32 Der 11. September und die Folgen für mich

Am 10. September 2001 war ich in Ecuador mit Shakaim Chumpi, der an meinem Buch SPIRIT OF THE SHUAR mitgearbeitet hatte, auf dem Amazonas unterwegs. Wir führten eine Gruppe von sechzehn Nordamerikanern zum Dorf seiner Gemeinschaft tief im Regenwald. Die Besucher wollten Shakaims Volk ennen lernen und ihm helfen, seinen wertvollen Regenwald zu bewahren.


Shakaim hatte als Soldat im letzten Krieg zwischen Ecuador und Peru gekämpft. In den großen ölverbrauchenden Ländern haben die wenigsten Menschen etwas von diesem Krieg erfahren, doch er wurde hauptsächlich um Öl geführt. Der Grenzverlauf zwischen beiden Ländern ist zwar seit langem umstritten, aber erst in jüngster Zeit wurde eine Lösung des Konflikts dringend erforderlich. Der Grund bestand darin, daß die Ölkonzerne, die sich um Bohrkonzessionen in diesem ölreichen Landstrich bemühten, wissen mußten, mit welcher Regierung sie zu verhandeln hatten. Daher mußte die Grenze genau festgelegt werden. Die Shuar bildeten die erste Verteidigungslinie Ecuadors. Sie erwiesen sich als tapfere Kämpfer und besiegten häufig sogar zahlenmäßig überlegene und besser ausgerüstete Gegner. Die Shuar wußten nichts über die politischen Fragen, die hinter diesem Krieg standen, und hatten auch keine Ahnung davon, daß sein Ausgang den Ölkonzernen den Weg bahnen würde. Sie kämpften, weil sie eine lange kriegerische Tradition haben und keine fremden Soldaten auf ihrem Territorium dulden wollten.


Als wir auf dem Fluß dahinpaddelten und ein Schwarm schnatternder Pinguine über uns hinwegflog, fragte ich Shakaim, ob der Waffenstillstand noch in Kraft sei. »Ja«, antwortete er, »aber ich muß dir leider sagen, daß wir dabei sind, uns auf einen Krieg gegen euch vorzubereiten.« Er fügte hinzu, daß er damit natürlich nicht mich per-
sönlich oder die Leute in unserer Reisegruppe meine. »Ihr seid unsere Freunde«, versicherte er mir. Er meine vielmehr die Ölunternehmen und die Soldaten, die in den Dschungel kommen würden, um die Arbeiter der Ölfirmen zu schützen. »Wir haben erlebt, was sie den Huaorani angetan haben. Sie haben ihre Wälder zerstört,
ihre Flüsse vergiftet und viele Menschen umgebracht, darunter auch viele Kinder. Heute sind die Huaorani vom Aussterben bedroht. Wir werden nicht zulassen, daß mit uns das Gleiche geschieht. Wir werden keine Ölfirmen auf unser Gebiet lassen, und auch die Peruaner nicht. Wir haben alle geschworen, daß wir bis zum letzten Mann kämpfen werden.«


An diesem Abend saß unsere Gruppe in einem wunderschönen Langhaus, das aus Bambuspfählen und -latten gebaut und mit einem Strohdach gedeckt war, um ein Feuer herum. Ich erzählte ihnen von meinem Gespräch mit Shakaim. Wir überlegten, wie viele andere Menschen auf der Welt wohl ähnlich dachten über unsere Ölkonzerne und unser Land. Wie viele hatten, wie die Shuar, Angst, daß wir in ihr Leben einbrechen und ihre Kultur und ihr Land zerstören würden? Wie viele haßten uns? Am nächsten Morgen ging ich hinunter in unser kleines Büro, in dem unser Funkgerät untergebracht war. Ich mußte ein Flugzeug bestellen, das uns in einigen Tagen abholen würde. Als ich mit einem Piloten sprach, hörte ich plötzlich einen Schrei. »Mein Gott!«, rief der Mann am anderen Ende der Funkverbindung. »New York wird angegriffen!« Er drehte das Radio lauter. Im Verlauf der nächsten halben Stunde wurden wir minütlich unterrichtet über die Ereignisse in den Vereinigten Staaten. Wie für alle anderen war das auch für mich ein Augenblick, den ich nie vergessen werde.

 

Nach meiner Rückkehr nach Florida wurde mir klar, daß ich Ground Zero besuchen mußte, wo früher die Türme des World Trade Centers gestanden hatten, und flog nach New York. Ich checkte am frühen Nachmittag im Hotel ein. Es war ein sonniger, ungewöhnlich milder Novembertag. Ich wanderte voller Enthusiasmus durch den Central
Park und machte mich dann auf in jenen Teil der Stadt, in dem ich früher viel Zeit verbracht hatte, die Gegend nahe der Wall Street, die heute als Ground Zero bekannt ist. Als ich mich dem Ort näherte, wurde mein Enthusiasmus durch ein Gefühl der Furcht verdrängt. Die Bilder und die Gerüche waren überwältigend – diese unvorstellbare Zerstörung; die verbogenen und geschmolzenen Skelette dieser einst so imposanten Gebäude; der Schutt; der ranzige Geruch von Rauch, schwelenden Ruinen und verbranntem Fleisch. Ich hatte das alles schon im Fernsehen gesehen, aber es selbst zu erleben, war etwas anderes.


Ich war nicht darauf gefaßt gewesen – vor allem nicht auf die Menschen. Zwei Monate waren seit dem Anschlag vergangen, aber noch immer standen die Menschen herum, Menschen, die in der Nähe wohnten oder arbeiteten, und Menschen die überlebt hatten. Ein Ägypter stand vor seinem kleinen Schusterladen und schüttelte immer wieder den Kopf. »Man kommt nicht darüber hinweg«, murmelte er. »Ich habe viele Kunden verloren, viele Freunde. Mein Neffe ist da droben umgekommen.« Er deutete in den blauen Himmel. »Ich glaube, ich habe ihn springen sehen. Ich weiß nicht … So viele sind gesprungen, haben sich an den Händen gehalten und mit den Armen gewedelt, als könnten sie fliegen.«


Es überraschte mich, wie die Menschen miteinander sprachen. Hier in New York City. Aber es waren nicht nur ihre Worte. Ihre Blicke trafen sich. Obwohl sie alle sehr ernst waren, tauschten sie mitfühlende Blicke aus oder ein knappes Lächeln, das mehr sagte als tausend Worte.


Doch da war noch etwas anderes, ein sonderbares Gefühl, das dieser Ort vermittelte. Zunächst konnte ich es nicht erfassen, aber dann wurde es mir schlagartig klar: das Licht. Lower Manhattan war ein dunkler Canyon gewesen, als ich in diesen Teil der Stadt gepilgert war, um Kapital für IPS aufzutreiben, als ich mit Investmentbankern
beim Essen im Windows on the World meine Strategien dargelegt hatte. Man mußte so hoch hinauf, bis zur Spitze des World Trade Centers, wenn man das Licht sehen wollte. Jetzt drang es herab bis zur Straße. Der Canyon war weit aufgerissen worden, und wir, die wir auf der Straße neben den Ruinen standen, wurden von der milden Sonne gewärmt. Ich konnte nicht anders, ich mußte mir die Frage stellen, ob der Anblick des Himmels, des Lichts den Menschen geholfen habe, ihre Herzen zu öffnen. Und mit diesen Gedanken überkamen mich Schuldgefühle. Ich machte an der Trinity Church kehrt und ging die Wall Street hinab. Zurück ins alte New York, das in Schatten gehüllt war. Kein Himmel, kein Licht. Menschen eilten über die Gehsteige, ohne voneinander Notiz zu nehmen. Ein Polizist brüllte einen Autofahrer an, dem der Motor abgestorben war.


Ich setzte mich auf die ersten Stufen, die ich erreichte, es war am Haus mit der Nummer14. Von irgendwoher drang das Geräusch eines riesigen Ventilators oder eines starken Gebläses durch den Verkehrslärm. Es schien aus der massiven Steinmauer des Gebäudes der New York Stock Exchange zu kommen. Ich beobachtete die Menschen. Sie eilten geschäftig die Straße hinauf und hinab, verließen ihre Büros, gingen nach Hause oder steuerten ein Restaurant oder eine Bar an, um geschäftliche Besprechungen abzuhalten. Einige waren zu zweit unterwegs und unterhielten sich. Doch die meisten waren allein und stumm. Ich versuchte Augenkontakt herzustellen, aber es gelang mir nicht.

 

Das Aufheulen einer Auto-Alarmanlage lenkte meine Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Stelle weiter unten an der Straße. Ein Mann stürzte aus einem Büro und deutete mit einem Schlüssel auf den Wagen; der Alarm erstarb. Ich blieb noch eine Weile still sitzen. Dann griff ich in meine Tasche und zog ein sorgfältig gefaltetes Blatt Papier heraus, das mit Statistiken bedeckt war. Da sah ich ihn. Er schlurfte die Straße entlang und sah hinab auf seine Schuhspitzen. Er hatte einen dünnen grauen Bart und trug einen schmierigen Mantel, der an diesem milden Nachmittag an der Wall Street besonders unpassend wirkte. Ich wußte, der Mann war Afghane. Er sah mich an. Nachdem er einen kurzen Augenblick gezögert hatte, begann er die Stufen hinaufzusteigen. Er nickte höflich und setzte sich neben mich, wobei er etwa einen Meter Abstand zwischen uns ließ. Er blickte geradeaus und gab mir dadurch zu verstehen, daß ich die Unterhaltung beginnen solle. »Schöner Tag heute.« »Ja, sehr schön.« Er hatte einen starken Akzent. »In solchen Zeiten ist man froh um die Sonne.« »Sie meinen wegen des World Trade Centers?« Er nickte. »Kommen Sie aus Afghanistan?« Er starrte mich an. »Sieht man das?« »Ich bin viel herumgekommen in der Welt. Vor kurzem war ich im Himalaja, in Kaschmir.« »Kaschmir.« Er zog an seinem Bart. »Da gibt es Krieg.« »Ja, zwischen Indien und Pakistan, zwischen Hindus und Moslems. Da macht man sich Gedanken über die Religionen, nicht wahr?« Unsere Blicke trafen sich. Seine Augen waren tief braun, fast schwarz. Sie erschienen mir weise und traurig. Er wandte sich wieder dem Gebäude der New Yorker Börse zu. Mit einem langen, knochigen Finger zeigte er auf das Haus. »Vielleicht geht es auch mehr um Wirtschaft als um Religion«, pflichtete ich ihm bei. »Waren Sie Soldat?«


Ich mußte kichern. »Nein. Ich war Wirtschaftsberater.« Ich reichte ihm das Blatt Papier mit den Statistiken. »Das waren meine Waffen.« Er streckte die Hand aus und nahm den Zettel. »Zahlen.« »Weltstatistiken.« Er musterte die Liste und lachte kurz. »Ich kann nicht lesen.« Er gab mir den Zettel zurück. »Aus diesen Zahlen geht hervor, daß jeden Tag vierundzwanzigtausend Menschen verhungern.«


Er pfiff leise vor sich hin, dachte dann einen Moment nach und seufzte. »Fast hätte ich dazugehört. Ich hatte eine kleine Granatapfelfarm in der Nähe von Kandahar. Da kamen die Russen, und die Mudschaheddin versteckten sich hinter den Bäumen und in den Wassergräben.« Er hob die Hände und imitierte damit ein Gewehr. »Ein Hinterhalt.« Er ließ die Hände sinken. »Alle meine Bäume und Gräben wurden zerstört.« »Was haben Sie dann gemacht?« Er deutete mit einem Kopfnicken auf meine Liste. »Stehen da auch die Bettler drauf?«

 

Das war zwar nicht der Fall, aber ich glaubte, mich an die Zahl erinnern zu können. »Es sind ungefähr achtzig Millionen in der ganzen Welt, glaube ich.« »Ich war einer von ihnen.« Er schüttelte gedankenverloren den Kopf. Wir saßen einige Minuten schweigend nebeneinander, bevor er weiterredete. »Mir gefällt das Betteln nicht. Mein Kind stirbt. Da fange ich an, Mohn anzubauen.« »Opium?« Er zuckte mit den Schultern. »Keine Bäume, kein Wasser. Die einzige Möglichkeit, meine Familie zu ernähren.« Ich spürte einen Kloß im Hals, ein deprimierendes Gefühl der Traurigkeit, das sich mit Schuld verband. »Wir verteufeln den Anbau von Schlafmohn, aber viele unserer reichsten Bürger haben ihr Vermögen mit dem Drogenhandel gemacht.« Seine Augen trafen sich mit meinen und schienen meine Seele durchdringen zu wollen. »Sie waren Soldat«, stellte er fest und nickte, um diese schlichte Tatsache zu bekräftigen. Dann stand er langsam auf und stieg die Stufen hinab. Ich wollte, daß er blieb, brachte aber kein Wort heraus. Ich stand ebenfalls auf und folgte ihm. Am Ende der Treppe fiel mein Blick auf ein Schild. Darauf befand sich ein Bild des Gebäudes, vor dem ich gesessen hatte. Über dem Bild wurden die Passanten darauf hingewiesen, daß das Schild von der Organisation Heritage Trails of New York aufgestellt worden sei.


Der Text lautete: Das Mausoleum von Halikarnassos und die Quadriga auf der Kirche San Marco in Venedig an der Kreuzung von Wall und Broad – dies ist das architektonische Konzept, das hinter 14 Wall Street steht. In dem 164 Meter hohen Wolkenkratzer, zum Zeitpunkt seines Baus das höchste Bankgebäude der Welt, befand sich  rsprünglich die Zentrale von Bankers Trust, einem der mächtigsten Bankinstitute des Landes.


Ich betrachtete bewundernd die Fassade des Gebäudes. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte 14 Wall Street jene Rolle gespielt, die später vom World Trade Center übernommen wurde; es hatte als Symbol für Macht und wirtschaftliche Vorherrschaft gegolten. Die Firma Bankers Trust, die hier residierte, hatte zu jenen Banken gehört, auf die ich mich bei der Finanzierung meines Energieunternehmens gestützt hatte. Das Gebäude war somit ein Teil meiner Geschichte – einer Geschichte, die der alte Afghane so treffend als jene eines Soldaten bezeichnet hatte.


Daß ich an diesem Tag hier gelandet und mit dem alten Mann ins Gespräch gekommen war, erschien mir als ein bedeutsamer Zufall. Ich konnte es nicht in Worte fassen. Ich dachte darüber nach, wie Zufälle unser Leben prägen. Wie sollte ich darauf reagieren? Als ich weiterging, musterte ich die Gesichter in der Menge, konnte den Alten aber
nicht mehr entdecken. Vor dem Nachbargebäude stand eine riesige Statue, die mit einer blauen Plastikhülle bedeckt war. Aus einer Inschrift an der Mauer des Gebäudes ging hervor, daß dies Federal Hall, 26 Wall Street war, wo George Washington am 30. April 1789 seinen Amtseid als Präsident geleistet hatte. An diesem Ort war also jener Mann vereidigt worden, dem als erstem die Verantwortung übertragen worden war für die Wahrung von Leben und Freiheit aller Menschen und ihres Anspruchs auf das Streben nach Glück. So nahe bei Ground Zero, so nahe an der Wall Street. Ich ging um den Block und gelangte in die Pine Street. Hier kam ich zum alten Hauptsitz von Chase, jener Bank, die David Rockefeller gegründet hatte, die mit Ölgeldern groß geworden und deren Finanzkraft schließlich auch Leuten wie mir zugute gekommen war. Diese Bank, eine Institution, die im Dienst der EHM gestanden hatte und die Schaffung des globalen Imperiums wie keine zweite voranzutreiben verstand, war in vielfacher Hinsicht das Symbol der Korporatokratie.


Ich erinnerte mich, daß das World Trade Center ein Projekt von David Rockefeller war, der es 1960 geplant hatte, und daß der Gebäudekomplex in jüngerer Zeit häufig mit einem Albatros verglichen worden war. Er galt als eine Fehlkonstruktion, nicht kompatibel mit den modernen Glasfaser- und Internet-Technologien und belastet durch ein ineffizientes und teures Aufzugsystem. Die beiden Türme hatten früher die Spitznamen David und Nelson erhalten. Jetzt war der Albatros verschwunden.


Ich ging weiter, langsam, fast widerwillig. Trotz des milden Wetters fröstelte ich, und ich erkannte, daß eine seltsame Angst, ein ungutes Gefühl von mir Besitz ergriffen hatte. Ich konnte mir seine Ursache nicht erklären und wollte es verdrängen, indem ich schneller ging. Schließlich stand ich wieder vor diesem schwelenden Loch, dem verbogenen Metall, der großen Narbe in der Erde. Ich lehnte mich an ein Gebäude, das der Zerstörung entgangen war, und starrte in den Krater. Ich versuchte mir vorzustellen, wie die Menschen aus dem zusammenstürzenden Turm geflohen und die Feuerwehrmänner hineingelaufen waren, um ihnen zu helfen. Ich versuchte an die Menschen zu denken, die aus den Fenstern gesprungen waren, versuchte ihre Verzweiflung nachzuempfinden.
Aber es wollte mir nicht gelingen. Stattdessen sah ich Osama bin Laden, wie er Geld und Waffen im Wert von vielen Millionen Dollar von einem Mann entgegennahm, der für eine Beratungsfirma arbeitete, die im Auftrag der US-Regierung tätig war. Dann sah ich mich selbst, wie ich vor einem leeren Computerbildschirm saß. Ich blickte mich um, wandte die Augen von Ground Zero ab und betrachtete die NewYorker Straßen, die vom Feuer verschont geblieben waren und in die allmählich wieder die Normalität zurückkehrte. Ich überlegte, was die Leute, die jetzt auf diesen Straßen unterwegs waren, wohl über all diese Dinge dachten – nicht nur über die Zerstörung der Türme, sondern auch über zerstörte Granatapfelfarmen und die 24.000 Menschen, die täglich an Hunger starben. Ich fragte mich, ob ihnen überhaupt solche Gedanken durch den Kopf gingen, ob sie sich von ihrer Arbeit, ihren benzinfressenden Autos und ihren Hypothekenzahlungen zumindest für eine Weile losreißen konnten, um darüber nachzudenken, welchen Beitrag sie zu dieser Welt leisteten, die sie an ihre Kinder weitergeben würden. Ich fragte mich, was sie über Afghanistan wußten – nicht über das Afghanistan aus dem Fernsehen mit Zelten und Panzern der US-Army, sondern über das Afghanistan des alten Mannes. Ich fragte mich, was wohl jene 24.000 Menschen denken, die jeden Tag sterben. Und dann sah ich wieder mich selbst vor einem leeren Computerbildschirm.


Ich wandte mich abermals Ground Zero zu. Zu diesem Zeitpunkt war nur eines sicher: Mein Land sann auf Rache und konzentrierte sich dabei auf Länder wie Afghanistan. Aber ich dachte an all die anderen Länder auf der Welt, in denen die Menschen unsere Konzerne hassen, unser Militär, unsere Politik und unser Streben nach globaler Vorherrschaft. Ich überlegte: Was ist mit Panama, Ecuador, Indonesien, dem Iran, Guatemala, dem Großteil Afrikas? Ich stieß mich von der Mauer ab, an der ich gelehnt hatte. Ein kleiner, gedrungener Mann wedelte mit einer Zeitung umher und rief etwas auf Spanisch. Ich blieb stehen. »Venezuela vor der Revolution!«, brüllte er und versuchte, den Verkehrslärm, das Hupen der Autos und die Stimmen der Passanten zu übertönen. Ich kaufte mir die Zeitung, blieb einen Moment stehen und überflog den Aufmacher. Es ging um Hugo Chávez, den demokratisch gewählten, antiamerikanischen Präsidenten Venezuelas, und über den unterschwelligen Haß, der durch die US-Politik in Lateinamerika entstanden war. Was war los in Venezuela?