6. Wie das Freigeld beurteilt wird: Der Kassenbeamte

Bei Einführung des Freigeldes wurden wir Kassenbeamten allgemein bemitleidet. Man weissagte uns allgemein eine schreckliche Arbeitslast, regelmäßige, große Zahlbeträge und was sonst noch alles? Und was muß ich sehen?

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Wegen Arbeitsmangels wurden zuerst die Arbeitsstunden eingeschränkt. Statt 10 Stunden arbeite ich jetzt 6. Dann wurde nach und nach die Beamtenzahl eingeschränkt, die älteren erhielten ein Ruhegehalt, die jüngeren wurden entlassen. Aber auch das genügte nicht. Und so sind die meisten Bankgeschäfte und ihre Nebenstellen einfach aufgelöst worden.


Eigentlich hätte man diese Entwickung auch vorhersehen können. Die Bankhäuser waren aber so sehr von ihrer Unentbehrlichkeit überzeugt! Das Wechselgeschäft und der Scheck, diese Brotherren der Kassenbeamten, sind so gut wie verschwunden. Nach Ausweis des Reichswährungsamtes beträgt die gesamte im Umlauf befindliche Geldmasse noch nicht 1/3 unseres früheren Geldbestandes. Und zwar, weil das jetzige Geld 3mal schneller umläuft. Kaum 1% der früheren Beträge gehen jetzt noch durch die Hände der Banken. Das Geld bleibt eben im Verkehr, auf dem Markte, in den Händen der Käufer, der Kaufleute, des Unternehmers. Es geht von Hand zu Hand, ununterbrochen, es hat gar keine Zeit, sich in den Banken anzusammeln. Das Geld ist keine Ruhebank mehr, wo der Erzeuger von der Mühsal des Verkaufes seiner Waren aufatmen und in Gemütsruhe abwarten kann, bis seine persönlischen Bedürfnisse ihn an den Umsatz des Geldes erinnern. Der Ruhepunkt im Warenaustausch ist jetzt die Ware selbst, allerdings nicht die eigene Ware, das eigene Arbeitsprodukt, sondern das der anderen. Das Geld hetzt und jagt den Inhaber, genau wie früher der Erzeuger von seinen Waren gehetzt und gejagt wurde, bis er sie glücklich an den Mann gebracht hatte. Woher der Name Bank, Bankmann? Von den Bänken, auf denen die Inhaber des Geldes sichs bequem machten, während die Inhaber der Waren umherstanden ober unmutig hin und her liefen. Jetzt, mit dem Freigeld, sind es die Inhaber des Geldes, welche laufen, und die Warenverläufer sitzen auf Bänken.

 

Und weil das Geld so beweglich geworden ist, weil jeder sich zu bezahlen beeilt, braucht niemand sich noch mit Wechseln zu behelfen. Das bare Geld hat die Wechsel ersetzt. Auch Vorräte an Geld braucht niemand mehr, die Regelmäßigkeit des Geldumlaufes ersetzt diese Rücklagen. Die Quelle ist an die Stelle des starren Wasserbehälters, der Zisterne, getreten.


Diese Geldvorräte aber wieder führten zur größten Torheit des Jahrhunderts, zum Scheck. Ja, wirklich, ich sags als Kassenbeamtet, der Scheck war höherer Unsinn! das Geld ist doch zum Bezahlen da; das Gold sollte ja das denkbar bequemste Zahlmittel sein; warum benutzte man es nicht dazu? Warum den Scheck an die Stelle des baren Geldes treten lassen, wenn das bare Geld so allen Anforderungen genügt, wie man das dem Golde nachrühmte? Verglichen mit dem baren Gelde ist der Scheck doch ein außerordentlich plumpes Zahlmittel. Er ist an die Innehaltung verschiedener Förmlichkeiten gebunden; die Einlösung erfolgt an einem bestimmten Ort, und die Sicherheit der Einlösung hängt von der Sicherheit des Ausstellers und der Bank ab. Und das nannte man Fortschritt! Man hoffte sogar, es bald den Engländern nachmachen zu können, die die Droschke mit einem Scheck bezahlen! Als ob das eine Ehre oder ein Vorteil für den Droschkenkutscher wäre! Der Musterscheck ist doch, für den Empfänger wenigstens, das bare Geld, denn dieser Scheck kann in jedem Laden, in jedem Wirtshaus eingelöst werden, er ist an keine Förmlichkeiten, an

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keinen Ort gebunden und seine Sicherheit steht außer Zweifel. Wir waren so stolz auf unser schönes, goldenes Geld, wir dachten damit die Vollkommenheit erreicht zu haben; wir waren so verblendet, daß wir überhaupt den Widerspruch nicht bemerken, der in dem Gebrauch des Schecks liegt. Das Gold war für den gewöhnlichen Gebrauch zu gut, darum suchten wir ein Ersatznittel, den Scheck. Das ist wie bei dem Mann, der mit einem alten Rock und einem neuen Regenschirm spazieren geht, und dem es leid tut, den Schirm aufzuspannen, weil dieser nass werden würde. Er versteckt ihn darum unterm Rock.


Man scheute sich nicht, uns Kassenbeamten ganze Bündel von Schecks aufzuhalsen, deren Gesamtbetrag für den Kassenbeamten nur dadurch zu ermitteln ist, dass er sie in langen Reihen einzeln aufzeichnet und zusammenzählt. Eine schauerliche Arbeit fürwahr. Dagegen ist das Aufzählen des Geldes die reine Spielerei. Die Stücke braucht man nur zu zählen, da sie alle von gleichem Betrage sind.


Dabei mußten die Schecks wieder mit den verschiebenen Banken verrechnet, jeder einzelne dem betreffenden Aussteller belastet werden. Und dazu die Zinsrechnung! Am Ende des Vierteljahrs musste ein Rechnungsauszug eingesandt werden, worin jeder einzelne Scheck aufgeführt wurde. So wurde jeder Scheck zehnmal gebucht. Und das nannte man Fortschritt! Welche Verblendung! Die Schwerfälligkeit der Goldwährung und die Unregelmäßigkeit des Geldumlaufs machten die Bankgutgaben nötig und diese den Gebrauch des Schecks; aber statt diesen Umstand als schweren Übelstand der Goldwährung zu bezeichnen, bildete man sich noch etwas darauf ein!


Und neben den Schecks diese schweren Säcke mit Gold, Silber, Kupfer, Nickel, und obendrein das Papiergeld! Elf verschiedene Münzsorten: 1, 2, 5, 10, 20 Mark, 1, 2, 5, 10, 20, 50 Pf.!  Allein für das Kleingeld unter 1 Mark sechs verschiedene Münzen von 3 verschiedenen Metallen: Also Scheck zu Hunderten, 11 Münzsorten und 10 verschiedene Banknoten!


Jetzt mit dem Freigeld habe ich 4 Sorten und keine Schecks. Und alles federleicht, sauber, immer neu. Früher brauchte ich für meine Kasse eine Stunde, jetzt nur wenige Minuten.


Man fragt mich, wie ich den Umlaufsverlust an meinem Kassenbestand verrechne. Nun, die Sache ist ja höchst einfach. Am Wochenschluß, Sonnabends 4 Uhr, rechne ich meine Kasse zusammen, berechne den Kursunterschied nach dem, was das Geld die nächste Woche gilt und verrechne diesen Unterschied unter Ausgaben. Bei den Privatbanken geht diese Ausgabe auf Rechnung der Geschäftsunkosten, für die eine entsprechend niedrigere Verzinsung des Bankguthabens Deckung schafft.


Dei den Staatstassen besteht der Verlust nur dem Namen nach, da der Kursverlust am gesamten Geldumlauf ja dem Staate unmitteltar zugute kommt.


Offen gestanden, vom Standpunkt der Kassentechnik betrachtet, finde ich im Freigeld nichts Nachteiliges, und den besten Beweis haben wir ja darin,  dass neun Zehntel aller Kassenbeamten überflüssig wurden. Eine Maschine,
die die Arbeiter überflüssig macht, muss doch gut arbeiten?