Graviperzeption

Einzellige Flagellaten, wie die photosynthetisch aktive Euglena gracilis, orientieren sich sehr präzise am Schwerefeld der Erde.
 
Raumfahrtexperimente belegen, dass die Reizschwelle bei 12 % der Erdschwerkraft liegt. Intrazelluläre sedimentierende Statolithen sind nicht für die Graviperzeption verantwortlich; stattdessen drückt der gesamte Zellkörper, der schwerer ist als das umgebende Medium, auf die jeweils untere Cytoplasmamembran.
 
Dort aktiviert der Druck mechano-sensitive Ionenkanäle. Der resultierende Einstrom von Ionen ändert das elektrische Membranpotential der Zelle, und steuert letztlich das Ausschwingen der Geißel und damit die Reorientierung der Zelle.
 
Das kleine Signal wird durch eine biochemische Amplifikationskette in der Zelle verstärkt.
 
Zahlreiche Weltraumexperimente und Parabelflüge zeigen, dass die Elemente der Signaltransduktionskette ähnlich zu denen bei Wirbeltieren und dem Menschen sind.
 
Das Bewegungsverhalten der Zellen reagiert extrem sensitiv auf geringe Konzentrationen von toxischen Substanzen im Wasser. Daher wurde ein vollautomatisches Monitoringsystem entwickelt, dass Abwässer aus Deponien oder der chemischen Industrie auf potentiell giftige Stoffe analysiert.

Passive Ausrichtung im Schwerefeld oder aktive Reizperzeption?

Viele bewegliche Einzeller, wie z.B. Algen oder Ciliaten, orientieren sich am Licht und an der Schwerkraft, um optimale Bedingungen in ihrer Umwelt für Wachstum und Vermehrung zu suchen.
 
Während der Photorezeptor bei einigen Flagellaten weitgehend aufgeklärt ist (der Flagellat Euglena benutzt zwei genetisch eng verwandte Photorezeptorproteine, die Flavine als chromophore Gruppen enthalten), war der Schwerkraftrezeptor lange Zeit unbekannt.
 
Das menschliche Vestibularorgan ist recht kompliziert gebaut und verlangt einen hohen Anteil an neuronaler Leistung. Wie kann dann ein Einzeller so präzise die Richtung des Schwerevektors der Erde erkennen?
 
Das Phänomen der Gravitaxis bei beweglichen Phytoplanktonorganismen (Orientierung im Schwerefeld) ist schon seit über 100 Jahren bekannt; aber bis vor kurzem konnte keine der aufgestellten Hypothesen bewiesen werden. Einige Autoren schlugen vor, dass die Organismen ein schwereres Hinterende besitzen und wie eine Boje rein passiv durch eine Asymmetrie des Schwerpunktes ausgerichtet werden.
 
Da sich der Zellmotor, die Geißel am Vorderende befindet, würde die Zelle nach oben schwimmen. Zumindest lichtmikroskopisch gibt es jedoch keinen Hinweis auf die Richtigkeit dieser Theorie