Heilendes Bewusstsein: Das Rätsel

Seit Urzeiten haben Menschen Wege gesucht, die verborgene Quelle der Heilung zu finden, eine Zauberkraft, die Wunden schließt und die verlorene Verbindung mit dem Leben zurückbringt.

 

Vor Jahrtausenden beteten die Heiler unserer Vorfahren in den Höhlen des südlichen Europa um die Hilfe der Geister, die den Eingang in die verzweigten Welten jenseits der Vorstellungskraft bewachten. Sie entdeckten die Möglichkeit, ihr Bewusstsein zu verändern, bis es wie in einem Traum die Landschaften der Seele wahrnahm. Und so fanden sie Heilung für ihre Familien und Stämme.


In späteren Zeiten, aber immer noch vor Tausenden von Jahren, entwickelten Menschen ganz andere Vorstellungen, fern der alten Mythen und näher an der Erfahrung des Alltäglichen. Im antiken Griechenland liegen die Ursprünge unseres modernen medizinischen Denkens, das in der Mechanik des Körpers nach dem Geheimnis von Krankheit und Heilung sucht.


Seit jenen Tagen haben sich zwei Richtungen geöffnet, die beide versprechen, die Lösung des Rätsels zu finden, vielleicht schon zu wissen.

 

Mitte des 18. Jahrhunderts begann sich im Westen die Vorstellung durchzusetzen, allein in der Materie seien die geheimen Baupläne der Welt verborgen – von den unfassbaren Wirbeln ferner Galaxien bis zu den winzigen Partikeln, aus denen sich alles zur sichtbaren Welt zusammenfüge, gebe es nur einen Weg, die Wirklichkeit zu erfassen: die immer genauere Analyse aller ihrer Bestandteile. Diese Rückführung auf grundlegende Einzelteile des Lebens wird Reduktionismus genannt, und dieser Zweig des Denkens hat derzeit in der wissenschaftlichen Welt die Macht.


In der Medizin bedeutet das, dem unsichtbaren Zusammenspiel aller denkbaren Faktoren auf den Grund zu gehen, von den steuernden Genen über die Chemie des Körpers bis zu den noch immer rätselhaften Schaltkreisen des Gehirns. Auf diesem Weg haben Forscher Zusammenhänge aufgedeckt, die in früheren Zeiten unvorstellbar waren. Während die Pioniere der Grundlagenforschung viele Regelkreise des Körpers entschlüsselten, entwickelten andere, in praktischer Anwendung all dieser Erkenntnisse, phantastische Techniken der Lebensrettung und kunstvolle Verfahren der Chirurgie, und sie erfanden subtile Mittel im Kampf gegen winzige Angreifer, die unsere Gesundheit bedrohen.


Seit langer Zeit sind die Vertreter des alten, gleichsam »immateriellen« Denkens auf dem Rückzug, die mythischen Bilder, mit denen sie die Wirkung ihrer Heilverfahren zu erklären versuchen, werden von den Denkern des Reduktionismus als Gebilde der Phantasie verworfen, ihre Heilerfolge als Produkte des Zufalls erklärt. Viele Richtungen dieser alten Medizin haben lange Jahre nur in Nischen überlebt. Aber seit einiger Zeit rücken sie wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit.


Weil die »Komplementärmedizin« (ein Begriff für alle Verfahren, die nicht als wissenschaftlich anerkannt gelten) ganz offensichtlich wirtschaftlich an Bedeutung gewinnt, haben Forscher an Universitäten und privaten Instituten begonnen, ihre Wirksamkeit unvoreingenommen zu überprüfen. Und nach und nach entdecken sie in den alten Methoden, in der Homöopathie oder der traditionellen chinesischen Medizin zum Beispiel, aber auch im Schamanismus und in westlichen Formen des Geistigen Heilens, eine verborgene Kraft, auf die ihre Anhänger schon immer vertrauten.


Heute stehen wir an einem Scheideweg: Die Vertreter der naturwissenschaftlichen Medizin entschlüsseln immer aufregendere Zusammenhänge der Materie, die viele bisher unbekannte Mechanismen des Körpers erklären und den Einfluss des Bewusstseins gering erscheinen lassen. Die Praktiker der Erfahrungsmedizin dagegen folgen häufig Methoden, mit der Seele in Kontakt zu treten, und sie erreichen auch auf g wunderbare Heilungen. Bei ihren Erfolgen, die von vielen tausend Patienten Tag für Tag bestätigt werden, spielen offenbar subtile energetische Prozesse, vor allem aber das Bewusstsein, eine entscheidende Rolle. Dieser Gedanke steht heute nicht mehr im Gegensatz zur Wissenschaft: Auch die moderne Quantenphysik sieht im Bewusstsein eine Kraft, die in der Lage ist, die sichtbare, messbare Realität zu formen.

 

Das alte Rätsel, welche Rolle der Geist spielt und welche der Körper, ist noch immer nicht gelöst. Welche der gegensätzlich erscheinenden Deutungen von Heilung wird sich am Ende durchsetzen? Wer kann für sich in Anspruch nehmen, die Gesetze des Lebens am besten zu verstehen? Dieses Buch gibt aus verschiedenen Blickwinkeln Antworten auf diese Fragen. Nicht jede davon steht auf dem festen Grund wissenschaftlich bewiesener Theorien. Wenn Heilungen dem rationalen Geist unverständlich sind, die plötzliche Genesung eines bereits »austherapierten« Krebspatienten zum Beispiel, führt der Versuch, die verborgenen Zusammenhänge zu verstehen, zwangsläufig auf schwankenden Boden.


Auch die Erfolge archaischer und moderner Schamanen und Geistheiler lassen sich nicht so leicht und vor allem nicht vollständig mit den Begriffen der Wissenschaft erfassen. Selbst die Homöopathie hat den Nimbus des Unerklärlichen, denn sie heilt ja nicht mit nachweisbaren materiellen Substanzen, sondern mit Information, einem vollständig immateriellen Wirkstoff.


Ungewöhnliche Heilungen, die auch von Medizinern noch immer »Wunder« genannt werden, weil sie der Mechanik des Körpers zu widersprechen scheinen, Heilungen also, bei denen wissenschaftliche Theorien nicht alles erklären können, habe ich vor allem aus dem Blickwinkel der Seele betrachtet: Ihre Wahrheit verbirgt sich hinter Bildern und Gleichnissen, Geschichten und Mythen. Ich habe versucht, dieser Dimension in der Sprache gerecht zu werden, wo immer das möglich war. (Meine Leserinnen bitte ich um Nachsicht, dass ich im Text häufig nur die männliche Form verwende und nur selten von Ärztinnen und Ärzten, von Heilerinnen und Heilern, von Patientinnen und Patienten spreche. Wenn der Zusammenhang allgemein ist, sind stets beide gemeint, Frauen ebenso wieMänner.)


Dieses Buch greift bisweilen auf persönliche Erlebnisse und Erfahrungen zurück, auf Erzählungen und Begegnungen, die mein festes wissenschaftliches Weltbild in Frage stellten. Je länger ich mich mit den Denkmodellen der Heiler und Schamanen und zugleich mit den nüchternen Ergebnissen der Wissenschaft auseinander setzte, umso klarer schien mir, dass diese Gegenpole zwei Seiten derselben Wirklichkeit sind. Es war so, als ob ich mein Auge einmal mehr auf den Vordergrund und ein anderes Mal mehr in die Ferne lenkte. Wie in den Autostereogrammen, Bildern, die auf den ersten Blick nur ein abstraktes grafisches Muster zeigen, sah ich entweder gestochen scharf die farbigen Punkte, aus denen es zusammengesetzt war, oder ich erkannte plötzlich dreidimensionale Figuren, die sich hinter dem vordergründig Sichtbaren verbargen. Beide Blickwinkel haben offenbar ihre Berechtigung, beide sind wahr, und beide zeigen nicht das Ganze.

 

Wer die verborgenen Zusammenhänge von Krankheit und Gesundheit verstehen will, muss wohl tatsächlich versuchen, den Fokus seiner Augen immer wieder neu einzustellen, also gleichzeitig beide Wirklichkeiten zu sehen. Denn wie es scheint, geht sonst ein wesentlicher Teil der ganzen Wahrheit verloren.


Die Wirklichkeit, das zeigt gerade die moderne Physik, scheint mehr von den Menschen abzuhängen, die sie beobachten, als von unwandelbaren Naturgesetzen. Es könnte also sein, dass jeder Forscher am Ende genau das findet, was er sucht. Wenn das so ist, dann gibt es nicht unbedingt ein Entweder-oder, sondern eher ein Sowohl-als-auch: Dann ist es möglich, dass ein Schamane in den Steppen Sibiriens mit Techniken des Bewusstseins dieselbe Erkrankung zum Verschwinden bringt, die Ärzte einer westlichen Klinik mit hoch dosierten Medikamenten oder einer Operation heilen.

 

Beide haben Erfolg, also haben beide Recht. Vielleicht also kreuzen sich am Ende die unterschiedlichen Wege in einem noch unbekannten Zentrum, das die ganze Wahrheit enthält, eine Wahrheit, die vordergründige Gegensätze vereint.

 

 

In diesem Sinne ist dieses Buch auch ein Plädoyer für eine neue Heilkunst, die alle Möglichkeiten nutzt, um Patienten zu helfen. Es regt an, sich uraltem Wissen zu öffnen, das die moderne Medizin grundlegend ergänzen könnte. Es betont die Kraft des Geistes und der Seele und die Möglichkeiten der verschiedenen Zustände des Bewusstseins, weil diese Ebenen im medizinischen Alltag unterschätzt werden, aber es erkennt zugleich die Fortschritte der modernen Heilkunde an.