Michael Greger: 3 – Hirnkrankheiten überlisten
Der Vater meiner Mutter starb an einem Schlaganfall und ihre Mutter an Alzheimer. Als Kind liebte ich es meine Großmutter auf Long Island zu
besuchen. Wir lebten im Westen des Landes, also durfte ich mit dem Flugzeug fliegen – manchmal sogar allein!
Sie war die perfekte fürsorgliche Bilderbuchoma. Sie wollte mich immer mit in den Spielzeugladen nehmen, aber ich, schon damals ein Bücherwurm, wollte lieber in die Bibliothek gehen. Wenn wir wieder zu Hause waren, ich mit einem Stapel Bücher unter jedem Arm, ließ sie mich auf ihrem großen Sofa sitzen – natürlich ohne Schuhe – und lesen und Bilder malen. Dann brachte sie mir Heidelbeermuffins, deren Teig sie mit ihrem riesigen Rührgerät vorbereitet hatte, das die Hälfte der Küchenarbeitsfläche blockierte.
Später aber verlor sie ihren Verstand.
Zu jenem Zeitpunkt studierte ich bereits Medizin, aber mein neu erworbenes Wissen stellte sich als nutzlos heraus. Sie war ganz verwandelt. Meine früher so liebe und würdevolle Großmutter? Nun warf sie mit Dingen auf andere Menschen. Sie fluchte. Ihre Pflegerin zeigte mir die Bissspuren, die meine früher so freundliche, liebevolle Großmutter auf ihrem Arm hinterlassen hatte. Das ist das Furchtbare an Hirnkrankheiten. Anders als ein Problem mit dem Fuß, dem Rücken oder einem lebenswichtigen Organ attackieren diese Ihr Selbst.
Die zwei schlimmsten Hirnkrankheiten sind Schlaganfälle, die jährlich fast 130.000 US-Amerikaner töten,1 und Alzheimer, das jährlich fast 85.000 Menschenleben fordert. Ein Schlaganfall wird auch als „Hirninfarkt“ bezeichnet und läuft ähnlich ab wie ein Herzinfarkt, nur dass die abplatzenden Plaqueteilchen in den Arterien den Blutfluss zum Gehirn und nicht den zum Herzen unterbrechen. Alzheimer hingegen ähnelt eher einem
Anschlag auf den Verstand.
Alzheimer ist eine der körperlich und emotional belastendsten Krankheiten, sowohl für diejenigen, die darunter leiden, wie auch für diejenigen, die die Betroffenen betreuen. Anders als ein Schlaganfall, der sofort und ohne Vorwarnung eintreten und tödlich sein kann, ist Alzheimer in seinem Verlauf langsamer, schleichend und durch einen subtileren Verfall gekennzeichnet, der sich über Monate und Jahre hinziehen kann. Statt der cholesterinhaltigen Plaque in den Arterien handelt es sich bei Alzheimer um Plaque, die aus einer Substanz namens Amyloid besteht, im Hirngewebe gebildet wird und zum Verlust der Erinnerung und letztendlich auch zum Tod führen kann.
Während die Pathologie von Schlaganfällen und Alzheimer sich durchaus unterscheidet, ist beiden Krankheiten doch eines gemeinsam: Es gibt zunehmend Belege dafür, dass eine gesunde Ernährung dabei hilft, beides zu verhindern.
Schlaganfall
Bei etwa 90 Prozent aller Schlaganfälle3 wird der Blutfluss zu Teilen des Gehirns unterbrochen, und damit auch die Sauerstoffversorgung, wodurch der Teil abstirbt, der zuvor von der verstopften Arterie versorgt wurde. Dies wird auch als „ischämischer Schlaganfall“ (von lateinisch ischaemia, Blutleere) bezeichnet. Eine kleine Minderheit von Schlaganfällen sind hämorrhagische Schlaganfälle, die durch eine Hirnblutung entstehen, wenn ein Blutgefäß platzt. Der durch einen Schlaganfall verursachte Schaden hängt davon ab, welcher Teil des Gehirns nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wird (bzw. wo die Blutung passiert) und wie lange dieser Sauerstoffentzug andauert.
Menschen, die einen kurzen Schlaganfall erleiden, müssen im Nachhinein vielleicht nur mit einer Arm- oder Beinschwäche kämpfen, während diejenigen, die einen starken Schlaganfall erleiden, danach gelähmt sein, ihre Fähigkeit zu sprechen verlieren oder aber, wie es leider zu oft passiert, sterben können. Manchmal dauert das Blutgerinnsel nur einen Moment – nicht lange genug, um bemerkt zu werden, aber trotzdem schon so lange, dass ein kleiner Teil des Gehirns abstirbt. Diese sogenannten „leisen“ Schlaganfälle können mehrfach auftreten und langsam die kognitiven Funktionen schwächen, bis sich schließlich eine vollständige Demenz entwickelt.
Das Ziel ist es, nicht nur das Risiko eines massiven Schlaganfalls, der sofort tödlich sein kann, zu minimieren, sondern auch das der Minischlaganfälle, die langsam über Jahre hinweg zum Tode führen. Wie auch bei Herzkrankheiten kann eine gesunde Ernährung das Risiko eines Schlaganfalls durch das Senken des Cholesterinspiegels und Blutdrucks verringern und gleichzeitig die Durchblutung und die antioxidative Kapazität verbessern.
Und immer wieder: Ballaststoffe!
Zusätzlich zu der Tatsache, dass Ballaststoffe gut für ein gesundes Darmklima sind, scheint ihr Verzehr in höheren Mengen auch das Risiko von Darm- und Brustkrebs, Diabetes, Herzkrankheiten, Fettleibigkeit und frühzeitigem Tod generell zu verringern. Eine Reihe von Untersuchungen zeigt nun aber, dass der Verzehr ballaststoffreicher Nahrung auch Schlaganfälle abwehren kann. Leider nehmen weniger als 3 Prozent aller US-Amerikaner das Minimum der empfohlenen Tagesration an Ballaststoffen zu sich. Das wiederum bedeutet, dass 97 Prozent aller US-Amerikaner nicht genug Ballaststoffe aufnehmen. Ballaststoffe finden sich natürlich konzentriert nur in einer Art von Lebensmitteln: in vollwertigen pflanzlichen. Industriell verarbeitete Lebensmittel enthalten weniger und Produkte auf tierischer Basis überhaupt keine Ballaststoffe. Tiere haben einen Knochenbau, der sie stützt, Pflanzen aber haben Ballaststoffe.
Scheinbar sind nicht sehr viele Ballaststoffe nötig, um das Schlaganfallrisiko zu verringern. Schon 7 Gramm mehr Ballaststoffe pro Tag können das Risiko um 7 Prozent senken. Verschiedene Schlaganfälle bei verschiedenen Menschen – wahrscheinlich je nachdem, wie viel Ballaststoffe sie verzehrt haben. Zusätzliche sieben Gramm Ballaststoffe lassen sich sehr einfach in die eigene Ernährung einbauen: Sie entsprechen in etwa einer Schüssel Haferbrei mit Beeren oder einer Portion weißer Bohnen.
Wie genau schützen Ballaststoffe das Gehirn? Wir sind uns nicht ganz sicher. Wir wissen, dass Ballaststoffe dabei helfen, den Cholesterin- und Blutzuckerspiegel zu kontrollieren, was dazu führt, dass vermutlich weniger arterienverstopfende Plaque in den Blutgefäßen des Gehirns abgelagert wird. Eine ballaststoffreiche Ernährung kann ebenfalls den Blutdruck senken, wodurch das Risiko von Hirnblutungen verringert wird.
Wissenschaftler müssen den genauen Ablauf allerdings nicht kennen, bevor Sie anfangen können, auf Basis dieses Wissens zu handeln. Eine Bibelstelle sagt: „Wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft […] und der Same geht auf und wächst, daß er’s nicht weiß.“ Hätte der Sämann aus der Bibel das Säen so lang verschoben, bis er die Biologie der Samenkeimung verstanden hätte, wäre er wohl nicht lange am Leben geblieben. Warum also fangen Sie nicht einfach damit an und ernten die Früchte, die Ihnen der Verzehr von Ballaststoffen aus vollwertigen, naturbelassenen pflanzlichen Lebensmitteln bringt?
Es ist nie zu spät, sich gesünder zu ernähren. Auch wenn Schlaganfälle als Krankheit angesehen werden, die typischerweise ältere Menschen betrifft – nur zwei Prozent aller tödlich endenden Schlaganfälle ereignen sich vor einem Alter von fünfundvierzig Jahren –, häufen sich die Risiken bereits in der Kindheit an. In einer bemerkenswerten Untersuchung, deren Ergebnisse jüngst veröffentlicht wurden, wurden Hunderte Kinder über einen Zeitraum von vierundzwanzig Jahren begleitet – von der Mittelschule bis hinein ins Erwachsenenalter. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass ein geringer Verzehr von Ballaststoffen mit einer Verhärtung der Arterien zusammenhing, die zum Gehirn führten – ein wesentlicher Risikofaktor für einen Schlaganfall. Schon als die Jugendlichen erst vierzehn Jahre alt waren, konnten bei der Arteriengesundheit wesentliche Unterschiede zwischen denen, die täglich wenige Ballaststoffe zu sich nahmen, und jenen, die mehr davon verzehrten, festgestellt werden. Um es nochmals zu erwähnen: Der Unterschied war nicht sehr groß. Ein Apfel, eine halbe Handvoll Brokkoli oder nur 2 EL Bohnen mehr am Tag in der Kindheit hatten eine bedeutsame Auswirkung auf die Arteriengesundheit im späteren Leben.
Wenn Sie wirklich vorausschauend handeln wollen, folgen Sie den besten zurzeit erhältlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen und minimieren Sie Ihr Schlaganfallrisiko, indem Sie täglich mindestens 25 Gramm lösliche Ballaststoffe, sprich Ballaststoffe, die sich im Wasser auflösen, wie bspw. die aus Bohnen, Haferflocken, Nüsse und Beeren, und 47 Gramm unlösliche Ballaststoffe, die vor allem in Vollkorn wie braunem Reis und Vollkornweizen vorkommen, verzehren. Sicher, Sie müssten sich außergewöhnlich gesund ernähren, um so viele Ballaststoffe aufzunehmen, da diese Empfehlung weit über dem liegt, was von den meisten Gesundheitsinstituten willkürlich als angemessen bezeichnet wird. Aber statt Sie zu bevormunden, indem sie Ihnen einen Wert kommunizieren, von dem sie glauben, dass er von der Masse „erreicht werden könnte,“ wünschte ich mir, diese Einrichtungen würden Ihnen einfach nur sagen, zu welchen Ergebnissen die Wissenschaft gekommen ist, und Sie dann Ihre eigene Entscheidung treffen lassen.
Kalium
Nehmen Sie eine Pflanze, irgendeine Pflanze, und verbrennen Sie sie zu Asche. Werfen Sie diese Asche in einen Topf mit Wasser, bringen Sie das Wasser zum Kochen, schöpfen Sie die Asche ab, und Sie werden irgendwann eine weiße Substanz namens Pottasche bzw. Kaliumcarbonat herausbekommen. Pottasche wurde seit Jahrtausenden für die Herstellung der verschiedensten Produkte von Seife über Glas bis hin zu Düngemitteln und Bleiche verwendet. Doch erst im Jahr 1807 fand ein englischer Chemiker heraus, dass dieses „Gemüsealkali“ ein bisher unentdecktes Element enthielt, das er „Pot-ash-ium“ bzw. Potassium, deutsch Kalium, taufte.
Ich erwähne dies nur, um nochmals zu unterstreichen, was die Hauptquelle von Kalium in Ihrer Ernährung ist, nämlich Pflanzen. Jede Zelle in Ihrem Körper benötigt Kalium, um zu funktionieren. Und Sie müssen Kalium über Ihre Nahrung aufnehmen. Während des größten Teils unserer menschlichen Geschichte aßen wir so viele Pflanzen, dass wir täglich bis zu 10.000 mg Kalium oder mehr pro Tag aufnahmen. Heutzutage erreichen nicht einmal 2 Prozent aller Amerikaner die empfohlene tägliche Menge von 4.700 mg. Der Grund dafür ist recht einfach: Wir essen nicht genug naturbelassene vollwertige pflanzliche Lebensmittel. Was aber hat Kalium mit Schlaganfällen zu tun? Bei einer Überprüfung der besten Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Kalium und unseren zwei häufigsten Todesursachen, Herzkrankheiten und Schlaganfällen, wurde festgestellt, dass ein um 1.640 mg erhöhter Verzehr von Kalium pro Tag mit einem um 21 Prozent verringerten Schlaganfallrisiko in Zusammenhang gebracht werden konnte. Das reicht nicht aus, um den durchschnittlichen Kaliumwert aller US-Amerikaner auf das Niveau anzuheben, auf dem er sein sollte, aber immerhin dafür, das Risiko eines Schlaganfalls deutlich zu verringern. Stellen Sie sich vor, wie gering Ihr Risiko erst sein würde, wenn Sie Ihren Verzehr vollwertiger pflanzlicher Lebensmittel verdoppelten oder verdreifachten.
Bananen, die zwar als kaliumhaltig vermarktet werden, enthalten nicht wirklich viel Kalium. Gemäß der aktuellen Einträge der Datenbank des US-Landwirtschaftsministeriums schaffen es Bananen nicht einmal unter die tausend Lebensmittel mit dem höchsten Kaliumgehalt, sondern landen erst auf Platz 1.611, gleich hinter Reese’s Pieces, smartiesähnlichen Süßigkeiten. Sie müssten jeden Tag ein Dutzend Bananen essen, um gerade einmal das Minimum der empfohlenen Tagesdosis an Kalium aufzunehmen.
Welche Lebensmittel sind wirklich reich an Kalium? Die gesündesten, einfach erhältlichen und vollwertigen Lebensmittel mit einem hohen Kaliumgehalt sind wahrscheinlich grünes Blattgemüse, Bohnen und Süßkartoffeln.
Zitrusfrüchte
Gute Nachrichten für alle Orangenfans: Der Verzehr von Zitrusfrüchten wird mit einem verringerten Schlaganfallrisiko in Verbindung gebracht, sogar in höherem Maße als der Verzehr von Äpfeln.29 Die beiden lassen sich nicht vergleichen? Oh doch! Der Schlüssel dazu mag bei einem Zitrus-Phytonährstoff namens Hesperidin liegen, das den Blutfluss im Körper, einschließlich im Gehirn, anzuregen scheint. Mithilfe einer Maschine namens Laser-Doppler-Fluxmeter bzw. LDF-Meter können Wissenschaftler mit einem Laserstrahl den Blutfluss durch die Haut messen. Wenn Probanden an diese Maschine angeschlossen werden und eine Lösung trinken, die eine Menge Hesperidin enthält, die der in 480 ml Orangensaft entspricht, sinkt der Blutdruck, während sich der Blutfluss allgemein verbessert. Wenn die Probanden statt der Lösung einfach Orangensaft tranken, war ihre Durchblutung sogar noch besser. Die schlaganfallverhindernde Wirkung von Orangen ist mit anderen Worten also noch besser als die von Hesperidin.30 Wenn es um Lebensmittel geht, sind ganze, vollwertige Lebensmittel oftmals wesentlich besser als die Summe all ihrer Einzelteile.
Der positive Effekt von Zitrusfrüchten auf die Durchblutung zeigt sich aber nicht erst, nachdem dies mit einer High-Tech-Maschine gemessen wurde. In einer anderen Untersuchung stellten Wissenschaftler eine Gruppe von Frauen zusammen, die aufgrund schlechter Durchblutung sehr kälteempfindlich waren und an chronisch kalten Händen, Füßen und Zehen litten, und ließen diese in einem stark klimatisierten Raum warten. Die Frauen aus der Untersuchungsgruppe tranken ein Getränk, das echte Zitrus-Phytonährstoffe enthielt, während die Frauen aus der Kontrollgruppe ein Placebo-Getränk, ein künstlich aromatisiertes Orangengetränk, bekamen.
Die Frauen aus der Placebo-Gruppe froren immer mehr. Durch die sich verschlechternde Durchblutung sank die Temperatur ihrer Fingerspitzen während des Experiments um fast 5 Grad Celsius. Die Fingerspitzen der Frauen, die echten Zitrussaft getrunken hatten, kühlten weniger als halb so schnell ab, da ihre Durchblutung stabiler blieb. (Die Wissenschaftler ließen die Probandinnen beider Gruppen zudem auch ihre Hände in Eiswasser tauchen und stellten fest, dass sich die Hände der Frauen, die Zitrussaft getrunken hatten, etwa um 50 Prozent schneller erholten als die der Frauen aus der Kontrollgruppe.) Bevor Sie also das nächste Mal Skifahren gehen, kann das Essen von ein paar Orangen dabei helfen, Ihre Finger und Zehen länger warm zu halten. Natürlich ist es wunderbar, warme Finger zu haben, aber noch wunderbarer ist es, wenn Sie dank Zitrusfrüchten gleichzeitig Ihr Schlaganfallrisiko verringern können.
Optimale Schlafdauer und Schlaganfälle
Schlafmangel oder sogar zu viel Schlaf können zu einem erhöhten Schlaganfallrisiko führen. Doch wie viel Schlaf kann zu wenig sein? Und wie viel zu viel? Japanische Wissenschaftler haben sich als einige der Ersten dieser Frage gewidmet. Sie begleiteten vierzehn Jahre lang fast 100.000 Männer und Frauen im mittleren Alter. Im Vergleich zu den Personen, die durchschnittlich sieben Stunden pro Nacht schliefen, hatten die Probanden, die vier oder weniger Stunden Schlaf oder aber zehn Stunden und mehr Schlaf bekamen, ein etwa 50 Prozent höheres Risiko, an einem Schlaganfall zu sterben.
Eine neuere Studie an über 150.000 US-Amerikanern konnte dies noch genauer untersuchen. Höhere Schlaganfallrisiken traten bei den Personen auf, die sechs Stunden oder weniger bzw. neun Stunden oder länger schliefen. Diejenigen mit dem geringsten Risiko schliefen pro Nacht zwischen sieben oder acht Stunden.34 Größere Studien in Europa,35 China36 und anderswo haben bestätigt, dass sieben bis acht Stunden Schlaf mit dem geringsten Schlaganfallrisiko in Verbindung gebracht werden. Wir wissen noch nicht genau, inwieweit dieser Zusammenhang tatsächlich als Ursache und Wirkung angesehen werden kann, aber warum versuchen Sie nicht trotzdem, in diesen Bereich zu gelangen, bis wir mehr wissen? Schlafen Sie gut!
Antioxidantien und Schlaganfälle
Der hoch angesehene Biochemiker Earl Stadtman, der mit der National Medal of Science, einer der höchsten Ehrungen für wissenschaftliche Errungenschaften in den USA, ausgezeichnet wurde, sagte einmal: „Altern ist eine Krankheit. Die menschliche Lebenserwartung spiegelt einfach nur die Höhe des durch freie Radikale verursachten Schadens in den Zellen wider. Wenn genug Schaden angerichtet ist, können die Zellen nicht mehr richtig weiterleben und geben einfach auf .“ Diese zuerst 1972 vorgestellte Hypothese, die heute als „Mitochondriale Theorie des Alterns“ bekannt ist, geht davon aus, dass freie Radikale die Energiequellen unserer Zellen, die Mitochondrien, beschädigen, was im Laufe der Zeit zu einem Verlust der Zellenergie und -funktion führt. Dieser Vorgang lässt sich mit dem ständigen Aufladen der Batterie Ihres iPods vergleichen – mit jedem Mal nimmt die Kapazität mehr und mehr ab.
Aber was genau sind freie Radikale, und was können wir gegen sie unternehmen? Hier folgt mein bester Versuch, die Quantenbiologie der oxidativen Phosphorylierung auf ein verständliches Niveau herunterzubrechen: Pflanzen bekommen ihre Energie von der Sonne. Wenn Sie eine Pflanze in die Sonne stellen, nutzt das Chlorophyll in deren Blättern während eines Vorgangs namens Photosynthese die Sonnenenergie dazu, diese in winzig kleine Materienbausteine, nämlich Elektronen, umzuwandeln.
Diese Elektronen haben zunächst nur wenig Energie, werden aber von der Pflanze, die die Energie der Sonne dafür nutzt, zu hochenergetischen Elektronen aufgeladen. Wenn Sie nun diese Pflanze essen (oder aber das Tier, das diese Pflanze gefressen hat), werden diese Elektronen in Form von Kohlenhydraten, Proteinen und Fett zu all Ihren Zellen transportiert. Ihre Mitochondrien freuen sich über die energiegeladenen Elektronen der Pflanze und nutzen sie als Energiequelle bzw. als Brennstoff, und setzen langsam deren Energie frei. Allerdings muss dieser Prozess in einer sehr präzisen, streng kontrollierten Weise ablaufen, da Elektronen randvoll mit Energie und daher leicht flüchtig sind, so ähnlich wie Benzin.
Benzin, Petroleum, Öl und Holzkohle werden nicht ohne Grund fossile Brennstoffe genannt. Wir füllen den Tank unserer Autos mit vornehmlich prähistorischer pflanzlicher Materie, die die Energie der Sonne, die vor Millionen Jahren schien, in Form von hochenergetischen Elektronen gespeichert hat.
Und genau so, wie es gefährlich ist, ein Streichholz in einen Kanister voller Benzin zu werfen und die gesamte darin gespeicherte Energie auf einmal freizusetzen, muss auch Ihr Körper viel Vorsicht walten lassen. Deshalb nehmen Ihre Zellen diese hochenergetischen Elektronen aus den Pflanzen, die Sie essen, auf, und setzen deren Energie in einer sehr kontrollierten Weise frei, ungefähr so wie ein Gasherd: Nach und nach nur ein bisschen, bis die Energie aufgebraucht ist. Ihr Körper übergibt diese aufgebrauchten Elektronen dann einem äußerst wichtigen Molekül, das Sie ebenfalls bestens kennen: Sauerstoff. Gifte wie Cyanid töten Sie so z. B. auf eine Weise, die verhindert, dass Ihr Körper die aufgebrauchten Elektronen an die Sauerstoffmoleküle weitergibt. Glücklicherweise lieben Sauerstoffmoleküle Elektronen, vielleicht sogar ein bisschen zu sehr. Während Ihr Körper sich schön viel Zeit lässt, die Energie der Elektronen langsam freizugeben, tippeln die Sauerstoffmoleküle schon ganz ungeduldig hinten in der Schlange herum. Sie würden nur zu gerne schon hochenergetische Elektronen in ihre Fingerchen bekommen, aber Ihr Körper sagt: „Immer mit der Ruhe. Wir müssen das ganz langsam machen, also wartet ab, bis ihr dran seid, und lasst sie erst abkühlen. Wir geben euch eure Elektronen, aber erst nachdem wir die Energie herausgelassen haben und es für euch ungefährlich ist, damit zu spielen.“ Dann werden die Sauerstoffmoleküle ganz sauer und schreien: „Wir kommen zu jedem Zeitpunkt bestens mit solchen Elektronenkraftwerken zurecht!“ Schmollend entdeckt eins der Moleküle vielleicht ein hochenergetisches Elektron, das allein im Freien sitzt. Das Sauerstoffmolekül schaut kurz verstohlen nach links, dann nach rechts, und stürzt sich dann darauf. Ihr Körper ist nicht perfekt, er kann nicht immer alle Sauerstoffmoleküle in Schach halten. Etwa 1 bis 2 Prozent aller hochenergetischen Elektronen, die Ihre Zellen passieren, schlüpfen durchs Netz und können von den Sauerstoffmolekülen abgefangen werden. Wenn ein Sauerstoffmolekül aber ein hochenergetisches Elektron in die Finger bekommt, wird es buchstäblich zum Hulk und verwandelt sich von einem kleinen Sauerstoffmolekül in ein sogenanntes Superoxid, eine Form von freiem Radikal. Ein freies Radikal ist genau das, wonach es klingt: ein Molekül, das instabil, außer Kontrolle und gefährlich reaktionsfreudig ist. Es ist zum Bersten mit Energie vollgepumpt und kann wild in der Zelle herumtoben, wobei es alles über den Haufen werfen und über Ihre DNA stolpern kann.
Wenn das Superoxid mit Ihrer DNA in Kontakt kommt, kann es Ihre Gene beschädigen, die, wenn sie nicht repariert werden, zu Mutationen Ihrer Chromosomen und dadurch zu Krebs führen können. Glücklicherweise ruft Ihr Körper dann sein Verteidigungskommando auf den Plan – die Antioxidantien. Die stürmen heran und rufen: „Lass sofort das Elektron fallen!“ Das Superoxid schreit zurück: „Du willst ein Stück von mir, Prinz Vitamin C? Dann hol’s dir doch!“ Also stürzen sich die Antioxidantien auf das Superoxid, entwinden ihm das hochenergetische Elektron und lassen anstelle unseres Hulks nur ein armes kleines Sauerstoffmolekül mit zerrissenen Hosen zurück.
In wissenschaftlichen Kreisen wird dieses Phänomen, bei dem Sauerstoffmoleküle sich umherirrende hochenergetische Elektronen schnappen und völlig durchdrehen, als oxidativer Stress bezeichnet. Der oben genannten Theorie zufolge ist der daraus entstehende Schaden in den Zellen der eigentliche Grund für das Altern. Altwerden und Krankheiten wurden als die Oxidation des Körpers angesehen. Diese braunen Flecken, die sich auf Ihren Handrücken bilden? Nur oxidiertes Fett unter der Haut. Oxidativer Stress wird als Ursache dafür angesehen, warum wir alle Falten bekommen, unser Erinnerungsvermögen nachlässt und unsere Organsysteme mit weiter fortschreitendem Alter langsam den Geist aufgeben. Der Theorie nach verrosten wir ganz einfach. Sie können diesen oxidativen Prozess aufhalten, indem Sie Lebensmittel essen, die viele Antioxidantien enthalten.
Ob ein Lebensmittel viele Antioxidantien enthält, können Sie daran sehen, was passiert, wenn Sie es aufschneiden und der Luft, also Sauerstoff, aussetzen. Wird es braun, oxidiert es. Denken Sie einfach an zwei der beliebtesten Obstsorten: Äpfel und Bananen. Diese werden schnell braun, also heißt das, dass sie nicht sehr viele Antioxidantien enthalten. (Die meisten Antioxidantien von Äpfeln stecken in der Schale.) Und wenn Sie eine Mango aufschneiden, passiert …? Nichts, da diese jede Menge Antioxidantien enthält. Wie verhindern Sie, dass ein Obstsalat braun wird? Sie mischen Zitronensaft unter, der reichlich Vitamin C, auch ein Antioxidans, enthält. Antioxidantien bewahren Ihr Essen vor dem Oxidieren und tun vermutlich dasselbe in Ihrem Körper. Eine der Krankheiten, die Antioxidantien verhindern können, sind Schlaganfälle.
Schwedische Wissenschaftler beobachteten über dreißigtausend ältere Frauen über einen Zeitraum von etwa zwölf Jahren. Sie fanden heraus, dass die Frauen, die die antioxidantienreichsten Lebensmittel verzehrten, auch das geringste Schlaganfallrisiko hatten. Ähnliche Ergebnisse ermittelte eine Untersuchung mit einer Gruppe jüngerer Männer und Frauen in Italien. Genau wie bei Lungenerkrankungen auch scheinen antioxidantienreiche Nahrungsergänzungsmittel jedoch nicht zu helfen. Die Macht von Mutter Natur lässt sich nicht in eine Pille pressen.
Mit diesem Wissen machten sich Wissenschaftler daran, die Lebensmittel mit der höchsten Antioxidantiendichte zu finden. Ein Team aus sechzehn Wissenschaftlern, die auf der ganzen Welt tätig sind, veröffentlichte eine Datenbank mit der gigantischen Anzahl von über dreitausend Lebensmitteln, Getränken, Kräutern, Gewürzen und Nahrungsergänzungsmitteln und deren Antioxidantiengehalt. Sie testeten alles von Cap’n Crunch Frühstückscerealien bis hin zu den zerstoßenen Blättern des afrikanischen Affenbrot- bzw. Baobabbaums, sowie Dutzende verschiedener Biersorten, um herauszufinden, welche unter ihnen die meisten Antioxidantien enthielten. (Das Samichlaus-Bier der österreichischen Brauerei Eggenberg erstritt sich übrigens den ersten Platz.)
Leider stellt Bier in den USA die viertgrößte Quelle von Antioxidantien aus Lebensmitteln dar. Sie können sich selbst einen Eindruck davon verschaffen, wie Ihre Lieblingslebensmittel und -getränke beim Antioxidantienvergleich abschneiden, indem Sie diesen Link aufrufen: http://bit.ly/antioxidantfoods. Sie müssen sich die 138 Seiten starke Liste aber nicht gleich an Ihren Kühlschrank hängen. Es gibt eine einfache Faustregel: Pflanzliche Lebensmittel enthalten durchschnittlich vierundsechzig Mal mehr Antioxidantien als tierische Lebensmittel.
Die Wissenschaftler formulierten es so: „[A]ntioxidantienreiche Lebensmittel stammen aus dem Pflanzenreich, während Fleisch, Fisch und andere Lebensmittel aus dem Tierreich wenig Antioxidantien enthalten.“ Sogar das am wenigsten gesunde pflanzliche Lebensmittel, das mir einfällt, nämlich der gute alte US-amerikanische Eisbergsalat, der zu 96 Prozent aus Wasser besteht, enthält 17 Einheiten (daμmol, unter Anwendung eines modifizierten FRAP-Assays, ein Verfahren zur Feststellung der antioxidativen Kapazität) antioxidativer Energie.
Einige Beeren enthalten über 1.000 Einheiten, was den Eisbergsalat ziemlich erbärmlich aussehen lässt. Aber vergleichen Sie die 17 Einheiten unseres Eisbergssalats einmal mit denen von frischem Lachs, der gerade einmal 3 enthält. Hühnchen vielleicht? Auch nur 5 Einheiten antioxidativer Energie. Entrahmte Milch oder ein hart gekochtes Ei? Nur 4 Einheiten, und das eigelblose Eiersatzprodukt der Firma Egg Beaters enthält ganze … 0 Einheiten. „Eine Ernährung, die hauptsächlich aus Lebensmitteln tierischen Ursprungs besteht, hat daher einen niedrigen Antioxidantiengehalt,“ schlussfolgerte das Team, „während eine Ernährung, die hauptsächlich auf pflanzlichen Lebensmitteln basiert, reich an Antioxidantien ist, was den Tausenden bioaktiven, antioxidativen Phytochemikalien geschuldet ist, die in Pflanzen vorkommen und in vielen Lebensmitteln und Getränken konserviert werden.“
Sie müssen sich nicht wie ein Vögelchen ganz bestimmte Nahrungsmittel herauspicken, um ihre Antioxidantienaufnahme zu steigern, auch wenn z. B. Kirschen bis zu 714 Einheiten enthalten. Versuchen Sie einfach zu jeder Mahlzeit eine Auswahl an verschiedenem Obst, Gemüse, Kräutern und Gewürzen zu essen. Auf diese Weise können Sie Ihren Körper kontinuierlich mit Antioxidantien versorgen und dabei Schlaganfällen und anderen altersbedingten Krankheiten vorbeugen.
Eine Prise Antioxidantien
Die Lebensmittelkategorie mit dem höchsten Antioxidantiengehalt sind Kräuter und Gewürze. Nehmen wir an, Sie kochen eine schöne Portion gesunder Vollkornpasta mit Marinara-Soße. Zusammen enthält dieses Gericht wahrscheinlich etwa 80 Einheiten antioxidativer Energie; etwa 20 von der Pasta und 60 von der Soße. Wenn Sie noch eine Handvoll Brokkoliröschen einrühren, haben Sie ein köstliches Gericht mit etwa 150 Einheiten. Nicht schlecht. Streuen Sie jetzt noch etwa einen Teelöffel getrockneten Oregano oder Majoran, den süßeren und milderen Verwandten von Oregano, darüber. Das allein kann den Antioxidantiengehalt Ihrer Mahlzeit auf über 300 Einheiten verdoppeln.
Wie wäre es mit einer Schüssel Haferbrei zum Frühstück? Mit nur einem halben Teelöffel Zimt können Sie den Antioxidantiengehalt dieser Mahlzeit von 20 auf 120 Einheiten erhöhen. Wenn Sie den Geschmack mögen, können Sie noch eine Prise Nelken hinzufügen und mit Ihrem unprätentiösen Frühstück bis zu 160 Einheiten antioxidativer Energie abräumen.
Pflanzenbasierte Gerichte sind bereits von sich aus reich an Antioxidantien, ein paar Kräuter und Gewürze aber können daraus noch gesündere Mahlzeiten werden lassen. Eine antioxidantienreiche Ernährung scheint gegen Schlaganfälle zu helfen, indem sie das Zirkulieren oxidierter Fette im Blutkreislauf verhindert, die die empfindlichen Wände kleinerer Blutgefäße im Gehirn beschädigen können. Sie hilft auch dabei, das Verhärten von Arterien zu bekämpfen, der Bildung von Blutgerinnseln vorzubeugen, den Blutdruck zu senken und Entzündungen zu vermeiden. Freie Radikale können Eiweiße in unseren Körpern in solch einem Maß beschädigen, dass unser Immunsystem sie nicht mehr erkennt. Die Entzündungsreaktion, die dadurch ausgelöst wird, kann verhindert werden, wenn wir unserem Körper genug Antioxidantien zuführen. Zwar wirken alle vollwertigen pflanzlichen Lebensmittel entzündungshemmend, doch gibt es einige, die eine stärkere Wirkung als die meisten anderen haben. Antioxidantienreiches Obst und Gemüse wie Beeren und dunkelgrünes Blattgemüse bekämpfen systemische Entzündungen deutlich besser als die gleiche Menge an Obst und Gemüse, das weniger Antioxidantien enthält, wie bspw. Bananen und Kopfsalat. Die Lebensmittel, die wir wählen, bewirken durchaus einen Unterschied.
Alzheimer
Während meiner klinischen Laufbahn war die einzige Krankheit, deren Diagnose ich meinen Patienten noch weniger als die von Krebs eröffnen mochte, Alzheimer. Dies hing nicht nur mit der großen emotionalen Last zusammen, die so eine Diagnose für den oder die Patientin bedeutete, sondern auch mit der für die Angehörigen und Nahestehenden der Person.
Die Alzheimer’s Foundation schätzt, dass etwa fünfzehn Millionen Familienangehörige und Freunde in den USA über fünfzehn Milliarden unbezahlte Stunden damit verbringen, sich um ihre Lieben zu kümmern; die Menschen, die oftmals nicht einmal mehr in der Lage sind, sie zu erkennen.
Trotz der Milliarden Dollar, die in die Forschung fließen, gibt es für diese Krankheit, die unweigerlich zum Tode führt, weder eine Heilung noch eine effektive Behandlung. Kurz gesagt gleicht Alzheimer dem Erreichen eines furchtbaren Krisenzustands – emotional, finanziell und auch wissenschaftlich gesehen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden mehr als dreiundsiebzigtausend Artikel über diese Krankheit veröffentlicht. Das entspricht etwa hundert Arbeiten pro Tag. Dennoch wurde, was die Behandlung der Krankheit oder auch nur ihr Verstehen anbelangt, nur ein sehr geringer klinischer Fortschritt erzielt. Eine vollständige Heilung scheint unmöglich zu sein, da die verlorenen kognitiven Funktionen bei Alzheimer-Patienten aufgrund völlig zerstörter neuronaler Netze nicht wiederherstellbar sind. Tote Nervenzellen lassen sich nicht wiederbeleben. Auch wenn Pharmakonzerne herausfinden, wie sich das Fortschreiten der Krankheit aufhalten lässt, ist der Schaden bei vielen Patienten bereits irreversibel, und die Persönlichkeit wahrscheinlich bereits für immer verloren.
Doch es gibt eine gute Nachricht. Ein leitender Wissenschaftler des Center for Alzheimer’s Research drückte diese mit dem Titel seines Übersichtsartikels folgendermaßen aus: „Alzheimer ist unheilbar, aber vermeidbar.“ Änderungen der Ernährungs- und Lebensweise könnten potenziell jedes Jahr Millionen neuer Fälle vermeiden. Wie? Es gibt zunehmenden Konsens darüber, dass „das, was unserem Herzen guttut, auch gut für unser Gehirn ist,“ da davon ausgegangen wird, dass durch atherosklerotische Plaque verursachte wachsende Verstopfungen von Arterien im Gehirn eine Schlüsselrolle beim Entstehen von Alzheimer spielen. Das überrascht nicht, da das auf die Ernährung abzielende Herzstück der 2014 in der Fachzeitschrift Neurobiology of Aging erschienenen „Dietary and Lifestyle Guidelines for the Prevention of Alzheimer’s Disease“ (Richtlinien zu Ernährung und Lebensweise für die Vermeidung von Alzheimer) verlauten ließ: „Gemüse, Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen und Linsen), Obst und Vollkornprodukte sollten Fleisch-und Milchprodukte als Hauptbestandteile der Ernährung ablösen.“
Ist Alzheimer eine Gefäßerkrankung?
Im Jahr 1901 wurde eine Frau namens Auguste von ihrem Ehemann in eine Irrenanstalt in Frankfurt am Main gebracht. Sie wurde als wahnhafte, vergessliche und verwirrte Frau beschrieben, die „ihre häuslichen Pflichten nicht mehr ausführen konnte.“ Ein Dr. Alzheimer untersuchte sie, und ihr Fall führte dazu, dass Alzheimer weltweit zu einem Begriff wurde.
Nach der Autopsie beschrieb Alzheimer die Plaque und Neurofibrillenbündel in ihrem Gehirn, die typisch für die Krankheit wurden. Doch bei der Begeisterung, eine neue Krankheit entdeckt zu haben, wurde ein wichtiges Anzeichen vermutlich übersehen. Alzheimer schrieb: „Die größeren Hirngefäße sind arteriosklerotisch verändert.“ Er beschrieb also die Verhärtungen der Arterien im Gehirn seiner Patientin. Wir halten Atherosklerose in der Regel für eine Herzerkrankung, doch wurde sie bereits als „omnipräsente Pathologie, die nahezu den gesamten menschlichen Organismus betrifft“ beschrieben. Jedes einzelne Ihrer Organe ist von Blutgefäßen durchzogen, auch Ihr Gehirn. Das Konzept der „kardiogenen Demenz“, das in den 1970er-Jahren zuerst auftauchte, ging davon aus, dass eine unzureichende Durchblutung des alternden Gehirns, das auf Sauerstoffentzug höchst empfindlich reagiert, zum kognitiven Verfall führte. Heute haben wir umfassende Beweise, die deutlich darauf hinweisen, dass atherosklerotische Arterien und Alzheimer miteinander in Zusammenhang stehen.
Autopsien haben wiederholt gezeigt, dass Alzheimer-Patienten deutlich mehr atherosklerotische Plaqueablagerungen und verengte Arterien im Gehirn aufweisen. Der normale Blutfluss durch das Gehirn im Ruhezustand, sprich die Menge des Bluts, das durch das Gehirn fließt, beträgt normalerweise etwa knapp einen Liter pro Minute. Schon mit Beginn des Erwachsenenalters scheinen alle Menschen natürlich etwa ein halbes Prozent dieses Blutflusswertes zu verlieren. Ab einem Alter von fünfundsechzig Jahren kann die Durchblutung schon bis zu 20 Prozent weniger betragen. Während dies allein noch nicht dazu führt, die Gehirnfunktion einzuschränken, kann es Sie dennoch in einen gefährlichen Bereich bringen. Wenn Arterien, die zum Gehirn führen und darin liegen, nach und nach durch cholesterinhaltige Plaque verstopfen, kann dies die Durchblutung drastisch verringern – und damit auch die Menge an Sauerstoff, die zu Ihrem Gehirn transportiert wird. Diese These wird zudem durch die Tatsache gestützt, dass Alzheimer-Patienten gerade in den Arterien, die zum Erinnerungszentrum des Gehirns führen, beträchtliche Arterienverstopfungen hatten.
Im Lichte dieser Erkenntnisse haben einige Experten vorgeschlagen, Alzheimer als Gefäßerkrankung einzustufen. Das Wissen, was sich aus Autopsien sammeln lässt, ist leider begrenzt. Vielleicht hat erst die Demenz einer Person zur Wahl einer schlechten Ernährung geführt und nicht die schlechte Ernährung zur Demenz. Um die Rolle verstopfter Hirnarterien bei der Entstehung von Alzheimer weiter zu untersuchen, beobachteten Wissenschaftler etwa vierhundert Menschen, deren geistige Verfassung sich erst langsam zu verschlechtern begann bzw. die unter bis dahin noch leichten kognitiven Beeinträchtigungen litten. Sie führten spezielle Hirnarterien-Scans durch, um zu erforschen, wie stark die Arterien in den Gehirnen ihrer Patienten bereits verstopft waren. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die kognitiven Fähigkeiten und das tägliche Funktionieren der Patienten, deren Hirnarterien die wenigsten Blockaden aufwiesen, im Verlauf der über vier Jahre angelegten Untersuchung stabil blieben. Währenddessen aber verloren die Patienten mit größeren Blockaden wichtige Hirnfunktionen, und der Zustand derjenigen, deren Arterien die größten Plaqueablagerungen aufwiesen, verschlechterte sich rapide und verdoppelte deren Risiko, eine ausgeprägte Form von Alzheimer zu entwickeln. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass „eine unzureichende Blutzufuhr zum Gehirn äußerst gravierende Auswirkungen auf die Hirnfunktion hat.“
Eine Untersuchung von dreihundert Alzheimer-Patienten fand heraus, dass die Behandlung von Gefäßrisikofaktoren wie bspw. hohes Cholesterin und Bluthochdruck das Fortschreiten der Krankheiten verlangsamen, aber nicht aufhalten kann. Darum ist das Vorbeugen so wichtig. Cholesterin führt nicht nur dazu, dass sich atherosklerotische Plaque in den Hirnarterien bildet, sondern befördert scheinbar auch die Entstehung von amyloider Plaque im Gehirngewebe von Alzheimer-Patienten. Cholesterin ist ein wichtiger Zellbaustein. Aus diesem Grund produziert Ihr Körper bereits selbstständig die Menge davon, die er benötigt. Der Verzehr von zusätzlichem Cholesterin, insbesondere in Form von gesättigten und Transfetten, kann zu einem erhöhten Cholesterinwert in Ihrem Blut führen.
Ein erhöhter Cholesterinwert aber wird nicht nur als primärer Risikofaktor für Herzkrankheiten, sondern ebenfalls einhellig als Risikofaktor für die Entstehung von Alzheimer angesehen. Autopsien haben gezeigt, dass die Gehirne von Alzheimer-Patienten deutlich mehr Cholesterinablagerungen aufweisen als die nicht betroffener Menschen.
Früher glaubten wir, dass das Cholesterin im Gehirn separat von dem Cholesterin im Blut existierte, doch mittlerweile gibt es mehr und mehr Beweise dafür, dass das Gegenteil der Fall ist. Überschüssiges Cholesterin im Blut kann zu überschüssigem Cholesterin im Gehirn führen. Dies wiederum kann die Anhäufung von Amyloid auslösen, das in Alzheimer-Gehirnen auftritt. Unter einem Elektronenmikroskop lässt sich die Ansammlung von Amyloid-Fasern auf und um winzige Cholesterinkristalle herum erkennen.
Tatsächlich haben moderne bildgebende Systeme wie z. B. PET-Scans einen direkten Zusammenhang zwischen der Menge an LDL bzw. „bösem“ Cholesterin im Blut und der Ansammlung von Amyloid im Gehirn sichtbar gemacht. Pharmakonzerne hofften diesen Zusammenhang finanziell ausnutzen und cholesterinsenkende Statin-Medikamente zur Vorbeugung von Alzheimer verkaufen zu können. Statine aber können selbst kognitive Störungen verursachen, wie bspw. den Verlust des Kurzzeit- und Langzeitgedächtnisses. Bei Menschen, die ihre Ernährung nicht ändern wollen, überwiegen die Vorteile von Statinen deren Nachteile, doch ist es gesünder, den Cholesterinwert auf natürliche Weise mit einer gesünderen Ernährung zu senken, die gleichzeitig Herz, Gehirn und Geist schützt.
Genetik oder Ernährung?
Diese mit der Ernährung zusammenhängende Theorie mag überraschen, da die Boulevardpresse Alzheimer meist als genetische Krankheit darstellt. Deren Berichterstattung zufolge liegt es an Ihren Genen und nicht an Ihren Lebensgewohnheiten, ob Sie der Krankheit zum Opfer fallen oder nicht. Wenn Sie sich allerdings die Verteilung von Alzheimer-Fällen auf der Welt anschauen, beginnt dieses Argument bereits zu bröckeln.
Die Alzheimerraten unterscheiden sich weltweit bis zu zehnfach; auch dann, wenn berücksichtigt wird, dass einige Bevölkerungsgruppen länger leben als andere. Im ländlichen Pennsylvania z. B. erkranken von
einhundert älteren Menschen sehr wahrscheinlich durchschnittlich etwa neunzehn in den nächsten zehn Jahren an Alzheimer. Diese Zahl läge allerdings nur bei etwa drei von einhundert, wenn es um ältere Menschen im ländlichen Ballabgarh in Indien ginge.
Aber woher wissen wir, dass einige Bevölkerungsgruppen nicht einfach genetisch anfälliger sind als andere? Durch Migrationsstudien, bei denen dieselben ethnischen Gruppen in ihrer Heimat und an ihrem momentanen Aufenthaltsort verglichen werden. So sind die Alzheimer-Raten japanischer Männer, die in den USA leben, deutlich höher als die von Japanern aus Japan. Die Alzheimer-Raten unter Afrikanern in Nigeria sind bis zu viermal niedriger als die von Afroamerikanern in Indianapolis in den USA.
Warum erhöht das Leben in den USA das Demenzrisiko? Die wissenschaftlichen Erkenntnisse legen nahe, dass die Antwort bei der US-amerikanischen Ernährungsweise liegt. Natürlich müssen Sie in unserer heutigen globalisierten Welt nicht in den Westen ziehen, um einer westlichen Ernährungsweise zu folgen. In Japan haben sich in den letzten Jahrzehnten die Alzheimer-Fälle immer mehr gehäuft. Es wird davon ausgegangen, dass dies mit dem Wechsel von einer Ernährung, die traditionell auf Reis und Gemüse basierte, hin zu einer Ernährung, in der dreimal so viele Milchprodukte und sechsmal so viel Fleisch verzehrt wird, zusammenhängt. Der engste Zusammenhang, den Wissenschaftler zwischen Ernährung und Demenz herstellen konnten, war der Konsum von tierischen Fetten: Dieser schoss zwischen 1961 und 2008 um fast 600 Prozent in die Höhe.
Eine ähnliche Entwicklung, die auf einen Zusammenhang zwischen Ernährung und Demenz hinwies, wurde in China festgestellt. Durch den Exportschlager „westliche Ernährung“ wird erwartet, dass die Alzheimer-Raten weiterhin steigen, schreibt einer der Wissenschaftler im Journal of Alzheimer’s Disease, „es sei denn, die Ernährungsgewohnheiten ändern sich dahingehend, dass sie weit weniger auf tierischen Produkten basieren. …“
Die niedrigsten validierten Alzheimer-Raten der Welt wurden im ländlichen Indien96 gefunden, wo die Menschen sich traditionell von pflanzlichen Lebensmitteln, hauptsächlich Getreide und Gemüse, ernähren. In den USA scheinen diejenigen, die kein Fleisch (einschließlich Geflügel und Fisch) verzehren, ein nur halb so großes Demenzrisiko zu haben. Je länger auf Fleisch verzichtet wird, umso geringer kann das Demenzrisiko ausfallen. Im Vergleich mit den Menschen, die mehr als viermal pro Woche Fleisch essen, haben diejenigen, die sich seit dreißig Jahren oder länger vegetarisch ernähren, ein dreimal niedrigeres Risiko, an Demenz zu erkranken.
Doch spielen hier bestimmt auch genetische Faktoren eine Rolle, oder nicht? Ja. In den 1990er-Jahren entdeckten Wissenschaftler eine Genvariante namens Apolipoprotein E4, oder ApoE4, das Menschen anfälliger dafür macht, Alzheimer zu entwickeln. Jeder trägt eine bestimmte Form von ApoE in sich, aber etwa einer von sieben Menschen hat eine Kopie des E4-Gens, das mit der Krankheit in Zusammenhang steht. Es wurde bewiesen, dass Personen, die das ApoE4-Gen von ihrer Mutter oder ihrem Vater erben, ein bis zu dreimal so hohes Alzheimer-Risiko haben können. Wer das ApoE4-Gen von beiden Eltern vererbt bekommt, was bei etwa einer von fünfzig Personen der Fall ist, hat ein bis zu neunmal so hohes Alzheimer-Risiko.
Was bewirkt dieses ApoE-Gen? Es führt zur Produktion der Eiweiße, die im Gehirn als primäre Cholesterinträger fungieren. Die E4-Variante führt sehr wahrscheinlich zu einer abnormalen Akkumulation von Cholesterin in den Gehirnzellen, was die Alzheimer-Krankheit auslösen könnte. Dieser Mechanismus könnte das sogenannte „nigerianische Paradox“ erklären. Die ApoE4-Variante tritt am häufigsten bei Nigerianern auf, die überraschenderweise aber gleichzeitig eine der niedrigsten Alzheimer-Raten aufweisen. Moment! Die Bevölkerungsgruppe mit der höchsten Rate des „Alzheimer-Gens“ hat gleichzeitig eine der niedrigsten Alzheimer-Erkrankungsraten? Dieser Widerspruch lässt sich wohl am besten mit den extrem niedrigen Cholesterinblutwerten von Nigerianern erklären, deren Ernährung sehr wenig tierische Fette104 enthält und hauptsächlich auf Getreide und Gemüse basiert.105 Die Ernährung, scheint es, kann die Gene also austricksen.
In einer Untersuchung mit eintausend Probanden über den Zeitraum von zwei Jahrzehnten wurde wenig überraschend herausgefunden, dass sich das Alzheimerrisiko beim Vorkommen des ApoE4-Gens mehr als verdoppelte. Bei denselben Probanden wurde dieses Risiko durch hohe Cholesterinblutwerte allerdings nahezu verdreifacht. Die Wissenschaftler vermuten, dass das Kontrollieren solcher Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Cholesterin das Alzheimer-Risiko beträchtlich senken könnte – von einem etwa neunfachen Risiko mit dem gefürchteten doppelläufigen ApoE4 auf ein nur doppelt so hohes Risiko.
Viel zu oft haben Ärzte und Patienten eine fatalistische Herangehensweise, wenn es um chronische degenerative Erkrankungen geht. Alzheimer ist dabei keine Ausnahme. „Es liegt an Ihren Genen“, sagen sie, „und es wird passieren, was passieren muss.“ Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass auch wenn Sie genetisch mit schlechten Karten ausgestattet wurden, Sie diese mit einer gesunden Ernährung neu mischen können.
Alzheimer mit pflanzlicher Kost vorbeugen
Alzheimer tritt oft als Krankheit älterer Menschen in Erscheinung. Genau wie Herzerkrankungen und viele Krebsarten aber ist es eine Krankheit, die sich zum Teil über Jahrzehnte hinweg entwickelt. Auch wenn Sie mittlerweile den Eindruck haben, dass meine Platte einen Sprung hat (oder mein MP3-Spieler in der Wiederholungsschleife festhängt): Es ist nie zu spät, damit anzufangen, sich gesund zu ernähren. Die Entscheidungen, die Sie jetzt in puncto Ernährung treffen, können Ihre Gesundheit, und zwar auch die Ihres Gehirns, in noch viel späteren Lebensjahren beeinflussen.
Die meisten Alzheimer-Patienten bekommen die Diagnose erst, wenn sie über siebzig Jahre alt sind. Doch wir wissen heute, dass sich der Zustand ihrer Gehirne schon viel früher verschlechtert hat. Auf Grundlage Tausender Autopsien war es Pathologen scheinbar möglich, die Frühstadien von Alzheimer zu entdecken – Knäuel bzw. Neurofibrillenbündel im Gehirn – bei der Hälfte aller Menschen über fünfzig und sogar bei 10 Prozent von Menschen in den Zwanzigern.
Die gute Nachricht ist jedoch, dass sich die klinische Manifestation von Alzheimer, genau wie auch die von Herzkrankheiten, Lungenkrankheiten und Schlaganfällen, wahrscheinlich vermeiden lässt. Die Richtlinien zur Vermeidung von Alzheimer empfehlen eine pflanzenbasierte Ernährung auf Grundlage der Lebensmittel, zu denen geraten, und derjenigen, von denen abgeraten wird. Eine mediterrane Ernährungsweise z. B., bei der mehr Gemüse, Bohnen, Obst und Nüsse und weniger Fleisch und Milchprodukte verzehrt werden, wurde mit einem langsameren kognitiven Verfall und einem geringeren Alzheimer-Risiko in Verbindung gebracht.
Als die Wissenschaftler versuchten, die schützenden Faktoren herauszufiltern, schienen die ausschlaggebenden Zutaten der hohe Gemüseanteil und das geringere Verhältnis von gesättigten zu ungesättigten Fetten bei dieser Ernährungsweise zu sein. Dieses Ergebnis deckt sich mit dem der Harvard Women’s Health Study, bei der herausgefunden wurde, dass eine erhöhte Aufnahme gesättigter Fette (hauptsächlich aus Milch- und Fleischprodukten sowie industriell verarbeiteten Lebensmitteln) mit einem deutlich schlechteren Entwicklungsverlauf in puncto Kognition und Gedächtnis in Zusammenhang stand. Die Frauen mit dem höchsten Verzehr gesättigter Fette hatten eine 60 bis 70 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, im Laufe der Zeit mit einer Verschlechterung ihrer kognitiven Leistungen rechnen zu müssen. Die Frauen mit dem geringsten Verzehr gesättigter Fette zeigten im Vergleich dazu eine Gehirnleistung, die der von durchschnittlich sechs Jahre jüngeren Frauen glich.
Die Vorteile einer pflanzenbasierten Ernährung mögen zum Teil auch bei den Pflanzen selbst liegen. Ganze, vollwertige pflanzliche Lebensmittel enthalten Tausende Komponenten mit antioxidativen Eigenschaften. Einige davon können die Blut-Hirn-Schranke passieren und wirken vermutlich neuroprotektiv,115 indem sie freie Radikale abwehren (siehe Seite 46) und somit das Gehirn vor dem „Verrosten“ schützen. Ihr Gehirn mag nur zwei Prozent Ihres gesamten Körpergewichts ausmachen, verbraucht aber bis zu 50 Prozent des Sauerstoffs, den Sie einatmen, was potenziell zur Freisetzung eines ganzen Feuersturms an freien Radikalen führen könnte.
Spezielle antioxidative Pigmente in Beeren und dunkelgrünem Blattgemüse machen diese Lebensmittel höchstwahrscheinlich zu den „brain foods“ aus dem Reich von Obst und Gemüse. Die erste Humanstudie, die zeigte, dass Heidelbeeren das Erinnerungsvermögen bei älteren Erwachsenen, die eine frühe Verschlechterung ihrer kognitiven Fähigkeiten zeigten, verbessert, wurde 2010 veröffentlicht. Im Jahr 2012 konnte die Harvard University diese Ergebnisse quantifizieren, indem sie Daten der Nurses’ Health Study verwendeten, die die Ernährungsweisen und Gesundheit von sechzehntausend Frauen seit 1980 untersuchte. Sie fanden heraus, dass Frauen, die mindestens eine Portion Heidelbeeren und zwei Portionen Erdbeeren pro Woche verzehrten, im Vergleich mit denen, die keine Beeren aßen, langsamere Raten eines kognitiven Verfalls zeigten; und zwar bis zu zweieinhalb Jahre. Diese Ergebnisse legen nahe, dass schon eine Handvoll Beeren täglich, eine so einfache wie gesunde kleine Maßnahme, das Altern Ihres Gehirns um mehr als zwei Jahre verlangsamen kann.
Sogar das Trinken von Obst- und Gemüsesäften kann hilfreich sein. Eine Untersuchung, die fast zweitausend Personen über einen Zeitraum von acht Jahren begleitete, fand heraus, dass Menschen, die regelmäßig Obst- und Gemüsesäfte tranken, scheinbar ein bis zu 76 Prozent geringeres Risiko hatten, Alzheimer zu entwickeln. „Obst- und Gemüsesäfte scheinen eine wichtige Rolle bei der Verzögerung der Entwicklung von Alzheimer zu spielen“, folgerten die Wissenschaftler, „ und zwar besonders unter denjenigen, bei denen ein hohes Risiko besteht, diese Krankheit zu bekommen.“
Die Wissenschaftler vermuten, dass die dafür verantwortlichen aktiven Inhaltsstoffe eine Art leistungsstarker Antioxidantien namens Polyphenole sind, die im Gehirn wirken. Sollte das tatsächlich der Fall sein, dann ist der Saft dunkler Concord-Trauben die beste Fruchtsaftwahl, obwohl ganze Früchte einem Saft generell vorzuziehen sind. Concord-Trauben haben allerdings nicht immer Saison, also halten Sie auch nach Cranberries Ausschau, die ebenfalls voller Polyhenole und gefroren das ganze Jahr über erhältlich sind. (Im zweiten Teil des Buchs finden Sie mein Rezept für Pink Juice, einen vollwertigen Cranberry-Cocktail, der fünfundzwanzigmal weniger Kalorien und mindestens achtmal so viele Phytonährstoffe enthält wie herkömmlicher Cranberry-„Saft“ aus dem Laden. Siehe Seite 140.) In In-Vitro-Untersuchungen wurde herausgefunden, dass Polyphenole abgesehen von ihrer antioxidativen Wirkung die Nervenzellen auch schützen, indem sie die Bildung von Plaque und Neurofibrillenbündeln verhindern, die charakteristisch für die Pathologie von Alzheimer-Gehirnen sind. Theoretisch könnten sie auch Metalle „herausziehen,“ die sich in bestimmten Hirnregionen ablagern und bei der Entwicklung von Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle zu spielen scheinen. Polyphenole sind einer der Gründe dafür, dass ich im zweiten Teil dieses Buches besonders Beeren und grünen Tee empfehle.
Alzheimer mit Safran behandeln
Trotz der Milliarden, die in die Alzheimer-Forschung fließen, gibt es keine effektive Behandlungsmöglichkeit, um die Krankheit in ihrem Verlauf zu stoppen. Es gibt allerdings Mittel, die dabei helfen, die Symptome unter Kontrolle zu halten. Einige davon gibt es sogar im Lebensmittelgeschäft um die Ecke.
Auch wenn anekdotenhafte Fallstudien von einigen bemerkenswerten Vorteilen bei der Verwendung des Gewürzes Kurkuma berichten, hat wissenschaftlichen Ergebnissen zufolge bei der Behandlung von Alzheimer mit Gewürzen Safran, das aus der Blüte des Crocus sativus gewonnen wird, die Nase vorn. Das bestätigte eine Doppelblindstudie, die zeigte, wie Safran dabei hilft, die Symptome von Alzheimer zu lindern. Bei dieser sechzehnwöchigen Untersuchung zeigten Alzheimer-Patienten mit einer leichten bis moderaten Demenz, die Safrankapseln einnahmen, im Durchschnitt deutlich bessere kognitive Leistungen als die Gruppe von Patienten, denen ein Placebo verabreicht wurde.
Wie aber schneidet Safran im Vergleich zu dem meist verbreiteten Alzheimer-Medikament auf dem Markt, Donepezil (gemeinhin unter dem Namen Aricept vertrieben), ab? Eine zwanzigwöchige Doppelblindstudie, bei der weder die Wissenschaftler noch die Patienten vor der Auswertung der Ergebnisse wussten, welche Gruppe das Medikament und welche das Gewürz verabreicht bekam, fand heraus, dass Safran bei der Behandlung von Alzheimer-Symptomen genauso wirksam wie das auf dem Markt führende Medikament ist. Leider sagt es nicht viel aus, wenn ein Gewürz genauso gut wie ein Medikament wirkt, aber wenigstens müssen die Patienten sich damit nicht den Nebenwirkungen des Arzneimittels aussetzen, die typischerweise Übelkeit, Erbrechen und Durchfall einschließen.
Zwar gibt es bisher noch keine bewährte Methode, um das Fortschreiten von Alzheimer aufzuhalten, doch wenn Sie jemanden kennen, der an der Krankheit leidet, ist es vielleicht hilfreich, ihm oder ihr regelmäßig eine leckere Paella mit Safran zu kochen.
Gerontotoxine
Jeder von uns trägt etliche Milliarden Kilometer DNA mit sich herum – genug, um einhunderttausendmal die Strecke zum Mond und zurück hinter sich zu bringen, wenn Sie jeden Strang auseinanderdrehen und ein Ende an das andere legen würden. Wie schafft es unser Körper, dass sich nicht alles gnadenlos verheddert? Dafür sind Enzyme namens Sirtuine verantwortlich, die dafür sorgen, dass unsere DNA immer schön ordentlich um spulenartige Eiweiße herum aufgewickelt bleibt. Auch wenn sie erst vor Kurzem entdeckt wurden, gehören Sirtuine zu einem der vielversprechendsten Bereiche der Medizin, da sie ein gesundes Altern und ein langes Leben zu fördern scheinen. Autopsiestudien zeigen, dass eine verminderte Sirtuinaktivität eng mit den typischen Merkmalen der Alzheimer-Krankheit zusammenhängt, sprich der Anhäufung von Plaque und Neurofibrillenbündeln im Gehirn. Es wird davon ausgegangen, dass Alzheimer die Aktivität dieser äußerst wichtigen Enzyme unterdrückt.
Die Pharmaindustrie ist dabei, Medikamente zu entwickeln, die die Sirtuin-Aktivität erhöhen. Warum stattdessen nicht versuchen, zuallererst die Unterdrückung der Enzymaktivität zu unterbinden? Sie können das z. B. tun, indem Sie versuchen, möglichst wenig fortgeschrittene Glykierungsendprodukte (englisch advanced glycation end products, kurz AGEs) mit Ihrer Ernährung aufzunehmen. AGE (englisch Alter) ist eine passende Abkürzung, da diese Substanzen auch als „Gerontotoxine,“ d. h. Toxine bzw. Giftstoffe, die das Altern beschleunigen, angesehen werden (vom griechischen geros, Greis, wie in „geriatrisch“). AGEs scheinen den Alterungsprozess zu beschleunigen, indem sie Eiweiße miteinander verketten und dadurch Gewebesteifheit, oxidativen Stress und Entzündungen verursachen. Dieser Prozess spielt vermutlich bei der Kataraktbildung und Makuladegeneration im Auge sowie bei Schädigungen der Knochen, Nieren, des Herzens und der Leber eine Rolle.1 AGEs scheinen auch das Gehirn zu beeinträchtigen, indem sie das langsame Schrumpfen des Gehirns beim Altern beschleunigen und die körpereigene Sirtuin-Abwehr unterdrücken.
Ältere Erwachsene mit hohen AGE-Werten im Blut oder Urin scheinen mit der Zeit einen beschleunigten Verlust ihrer kognitiven Fähigkeiten hinnehmen zu müssen. Erhöhte AGE-Werte wurden auch in den Gehirnen von Alzheimer-Patienten gefunden. Woher kommen diese AGEs? Einige werden natürlich im Körper produziert und auch wieder unschädlich gemacht, doch neben Zigarettenrauch sind die größten AGE-Verursacher „Fleisch und Fleischprodukte“, die unter Verwendung trockener Hitze zubereitet werden. AGEs entstehen vor allem dann, wenn fett- und eiweißreiche Lebensmittel hohen Temperaturen ausgesetzt werden. Es wurden bereits über fünfhundert verschiedene Lebensmittel auf ihren AGE-Gehalt getestet, von Kaffee über Big Macs bis hin zu anderen typischen US-amerikanischen Junk-Food-Produkten wie Hot Pockets oder Jell-O. Durchgängig wiesen Fleisch, Käse und andere industriell hoch verarbeitete Lebensmittel den höchsten AGE-Gehalt auf, während Getreide, Bohnen, Brot, Gemüse, Obst und Milch den geringsten AGE-Gehalt hatten.
Die zwanzig Lebensmittel, die pro getesteter Portion am meisten mit AGEs kontaminiert waren, waren verschiedene Marken folgender Produkte:
1. BBQ-Hähnchen
2. Bacon
3. gegrillter Hot Dog
4. gebratene Hähnchenschenkel
5. gebratene Hähnchenkeule
6. pfannengebratenes Steak
7. ofengeröstete Hühnerbrust
8. frittierte Hühnerbrust
9. pfannengebratene Steakstreifen
10. McDonald’s panierte Hühnerbruststreifen
11. pfannengebratener Putenburger
12. BBQ-Hähnchen
13. ofengebackener Fisch
14. McDonald’s Chicken McNuggets
15. Broiler
16. pfannengebratener Putenburger
17. Backhähnchen
18. pfannengebratener Putenburger
19. gekochter Hot Dog
20. gegrilltes Steak151
Sie haben das Muster erkannt.
Ja, die Zubereitungsmethode macht etwas aus. Ein gebackener Apfel enthält dreimal so viele AGEs wie ein roher und ein gebratener Hot Dog mehr als ein gekochter. Aber das Lebensmittel selbst ist am ausschlaggebendsten: Ein gebackener Apfel hat im Vergleich zu den 13 AGE-Einheiten eines rohen Apfels ganze 45 AGE-Einheiten. Ein gebratener Hot Dog aber enthält im Vergleich zu den 6.736 Einheiten eines gekochten ganze 10.143 Einheiten. Die Wissenschaftler empfehlen daher, Zubereitungsweisen mit feuchter Hitze vorzuziehen, wie z. B. Dämpfen oder Schmoren. Doch auch gekochter Fisch enthält noch über zehnmal mehr AGEs als eine Süßkartoffel, die eine Stunde lang geröstet wurde.
Fleisch enthält etwa zwanzigmal mehr AGEs als stark industriell verarbeitete Lebensmittel wie bestimmte Frühstücksflocken und etwa 150-mal mehr als frisches Obst und Gemüse. Geflügel war am schädlichsten, da es bis zu 20 Prozent mehr AGEs als Rindfleisch enthielt. Die Wissenschaftler schlussfolgerten daraus, dass sogar eine moderate Senkung des Fleischkonsums die tägliche Aufnahme von AGEs realistisch halbieren könnte.
Da sich das Unterdrücken der Sirtuin-Aktivität durch das Vermeiden von AGEs sowohl vermeiden wie auch rückgängig machen lässt, wird der Verzicht auf Lebensmittel mit einem hohen AGE-Gehalt als eine möglicherweise neue Strategie dafür angesehen, die Alzheimer-Epidemie zu bekämpfen.
Kognitiven Verfall mit Sport aufhalten?
Es gibt aufregende Neuigkeiten für die Menschen, die an der Schwelle dazu stehen, ihre geistigen Fähigkeiten einzubüßen. 2010 wurden in den Archives of Neurology die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, bei der Wissenschaftler eine Gruppe von Probanden mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen zusammenstellten (die z. B. begannen, Dinge zu vergessen, oder sich ständig selbst wiederholten) und diese über sechs Monate hinweg jeweils an vier Tagen pro Woche ein fünfundvierzig bis sechzig Minuten dauerndes aerobes Training absolvieren ließen. Die Kontrollgruppe sollte in derselben Zeit lediglich Dehnübungen durchführen. Vor und nach der Studie wurden Gedächtnistests durchgeführt. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass sich die kognitiven Fähigkeiten der Kontrollgruppe (Dehnübungen) weiterhin verschlechterten. Der Sport treibenden Gruppe ging es nicht nur nicht schlechter, sondern sogar besser. Nach sechs Monaten gaben diese Teilnehmer mehr richtige Testantworten, was darauf hindeutet, dass sich ihr Gedächtnis verbessert hatte.
Nachfolgende Untersuchungen mit MRI-Scans ergaben, dass ein aerobes Training tatsächlich das altersbedingte Schrumpfen der Gedächtniszentren des Gehirns rückgängig machen kann. Eine solche Wirkung wurde weder bei den Kontrollgruppen beobachtet, die Dehn- und Straffungsübungen durchführten, noch bei denen, die ein nicht-aerobes Krafttraining absolvierten. Ein aerobes Training kann dabei helfen, die Hirndurchblutung und dadurch die Gedächtnisleistung zu verbessern und das Hirngewebe zu schützen.
Seien wir ehrlich: Ein Leben ohne Erinnerungen ist kein sehr schönes Leben. Egal ob diese Erinnerungen alle auf einmal durch einen massiven Schlaganfall verloren gehen, langsam von Minischlaganfällen, die kleine Löcher im Gehirn hinterlassen, ausradiert oder von innen durch degenerative Krankheiten wie Alzheimer ausgelöscht werden: Eine gesündere Lebens- und Ernährungsweise kann dabei helfen, einige der schlimmsten Risikofaktoren zu beseitigen, die für die schwerwiegendsten Hirnkrankheiten verantwortlich sind.
Es ist allerdings wichtig, schon früh damit zu beginnen. Ein hoher Cholesterinspiegel und Bluthochdruck können Ihr Gehirn schon dann schädigen, wenn Sie noch in Ihren Zwanzigern sind. Wenn Sie die Sechziger und Siebziger erreicht haben und dieser Schaden sichtbar wird, kann es schon zu spät sein.
Wie so viele andere Organe hat auch das Gehirn die fast wunderbare Fähigkeit, sich selbst zu heilen, neue synaptische Verbindungen um alte herum zu bauen, zu lernen und umzulernen – aber nur, wenn Sie es nicht dreimal täglich aufs Neue verletzen. Eine vollwertige Ernährung und Sport können die beste Möglichkeit dafür sein, auch bis ins hohe Alter geistig und körperlich fit zu bleiben.
Dankenswerterweise kann ich dieses Kapitel positiver beenden, als ich es begonnen habe. Meine Mutter und mein Bruder Gene verfolgen nun beide eine gesunde, pflanzenbasierte Ernährung, und trotz unserer Familiengeschichte treten bei meiner Mutter keine Anzeichen dafür auf, einer derselben Hirnkrankheiten zum Opfer zu fallen, an denen ihre Eltern starben. Auch wenn Gene und ich wissen, dass wir sie eines Tages verlieren werden, hoffen wir, dass wir sie dank ihrer neuen gesunden Ernährungsweise erst dann verlieren, nachdem sie gestorben ist.
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