Jude ist, sondern das ist ein Jude, der inwendig verborgen ist.“ Rechter Hand, linker Hand – alles vertauscht!
Was ich hier skizziert habe, wäre das streng „wissenschaftliche“ Verfahren zur Gewinnung völkerpsychologischer Urteile. Es ist klar, daß seine Durchführung außerordentlichen Schwierigkeiten begegnet, und daß wir wohl noch recht lange warten müßten, ehe wir auf diesem Wege zu dem ersten greifbaren Ergebnis gelangten. Deshalb ist es ganz tröstlich, daß es außer jenem wissenschaftlichen Verfahren noch ein anderes gibt, das unter Umständen glänzende Resultate liefert; man kann es das „abgekürzte“ oder auch das „künstlerische“ Verfahren nennen. Mittels seiner schaut eine dazu veranlagte Persönlichkeit jenes auf wissenschaftlichem Wege mühsam hergerichtete Gedankengebilde als lebendiges Wesen mit seinem inneren Gesicht, sie schafft es mit Hilfe ihrer Intuition, wie wir zu sagen pflegen. Dieser inneren Schau genialer Menschen verdanken wir die wertvollsten Einblicke in die Wesenheit sozialer Gruppen, und bei unserer Charakteristik einer bestimmten Eigenart werden wir die Aufschlüsse, die uns von jener Seite kommen, gern verwerten, um sie, wenn möglich, zur Grundlage des Gesamtmaterials zu machen, das wir dann erst mit Hilfe des nüchternen wissenschaftlichen Verfahrens verbessern und vervollkommnen, Wollen wir erfahren, was „ein Jude“ ist, so werden wir Shylocks Reden ebenso eifrig studieren wie die Bankgeschichte oder die Statistik der Geisteskranken. (Und werden doch nicht zugeben, daß wir „moderne Obskuranten“ sind, wie allzuhelle Köpfe wohl behaupten!)
Daß es sich auch bei den auf intuitivem Wege gewonnenen Ansichten immer nur um unwirkliche, das heißt nicht leibhaftige (darum freilich vielleicht wirklichere als diese, aber doch nur in einem hier nicht hergehörigen metaphysischen Verstand) Typenbildungen handelt, ist noch deutlicher als im zuerst besprochenen Falle der wissenschaftlichen Genese.
* * *
Die kollektivpsychologischen Probleme werden nun aber dadurch noch verwickelter, daß die sozialen Gruppen, von denen besondere Wesenheiten festgestellt werden sollen, gleichsam also die Individuen, denen man die eigenartige Seele andenken (oder andichten) will, sehr zahlreich sind. Daß diese Kollektivindividuen nur „Völker“ seien, wie die ältere Richtung annahm, wurde schon als irrtümlich bezeichnet. Vielmehr wird man sagen müssen, daß so viel Gruppen auf ihre seelische Sonderart hin untersucht werden können, als sie gemeinschaftliche und einheitliche Züge aufweisen. Danach würde sich ein ganzes System kollektivpsychologischer Einheiten ergeben, das wir uns schematisch wie folgt vergegenwärtigen können:
- I. Die Gruppen (Kreise) liegen nebeneinander: Franzosen-Deutsche, Schuster-Schneider
- II. Die Kreise liegen ineinander, und war konzentrisch: Internationales, Proletariat — deutsches Proletariat — deutsches Industrieproletariat — Arbeiter der deutschen — der Berliner Maschinenindustrie der Siemens-Schuckertwerke.
- III. Die Kreise liegen ineinander und nebeneinander: französische Künstler — französische Gelehrte.
- IV. Die Kreise schneiden sich: Internationales Proletariat – Deutsche
- V. Die Formen IIV, treten irgendwie einfach oder mehrfach kombiniert auf.
Was eine Gruppe bildet, die (gleichsam) eine selbständige Seele hat, kann natürlich außerordentlich mannigfaltiger Natur sein. Unter all den überhaupt gruppenbildenden Faktoren werden es einzelne sein, die sich im voraus nicht bestimmen lassen, da wir von keinem einzigen gruppenbildenden Faktor von vornherein wissen können (oder annehmen dürfen), ob er auch seelenbildende Kraft besitzt.
Über die Bildung der sozialen Gruppen und ihr Verhältnis zeinander hat Simmel so viel Vortreffliches gesagt, das ich hier darauf verzichten kann, näher auf den Gegenstand einzugehen. Bemerken möchte ich nur (weil es wichtig ist für das besondere Thema, das hier behandelt werden soll), daß eine individuell geartete Gruppe und also eine eigene Kollektivpsyche sowohl durch reale (objektive) als durch ideale (subjektive) Faktoren gebildet werden kann: zu jenen gehört das gemeinsame Blut, der gemeinsame Beruf, die gemeinsame Sprache, der gemeinsame politische Verband u. a.; diese werden durch ein irgend wie geartetes Zusammengehörigkeitsgefühl, durch den Willen zur Gemeinsamkeit, (die durch keinen objektiven Umstand herbeigeführt wird) gebildet. Subjektive und objektive Faktoren wirken oft bei der Gemeinschaftsbildung zusammen.
Dann möchte ich darauf aufmerksam machen, daß sich soziale Gruppen mit einheitlicher Seelenverfassung nicht nur für einen gegebenen Augenblick räumlich und zeitlich nebeneinander, sondern ebenso zeitlich nachheinander unterscheiden lassen. „Das deutsche Volk“ ist eine bestimmte Gruppe nicht nur im Gegensatz zu dem „französischen Volke“ in einer bestimmten Epoche, sondern auch im Gegensatz zu sich selbst in einer anderen Zeit, (deren richtige Abgrenzung wiederum ein Problem enthalt).
Um „die Juden“ als Einheit zu fassen, werden wir zunächst natürlich an die Religionsgemeinschaft denken, die sie einte.
Ich möchte aber für die hier beabsichtigte Untersuchung die durch die Zugehörigkeit zur mossischen Religion gebildete Gruppe einerseits einschränken anderseits erweitern. Einschränken dadurch, daß ich nur die Juden etwa seit der Vertreibung der Juden aus Spanien und Portugal, also seit dem Ende des Mittelalters in Betracht ziehe. Erweitern dadurch, daß ich die Abkommen der Bekenner des mosaischen Glaubens, auch wenn sie nicht mehr der jüdischen Religionsgemeinschaft angehören, in den Kreis meiner Untersuchung hereinnehme. Ob die solcherart abgegrenzte Gruppe eine gemeinsame und besondere seelische Eigenart habe, läßt sich nach dem, was oben bemerkt wurde, im vorhinein nicht aussagen, Bemerken will ich nur, daß die Gründe, mit denen das Vorhandensein eines allgemeinen jüdischen Wesens abgestritten werden soll, nicht stichhaltig sind.
1. Man verweist darauf, daß die Juden Westeuropas und Amerikas in weitem Umfange die nationalen Eigenschaften ihrer Wirtsvölker angenommen hätten. Das braucht nicht geleugnet zu werden, auch wenn etwa eine besondere jüdische Eigenart sich feststellen ließe. Es ist nämlich sehr wohl möglich, wie wir sahen, das Menschen und Gruppen von Menschen verschiedenen, sich schneidenden Gemeinschaftskreisen angehören, Ich erinnere außer den schon angeführten Beispielen an die Deutsch-Schweizer, die sehr deutlich sowohl Deutsche als Schweizer sind.
2. Man macht geltend, daß die Juden in der Diaspora kein „Volk“ und keine „Nation“ im üblichen Sinne (501) bildeten, da sie weder eine politische noch eine Kultur- noch eine Sprachgemeinschaft darstellten. Darauf ist zu erwidern, daß es ganz gewiß noch andere Eigenart bildende Momente gibt (ich erinnere an die Gemeinsamkeit der Abstammung oder an die idealen Faktoren der Gruppenbildung); ist vor allem zu erwidern, daß man sich davor hüten möge, die Bedeutung einer Definition zu überschützen.
3. Man sagt, daß innerhalb der Judenschaft (in der von mir angegebenen Umschreibung) keine Homogenität obwalte, daß vielmehr sich sehr voneinander verschiedene Bestandteile, die sich auch im eigenen Bewußtsein feindlich gegenüberstehen, unterscheiden ließen. Etwa die östlichen und die westlichen Juden; die Sephardim und die Aschkenazzim; die Orthodoxen und die Liberalen; die Alltagsjuden und die Sabbatjuden (in Marscher Ausdrucksweise). Das kann ebenfalls ohne weiteres zugegeben werden. Und doch ist es kein Beweisgrund gegen die Möglichkeit einer gemeinsam jüdischen Eigenart. Ich erinnere wieder an die Kreissiguren, die ich oben aufgezeichnet habe: innerhalb eines größeren Kreises können mehrere Kleinere Kreise liegen, die entweder wieder konzentrisch sind oder sich schneiden, Man vergegenwärtige sich etwa wie unendlich kompliziert sich die Gruppenzugehörigkeit eines Deutschen gestaltet, der Katholik oder Protestant, Bauer oder Professor, Norddeutscher oder Süddeutscher, Germane oder Slave und noch vielerlei und trotz alledem Deutscher sein kann. Möglich ist es also allemal, daß eine alljüdische Eigenart neben zahlreichen Gegensätzlichkeiten, einzelner Gruppen innerhalb der gesamten Judenheit bestehe.
* * *
Ehe ich nun diese allgemein jüdische Eigenart zu bestimmen versuche, muß ich noch einmal ausdrücklich betonen, daß es mir im Rahmen dieser Studien nicht darum zu tun ist, die gesamte jüdische Eigenart zu zeichnen, sondern nur soviel davon, als für die Erklärung der wirtschaftlichen Vorgänge notwendig ist. Dabei freilich kann ich mich nicht in der bisher üblichen Weise damit begnügen, von einem jüdischen „Handelsgeiste“, von einem „Schachergeiste„, von einer „Qualifikation der Juden zum Handel“ usw. zu sprechen.
Ich sehe ganz davon ab, daß es unsinnig ist. Eigenschaften, wie beispielsweise die „Erwerbsgier“ als spezifische Eigenschaften einer bestimmten Menschengruppe nachweisen zu wollen. Sie sind menschlich (allzumenschlich).
Ich lehne alle bisherigen Analysen der jüdischen Psyche, (soweit sie deren Beziehungen zum Wirtschaftsleben betreffen) vielmehr aus folgenden Gründen ab:
1. ist bis jetzt immer zu unbestimmt gelassen, wozu man die jüdische Art geeignet glaubte: „zum Wirtschaften“ „zum Handel“: das sind ganz vage Bezeichnungen, die gar nichts sagen. Deshalb habe ich in einem besondern Kapitel schon ausführlich dargelegt: für welchen ganz bestimmten Kreis wirtschaftlicher Tätigkeiten wir die Befähigung der Juden (und somit also jetzt: die subjektive Befähigung der Juden) feststellen möchten: eben für die im Nexus des kapitalistischen Wirtschaftssystems sich ergebenden Strebungen und Tätigungen.
2. sollten wir uns doch klar darüber sein, daß Umschreibungen keine Erklärungen sind. Wenn ich nachweisen will, daß die Eigenart einen Menschen ganz besonders zum Börsenspekulanten befähigt, so kann ich mich doch nicht damit begnügen, daß ich sage: der Mann hat ein hervorragendes Talent zum Jobbern. So verfuhr ja bekanntlich Onkel Bräsig, als er die Armut aus der großen Poverteh ableitete. Aber fast immer verfahren die Beurteiler der jüdischen Wirtschaftstalente wie Onkel Bräsig. Was wir vielmehr aufsuchen müssen, sind bestimmte Veranlagungen der Seele, die die glückliche Ausübung der kapitalistischen Wirtschaftsfunktionen gewährleisten; sind Grundzüge des Geistes und Charakters, denen bestimmte Wertvorstellungen und Zwecksetzungen, bestimmte Leistungen und Tätigkeiten, bestimmte Vorstellungs- und Willenskomplexe als Funktionen entsprechen.
Sie bei den Juden festzustellen, ist nun die Aufgabe der folgenden Darlegung, zu deren Ausführung nunmehr, wie ich hoffe, unser wissenschaftliches Gewissen genügend geschärft worden ist durch all die Bedenklichkeiten und Fragezeichen, mit denen die vorstehenden Blätter angefüllt sind.
II. Ein Lösungsversuch
Im Grunde herrscht in der Beurteilung der Juden und ihrer Eigenart eine größere Ubereinstimmung, als man bei der Schwierigkeit und Verfänglichkeit des Problems annehmen sollte, Sowohl in der Literatur wie im Leben kommen doch alle nur einigermaßen vorurteilsfreien Männer wenigstens in diesem oder jenem wichtigen Punkte überein. Ob man die Analysen des jüdischen Wesens bei Jellinek oder Fromer, bei Chamberlain oder Marx, bei Heine oder Goethe, bei Leroy-Beaulieu oder Picciotto, bei Dühring oder Rathenau — also bei frommen und nicht frommen Juden, bei antisemitischen und philosemitischen Nichrjuden – lesen mag: immer empfängt man doch den Eindruck: etwas Eigenartiges, eine Realität wird von allen gleichermaßen empfunden. Das mindert ein wenig die starken Bedenken, die man doch nicht unterdrücken kann, wenn man nun selbst daran geht, die jüdische Seele in Worten zu schildern. Man sagt nichts, was nicht auch andere schon gesehen und gesagt hatten, wenn auch vielleicht in etwas anderer Beleuchtung und mit etwas anderen Worten. Und tut als eigenes nur hinzu: daß man die Beziehungen aufweist, die zwischen der Gesamtanlage der Juden, sowie ihren einzelnen Veranlagungen und den Anforderungen des kapitalistischen Wirtschaftssystems obwalten. Aber ich werde das in der Weise tun, daß ich zunächst doch ein zusammenhängendes Bild von der jüdischen Eigenart zu zeichnen versuche und danach erst jene Zusammenhänge zwischen ihr und deren kapitalistischem Wesen aufzudecken unternehme.
Abweichend von den andern Beurteilern möchte ich meinen Ausgangspunkt nehmen von der Betrachtung einer Eigenart jüdischen Wesens, die zwar oft genug auch früher schon hervorgehoben wurde, ohne daß man ihr doch die zentrale Bedeutung zugewiesen hätte, die, wie ich glaube, ihr zukommt: der überragenden Geistigheit, oder wenn man den etwas verbrauchten und auch nicht ganz eindeutigen fremdsprachigen Ausdruck vorzieht: dem Intellektualismus des jüdischen Volkes, Darunter möchte ich zuerst verstanden wissen: das Vorwalten der geistigen Interessen und geistigen Fähigkeiten vor den körperlichen (manuellen). Bei den Juden: „L‘ intelligence prime le corps„: das ist eine Tatsache, die wir im täglichen Leben immer wieder beobachten können und deren Richtigkeit durch vielerlei Anzeichen bestätigt wird. Bei keinem Volke ist zu allen Zeiten der „Gelehrte“ so hoch bewertet worden wie bei den Juden. „Der Weise geht vor dem Könige her; der weise Bastard vor dem ignoranten Hohepriester“, heißt es im Talmud. Und diese Überbewertung des „Wissens“, der „Wissenschaft“ finden wir noch heutigentags bei unsern jüdischen Studenten wieder. Wer nicht ein „Weiser“ sein konnte, sollte wenigstens „gebildet“ sein: der Unterricht war zu allen Zeiten in Israel obligatorisch. Die Ausübung der Religion selbst bedeutete ein Lernen. Die Synagoge heißt noch heute im Osten „die Schul„. Unterricht und Gottesdienst sind bei diesem Volke eins und Unwissenheit ist eine Todsünde, wer nicht lesen kann, ist auf Erden ein Verruchter, im Jenseits ein Verdammter. Nichts wird so scharf gegeißelt vom Volksmund als die Narrheit. „Unrecht ist mir lieber als Schtus“; „ein Narr ist ein Gesar“ (Verhängnis), sind bekannte Sprichwörter aus dem Getto (502).
Der wertvolle Mensch ist der intellektuale Mensch; höchstes Menschtum ist höchster Intellektualismus. Das spricht jetzt wieder ein zweifellos gescheiter Jude mit einer förmlich frappierenden Naivität aus, wenn er folgendes (für anders veranlagte Naturen geradezu schreckhaftes) Bild von dem Ideal- und Übermenschen und vom Menschen der Zukunft entwirft:
„An die Stelle der blinden Instinkte ….. tritt beim Kulturmenschen der bewußtschaffende Intellekt. Es ist geradezu die Aufgabe desselben, die Instinkte auszuldschen!), den Zwecke setzenden Willen an die Stelle der Triebe, das Refektieren an die Stelle des bloßen Perzipierens zu setzen. Der einzelne wird dann erst ein Vollmensch, wenn seine Vernunfttätigkeit alle vorhandenen Prädispositionen aufgelöst und ersetzt — seine Instinkte ausgelöscht hat. Ist die Losreißung von den Instinkten bis zu Ende gediehen, dann haben wir das absolute Genie vor uns, mit seiner absoluten, inneren Freiheit vom Naturgesetz (!). Aufgabe des Kulturlebens ist es (!), von aller Mystik, von allem Dunkeln und Triebhaften des Instinktlebens sich zu emanzipieren und die reine rationale Form des Intellekts zu fördern (!) Man denke, man denke! Das Genie (also gerade das noch triebhaft instinktbegabte Wesen) als höchsten Ausdruck des Rationalen und Intellektualen gefaßt!
Mit der überragenden Geistigheit der Juden hängt es auch zusammen, daß bei ihnen zu allen Zeiten die verschiedenen Berufe in dem Maße höhere oder geringere Geltung gehabt haben, als sie größere oder geringere Ansprüche an geistige und vor allem umgekehrt — geringere oder höhere Ansprüche an physische Leistungen stellten. Es mag Judenschaften gegeben haben und noch heute geben, in denen schwere körperliche Arbeit gern und mit Vorliebe geleistet wird; für unsere europäische Judenschaft gilt das nicht. Und auch die Juden der Talmudzeit zogen die Berufe vor die weniger Anforderungen an körperliche Tüchtigkeit stellten. Nach Rabbi galt der Satz, wie wir schon sahen: „Die Welt kann weder des Gewürzkrämers noch des Gerbers entbehren. Heil dem, dessen Beschäftigung es ist, Gewürzkrämer zu sein“ ….. „R. Meir sagt: immer lehre ein Mensch seinem Sohne ein reines und leichtes Handwerk usw.“ (Kidd. 82b). Die Juden haben diese ihre überwiegende Geistigheit auch immer empfunden und haben sich und ihre Eigenart immer in Gegensatz gestellt zu der brutalen Gewalt der Goim. Das drücken ein paar polnisch-jüdische Sprichwörter wiederum mit schlagendem Witz aus, wenn sie sagen: „Gott soll behüten var goische Hand, und var jüdisch Köpp“ und: „Gott soll behuten var jüdischen Mojech (Gehirn) und var goischen Kojech“ (Gewalt). Mojech c/a Kojech: diese Worte enthalten im Grunde die ganze Judenfrage. Auch dieses Buch sollte die Uberschrift tragen: Mojech c/a Kojecht.
Und wie es bei einem so begabten Volke wie den Juden gar nicht anders kommen konnte: dieses Überragen der geistigen Interessen mußte auch ein Überragen der geistigen Fähigkeiten bewirken. „Wus man sagt von ä Jüd: ä Narr is er nischt.“ „Galanter Grieche, dummer Jud‘ und ehrlicher Zigeuner sind eine Unmöglichkeit„: sagt das Volk in Rumänen diesseits und jenseits der Gettomauern. „Ni judio necio, ni liebre perezosa“ sagen die Spanier (504). Und wer möchte es nicht bestätigen, der mit Juden viel zu tun gehabt hat, daß sie durchschnittlich ein größeres Maß von Verstandesschärfe aufweisen als die andern? Ich sage absichtlich: von Verstandsschärfe und könnte auch statt dessen sagen: von Scharfsinn: ingenio muy agudo, agudera de ingenio, wie es vor ein paar Hundert Jahren der beste Beobachter der Juden so auch schon ausdrückte, der sie —eine außerordentlich treffende Charakterisierung! i „„agudos y de grande ingenio para les cosas de este siglo“ fand: freilich, meinte er schon in viel geringerem Grade als früher: „ello es verdad que no son ahora tan agudos y solertes como mil afios atras“
„L’esprit juif est un instrument de präcision; il a l’exactitude d’une balance“: diesem Urteil Leroy-Beaulieus wird man sich ohne weiteres anschließen dürfen. Und wenn Chamberlain gerade den „Verstand“ bei den Juden besonders wenig entwockelt findet, so kann er das nicht in dem üblichen Sinne des Wortes meinen, unter dem wir uns die Fähigkeit vorstellen, rasch zu denken, scharf zu trennen, zu zersetzen und zu kombinieren, den Mittelpunkt herauszufinden, Analogien aufzustellen und Synonyme zu unterscheiden, die letzte Konsequenz zu ziehen. Ad. Jellinek, der diese Seite des jüdischen Wesens mit Recht besonders hervorhebt, macht auf die lehrreiche Tatsache aufmerksam so daß schon die hebräische Sprache ganz besonders reich ist an Ausdrücken für Tätigkeiten, die ein reger Verstand bevorzugt. Sie hat für suchen, forschen 11, für trennen, scheiden 34, für knüpfen, verbinden, kombinieren 15 Ausdrücke.
Diese intellektuale Uberlegenheit ist einer der Gründe ihrer zweifellosen Begabung für das Schachspiel ebenso wie für die „Mathematik“ und alle Zahlenkunst. Diese Tätigkeiten setzen ein starkes Abstraktionsvermögen und eine (wesentlich mit dem Verstande zusammenhängende) besondere Art von Phantasie voraus, die Wundt im Gegensatz zu der intuitiven Phantasie des Künstlers treffend die kombinatorische nannte. Zum Teil mag auch ihre oft gerühmte ärztliche Tüchtigkeit (Talent zur Diagnose!) (508) in diesem berechnenden, trennenden und kombinierenden Verstande wurzeln, der „gleich dem Wetterleuchten im Nu Dunkles aufhellt.“
Bekannt ist, daß die jüdische Verstandesschärfe oft genug zur Spitzfindigkeit und Rabulistik ausartet (wo die Mühle kein Korn zum Mahlen hat und leer gehen muß). Aber wichtiger für die Beurteilung der jüdischen Psyche ist der Umstand, daß sich die Verstandestätigkeit auch insofern einseitig zu entwickeln die Neigung hat, als andere wichtige Seiten des geistigen Lebens unter dem Überwuchern des Verstandes verkümmern und verdorren. Darin kommt nicht minder jene überragende Geistigheit des Juden zum Ausdruck, die ich als seiner Art besonders eigen hervorhob.
Verkümmert finden wir häufig bei dem Juden das instinktmäßige Verstehen, wie denn alle empfindungs- und gefühlhafte. Beziehung zur Welt ihm nicht so wesensverwandt ist. Wir können uns schwer einen jüdischen „Mystiker“ vorstellen, wie es etwa Jakob Böhme war, und empfinden die jüdische Besonderheit besonders stark, wenn wir uns vergegenwärtigen, was für eine ganz andere Art von „Mystik“ die jüdische Kabbala bedeutet. Alle Romantik ist ebenso dieser rein diskursiven Weltbetrachtung fremd: alles unmittelbare Sich-in-die-Welt-. Sich-indie Natur-, Sich-in-den-Menschen-Versenken. Die Reaktion des „Jungen Deutschland“ gegen die Romantiker ist nur der literarische Ausdruck dieser tieferliegenden Gegensätzlichkeit zwischen Unmittelbarkeit und Refektiertheit des Welterlebens; zwischen intuitiver und diskursiver Weltbetrachtung. In etwas anderer Beleuchtung ist es auch der Gegensatz zwischen Schwärmerei und Nüchternheit.
Eng verwandt mit dieser Eigenart ist dann ein gewisser Mangel an Anschaulichkeit, an aufnehmender und schöpferischer Sinnenkraft. Zu mir nach Breslau kam einmal aus dem östlichen Sibirien ein jüdischer Student: eigens zu dem Zwecke, um bei mir „Marx zu studieren“. Er hatte fast drei Wochen zu der weiten Reise gebraucht; und schon den Tag nach seiner Ankunft suchte er mich auf und bat sich eine Schrift von Marx aus. Nach einigen Tagen kam er wieder, sprach mit mir über das Gelesene, brachte die Schrift zurück und nahm eine neue mit. So ging das ein paar Monate weiter. Dann reiste er wieder drei Wochen in sein ostsibirisches Nest zurück. Seine Umgebung hatte er überhaupt nicht wahrgenommen, Menschen keine kennengelernt, spazieren gegangen war er überhaupt nicht: er wußte gar nicht recht, wo er sich denn nun die Zeit über aufgehalten hatte. Er war durch die Breslauer Welt gegangen, ohne sie wahrzunehmen, ebenso wie er durch seine frühere Welt gegangen war, und wie er die künftigen Jahre durch die Welt gehen wird, ohne von ihr einen Hauch zu spüren; nur Marx im Kopf. Ein typischer Fall? Ich denke doch. Wir erleben ihn täglich von neuem. Immer wieder füllt uns diese unkonkrete: Sinnesart, diese sinnlich-unlebendige Geistesrichtung, dieses in einer abstrakten Welt Eingesponnensein bei den Juden auf, mit denen wir zusammenkommen. Sollte es ein Zufall sein, daß es so sehr viel weniger jüdische Maler gibt als jüdische Literaten, und selbst Professoren (trotz der Erschwerungen des Weiterkommens)? Und haftet nicht auch bei den großen, bildenden Künstlern unter den Juden ihren besten Werken ein gutes Stück Intellektualismus an: Friedrich Naumann hat einmal Max Liebermann mit Spinoza verglichen und sehr fein gesagt: Er malt mit dem Gehirn.
Der Jude sieht sehr scharf, aber er schaut nicht viel. Er empfindet vor allem seine Umgebung nicht als Lebendiges. Und darum geht ihm auch der Sinn ab für die Eigenart des Lebendigen, für dessen Ganzheit, für seine Nichtteilbarkeit, für das organisch Gewordene, für das natürlich Gewachsene, Man könnte auch statt all‘ dessen sagen: für das Persönliche. Dafür gibt es — wenn man sich auf die eigene Erfahrung nicht verlassen will — gar keinen zuverlässigeren Beleg als die Eigenart des jüdischen Rechts, die wir in einem andern Zusammenhange schon zu würdigen Gelegenheit hatten: im Gegensatz zu andern Rechten sehen wir in ihm die Persönlichkeit gleichsam aufgelöst in abstrakte Eigenschaften oder Tätigkeiten oder Zwecksetzungen.
Wir finden unter den Juden vorzügliche „Menschenkenner“: ihr scharfer Verstand läßt sie in alle Poren dringen und gleichsam wie mit Röntgenstrahlen durchleuchten, so daß sie jede Besonderheit in seinen Geweben wahrzunehmen vermögen. Sie sehen die Vorzüge und die Schwächen des Menschen, und ob er zu dieser oder jener Teilverrichtung, für diese oder jene Aufgabe oder Stellung tauglich sei. Aber sie sehen oft genug den Menschen selber nicht, sehen ihn nicht in seiner unbegreiflichen Eigenart und Ganzheit und muten ihm deshalb oft Handlungen zu, die seinem verborgenen Wesen doch zuwider sind. Sie bewerten auch den Menschen seltener nach seinem persönlichen Arom als vielmehr nach seinen irgendwie besonders wahrnehmbaren Eigenschaften oder Leistungen.
Deshalb liegen ihnen aber auch alle rein auf dem Persönlichen aufgebauten Abhängigkeitsverhältnisse fern: persönliches Herrschen und persönliches Dienen, persönliche Hingabe. Der Jude ist seinem innersten Wesen nach aller Ritterlichkeit, aller Sentimentalität, aller Chevallerie, allem Feudalismus, allem Patriarchalismus abgeneigt. Er versteht auch ein Gemeinwesen nicht, das auf solchen Beziehungen aufgebaut ist. Alles Ständische, alles Zünftige ist ihm zuwider. Er ist politisch Individualist. Seinem Sinn entspricht der „Verfassungsstaat„, in dem alle Beziehungen auf klar umschriebene Rechtsverhältnisse zurückgeführt werden. Er ist der geborene Vertreter einer „liberalen Weltanschauung, in deren Umkreis es keine lebendigen, individuell verschiedenen Menschen mit Fleisch und Blut, sondern nur abstrakte Staatsbürger mit Rechten und Pflichten gibt, die eigentlich auch nicht mehr von Volk zu Volk verschieden sind, sondern die die eine große Menschheit ausmachen, die selbst nichts anderes als eine Summe aus qualitätslosen Einheiten darstellt. Wie so viele Juden sich selbst nicht sehen — wenn sie ihre so deutliche Eigenart ableugnen und behaupten: zwischen ihnen und einem Deutschen oder Engländer usw. gabe es gar keinen Unterschied —, so sehen sie auch die andern Menschen, nicht als Lebewesen, sondern nur als Rechtssubjekte, Staatsbürger oder sonstwie abstrakt. Sie erkennen eben die Welt mit dem Verstande, nicht mit dem Blute und kommen darum leicht, zu der Meinung, daß alles, was mit Hilfe des Verstandes auf dem Papiere geordnet werden kann, auch im Leben sich müsse ordnen lassen, Gibt es doch immer noch Juden, die „die Judenfrage“ lediglich als ein Problem der politischen Verfassung ansehen, und die wirklich überzeugt sind, daß ein „liberales“ Regime den Unterschied zwischen Juden und Wirtsvölkern aus der Welt schaffen könne. Es ist geradezu erstaunlich, wenn wir von einem so guten Gelehrten wie dem Verfasser des neuesten Werkes über die Judenfrage allen Ernstes die Meinung aussprechen hören: daß die ganze antisemitische Bewegung der letzten dreißig Jahre die Schuld der Schriften von Marr und Dühring sei; daß „einer haltlosen Theorie“ Tausende von Menschenleben zum Opfer gefallen seien (!). „Die Tausende der Opfer der Pogroms und die Auswanderung einer Million tüchtiger Arbeitskräfte aus ihrer bisherigen Heimat sind ein fortwirkendes Zeugnis der Macht — Eugen Dührings“ (!!) (509). Papier steht hier gegen Blut: Verstand gegen Instinkt; Begriff gegen Anschauung; Abstraktion gegen Sinnlichkeit.
Und das Weltbild, das solche rein geistig orientierte Menschen sich machen, wird nur das eines wohlgefügten Verstandesbaus sein können; die Kategorie, mit der sie die Welt zu verstehen trachten, wird die rationale Deutung sein. Wir nennen eine solche Art, die Welt anzusehen, selbst Rationalismus, indem wir das Wort in einem mehr theoretischen Sinne gebrauchen.
Aber die Juden sind nicht nur theoretische, sondern auch praktische Rationalisten, wie ja denn natürlich die beiden Seiten des Rationalismus sich meist in einer Person vereinigt finden.
Sobald mit der überwiegenden Geistigheit sich ein starkes Ichgefühl vereinigt, so wird sich leicht ergeben, daß der denkende Mensch die verstandesmäßig gedeutete Welt, gleichsam wie um den natürlichen Mittelpunkt, um sein eigenes Ich gruppiert: daß er alle Erscheinungen auf dessen Interessen ausrichtet, das heißt also, daß er die Welt unter dem Gesichtspunkte der Zwecke, unter der Kategorie der Zweckmäßigkeit ansieht. Sein Wesen erhält damit einen neuen Zug, den man als Zweckbedachtheit oder als Teleologismus oder aber als praktischen Rationalismus bezeichnen kann. Und kein Zug ist in dem jüdischen Wesen mehr ausgeprägt als diese Zweckbedachtheit, diese teleologische Sinnesart: darüber sind sich alle Beurteiler in seltener Übereinstimmung einig. Wenn ich ihn nicht, wie die meisten andern (und wie ich es selber in früheren Darstellungen getan habe), an den Anfang gestellt und nicht von ihm bei meiner Analyse ausgegangen bin, so geschah es deshalb, weil ich den Teleologismus selber als eine notwendige Folge der überragenden Geistigheit ansehe, in der, wie mir jetzt scheinen will, alle andern Eigenarten des jüdischen Wesens wurzeln. Ich will aber keineswegs mit dieser Nachstellung etwa die ganz große Bedeutung verkleinern, die auch nach meiner Meinung der strengen Zweckbedachtheit, dem folgerichtigen Teleologismus innerhalb der jüdischen Payche zukommt.
Welche Äußerungen jüdischen Wesens wir auch in Rücksicht ziehen mögen: immer begegnet uns dieser selbe Zug, den man auch als ausgeprägten Subjektivismus bezeichnet hat. Lassen war es wohl, der zuerst die großen Völkergruppen der Semiten und der Indogermanen als die Völker mit subjektiver und objektiver Geistesrichtung unterschieden hat (510). Wie weit diese „rassenmäßige“ Sonderung zulässig ist, steht dahin, zweifellos gehören die Juden zu den subjektivsten unter den subjektiven Völkern. Der Jude gibt sich nicht unbefangen der Außenwelt hin; er versenkt sich nicht selbstverleugnend in die Tiefen des Kosmos, schweift nicht hin und her in den endlosen Räumen, auf den Schwingen seines Denkens, sondern taucht unter, wie es Jellinek in einem treffenden Bilde ausdrückt, um Perlen zu suchen. Alles bringt er in Beziehung zu seinem Ich. Die Fragen, die ihm das größte Interesse abgewinnen, sind: warum? wozu? was tragt’s? was nützt’s? Sein lebendigstes Interesse ist das Erfolgsinteresse, dem das Werkinteresse, das „Sachinteresse: gegenübersteht. Unjüdisch ist es, eine Tätigkeit — welche auch immer — als „Selbstzweck“ zu betrachten; unjüdisch, das Leben selber zwecklos, schicksalsmäßig zu leben; unjüdisch, sich der Natur harmlos zu erfreuen: hat doch die jüdische Psyche die Gegenstände, Erscheinungen und Einrichtungen der Natur selbst gestaltet „zu losen Blättern eines ethischen Lehrbuchs, welche das höhere sittliche Leben fördern sollen“. Wir haben genau gesehen, wie durchaus teleologisch die jüdische Religion orientiert ist, in der, wie in allen Betätigungen des jüdischen Geistes, der Primat der Ethik deutlich zutage tritt. Die ganze Welt ist ja nach der Anschauung des Juden ein Werk der freien Zwecksetzung. Sehr richtig erkannte Heine den Unterschied zwischen der jüdischen und heidnischen Religion darin:
„Sie haben alle (die Heiden) ein unendliches, ewiges Urwesen, aber dieses ist bei jenen in der Welt, mit welcher es identisch, und es entfaltet sich mit dieser aus dem Gesetz der Notwendigkeit; der Gott der Juden ist außer der Welt und erschafft sie durch einen Akt des freien Willens.“ („Gedanken und Einfalle“.)
Kein Wort klingt dem Ohr des Juden vertrauter als das Wort „Tachlis“, das Zweck, Ziel, Endresultat bedeutet. „Tachlis“ muß etwas sein, damit man es tue, Tachlis ist der Sinn des Lebens im ganzen, wie in allen seinen einzelnen Betätigungen, Tachlis ist der Inhalt der Welt. Und für törichte Schwärmer wird der Jude jene halten, die darauf erwidern würden: nicht Tachlis, sondern Tragik sei der Inhalt des Lebens, sei der Inhalt der Welt.
Wie sehr die Zweckbedachtheit tief im jüdischen Wesen eingesenkt ist, können wir besonders deutlich bei den Juden wahrnehmen, in denen gerade alle Rücksichten auf die praktischen Zwecke des Lebens abgestorben sind wie bei den Chassidim, die, weil es doch „keinen Zweck hat„, für das tägliche Brot zu sorgen, ihre Familien hungern lassen und sich lieber dem Studium der heiligen Bücher widmen. Aber auch bei allen denen, denen eine Müdigkeit der Seele, ein mildlächelndes Verstehen und Verzeihen, eine weltentrückte, fruchtreife Lebensbetrachtung eigen ist. Ich denke an so feine Geister unter den Schriftstellern unsrer Tage wie Georg Hirschfeld, Arthur Schnitzler, Georg Hermann. Was ihren Werken den großen Reiz verleiht, ist jene mildverklärende Weise, mit der sie das Leben anschauen; ist der wehmühtig weiche Zug, der alle ihre Dichtungen durchweht; ist das in gutem Sinne Sentimentale ihres Wesens. Gerade darin aber tritt das Willenhafte, das Zweckbedachte zu Tage, das hier zum Willenlosen, Zwecklosen umgewandelt ist, aber doch, wenn auch mit umgekehrtem Vorzeichen, das ganze Wesen beherrscht. Es klingt durch alle Weisen derselbe ganz still Hagende Schmerzensruf hindurch: wie zwecklos und darum wie traurig ist die Welt. Die Natur selbst wird mit dieser Traurigkeit durchwebt; im Grunde ist, auch wenn die ersten Blumen blühen in Garten und Wald, immer Herbst; der Wind spielt mit den dürren Blättern, und die Sonne leuchtet mit goldener Pracht „als wolle sie eilen, da sie doch bald sinken wird am ruhigen, klaren Himmel. Zweckbedachtheit und Subjektivismus, die schließlich dasselbe sind, rauben den jüdischen Dichtwerken ihre Unbefangenheit, ihre Selbstvergessenheit, ihre Unmittelbarkeit, weil ihr Schöpfer keiner Erscheinung dieser Welt — nicht dem Menschenschicksal, nicht dem Naturgeschehen — harmlos genießend oder harmlos betrachtend gegenübersteht, sondern immer bedenkend und bedacht, immer sinnend und überlegend. Es duftet nirgend nach Primeln und Veilchen, nirgend staubt der Sprühregen eines frischen Waldbachs, (Goethes Jugendlyrik und Heines Buch, der Lieder!) Aber sie haben dafür dieses wundervolle Arom wie ganz alter Wein; den unendlichen Zauber eines halbverschleierten Blickes lieber, trauriger, schöner Augen.
Paart sich dann aber die Zweckbedachtheit mit einem starken Willen, mit einem großen Fonds von Energien (wie es normaler Weise beim Juden bisher der Fall ist), so wird sie zu dem, was man Zielstrebigkeit nennen kann. Daß jemand ein Ziel fest ins Auge faßt und im Auge behalt, daß er von einem Tiel, das er sich gesteckt hat, durch keine Widerstande abzubringen ist: das ist, was ihn zum zielstrebigen, ausdauernden, zähen, hartnäckigen Menschen macht. Oder auch zum „halsstarrigen“, wie Heine sein Volk charakterisiert, „Jüdisches Wesen: Energie der Grund von allem, Unmittelbare Zwecke.“ (Goethe).
Wenn ich nun noch als einen vierten Grundzug des jüdischen Wesens die Beweglichkeit bezeichne, so bin ich nicht ganz mit mir einig, ob diese Eigenschaft dem Juden überhaupt oder nur dem aschkenazzischen Juden zukommt, Lobredner der Sephardim rühmen diesen gerade eine gewisse Feierlichkeit der äußeren Geste, eine zurückhaltende Vornehmheit des Verhaltens nach: „une certaine gravité orgueilleuse et une fierté noble fait le caractere distinctif de cette nation“ (511). Während bei den polnisch deutschen) Juden von jeher der „lebhafte, stets im Zustande der Aufgeregtheit handelnde Geist“ beobachtet worden ist 1 Und auch noch heute begegnet man unter den Spaniolen, namentlich im Orient vielen würdevollen, gemessenen, zurückhaltenden Männern, die jedenfalls im körperlichen und moralischen Sinne jene eigentümliche „Beweglichkeit“ nicht haben, die wir an unsern europäischen Juden so häufig beobachten können. Die dritte Art von Beweglichkeit: die des Geistes: daß dieser rasch aufnimmt, sich sofort zurecht zu finden weiß: die oft gerühmte Versatilität des Geistes besitzen aber wohl alle Juden.
Aus diesen vier elementaren Eigenarten, die ich geschildert habe: wir können sie des gleichförmigen Tonfalls wegen als Intellektualismus, Teleologismus, Voluntarismus (oder Energismus) und Mobilismus bezeichen, baut sich nun die ganze, oft genug sehr komplizierte, jüdische Wesenheit auf. Ich glaube, daß man alle jüdische Eigenart auf einen dieser Grundzüge oder auf eine Verquickung mehrerer ohne Mühe wird zurückführen können, Ich will das nur noch mit zweien — für die wirtschaftliche Betätigung der Juden besonders wichtigen — ihrer Eigenarten versuchen: ihre Rastlosigkeit und ihre Anpassungsfähigkeit.
Rastlos ist das Wesen des Juden: betriebsam kann man ihn auch nennen. „Keiner, auch nicht der kleinste, geringste Jude, der nicht ein entschiedenes Bestreben verriete und zwar ein irdisches, zeitliches, augenblickliches“ (Goethe). Und die Rastlosigkeit wird oft genug zur Unrast. Immer drängt es ihn, sich zu betätigen; immer, etwas zu „managen„; immer, etwas Neues anzuregen und durchzuführen. Er ist immer in Bewegung und stört auch diejenigen auf, die gern ihre Ruhe haben möchten. Alle Veranstaltungen künstlerischer oder geselliger Natur in unsern Großstädten haben Juden als ihre Träger, Er ist der geborene Verkünder des „Fortschritts“ und seiner Segnungen auf allen Gebieten des Kulturlebens.
Und dazu machen ihn seine Zielstrebigkeit in Verbindung mit seiner Beweglichkeit und der vorwiegend intellektualen Veranlagung. Diese insbesondere, weil sie niemals tiefe Wurzeln schlagen läßt. Aller Intellektualismus ist letzten Endes Flachwurzler; er dringt nirgends in die Tiefen der Sache, nirgends in die Tiefen der Seelen, nirgends in die Tiefen der Welt. Und darum macht er es dem, den er beherrscht, leicht, sich von der einen dem andern zuzuwenden, wenn der unruhevolle Dämon ihn dazu treibt. Darum ruhen im Judentum auch fanatische Strenggläubigkeit und „aufgeklärtes“ Zweiflertum dicht nebeneinander: beide sind Eines Stammes. Mit dieser flachwurzelnden Art des Intellektualismus hängt nun aber einenteils die vielleicht allerbedeutsamste Eigenschaft der Juden zusammen, die andernteils durch andere Grundzüge ihres Wesens bedingt wird: die in der Geschichte wohl einzig dastehende Anpassungsfähigkeit diesesVolkes.
Man kann sagen: seiner Hartnäckigkeit verdanke das jüdische Volk die Erhaltung seiner nationalen Eigenart und seiner großen Anpassungsfähigkeit, die es befähigten, wenn die Lage es erforderte, sich scheinbar den Geboten der Notwendigkeit zu fügen, um dann, wenn die Zeiten sich wieder besserten, doch seine eigene Art wieder zu entfalten. Widerstandsfähig und schmiegsam zugleich ist das jüdische Wesen von jeher gewesen: die scheinbar — aber doch eben nur scheinbar – sich widersprechenden Charakterzüge: opiniatrete und souplesse besitzt, der Jude in hervorragendem Maße. Sehr treffend drückt das Leroy-Beaulieu aus, wenn er sagt (l. c. p. 224): „le julf est à la fois le plus resistant et le plus pliant des hommes, le plus opiniàtre et le plus malléable“.
Die Führer und Weisen des Volkes haben die Wichtigkeit, ja die Notwendigkeit dieser Schmiegsamkeit und Biegsamkeit für den Fortbestand Israels als selbständiger Volksgemeinschaft zu allen Zeiten erkannt und gepredigt. Die jüdische Literatur ist voll von Ermahnungen in dieser Richtung.
„Sei biegsam wie Schilf, das der Wind nach jeder Richtung hin bewegt; denn die Thora erhält sich nur bei dem, der demütigen Geistes ist. Warum wird die Thora mit dem Wasser verglichen? Um zu lehren: wie es in der Natur des Wassers liegt, niemals in seinem Laufe Höhepunkte, sondern Niederungen zu suchen, ebenso erhält sich die Thora nur bei dem, der demütigen Geistes ist (513).
„Hat der Fuchs seine Zeit, so muß man sich vor ihm bücken“ (514). „Wenn er vor der Welle sich beugt, so geht die Welle vorüber und er bleibt; wer der Welle sich entgegenstellt, der wird fortgerissen“ (515). Am Schlusse des Achtzehngebets heißt es: „Und meine Seele sei wie Staub für alle“ (auf den man tritt).
Deshalb rieten auch ganz schlüssiger Weise die Rabbinen, ihren Schutzbefohlenen an, sich zum Scheine als Angehörige der Konfession ihres Wirtsvolkes zu gebärden, wenn davon die Existenz im Lande abhängig gemacht würde. Und dieser Rat ist, wie man weiß, in weitem Umfange befolgt worden: durch zeitweiliges „Sichtotstellen“ (Fromer) hat der jüdische Stamm, weiter zu leben versucht und weiter zu leben vermocht.
Heute gibt es nun keine (oder nur vereinzelte) Scheinchristen und Scheinmoslim mehr. Aber die wunderbare Fähigkeit des jüdischen Stammes, sich äußeren Bedingungen anzupassen, betätigt sich vielleicht noch glänzender als früher. Heute will der Jude Westeuropas und Amerikas nicht mehr seinen Glauben erhalten und seine nationale Eigenart; umgekehrt will er — soweit das Nationalbewußtsein in ihm noch nicht wieder geweckt ist — seine Eigenart so vollständig und so rasch wie möglich verschwinden lassen und will aufgehen in den Kulturen seiner Wirtsvölker. Und siehe da: auch das glückt ihm in weitem Umfange.
Vielleicht die allerdeutlichste Bestätigung jüdischer Eigenart müssen wir doch wohl darin finden, daß es dem Juden in England gelingt, wie ein Engländer zu werden, den Juden in Frankreich, wie ein Franzose und so fort; zu werden oder doch wenigstens zu scheinen. Daß ein Felix Mendelssohn deutsche Musik macht, ein Jacques Offenbach französische und ein Souza Yankee-doodle Musik; daß Lord Beaconsfield sich wie ein Engländer, Gambetta wie ein Franzose, Lassalle wie ein Deutscher geriert; kurz: daß auch die jüdischen Talente so oft nichts Nationaljüdisches an sich haben, sondern auf den Ton ihrer Umgebung abgestimmt sind: das hat man seltsamerweise als Beleg dafür anzuführen versucht, daß es keine spezifisch jüdische Eigenart gabe, während es doch eben gerade diese Eigenart auf das schlagendste beweist: diese Eigenart, so weit sie in einer übernormalen Anpassungsfähigkeit zum Ausdruck kommt.
Der Jude könnte den Planeten wechseln, hat man mit Recht gesagt: er würde doch nicht lange sich fremd fühlen. Er fühlt sich in alles hinein; er paßt sich an alles an. Er ist deutsch, wo er deutsch sein will, italienisch, wo ihm das besser zusagt. Er „macht“ alles und „in allem“, für das er sich interessiert und macht es mit Erfolg; das Urmagyarentum in Ungarn, die Fredentain Italien, den Antisemitismus in Frankreich (Drumont!). Meisterhaft versteht er es, etwas, das im Keim vorhanden ist, rasch zur Blüte zu bringen: „développer une chose ui existe en germe, perfectionner ce ui est, exprimer tout ce ui tient dans une dée util n’aurait pas trouvée seul“ (516): das ist es, wozu ihn seine Anpassungsfähigkeit geeignet macht.
Ich sagte: dieses seltsame Anpassungsvermögen wurzele in den vier Elementen der jüdischen Veranlagung, die wir oben herausgefunden haben. Der Rationalismus des Juden ist die wichtigste Voraussetzung seiner großen Wandelbarkeit. Dank seiner tritt er an alle Dinge gleichsam von außen heran. Was er ist, ist er nicht, weil er es blutsmäßig sein muß, sondern weil er es verstandesmäßig einrichtet, so zu sein. Eine Anschauung ist nicht aus seinem innersten Wesen heraus gewachsen, sondern vom Kopfe aus gemacht. Sein Standpunkt ist nicht die ebene Erde, sondern ein künstlicher Bau in der Luft. Er ist nicht organisch-original, sondern mechanisch rational. Die Wurzelung im Mutterboden der Empfindung, des Instinktes fehlt. Darum kann er so sein, wie er ist, aber er kann auch anders sein. Daß Lord Beaconsfield oder daß Friedrich Julius Stahl „Konservative“ waren, verdankten sie einem irgendwelchen äußeren Zufall, einer politischen Konjunktur: daß der Freiherr vom Stein oder Bismarck oder Carlyle „Konservative“ waren, lag ihnen im Blute. Wenn Marz oder Lassalle zu anderer Zeit in anderer Umgebung geboren wären, hätten sie ebensogut statt radikal konservativ werden können; Lassalle war ja schon drauf und dran, sich zum „Reaktionär“ zu wandeln; er hatte die Rolle des preußischen Feudalen sicher ebenso glänzend gespielt wie die des sozialistischen Agitators.
Seine Zielstrebigkeit ist natürlich die treibende Kraft, die nun den Juden das vorgestreckte Ziel: Anpassung an irgendeine Situation, wie er sie aus Zweckmäßigkeitsgründen gerade für vorteilhaft erachtet, auch wirklich hartnäckig und ausdauernd verfolgen läßt.
Und seine Beweglichkeit endlich bietet ihm die äußeren Mittel dar, das Ziel zu erreichen,
Es ist ja erstaunlich, wie beweglich der Jude sein kann, wenn er einen bestimmten Zweck im Auge hat. Es gelingt ihm selbst, seiner ausgesprochenen Körperlichkeit in weitem Umfange das Aussehen zu geben, das er ihr geben möchte. Wie er sich früher durch „Sichtotstellen“ zu schützen wußte, so jetzt durch „Farbenanpassung“ oder andere Arten von Mimikry. Das ist besonders deutlich zu verfolgen in den Vereinigten Staaten, wo jetzt der Jude schon in der zweiten und dritten Generation oft nur schwer von Nichtjuden zu unterscheiden ist. Während man den Deutschen, den Iren, den Schweden, den Slaven auf Generationen hinaus noch ohne weiteres aus der Masse herausfinden kann, hat der Jude — soweit seine rassenmäßige Körperbildung es nur einigermaßen zuläßt — am ehesten den Jankee-Typus nachzuahmen verstanden: hauptsächlich natürlich, sofern dazu äußere Hilfsmittel, wie Kleidung, Haartracht, Haltung usw. die Möglichkeit bieten.
Viel leichter wird es ihm begreiflicherweise, kraft seiner geistigen und moralischen Beweglichkeit, sich das geistige Air seiner Umgebung zu verleihen. Die geistige Beweglichkeit — die prestesse d’esprit, die agilité intellectuelle — befähigt ihn, rasch den Ton wahrzunehmen, auf den die Umgebung abgestimmt ist, rasch also zu merken, worauf es ankommt, sich rasch zu orientieren, sich rasch „einzufühlen“. Und die moralische Beweglichkeit? Sie sorgt dafür, daß ihm in seinem Anpassungsbestreben keine lästigen Hindernisse durch allerhand sittliche oder ästhetische Bedenken bereitet werden: sie macht gleichsam die Bahn frei, damit er sein Ziel erreichen könne. Zu Hilfe kommt ihm hierbei der geringer entwickelte Sinn für das, was man die persönliche Würde nennen kann. Es kostet ihm weniger Anstrengung, sich selbst zu verleugnen, wenn es gilt, das vorgesteckte Ziel zu erreichen.
Daß diese Charakterzeichnung der Wirklichkeit entspreche: dafür ist die wahrnehmbare Anpassung an die wechselnden Daseinsbedingungen allein schon genügender Beweis, Wir sehen aber die Richtigkeit der gemachten Wahrnehmung auch noch bestätigt in der Eigenart mancher besonders deutlicher Begabungen der Juden. Ich denke vor allem an ihr ausgesprochenes Talent zum Journalisten, zum Advokaten, zum Schauspieler.
Alle diese Talente gehen im wesentlichen zurück auf die große Anpassungsfähigkeit der Juden und zeigen deutlich, wie in dieser die vier Grundzüge zu einer gemeinsamen Wirkung zusammen sich vereinigen. Sehr hübsch hat diese Zusammenhänge Ad. Jellinek in seinem mehrfach gerühmten Büchlein nachgewiesen.
„Der Journalist mus lebhaft, beweglich, rasch, enthusiastisch, zersetzend, auflösend, kombinierend, zusammenfassend sein, muß in medias res eintreten, den Kern einer Tagesfrage, den Mittelpunkt einer Debatte vor Augen haben, muß in scharfen und markierten Umrissen seinen Gegenstand behandeln, epigrammatisch, antithetisch, sententios, in kurzen, schlagenden Sätzen ihn darstellen, ihm durch ein gewisses Pathos Leben, durch Esprit Farbe, durch Schärfe Würze verleihen“; alles Judenart.
Noch deutlicher sehen wir, wie die Stärke des Schauspielers ebenso wie die des Juristen die Fähigkeit ausmacht, sich rasch in eine fremde Ideenwelt zu versetzen, Menschen und Zustände ohne Anstrengung zu überblicken, zu beurteilen und zu benutzen. Hier kommt dem Juden vor allem seine starke Subjektivität zu statten, kraft deren er sich in die Gedankenwelt eines anderen eingräbt, sich an dessen Stelle setzt, in dessen Namen denkt und sich verteidigt. Gerade die Jurisprudenz bildet denn auch einen überwiegend großen Teil der jüdischen Literatur.
III. Jüdisches Wesen im Dienste des Kapitalismus
Damit sind wir nun aber auch vor die Frage gestellt; wie und weshalb die nun zur Genüge bekannte jüdische Eigenart die Juden befähigte, sich ebenso wie als Mathematiker, Statistiker, Ärzte, Journalisten, Schauspieler, Advokaten auch als Finanzmänner und Börsenleute, überhaupt als Wirtschaftssubjekte im Rahmen des kapitalistischen Wirtschaftssystems mit Erfolg zu betätigen: inwiefern also das besondere Talent zum Kapitalismus, ebenso wie jene andern Talente in den Grundzügen des jüdischen Wesens verankert ist.
Ganz allgemein wird man dasselbe sagen dürfen, was wir von den inneren Beziehungen zwischen jüdischer Religion und Kapitalismus glaubten berichten zu müssen: daß die Grundideen des Kapitalismus und die Grundideen des jüdischen Wesens in wahrhaft überraschendem Umfange übereinstimmen, so daß wir zu der bedeutsamen Parallele zwischen jüdischer Eigenart, judischer Religion und Kapitalismus gelangen: Fanden wir im jüdischen Volke als die alles beherrschende Eigenschaft eine überragende Geistigheit des Wesens, so sahen wir, daß dieses auch die Eigenart des kapitalistischen Wirtschaftssystems ist, die dieses von andern unterscheidet: in ihm ist die organisierende, leitende Tätigkeit ein für allemal von der ausführenden, die Kopfarbeit von der Handarbeit losgelöst und gleichzeitig der Primat der geistig leitenden Arbeit anerkannt: „Daß sich das größte Werk vollende, genügt Ein Geist für tausend Hände“.
Je reiner kapitalistisches Wesen sich durchsetzt, desto reiner kommt auch die Abstraktheit alles kapitalistischen Wesens zum Ausdruck, das nun auch deshalb sich als ein genaues Gegenstück zum jüdischen Geiste darstellt, dessen Abstraktheit wir ja deutlich wahrgenommen haben. Abstrakt aber ist der Kapitalismus seinem innersten Wesen nach, weil in ihm alle Qualitäten durch die Beziehung auf den rein quantitativen Tauschwert ausgelöscht sind; weil in ihm anstelle der vielen buntfarbigen, technischen Betätigungen die Eine kaufmännische getreten ist, und die vielen buntfarbigen Branchenbeziehungen durch das Eine reine Geschäftsverhältnis ersetzt worden sind. Man weiß, wie er dann alle Kulturerscheinungen ihrer Konkretheit zu entkleiden trachtet, wie er die Buntheit der Sitten und Gebräuche, die Farbigheit alles Volkstums aus der Welt schafft und an ihre Stelle die einzige nivellierte Art des kosmopolitichen Stadtwesens setzt: hier in dieser Tendenz zur Vereinheitlichung aller früheren Mannigfalt zeigt sich auch die innere Verwandtschaft des Kapitalismus mit dem Liberalismus, den wir ja schon von gleicher Sippschaft wie das Judentum erkannt hatten: Kapitalismus, Liberalismus, Judaismus sind eng miteinander verschwistert.
Fügen wir noch das Wichtigste hinzu, daß jener Prozeß der Entkonkretisierung der Welt dem Kapitalismus vor allem gelingt, durch die Ausrichtung aller Erscheinungen auf das abstrakte Geld, so sind wir tatsächlich in das Zentrum aller kapitalistischen Wirtschaft und — alles jüdischen Wesens eingedrungen. Im Gelde kommt beider innerste Eigenart zum vollendeten Ausdruck.
Das Geld ist für den Kapitalismus das Mittel, zu rein quantitativer Gestaltung des Wirtschaftslebens durchzudringen; es ist für ihn aber auch Ausgangspunkt und Endpunkt alles Geschehens. Wir sahen, daß die Verwertung eines Kapitals der absolute Sinn kapitalistischer Wirtschaft ist, die also von der Erwerbsidee beherrscht wird. Eine wichtige Eigenart dieser Wirtschaft wird damit die Hinausverlegung aller Werte in den Erfolg; wird der Ersatz der Werkwertung durch die Erfolgswertung. Was hat das alles aber mit der Eigenart wiederum des jüdischen Wesens zu tun? Sehr viel, denke ich doch.
Für die Juden muß ebenso wie für den Kapitalismus das Geld und seine Vermehrung im Mittelpunkt des Interesses stehen. Nicht nur weil seine abstrakte Natur der ebenso abstrakten Natur des Judenvolkes kongenial ist, sondern vor allem weil die Hochwertung des Geldes einem andern Grundzuge des jüdischen Wesens gemäß ist: dem Teleologismus. Das Geld ist das absolute Mittel, es hat überhaupt nur einen Sinn im Hinblick auf die damit zu verwirklichenden Zwecke, Ganz naturgemäß aber muß eine beständig zweckbedachte Sinnesart, muß ein beständig unter dem Gesichtspunkt der Zwecke ausgerichtetes Leben die Erlangung dieses ebenfalls nur im Zweckmittelverhältnis wertvollen, aber in diesem über alles wertvollen Geldes als höchstes Ziel seines Strebens anerkennen.
Auch der Teleologismus verlegt das Interesse aus der Werkschöpfung in den Erfolg, just wie der Kapitalismus, und damit auch aus dem Heute in das Morgen, Erinnern wir uns, daß ein Zug jüdischen Wesens auch die Rastlosigkeit war, so sehen wir es noch enger sich mit dem Wesen des Kapitalismus berühren, dessen Natur notwendig auf ewige Neuerung, auf ewige Erweiterung, auf eine ewige Opferung des Heute zum Vorteile des Morgen hindrängt. Nirgends kommt dieser Crastinismus, wie man die Sucht nach dem Erfolge, die Überbewertung des Morgen, und Übermorgen nennen könnte, deutlicher zum Ausdruck als in der Eigenart der durch den Kreditverkehr geschaffenen Zusammenhänge, in denen wir ja die Juden vor allem zu Hause finden. Im Kreditverkehr werden offenbar Leistungen, die erst in einer späteren Zeit auftreten sollen bew. Können, wirksam gemacht schon für die Gegenwart. Der menschliche Geist kann sich in laufender Gegenwart Erlebnisse und Bedürfnisse der Zukunft zum voraus in Betracht nehmen, und der Kredit bietet die Möglichkeit, durch jetzige wirtschaftliche Handlungen zukünftige, wirtschaftliche Tatsachen zu verursachen. Die allgemeine Verbreitung und Verstärkung des Kreditverkehrs bezeugt das verallgemeinerte Eintreten auf eine Wirtschaftsführung, welche die spätere Zeit mit umfaßt. Dadurch werden Vorteile erzielt. Deswegen aber müssen wir eben auch auf das Glück verzichten, das uns aus der „vollen Hingabe an die Gegenwart“ hervorgehen mag!“ Wir haben gesehen, wie mit der Zweckbedachtheit eng verwandt der praktische Rationalismus ist, der eine zweckmäßige Handlungsweise anstrebt. Hier verweise ich darauf, daß er ebenso sehr einen wichtigen Bestandteil der kapitalistischen Wirtschaft wie der jüdischen Psyche bildet, daß jene ganz und gar auf eine rationale Gestaltung alles wirtschaftlichen Geschehens aufgebaut ist. Wiederum also die frappante Parallelität zwischen Judaismus und Kapitalismus.
Aber vielleicht leuchtet es auch hier dem gemeinen Verstande mehr ein, wenn ich statt dieser metaphysisch-ideologischen Vergleichung der beiden Wesenheiten wieder nun ganz einfach sage: weshalb die Eigenschaften des Juden diesen in so hervorragendem Maße geeignet machen zum kapitalistischen Unternehmer: wir kommen damit zu demselben Ergebnis, zu dem uns die bisherigen Betrachtungen geführt haben und zwar ohne Steigung: auf ebener Straße. (Die Parallelität dieser doppelten Art der Betrachtung zu der ebenfalls doppelten Begründung des Zusammenhangs zwischen jüdischer Religion und Kapitalismus, wird der aufmerksame Leser wahrgenommen haben.)
Tum guten „Unternehmer“ bringt der Jude vor allem mit seine Zielstrebigkeit und seine starken Willensspannungen. Zur Auffindung immer neuer Produktions- und Absatzmöglichkeiten verhilft ihm seine geistige Beweglichkeit. Organisationen zu schaffen, befähigt ihn seine partielle Menschenkenntnis, die ihn gerade die besondere Eignung eines Menschen für besondere Zwecke wahrnehmen läßt. Sein Mangel an Sinn für das „Organische„, Natürliche, Gewachsene bereitet ihm keine Hindernisse, da es in der kapitalistischen Welt nichts Organisches, Natürliches, Gewordenes, sondern nur Mechanisches, Künstliches, Gemachtes gibt. Auch die größte kapitalistische Unternehmung bleibt ein Kunstmechanismus, den man beliebig vergrößern, zerteilen, verändern kann, wie es den jeweiligen Zwecken entspricht. Sie ist immer ein Zweckgebilde, niemals entstanden (wie allzu geistreiche Interpreten des Kapitalismus annehmen) aus intuitiver Schau als unteilbares Ganze, sondern aneinander gesetzt durch einzelne Zweckhandlungen, wie sie der Augenblick erheischte. In diesem Sinne — als Schöpfer großer kapitalistischer Unternehmungen sind die Juden sehr wohl auch geniale „Organisatoren“.
Als spezifisch kapitalistische Organisatoren gewährt ihnen ihre Eigenart sogar noch Vorteile, sofern sie sie befähigt, leichter die rein sachlichen Beziehungen herzustellen, auf denen sich echt kapitalistische Gebilde aufbauen sollen. Da in den Juden, wie wir sahen, das Gefühl für das Persönliche und die Neigung zu persönlichen Abhängigkeitsverhältnissen geringer entwickelt sind, so werden sie gern gewillt sein, auf allen „Patriarchalismus“ zu verzichten, sie werden auch alle störenden Beimischungen von Sentimentalität aus der Regelung der Arbeitsverträge ausscheiden und werden alle Beziehungen zu Kunden und Arbeitern, rasch und ausschließlich auf die rein rechtliche und rein geschäftliche Basis stellen wollen. Der Kampf der Arbeiter um die konstitutionelle Arbeitsverfassung findet die Juden sehr häufig auf der Seite der Arbeiter.
Aber noch viel mehr als zum „Unternehmer“ ist der Jude zum „Händler“ qualifiziert. Der Jude trieft förmlich von guten Händlereigenschaften.
Der Händler, sahen wir, lebt in Zahlen, und Zahlen sind von jeher ein Element des Juden gewesen. Seine abstrakte Veranlagung macht ihm das Rechnen leicht. „Kalkulieren“ ist also seine Stärke. Paart sich ein hervorragendes kalkulatorisches Talent mit einem nüchternen Zweckmäßigkeitssinn, so ist ein großer Teil der Geschäftstüchtigkeit schon gewährleistet, deren ein guter Händler bedarf die Nützlichkeitserwägung bewirkt ein vorsichtiges Abwägen aller Chancen, aller Aussichten und Vorteile und scheidet alle gewagten Vornahmen, alle „unnützen“ Handlungen aus; die Rechenhaftigkeit aber gibt diesen Erwägungen die ziffermäßige Exaktheit. Statten wir nun diesen nüchtern abwägenden, genau rechnenden Menschen noch mit einer starken Dosis kombinatorischer Phantasie aus, mit der, wie wir sahen, der Jude gut versehen ist, so steht der perfekte Börsenspekulant fertig vor uns. Rasch die Situation überblicken, tausend Möglichkeiten sehen, eine mit Treffsicherheit als die günstige herausgreifen und entschlossen daraufhin das Geschäft abschließen: das, sahen wir, soll der Händler leisten, und der Jude bringt gerade hierzu alle Fähigkeiten mit. Ich möchte ausdrücklich auf die innige Verwandtschaft hinweisen, die zwischen der Tätigkeit eines geschickten Diagnostikers und eines geschickten Börsenspekulanten besteht: für beide sehen wir die Juden geeignet, weil beide gleichartigen Tätigkeiten in der jüdischen Art einen günstigen Boden haben.
Wer aber ein guter „Händler“ sein will, der muß vor allem auch ein guter „Verhandler“ sein. Und wer möchte sich besser zum „Verhandeln“ eignen als die Juden? Die schon immer als geschickte Unterhändler im Verkehr bekannt gewesen sind. Anpassung, Anschmiegung an die Bedürfnisse des Marktes, an die besonderen Anforderungen der Nachfrage ist das eine, was verlangt wird: und das leistet doch das Volk der Anpassung gewiß tausendfaltig so gut wie irgendein anderes. Und suggestive Kraft ist das andere, was dem Händler frommt, und sie ist abermals den Juden in hervorragendem Maße eigen dank ihrer Betriebsamkeit, ihrer Beweglichkeit, in Summa wiederum dank ihrem Einfühlungsvermögen.
Immer und immer wieder ist der Eindruck derselbe: höchste kapitalistische Leistungen zu vollbringen, eignet sich keine Eigenart so gut wie die jüdische. Ich denke, ich kann darauf verzichten, noch mehr Belege dafür im einzelnen zu erbringen: der Leser kann, wenn er noch nicht genug Beweise hat, deren Zahl, leicht vermehren, wenn er die Analysen miteinander vergleicht, die ich vom Kapitalismus und kapitalistischen Unternehmer einerseits, vom jüdischen Wesen anderseits zu machen versucht habe. (So ließen sich beispielsweise noch interessante Parallelen aufstellen zwischen der Unruhe des Börsenverkehrs, der seiner innern Natur nach auf Veränderung des bestehenden Zustandes hindrängt, und der unruhevollen, rastlosen Natur des Juden und so fort.) Aber es ist nun genug.
Ich habe an anderer Stelle die bestangepaßte Unternehmernatur, das heißt also den erfolgreichen kapitalistischen Unternehmer mit folgenden Schlagworten zu kennzeichnen versucht: er muß geistig: gescheit, klug und geistvoll sein.
Gescheit: also rasch in der Auffassung, scharf im Urteil, nachhaltig im Denken und mit dem sicheren „Sinn für das Wesentliche“ ausgestattet, der ihn befähigt, den xxxxxx, den die Griechen dem Glücke gleichstellen, also den günstigen Augenblick zu erkennen.
Klug; also „menschenkundig“ und „weltkundig„. Sicher in der Beurteilung, sicher in der Behandlung von Menschen; sicher in der Bewertung etwelcher Sachlage; vertraut vor aller mit den Schwächen und Fehlern seiner Umgebung.
Geistvoll: also reich an „Ideen“, „Einfällen“. Charakterologisch muß der kapitalistische Unternehmer tatkräftig, nüchtern, tüchtig sein.
Nüchtern: Das heißt: frei von leidenschaftlichen Affekten, frei von übermäßiger Sinnlichkeit (um 80 besser, wenn die Freiheit eine kunstlich anerzogene ist!), frei von Sentimentalität und unpraktischem Idealismus.
Tüchtig: er muß geschäftlich zuverlässig, pflichttreu, ordnungsliebend und sparsam sein.
Ich denke: mit diesen wenigen Strichen ist ebenso der gute kapitalistische Unternehmer wie der Jude in wichtigen Grundzügen gezeichnet.
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