10. Das Angebot des Geldes.

(Die Nachfrage nach Waren, schlechtweg die Nachfrage.)

Das Kennzeichnende an den Produkten der Besitz- und Arbeitsteilung< liegt in dem Verkaufszwang, der über ihnen lagert, besser gesagt — in ihnen steckt. Zum Verkauf werden die Waren erzeugt, und bei keinem Produkte ist die Wareneigenschaft so rein, wie beim Geld. Das haben wir in einem früheren Abschnitt gezeigt.

 

Die gewöhnliche Ware verläßt über kurz oder lang den Markt als Gebrauchsgut; das Geld aber tauscht jeder nur ein, um es wieder zu verkaufen.

 

Wie man nun die Waren nicht anders als gegen Geld verkaufen kann, so kann das Geld nicht anders als gegen Ware verkauft werden. Wie die Ware die verkörperte Nachfrage nach Geld darstellt, so vergegenständlicht das Geld

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die Nachfrage nach Waren. Wo der Geldbestand vergrößert wird, wird auch die Nachfrage nach Waren vergrößert. Wer kein Geld hat, kann auch keine Nachfrage nach Waren halten. Das Geld, das die Bank in ihrem Keller aufbewahrt, kann sie jeden Augenblick über den Markt gießen und damit eine gewaltige Nachfrage nach Ware erzeugen, während die tausend hungrigen Arbeitslosen, die die Schätze der Märkte beliebäugeln, keine Nachfrage nach Waren erzeugen.


Die Nachfrage nach Waren wird somit in erster Linie von dem Vorrat an Geld abhängig sein; sie wird nicht ständig mit dem Vorrat an Geld übereinstimmen (wir werden noch früh genug diesen heiklen Punkt besprechen), aber die Wareneigenschaft des Geldes zwingt die Besitzer doch, das Geld früh oder spät anzubieten.


Weniger Geld als man besitzt, wird man schon anbieten können, aber nicht mehr. Nach oben bildet der eigene Geldbestand immer eine unübersteigbare Grenze für das Geldangebot. Die ausgesprochene Wareneigenschaft des Geldes wird aber immer zur Folge haben, daß im Durchschnitt der Jahre dort mehr Geld gegen Waren angeboten wird, wo der Geldbestand größer ist als dort, wo er kleiner ist.


Die 180 Millionen, die im Juliusturm seit 40 Jahren aufgestapelt waren, beweisen klar, daß Geld und Geldangebot nicht so wesensgleich sind, wie Kartoffeln und Kartoffelangebot, aber ihr Zweck ist doch der, unter bestimmten Umständen angeboten zu werden.

 

Wie ein Wagen nur durch den Ortswechsel seinem Besitzer nützlich wird, so wird das Geld nur durch den Besitzerwechsel, durch den Gebrauch als Tauschmittel, durch den Geldumlauf nützlich. Das Geld trägt also die Eigenschaft, die es immer wieder in Umlauf setzt, in sich selbst. Man kann bis zu einem materiellem Umlaufszwang sprechen, gewissen Grad von Umlaufszwang, der auch dem heutigen Geld anhaftet. (Beim Freigeld ist dieser Umlaufszwang ein unbedingter.)


Von den Waren sagten wir, daß deren Vorrat im umgekehrten Verhältnis stehe zur Schnelligkeit, womit die Handelseinrichtungen sie vom Markte zum Verbraucher befördern; da aber das Geld nur Gebraucher und keine Verbraucher hat, da das Geld die Wareneigenschaft behält, da man es nur kauft, um es wieder zu verkaufen (die Goldschmiede können wir hier unberücksichtigt lassen), so hat die Schnelligkeit, womit die Handelseinrichtungen den Besitzerwechsel des Geldes ermöglichen, die entgegengesetzte Wirkung wie bei den Waren. Je schneller das Geld von Hand zu Hand geht, um so schneller erscheint es wieder am Ausgangspunkt des Marktes um die Bahn von neuem zu betreten. Und mit jedem Wechsel des Geldbesitzers wird eine Ware eine Stufe weiter in den Keller des Verbrauchers hinabgestoßen. Wie ein Eisenbahnwagen in einer bestimmten Zeit um so mehr Kilometertonnen bewältigt, je schneller sich die Räder drehen, so wird auch ein Geldstück um so mehr Waren aus seiner Bahn werfen, je schneller es seine Bahn durchläuft. Ein blanker Taler, ein entschieden echter Taler wird in der Woche vielleicht nur 10 mal den Besitzer wechseln, weil mancher sich an seinem Anblick längere Zeit weidet und noch einmal überlegt, ehe er ihn ausgibt. Bei einem verschlissenen Taler sind diese Hemmungen geringer und bei einem Taler, dessen Echtheit angezweifelt wird, gar nicht vorhanden. Um

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dieselbe Bahn zu durchlaufen, braucht also ein blanker Taler 3 Wochen, ein verschlissener 2 Wochen und ein zweifelhafter nur 1 Woche. Um die gleiche Anzahl von Geschäften abzuwickeln braucht man 3 neue, 2 alte und nur 1 zweifelhaften Taler. — Verschleißkraft, die kaufmännische oder handelstechnische Qualität des Geldes steht also im umgekehrten Verhältnis zur banktechnischen Qualität des Geldes. Kaufmännisch betrachtet ist ein zweifelhafter Taler dreimal besser als ein blanker Taler. Dieses kleine Detail bitte ich zu beachten.


Das Angebot ist ein Strom, der, von der Arbeitsteilung kommend, in den Häusern der Verbraucher versiegt. Die Nachfrage ist kein Strom, sondern ein kreisender Gegenstand, der, wenn er schnell sich bewegt, uns als ein geschlossener, massiver Ring erscheint.

 

Das Angebot besteht aus immer neuen Waren, die den Weg nur einmal zurücklegen und dann für immer verschwinden.


Die Nachfrage dagegen besteht aus einer Masse von Geldstücken, die den gleichen Weg schon 1000 mal zurückgelegt haben und ihn noch ebenso oft zurücklegen werden.


Wir erkennen an diesem Vergleich, daß die Nachfrage anderen Gesetzen unterliegt als das Angebot. Schon der Umstand, daß die Ware in ihrem Laufe zum Käufer immer größer, schwerer, will sagen, teurer wird, während das Geld nach 1000 maligen Wechsel seines Besitzers den gleichen Preis haben soll, wie beim Antritt des Besitzerwechsels, zeigt deutlich, daß in dieser Beziehung das Geld nicht mit den Waren verglichen werden kann.

Dies sagt aber beileibe nicht, daß das Geld heute den Warenaustausch etwa „umsonst“ vermittelt.

In der Tat, alle Umstände, die die Höhe des Angebots von Waren bestimmen und die wir im vorigen Abschnitt aufzeichneten, fallen bei der Nachfrage (Angebot von Geld) fort, und der eine, die Verbesserung der Handelstechnik, hat beim Gelde sogar den umgekehrten Einfluß wie bei den Waren. Die verbesserte Handelstechnik verkürzt der Ware den Weg zum Käufer, vermindert dadurch den Vorrat und das Angebot von Waren. Eine Verbesserung des Geldumlaufes, eine Verkürzung seiner Umlaufszeit hat dagegen zur Folge, daß dasselbe Geldstück früher wieder zur Stelle ist, um seine Arbeit neu aufzunehmen. Jede Verbesserung des Geldumlaufes vermehrt also das Angebot von Geld. Darum wird man ja bei Freigeld vielleicht mit einem Drittel des heutigen Geldbestandes auskommen, um dieselbe Nachfrage betätigen zu können.

 

Für die Waren, für das Angebot sind in erster Linie die Erzeugungsverhältnisse maßgebend, die Fruchtbarkeit der Natur, die Klugheit der Arbeiter, die Vollkommenheit der Werkzeuge. Für die Nachfrage ist das alles gleichgültig. Das Gold wird nicht hergestellt, sondern gefunden, und der für heute, d. h. für die heute lebende Menschheit allein in Betracht kommende Vorrat wird von den Vorfahren geerbt, oder, wenn es sich um Papiergeld handelt, willkürlich „ausgegeben. Für das Angebot ist die vorjährige Erzeugung ohne

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Einfluß, in der Nachfrage dagegen spielt das Gold, das Salomo aus Ophir bezog, noch heute als Teilchen der Münzen sicherlich eine Rolle. Das Angebot von uns alle Jahre neu erzeugt, die Nachfrage haben wir von Salomo, Montezuma, von den Hunnen geerbt. Wie groß das Angebot sein wird, bestimmen die heute lebenden Produzenten; wie groß die Nachfrage ist, bestimmen zum Teil Menschen, deren Gebeine schon längst zu Staub geworden sind. Tausend Millionen Menschen sind beschäftigt, das Angebot zu speisen, die Nachfrage, dagegen wird von einer Handvoll Abenteuer in den Goldgruben von Alaska und Afrika unterhalten.

 

Aber für die Nachfrage kommt auch die Schnelligkeit des Geldumlaufes in Betracht, und da mag es manchem schwer werden, irgendeine Grenze für diese Schnelligkeit zu finden. Er wird darum geneigt sein, anzunehmen, daß die Nachfrage (die doch, zusammen mit dem Angebot, die wichtige Rolle des allgemeinen Preisrichters spielt) etwas ganz Unbestimmbares sei.

 

Und in der Tat läßt sich auch kaum eine Schnelligkeit des Umlaufes denken, die sich nicht durch irgendeine Einrichtung vergrößern ließe.


Hat man sich mit Mühe und Not eine Grenze für die Schnelligkeit des Geldumlaufes gedacht, und es macht dann jemand etwa den Vorschlag, das Geld mit Schwefelwasserstoff zu durchtränken, damit sich jeder beeile, es wieder weiter zu geben, so sieht man, daß die Grenze der möglichen Schnelligkeit nicht weit genug gesteckt war.

 

Aber für die Praxis, für die heutige Nachfrage kommt es gar nicht darauf an, ob man morgen die Schnelligkeit des Geldumlaufes wird vergrößern können. Das „heute gilt auf dem Markte, das „morgen“ wird nur soweit berücksichtigt, wie man es klar übersehen kann. Wir können uns ja auch für die Schnelligkeit der Eisenbahn keine Grenzen denken, die wir nicht doch durch irgendeine Verbesserung überschreiten könnten; aber für heute liegt diese Schnelligkeit innerhalb der Grenzen, die die fertigen Maschinen, der Bahndamm, die Brücken und Biegungen scharf vorzeichnen. Es ist uns allen ganz selbstverständlich, daß wir heute nicht beliebig schnell fahren können. Mit einiger Überlegung wird uns aber der Begriff, daß das Geld heute auch nicht beliebig schnell umlaufen kann, ebenso geläufig sein, und daß die gegebenen Handelseinrichtungen der Schnelligkeit des Geldumlaufes ein Höchstmaß vorzeichnen, das heute einfach nicht überschritten werden kann.

 

Aber dies sagt nicht, daß die Handelseinrichtungen nicht noch verbessert werden können. Sie werden tatsächlich fast täglich verbessert. Durch die Umgestaltung des deutschen Münzwesens, die an Stelle des früheren Gemengsels eine gleichartige Münze setzte, die ohne Prüfung frei von Hand zu Hand gehen kann, ist sicherlich die Möglichkeit eines schnelleren Umlaufes geschaffen worden (*).


(*) Man könnte auch zu einer umgekehrten Ansicht gelangen. Tatsächlich muß die größere Sicherheit vor Kursverlusten und Fälschungen, die die neue Münze bietet, einen größeren Reiz auf die Sparer geübt haben, als die abgegriffenen Groschen, Taler und Gulden. Geld sparen aber heißt den Umlauf unterbrechen. Sicherlich liegt hierin etwas Hemmendes.)

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Durch die Börsen, Abrechnungsstellen, Wechsel, Schecks wird bestimmt dem Geld eine größere Umlaufsschnelligkeit gestattet (*).

 

(*) Wie noch heute die Viehhändler, so trugen früher die Kaufleute allgemein auf ihren Reisen das Geld für ihre Einkäufe in bar bei sich; auch sagt man, der Seeweg nach Indien sei mit einer Geldschicht bedeckt, die in Schiffbrüchen verloren ging.)


Namentlich hat aber das Geldsparen sich anders gestaltet. Früher verbargen die Sparer das Geld allgemein in einem vergrabenen Topf, in der Matratze um heute bringen sie es durch die Sparbanken (Postsparkassen) wieder in Umlauf, Gewaltige Summen verstärken so die Nachfrage.


Selbst die Warenhäuser der Neuzeit können als eine Beschleunigung des Geldumlaufes angesehen werden, denn hier kann der Käufer in einem Tag eine Summe los werden, für deren Unterbringung in den zerstreuten Läden der Stadt er sonst zwei Tage gebraucht hätte.

 

Kurz, die Möglichkeit einer ständigen Erweiterung der Grenzen der Umlaufsschnelligkeit des Geldes kann nicht geleugnet werden, aber diese Möglichkeit kann das Bild in keiner Weise trüben oder verwischen, das wir jetzt von der Nachfrage gewonnen haben.


Die Nachfrage wird also bestimmt von der Größe des Geldbestandes und von der Schnelligkeit des Geldumlaufes. Die Nachfrage wächst im genauen Verhältnis mit dem Wachstum des Geldbestandes und mit der Schnelligkeit des Geldumlaufes.

 

Das ist das, was wir von der Nachfrage vorerst wissen müssen, um ein ganz allgemeines Bild von der Preisbestimmung durch Nachfrage und Angebot zu gewinnen. Freilich ist es noch nicht viel, was wir wissen. Aber es ist wenigstens Inhalt in diesen Worten, wir können Nachfrage und Angebot jetzt greifen, betasten, wägen. Es sind keine Träumereien mehr. Wenn wir von Angebot sprechen, so denken wir nicht mehr an Handlungen, an das Aussinnen neuer Geschäfte und sonstigen Unsinn, sondern wir sehen dort vor uns einen Güterzug vorüberfahren, mit Bergen von Holz, Stroh, Kalk, Gemüse, Wolle, Erde usw. Das alles sehen wir genau, mit unseren Augen, und die übrigen Sinne sind da zur Nachprüfung, daß wir nicht schlafen, träumen.

 

Und wenn wir von Nachfrage sprechen, so sehen wir auch keine Bettler, keine Fehlbeträge, keinen Zins usw., sondern sehen Geld, Papier- und Metallgeld, Geld, das wir greifen und zählen können. Wir sehen, daß das Geld durch eine ihm eigene Kraft in Bewegung, in kreisende Bewegung gesetzt wird, die von den uns bekannten Handelseinrichtungen gefördert, beschleunigt wird. Wir sehen das Geld genau und beobachten, wie es in jedem Kreislauf, den es beschreibt, eine Anzahl Waren greift und aus dem Markt in die Häuser der Verbraucher wirft. Wir begreifen es jetzt ,weil wir mit unseren Augen  den Vorgang verfolgen, daß die Nachfrage zum Teil davon abhängig ist, wie schnell das Geld nach jedem Wurf nach einer anderen Ware ausgreift, und sprechen jetzt nicht mehr papageienhaft, sondern mit dem Bewußtsein, auf den Grundmauern der Volkswirtschaft zu stehen, die Worte aus: die Preise werden durch Nachfrage und Angebot selbstherrlich bestimmt.

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In ziffermäßiger Darstellung der bis jetzt besprochenen Bestandteile des Preises erhalten wir ungefähr folgendes Bild:

 

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