Wws-T3: Adaptive und maladaptive Emotionen Stephanie Stahl - Wer wir sind: Wie wir wahrnehmen, fühlen und lieben. Alles, was Sie über Psychologie wissen sollten
Adaptive und maladaptive Emotionen
Gefühlszustände werden von vielen Menschen als zu wenig wichtig erachtet, weil sie deren Auswirkungen nicht hinreichend berücksichtigen: Unsere Gefühle spiegeln aber nicht nur unsere Bedürfnisse, sondern sagen uns auch, was wir tun sollten. Auf der Handlungsebene bewirken sie entweder, dass ich mich einer Situation annähere oder sie vermeide. Wenn ich mich ärgere, dann suche ich vielleicht die Konfrontation (Annäherung). Wenn ich mich einsam fühle, rufe ich eine Freundin an (Annäherung). Wenn ich enttäuscht bin, ziehe ich mich vielleicht zurück (Vermeidung). Wenn ich Angst habe, ergreife ich vielleicht die Flucht (Vermeidung).
Grundsätzlich können Gefühle der Situation angemessen oder unangemessen sein. Entsprechend können die daraus folgenden Verhaltensweisen angemessen oder unangemessen sein. In der psychologischen Fachsprache spricht man von adaptiven und maladaptiven Emotionen und Verhaltensweisen. »Adaptiv« kommt aus dem Lateinischen und bedeutet: hilfreich bei der Anpassung.
Ein Beispiel für vorwiegend adaptive Emotionen und adaptives Verhalten:
Juliette ist glücklich mit Timo verheiratet. Sie haben zwei Kinder, Lilli (fünf Jahre) und Julius (acht Jahre), die gesund und munter sind. Timo und Juliette sind jeweils 30 Stunden die Woche berufstätig. Juliette fühlt sich jedoch oft mit den Kindern und der Arbeit im Haus überfordert und findet, dass Timo sich mehr beteiligen sollte. Es ärgert sie (adaptive Emotion), dass er häufig übersieht, was für sie ganz offensichtlich ist, sei es die Geschirrspülmaschine, die ausgeräumt werden muss; sei es Kinderspielzeug, das im Weg liegt oder die Wäsche, die sich türmt. Bevor ihr Ärger weiter wächst, spricht sie das Thema bei Timo an (adaptives Verhalten), der dies zunächst bestreitet (maladaptives Verhalten). Als sie jedoch mit einigen konkreten Beispielen ihre Einschätzung belegt, gibt Timo ihr recht, und sie entwickeln gemeinsam einen Haushaltsplan (adaptives Verhalten von beiden).
In diesem Beispiel haben Juliette und Timo ihr Problem gut und adaptiv geregelt, was nicht immer der Fall ist, weil sie – wie die meisten Menschen – auch Themenbereiche haben, in denen sie eher mit maladaptiven Emotionen und maladaptiven Verhaltensweisen reagieren. Maladaptive Emotionen resultieren häufig aus den frühkindlichen Schattenkind-Prägungen. Bei den maladaptiven Verhaltensweisen handelt es sich meistens um unsere typischen Selbstschutzstrategien, wie Flucht, Lügen, Angriff, Perfektionsstreben, überhöhtes Kontrollbedürfnis oder auch Wahrnehmungsverzerrungen wie Schönreden und Verdrängen. Die maladaptiven Verhaltensweisen beziehungsweise Selbstschutzstrategien haben meistens die Konsequenz, dass wir das Gegenteil von dem erreichen, was wir uns eigentlich wünschen.
Hierfür auch noch ein Beispiel:
Janina und Saskia sind ein Paar. Sie teilen viele gemeinsame Interessen und Hobbys und verbringen viel Zeit miteinander. Saskia möchte jedoch auch ab und zu etwas mit ihrer besten Freundin, ohne Janina, unternehmen. In Janina lösen diese Bestrebungen Saskias Verlustängste und Eifersucht aus (maladaptive Emotionen). Sie macht ihr Vorwürfe, dass sie sie nicht genügend liebe (maladaptives Verhalten). Wenn sich Saskia dennoch mit ihrer Freundin allein verabredet, straft Janina sie tagelang mit hartnäckigem Schweigen und Nichtbeachtung (maladaptives Verhalten). Janinas übertriebene Eifersucht und ihr besitzergreifendes Verhalten lassen Saskias Gefühle für sie zunehmend abkühlen.
Janinas maladaptive Emotionen und ihr maladaptives Verhalten bewirken also genau das Gegenteil von dem, was sie sich eigentlich wünscht.
Eine gelungene Psychotherapie verfolgt immer das Ziel, die Selbstwirksamkeit der Klientin oder des Klienten zu erhöhen und sie somit in die Lage zu versetzen, maladaptive Emotionen und Verhaltensweisen rechtzeitig zu erkennen und zu regulieren. Ich bin deswegen immer bemüht, den Blick meiner Klientinnen und Klienten für die Zusammenhänge zwischen ihren Problemen, Gefühlen, Glaubenssätzen und Verhaltensweisen zu schärfen. Dies kann auch mit Hilfe einer Emotionalen Problemanalyse geschehen.