Selbstliebe: Wie Sie dem eigenen Herzen folgen

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3. Kapitel
Wie Sie dem eigenen Herzen folgen
Ja zu Gefühlen sagen, Wut haben, auf denKörper hören


»Wir können niemals das Leben anderer beurteilen, denn jeder weiß um den eigenen Schmerz und Verzicht. Du kannst für dich sagen, dass du auf dem rechten Weg bist; doch es ist etwas anderes, wenn du sagst, es sei der einzige Weg. Die barmherzige Seele zu spielen war nur etwas für die, die Angst hatten, im Leben Stellung zu beziehen. Es ist immer einfacher, an die eigene Güte zu glauben, als den anderen die Stirn zu bieten und für die eigenen Rechte zu kämpfen. Es ist immer einfacher, eine Beleidigung stillschweigend hinzunehmen, als den Mut aufzubringen, gegen jemand Stärkeren zu kämpfen.«

Paulo Coelho


Paulo Coelho hat mir, Eva, mit seinen Worten o den Weg gewiesen. Seine Eltern haben ihn als Kind mehrfach in eine psychiatrische Klinik einweisen und mit Elektroschocks behandeln lassen, um ihn von seinen »verrückten« Gedanken zu »heilen«.


Er hat bis heute gottseidank nicht davon abgelassen, diese verrückten Gedanken in seine Millionenbestseller zu schreiben. Es ist für eine erfüllende Beziehung und Ihre innere Gesundheit lebenswichtig, dass Sie Ihr Herz ausdrücken, auch wenn andere Sie für verrückt halten oder sich deswegen zurückziehen.


Es gab immer ein Entweder-oder. Entweder blieb ich und würde langsam verkümmern wie eine P anze ohne Wasser – oder ich würde gehen und die Familie zerstören, meinen einstigen Traum davon aufgeben, etwas mit meinem Mann zu versuchen, was mir noch mit niemandem je gelungen war.


Ich hatte das Gefühl, langsam zu zerreißen – bis ich schließlich der eigenen inneren Anspannung nicht mehr standhalten konnte: Ich war gezwungen loszulassen – ich konnte nicht mehr analysieren, nicht mehr beschuldigen, nicht mehr verstehen und nicht mehr rationalisieren. Ich saß vor meinem Mann, und aus mir floss alles heraus – alle Gefühle, alle Ängste, alle Heimlichkeiten, alle Sehnsüchte und mein trauriges Verlangen nach Trennung. Ich redete und redete, bis dieser Strom von selbst verebbte – dann auf einmal konnte ich ihn wieder mit klaren, tränenentleerten Augen ansehen, und etwas völlig Absurdes geschah: Ich fühlte mich mit mir verbunden, und ich fühlte mich meinem Mann zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder verbunden.


Es herrschte eine tiefe Stille zwischen uns, und ein seltsames, leises Gefühl von Wahrhaftigkeit und Zusammengehörigkeit stellte sich ein. Ein Gefühl, das wir seit Jahren nicht mehr gehabt hatten – ein leises Gefühl von »Es könnte gehen, vielleicht könnte es doch gehen …«


Was mussten wir für einen Albtraum erleben, damit sich dieses Gefühl wieder zeigen konnte! Aber keiner von uns beiden hatte sich vorher freiwillig bewegt. Erst musste sich eine so ungeheuerliche Druckwelle au auen. Erst mussten wir über Trennung reden. Erst dann sind wir meist wirklich bereit, unsere Seele wieder zu hören.

Die Treue zu Ihrem Herzen ist wichtiger als jede andere Beziehung

»Manchmal fällt es euch schwer, den Unterschied zwischen Herz und Ego zu erkennen. Was aus dem Herzen kommt, ist das, was bei einer Entscheidung dem Wohle aller Beteiligten dient. Wie wisst ihr, was nützlich und förderlich ist, wenn ihr keinen Überblick habt? Werdet einfach still, fragt euch innerlich und horcht auf das Gefühl. Das Gefühl von Frieden und Wohlbe nden ist eure Antwort.«

P’taah


P’taah, der diese Worte durch ein Medium namens Jani King in die Welt gebracht hat, ist ein geistiges Wesen. Vielleicht halten Sie sowas ja für Quatsch. Dann fragen Sie sich einfach, wie Sie den Inhalt dieser Botscha finden und ob Sie ihr gern folgen wollen. Ich, Eva, folge seit fast zwanzig Jahren Botschaften aus der geistigen Welt und habe dort grundlegende Weisungen für mein Leben gefunden, ohne meine Begeisterung für schöne Schuhe, Handtaschen und andere allzu irdische Freuden zu verlieren. Folgen Sie Ihrem Herzen und sorgen Sie damit für Ihre ganz eigene, stimmige
Lebensmixtur.


Wenn Sie jetzt regelmäßig Ihre innere Arbeit tun, wird sich tatsächlich unmerklich vieles im Außen verändern, ohne dass Sie aktiv etwas dafür tun müssten. Ihr Leben hebt sich in allen möglichen Bereichen auf eine neue Ebene. Altes löst sich Stück für Stück auf, und Neues kommt hinzu, und zwar ohne dass Sie immer gleich genau sagen könnten: Davon habe ich mich getrennt, und das habe ich erneuert. Aus unserer Erfahrung könnten wir Ihnen sagen, dass die innere Arbeit sich eher so anfühlt wie der nahende Frühling. Hier sprießt plötzlich etwas, da wird es grün, dort bahnt sich ein Pflänzchen den Weg durch den harten Winterboden – und auf einmal, ehe man sichs versieht, ist alles grün und saftig draußen.


Manchmal werden Sie sich wundern, wie entspannt Sie plötzlich reagieren und sich von bestimmten Dingen nicht mehr aus der Ruhe bringen oder ängstigen lassen. Oder Sie sind verblüft , weil etwas Sie einfach nicht mehr stresst, das bisher immer Zündstoff hatte. Oder dass eine lange angespannte Beziehung sich auf einmal entspannt oder Sie endlich in der Lage sind, sie loszulassen. Manchmal geht plötzlich ein Knoten auf, und Dinge kommen in Gang, die lange blockiert waren. Das alles ist die natürliche äußere Widerspiegelung Ihrer inneren Arbeit, und dies kann einen manchmal wirklich überwältigen und mit großem Dank erfüllen.


Das alles sind Geschenke, die zu Ihnen kommen, ohne dass Sie sich anstrengen müssen. Aber für eine Sache müssen Sie da draußen im richtigen Leben einstehen: Sie müssen sich selbst treu sein. Je mehr innere Arbeit Sie tun, desto feiner wird Ihre Wahrnehmung. Und je feiner Ihre Wahrnehmung wird, desto unangenehmer fühlt es sich an, wenn Sie nicht gut auf sich aufpassen, sich wieder zu viel aufzuladen, es wieder zu sehr den anderen recht machen, wieder zu wenig mit sich in Kontakt sind und nicht Ihrem Herzen, sondern der Gewohnheit oder den Vorstellungen anderer folgen.

Wenn ich innere Arbeit mache, muss ich dann nicht auch im äußeren Leben etwas ändern?

Unsere Erfahrung ist, dass Sie nicht umhinkommen, das äußere Leben nach Ihren inneren Entwicklungen und Einsichten neu auszurichten, sonst entsteht eine Art Stau. Es ist, als ob Sie Feuer unter dem Kochtopf machen und gleichzeitig den Deckel zuhalten. Irgendwann werden Sie wohl oder übel Ihren Alltag und Ihre Beziehungen einer Prüfung unterziehen müssen und eine Beziehung vor alle anderen Beziehungen setzen – und zwar die zu Ihrem Herzen. Wenn Sie das tun, werden Sie merken, dass einige Dinge nicht mehr passen.


Da gibt es eine Freundin, mit der konnten Sie jahrelang über alles reden. Aber jetzt haben Sie das Gefühl, unterschiedliche Sprachen zu sprechen und nicht mehr zusammen lachen zu können. Da hatten Sie jahrelang Spaß an etwas, und auf einmal haben Sie keine Lust mehr dazu. Da gab es immer einen Antrieb, einen Ehrgeiz, etwas zu tun, und auf einmal ist der Reiz weg. Vor allem aber merken Sie, dass Sie viele Male und viele Jahre Dinge ausgehalten haben, die Sie jetzt einfach keinen Tag länger ertragen können – sonst ersticken Sie an Ihrer eigenen Wahrheit oder werden krank.


Das Paar ist für einen Tag bei uns zum Paarcoaching. Der Mann ist wütend und im Einzelgespräch mit mir, Wolfram, sehr scharf in seinen Urteilen über seine Frau, die sich in einen anderen verliebt hat. Irgendwann unterbreche ich ihn und frage: »Wenn Sie wirklich ehrlich zu sich wären, was wäre dann anders in Ihrem Leben?« Er guckt verdutzt und schweigt wie ausgebremst. »Ich würde mir wieder ein Motorrad kaufen«, sagt er zaghaft. Dann, nach einer Pause: »Ich würde den Job hinschmeißen oder mich endlich ins Ausland versetzen lassen, wo meine Frau nie hinwollte.« Er setzt sich auf. »Ich würde …« es gibt eine längere Pause, bis ihm eine Kröte förmlich aus dem Hals springt: »Ich würde meiner Frau gestehen, dass ich schon vormittags Pornos gucke, dass ich unser Leben langweilig und unser perfekt aufgeräumtes Zuhause schrecklich finde. Ach, eigentlich ist unsere Ehe schon lange scheiße. Und eigentlich hat meine Frau ja recht, wenn Sie sich einen anderen sucht.«


Den ganzen Tag kommt in den Gesprächen viel auf den Tisch, was keiner von beiden sich selbst eingestanden oder gar dem anderen offenbart hätte. Auch dieses Paar war eins der vielen perfekt funktionierenden Teams, von dem Freunde glaubten, es mit einer Bilderbuchehe zu tun zu haben. Bis sie sich nach einer Brust-OP entschied, dem Kirchenchor beizutreten und sich dort in einen anderen Mann verliebte. »Beim Singen hatte ich auf einmal wieder Gefühle. Mit meinem Chorfreund habe ich über Gott reden können, statt vor dem Fernseher zu sitzen. Ich musste mich nie erklären, aber er verstand alles trotzdem sofort. Alles was in meinem Herzen los war.« Am Ende unseres Coachingtags gingen beide sehr still nach Hause. Wir hatten ihnen geraten, sich erst einmal loszulassen und jeder für sich zu klären, was er eigentlich vom Leben und einer Beziehung erwartet.


Ein halbes Jahr später erreichte uns eine kurze E-Mail von ihm: »Ich sitze gerade in unserem leeren Haus, eben ist der Möbelwagen mit all unseren Sachen abgefahren Richtung Lissabon, wo ich ab Montag meinen neuen Job antrete und unsere ganze Familie mindestens zwei Jahre leben wird. Meine Frau fährt mit den Kindern das Auto runter und ich mein neues Motorrad. Wir wissen nicht, wie es werden wird, aber wir haben ein neues Leben. Danke.«


Wenn der Ehesegen schief hängt, braucht es für viele Paare tatsächlich zuerst einmal die mutige Entscheidung, sich loszulassen und herauszufinden, was dem eigenen Herzen wieder zum Leben verhilft. Das kann beunruhigend sein. Denn wenn Sie nicht mehr wie gewohnt weitermachen – mit was auch immer –, macht Ihnen das wahrscheinlich zuerst Angst. Angst vor dem Unbekannten. Angst, etwas zu wagen. Angst, jemanden zu verlieren. Angst, Sicherheit zu verlieren. Angst zu verletzen. Angst, zum Außenseiter zu werden und allein zu sein. Angst vor der Leere, die sich auftut, wo früher die Gewohnheit war. Angst, langsam eine Meise zu haben und hoffentlich endlich wieder normal zu werden, so wie früher, als alles irgendwie leichter ging.


Kürzlich schrieb ich, Eva, nach einem Coachingabend mit einer kleinen Gruppe von Frauen, die ich über ein halbes Jahr am Telefon begleite, eine E-Mail an die Frauen:


Liebe Frauen, ich habe viel über unseren letzten Abend nachgedacht.
Ich würde Ihnen allen so gern sagen: »Hallo, Sie sind die Schöpferinnen Ihres
Lebens!« Aber Sie müssen schöpfen!!
😉 Beim letzten Mal kam ich mir vor wie eine Kellnerin in einem leckeren Restaurant, die zu ihren Gästen an den Tisch geht und fragt: »Guten Tag, was hätten Sie gern?« Und Sie antworten: »Oh, ich hatte solche Magenbeschwerden von der letzten Schweinshaxe. Ich vertrage Schweinshaxe nicht mehr.« Ich sage: »Möchten Sie heute dann vielleicht etwas anderes? Etwas, das für Sie besser verdaulich ist? Wir haben köstlichen frischen Fisch oder leckeren Apfelkuchen zum Nachtisch.« Sie antworten: »Ach ja, das hört sich gut an. Aber ich glaube, ich nehme doch wieder die Schweinshaxe.« Na, und dann gucke ich als Kellner verwundert, gebe Ihre immer gleiche Bestellung in die Küche und ahne, dass Sie sich wieder den Magen verderben. Das macht mich traurig, weil ich doch weiß, dass es so viele Köstlichkeiten für Sie auf der Karte gäbe, die Ihnen besser bekämen.


Warum tun Sie das? Warum »essen« Sie immer wieder etwas, das Ihnen nicht bekommt? Ganz einfach deshalb, weil Sie nichts anderes gelernt haben. Sie sind im Zweifel seit Kindertagen daran gewöhnt, dass es sich nicht gut anfühlt und Ihnen tief im Inneren nicht wirklich bekommt, wenn Sie mit Menschen in Kontakt kommen und Ihre Liebe teilen möchten. Deshalb ist es jetzt dringend nötig, dass Sie eine Entscheidung treffen – die NIEMAND ANDERS für Sie treffen kann: Will ich mal etwas Neues von der Karte probieren – auch wenn ich es noch nicht kenne? Will ich einen Schritt ins Unbekannte wagen???


Oft sind es Frauen, die lange in Beziehungen bleiben, obwohl sie wissen, dass sie ihnen nicht guttun; in denen sie bereits x-mal die gleichen Hoffnungen gehegt und die gleichen Enttäuschungen erlebt haben. Frauen, die bleiben, aushalten und verstummen, nur um nicht allein zu sein. Wirklich bewusst hinzuschauen, wo ich mich selbst verleugne, um in Kontakt zu bleiben, ist alles andere als leicht, aber es ist wichtig. Wer will es schon fühlen, auch wenn jeder damit zu tun hat: die uns alle einende Sehnsucht nach  erbindung und unser aller Abhängigkeit davon, was andere über uns denken und wie viel Liebe sie für uns übrig haben.


Fast jeder von uns hat seine eigene innere Führung im Laufe der Jahre und Jahrzehnte schon geopfert, nur um nicht anders als die anderen und womöglich allein zu sein. Erinnern Sie sich vielleicht noch daran, wie Sie als kleines Mädchen Prinzessin gespielt haben? Oder haben Sie kleine Mädchen mal dabei beobachtet? Sie warten nicht, bis jemand anders sie zur Prinzessin kürt. Sie sind völlig eins mit Ihrem Dasein als Prinzessin. Sie strahlen und sind so stolz, wenn sie sich im Spiegel sehen. Niemand könnte schöner sein.


Das ändert sich im Laufe des Lebens dramatisch, bis die meisten von uns fast alles, was sie tun, an Normen der Gesellschaft und den Ansprüchen anderer festmachen. Und das führt unweigerlich dazu, dass wir immer auf der Suche nach einem Feedback von anderen sind, das uns bestätigt. Dass wir uns durch die Anerkennung anderer besser fühlen wollen, die sich im Gegenzug aber auch durch unsere Anerkennung besser fühlen wollen. Eine Zeit lang geht das vielleicht gut, wenn ein anderer mir sagt, dass ich seine Prinzessin sei. Aber irgendwann werde ich auf diese Weise abhängig, unerfüllt und unsicher, weil ich so immer mehr den Kontakt zu meinem ureigenen natürlichen Prinzessinnengefühl, meiner inneren Verbundenheit und meinem Leitsystem verliere. Bis ich den Mut finde, loszulassen und wieder nach meinem eigenen Weg zu suchen.

Kommt man überhaupt noch mit dem normalen Leben klar, wenn man sich so intensiv mit sich selbst beschäftigt?

Wir müssen Ihnen aus eigener Erfahrung gestehen: Wenn man erst einmal begonnen hat, den Weg zu sich selbst aktiv zu gehen, wird sich die sogenannte Normalität nie wieder normal anfühlen. Das ist ein Weg ohne Rückfahrtticket, der den Helden eben unweigerlich durch den dunklen Wald führt. Man verliert alte Bindungen, alte Gewohnheiten und alte Sicherheiten – aber man kommt immer mehr in Einklang mit sich selbst, und natürlich trifft man auch neue Menschen oder findet auf ganz neue Art und Weise mit den alten Menschen zusammen, sofern sie dazu bereit sind. Trotzdem – das fühlt sich nicht immer leicht an.


Das Einzige, was ich wollte, war dem Drängen meines Herzens zu folgen. Warum war das nur so schwer? Diese Frage habe ich, Eva, mal irgendwo bei Hermann Hesse gelesen. Ich kann Ihnen nicht sagen, warum das für andere schwer ist. Aber ich kann Ihnen sagen, warum es für mich nie leicht war. Warum es aber das Einzige ist, das Sie wirklich in Einklang und tiefe Verbundenheit mit sich selbst bringt. Schon als Kind verstand ich die Menschen um mich herum oft nicht. Ich weiß, dass es mir im Herzen wehtat, wenn andere Kinder ausgrenzend und grausam zueinander waren.


Und alles hat in mir rebelliert, wenn meine Mutter in der Zeit meines Heranwachsens mit aller Macht versucht hat, mich dazu zu bringen, bei Lehrern und anderen in ihren Augen wichtigen Menschen »normal« zu sein, nicht aufzufallen und den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Manchmal ist es ganz banal: Wir haben keine Lust, mit unserer Nachbarin zu telefonieren, und behaupten einfach, wir müssten jetzt die Kinder zum Turnen fahren. Manchmal wiegt es schwerer: Wir bauen Häuser, fahren Autos, laden Leute ein, die wichtig für unser Ansehen oder unsere Karriere sind, die uns aber nicht wirklich erfüllen. Manchmal wird es existenziell: Wir gehen einer Arbeit nach, mit der wir viel Geld verdienen, deretwegen wir aber kaum noch schlafen können. Manchmal raubt es uns die Seele: Wir schlafen nur noch aus Pflicht mit unserem Partner und fühlen uns danach nur leer und benutzt.


Das Schlimme ist nicht, dass wir das alles tun – das ist menschlich. Das Tragische ist, dass wir versuchen, die Angst, die dahinter liegt, vor uns und vor anderen zu verbergen. Dass wir das alles nur deshalb tun, um in der Verbindung bleiben zu können, um weiter geliebt, um nicht verlassen zu werden.


Meine Lehrer, meine Mutter, ja sogar die meisten Kinder bei uns lebten nach ganz anderen Spielregeln als mein Herz, das mir so oft etwas sagte, was völlig abwich von dem, was ich als allgemeingültig erlebte, und erst recht von dem, was mir als Moral, Sinn und Zweck meines Lebens beigebracht wurde. So stand ich häufig vor der Wahl, entweder nicht auszudrücken, was ich von meinem Herzen hörte, oder Unverständnis und Ärger zu ernten, wenn ich es doch tat. Später an der Uni saß ich in den Vorlesungen und wusste nicht, wie ich die Augen offenhalten sollte. Aber nicht, weil ich am Abend vorher zu viel gefeiert hatte, sondern weil mich nichts von dem, was da vorne gesagt wurde, wirklich berührte. Erst machte ich mir Vorwürfe, aber dann gestand ich mir ein, dass ich einfach überhaupt kein Interesse an akademischem Wissen hatte. Ich wollte das Leben ergründen und seine Geheimnisse entdecken, statt zu hören, zu lesen und auswendig zu lernen, was Menschen über die Gedanken anderer Menschen aus anderen Zeiten zusammengeschrieben hatten und was ich, als einen weiteren Aufguss von einem Aufguss, erneut hätte zusammenschreiben sollen. Ich war unendlich neugierig und voller Forscherdrang, aber ich wollte leben und daraus lernen.


Später als Journalistin hatte ich Chefs, traf Minister, Untergrundkämpfer, Industrielle, Priester, ja sogar Präsidenten. Ich konnte machen, was ich wollte, aber ich konnte in meinem Herzen für niemanden besonderen Respekt oder besondere Hochachtung emp nden, nur weil er einen bestimmten Rang hatte oder mir vorgesetzt war. Hingegen war ich bereit, mich vollkommen vor jemandem zu verneigen, ihm zu folgen und ihm mein Herz zu schenken, wenn er seine außergewöhnliche Integrität und Echtheit mit mir und anderen teilte, egal wie unbedeutend seine Position war.


Auch in den ersten Jahren meiner Ehe beschäftigten mich lauter Fragen, die scheinbar niemanden sonst interessierten. Irgendwie konnte ich nicht fragen: Wie geht es dir oder Ihnen, ohne eine echte Antwort zu erhoffen. Bei manchem Tischgespräch fühlte ich mich wie vom anderen Planeten, während alle sich köstlich zu amüsieren schienen. Wenn ich bei einem Abendessen mit Freunden oder gar mit Kollegen meines Mannes wagte, über das zu sprechen, was mich wirklich in der Seele beschäftigte, oder erst recht über das, was ich gerade mit jemandem im Gespräch tief innerlich wahrnahm, dann kam dieser Blick von meinem Mann, der ausdrückte: »Bitte nicht! Sei einfach normal und vermassele den Abend nicht .« Selbst als ich bereit war, mein altes Berufsleben, ja sogar meine Ehe zur Disposition zu stellen, um mich zu meinem inneren Weg mehr und mehr zu bekennen, gab mein Herz oft keine Ruhe, wo ich sie doch so sicher vermutet
hätte. Immer mehr Freunde von mir fanden ihre Zugehörigkeit in Gruppen rund um den einen oder den anderen spirituellen Lehrer. Sie sagten: Ja, dieser Mensch kennt den Weg, weiß die Wahrheit und führt mich zum Glück. Sie machten Ausbildungen bei diesem Menschen, sprachen eine neue gemeinsame Sprache und richteten sich ein in ihrer jeweiligen spirituellen Welt mit einem Gefühl, eine neue Familie gefunden zu haben. Aber meinem Herzen schien auch das zu eng. Irgendwie fühlte sich auch das ausgrenzend an, nur aus einer anderen Richtung und auf eine neue Weise.


Und noch später, als ich mich schon getraut hatte, meiner Stimme im Herzen endgültig laut und öffentlich Ausdruck zu verleihen und Bücher zu schreiben über das, woran ich glaube, wurde ich viele Male gefragt, ob ich nicht andere Menschen ausbilden möchte. Aber jedes Mal, wenn ich auch nur darüber nachdachte, gab es etwas in mir, das zusammenzuckte: »Wie willst du andere auf DEINEM Weg ausbilden?« Das klang vielleicht auf den ersten Blick verlockend, aber dann, bei wirklichem Hinfühlen, total verrückt. Ich habe meinen Weg, und Sie haben Ihren Weg. Ich kann Ihnen von meinem Weg erzählen, und Sie können nach innen gehen und schauen, ob etwas in Ihnen damit in Resonanz geht oder durch meinen Impuls zum Leben erwacht. Aber am Ende müssen Sie Ihren Weg finden und ich meinen. Ich kann Sie nicht mit auf meinen Weg nehmen und Sie schon gar nicht lehren, meinen Weg zu gehen. Das, was uns vereint, ist die Quelle, mit der wir alle tief im Inneren verbunden sind. Aber diese gemeinsame Quelle erhellt Ihren ganz individuellen Weg genauso wie meinen.


Ich erzähle Ihnen hier die Geschichte meines Herzens in der Hoffnung, dass Sie sich Ihre eigene Geschichte in Erinnerung rufen und sich fragen: Was ist der Weg MEINES Herzens in diesem Leben? Die große Verirrung auf dem Weg von Liebe dich selbst war, dass viele Menschen nach dem Lesen des orangefarbenen Buches das Gefühl hatten, sie müssten jetzt alles und jedes von anderen Menschen gutheißen und überall verständnisvoll sein. Und wenn sie etwas nerve, dann ginge es darum, immer die Ursache bei sich selbst zu suchen, in den anderen den eigenen Widerstand oder die eigenen Verletzungen entdecken und deshalb in Beziehungen bleiben, die ihnen nicht guttun. Nein! Liebe Dich selbst fordert Sie zwar auf, die Projektion des eigenen Schmerzes auf andere aufzugeben und damit die Opferhaltung abzulegen. Aber dann sind SIE dran. Dann dürfen Sie für sich sorgen und die Dinge loslassen, die Ihnen nicht guttun. Dann heißt es, Freundschaft mit sich selbst zu schließen und dem Drängen Ihres Herzens zu folgen, auch wenn es Sie Nein zu einem Menschen oder zu einem bereits eingeschlagenen Weg sagen lässt.

Werde ich nicht zu einem Außenseiter, wenn ich wirklich lebe und sage, was mir wichtig ist?

Oft stand ich in meinem Leben vor der Wahl, die da lautete: Wenn du dir ein Gefühl von Zugehörigkeit wünschst, dann bring dein Herz zum Schweigen. Willst du auf dein Herz hören, dann nimm in Kauf, dass du ein Außenseiter bist. Und das ist meine persönliche Antwort auf die Frage, warum es so schwer ist, dem eigenen Herzen zu folgen: Weil es so schwer ist, ein Außenseiter zu sein. Aber gleichzeitig weiß ich, dass ich meine eigene Wahrheit, meinen Einklang mit dem Leben, meine Verbindung zu Gott nur erleben kann, wenn ich meinem Herzen folge. Also bleibt mir nur die Wahl, ihm zu folgen – auch wenn es mich manchmal zum Außenseiter macht. Ich glaube, auf Dauer ist das auch die einzige Wahl, die Sie haben, wenn Sie wirklich Erfüllung und Einklang finden wollen. Wenn Sie innere Arbeit tun, kommen Sie sich selbst näher. Aber dann zeigt sich eben auch deutlicher Ihre innere Wahrheit und damit Ihr wahrhaftiger äußerer Weg.


Sie finden Ihre Wahrheit nicht, indem Sie die gesellschaftlichen Normen da draußen widerspiegeln, Ihre Erfüllung im Erfolg suchen oder sich gar im Leben Ihres Partners verlieren. Sie finden Ihre Wahrheit auch nicht, indem Sie noch als erwachsener Mensch versuchen, den Ansprüchen und Vorstellungen Ihrer Eltern gerecht zu werden – etwas, das wir alle tun mussten, um in unseren Herkunftsfamilien unseren Platz zu finden und akzeptiert zu werden.


Gerade kommen wir von einem Paarseminar wieder. Da passierte irgendwann, was meistens auf einem Paarseminar passiert: Alle Teilnehmerfragen drehten sich um die Herkunftsfamilie und um die Angst, den Eltern eine klare Grenze zu setzen oder sich auf gesunde Art als erwachsener Mensch von einem oder beiden Elternteilen abzunabeln.


Was hat das Elternthema mit dem Paarsein zu tun? Jede Menge! Eine Frau hatte das Gefühl, dass ihr Mann immer wieder »umfallen« würde, wenn seine Herkun sfamilie ins Spiel kam: »Gerade hatten wir eine Verabredung, dieses Mal klar »Nein« zur Familienfeier seiner Eltern zu sagen, dann ruft seine Schwester oder sein Vater an, und schon sagt er wieder zu. Ich habe einfach nicht das Gefühl, mit meinem Mann eine eigene Familie und eine echte Partnerschaft auf Augenhöhe aufbauen zu können.« Ein Mann erzählte, dass die Eltern seiner Frau einen Schlüssel vom Haus hätten und vom ersten Tag der Ehe einfach so ein und aus gegangen seien, ohne auch nur zu fragen. »Eigentlich behandeln sie meine Frau immer noch wie ein Kind. Wir hatten nie Raum für uns.«


Eine andere Frau hatte das Gefühl, dass ihr Mann ihr gegenüber ganz schnell dichtmachen würde und wie von jedem Kontakt abgeschnitten sei, wenn Sie ihm emotional zu nahekomme oder sich mehr Engagement von ihm im Familienalltag wünschte. Es stellte sich heraus, dass seine Mutter ihn von klein auf wie einen Ersatzehemann behandelt hatte, nachdem sein Vater die Familie früh wegen einer anderen verlassen hatte. Ihm war bis dahin überhaupt nicht klar gewesen, wie sehr er unter dieser Rolle als Mamas geliebter Sohn gelitten hatte und wie wenig er seitdem in der Lage war, sich einer Frau gegenüber wirklich zu öffnen, ohne gleich Angst zu haben, dass auch sie all ihre Last und ihre emotionale Bedürftigkeit auf ihn laden würde, wie er das unzählige Male mit seiner Mutter erlebt hatte.

Je mehr ich spüre, was mir wirklich guttut, desto mehr habe ich das Gefühl, vor der Entscheidung zu stehen: »Ich oder die anderen«. Das kann doch nicht die Lösung sein?

In unseren Gesprächen bekam dieser Mann ein ganz neues Bewusstsein von
sich selbst: »Eigentlich habe ich nie in der Nähe meiner Mutter das Gefühl,
wirklich das tun zu können, was ich fühle, ohne ein schlechtes Gewissen zu
haben. Immer habe ich meiner Mutter gegenüber Schuldgefühle, wenn ich nicht anrufe, wenn ich mich nicht kümmere. Und am schlimmsten, wenn ich merke, dass ich sie überhaupt nicht vermisse
.« Bei dem Stichwort »Schuldgefühle« ging ein Raunen durch die Gruppe, so ein »Ja, das kenne ich auch.« Es wurde deutlich, dass die meisten im Raum bereits sehr früh erlebt hatten, sich bei etwas schlecht zu fühlen, was sich in ihrem Inneren eigentlich gut angefühlt, wonach es ihr Herz gedrängt hatte. Sie haben durch ihre Umwelt, ihre Eltern, Lehrer oder Freunde immer wieder vermittelt bekommen, dass sie falsch sind, wenn sie so sind, wie sie sind, und nicht so, wie es den Vorstellungen und dem Wertesystem der anderen entspricht. Und das hat Schuldgefühle hinterlassen und für viele Blockaden in Beziehungen gesorgt.


Unser Leben kann so spannend werden, unser Alltag zu einem Abenteuer und unsere Beziehung neu und erfüllend, wenn wir den Mut wieder finden, uns zu überwinden und ganz zu geben. Wenn wir uns ganz geben, dann heißt das, dass wir uns zeigen. Wir sind so, wie wir gerade sind. Wir leben unser Innerstes, wir sind wir selbst, wir sind authentisch. Ich fühle mich mit einem anderen Menschen wohl, wenn ich so sein kann, wie ich bin. Die meisten Beziehungen verlieren ihre Kraft und Lebendigkeit, weil zwei Menschen nicht mehr wissen, wie sie loslassen und ihre unmittelbaren Gefühle miteinander teilen sollen. Weil sie stattdessen zunehmend nur noch funktionieren und Normen und Pflichten erfüllen.


Viele werden dabei im Laufe der Jahre krank. Wenn Sie wieder lebendig und freudvoll, zärtlich und verletzlich, ein bisschen unbekümmerter und spontaner miteinander sein und nicht stecken bleiben wollen in einem Leben der Aufopferung, dann ist es wichtig, dass Sie aus Ihrem Kokon schlüpfen und sich einen Abnabelungsprozess von den Werten und Ansprüchen anderer und Ihrer Vergangenheit erlauben. Dann müssen Sie sich oft und regelmäßig darin üben, die feinen Impulse Ihres Herzens ernst zu nehmen und etwas nicht mitzumachen, wenn es Ihnen nicht guttut. Oder etwas anderes zu machen, einen anderen Weg einzuschlagen als jemand, der Ihnen nahesteht, ganz einfach, weil es Ihrem Herzen nicht entspricht. Im Beziehungsalltag braucht es immer wieder Zeit und Ruhe, um wirklich mit sich zu sein und das innere Zwiegespräch zu suchen und zu üben. Und es braucht die Bereitschaft , bei den Menschen, die man liebt, auch unangenehme Themen anzusprechen und sich um der Liebe willen zu öffnen und zu konfrontieren. Manchmal heißt, dem eigenen Herzen zu folgen, eben auch, eine Beziehung erst einmal sein zu lassen.


Am Ende bedeutet, dem eigenen Herzen zu folgen, sich »schuldig« zu machen in dem Sinne, dass Sie Verantwortung für Ihre Bedürfnisse übernehmen, erwachsen werden und Nein zu anderen sagen, um endlich Ja zu sich selbst sagen zu können. Sie werden andere enttäuschen müssen, wenn Sie sich treu bleiben oder treu werden wollen. Aber das macht Sie nicht schuldig, sondern erwachsen und verlässlich.


Und das gibt anderen die Möglichkeit, ebenfalls Kurskorrekturen in ihrem Leben vorzunehmen. Tatsächlich gibt es in Wirklichkeit keine Schuld, sondern einfach nur den Weg Ihres Herzens und den Weg meines Herzens.