2. Der Urzins.

Nach der Darstellung, die uns sowohl die bürgerlichen, wie auch die marxfreundlichen Zinsforscher geben, soll der Zins eine untrennbare Begleiterscheinung des Privateigentums an den Produktionsmitteln sein. „Wer die Gütergemeinschaft, den Kommunismus ablehnt und die freie Wirtschaft will, der muß – so sagen alle, auch die Zinswirtschaft (Kapitalismus) mit in Kauf nehmen die sich bisher den Zins näher angeschaut haben. Daß dann weiter, im Lichte der Sittenlehre, die Ansichten in der Beurteilung des Zinses erheblich auseinandergehen, ist von nebensächlicher Bedeutung und trägt zur Klärung der Angelegenheit nichts bei. Ob es sich nach Ansicht der Sozialisten um eine gewaltsame Aneignung, um einen die gute Sitte verletzenden Mißbrauch wirtschaftlicher Übermacht handelt, oder ob der Zins den bürgerlichen Volkswirten als gerechte Belohnung wirtschaftlicher Tugenden: Ordnung, Fleiß, Sparsamkeit, erscheint, das kann dem, der den Zins aufzubringen hat, dem Besitzlosen (Proletarier), ziemlich gleichgültig sein.

 

In Übereinstimmung mit obiger Anschauung müssen die Marxfreunde die Quelle des Zinses (des Mehrwertes) in der Fabrik, auf alle Fälle in der Trennung des Arbeiters von seinen Produktionsmitteln suchen, und sie wähnen, sie auch dort festgelegt zu haben. Ich werde nun zeigen, daß der Zins völlig unabhängig vom Privateigentum an den Produktionsmitteln ist, daß er auch dort besteht, wo es keine besitzlose Menge (Proletariat) gibt und gab, und daß Sparsamkeit, Ordnung, Fleiß und Tüchtigkeit niemals den Zins entscheidend beeinflußt haben. Im Widerspruch zu dieser Kapitaltheorie werde ich zeigen, daß der Zins in unserem uralten, aus der Zeit der Babylonier, Hebräer, Griechen und Römer stammenden Gelde wurzelt und durch dessen körperliche oder gesetzlich erlangte Vorzüge geschützt ist.

 

Merkwürdigerweise beginnt übrigens Marx (*) mit seinen Untersuchungen über den Zins gleichfalls beim Geld. Ihm widerfuhr jedoch das Mißgeschick, daß er (trotz der Warnung Proudhons) am entscheidenden Ort mit einer falschen Voraussetzung begann und genau wie die gewöhnlichen kapitalfreundlichen Zinsforscher Geld und Ware als vollkommene Aquivalente (**) behandelte.

 

(*) Wenn ich in den nachfolgenden Ausführungen des öfteren wunde Stellen der Marx“schen Zinstheorie berühre, so geschieht dies deshalb, weil von den sozialistischen Theorien diejenige von Marx die einzige geblieben ist, die sich bis in die politischen Kämpfe unserer Tage hinein Geltung verschafft hat und sich nun als böser Spaltpilz des Proletariats auswirkt, wie dies die beiden Gruppen der sozialdemokratischen Partei beweisen, die sich auf dem Boden der zum Glaubenssatz erhöbenen Marx’schen Zinstheorie mit Minen und Granaten bewerfen!

 

(**) „äquivalent“ sind zwei Waren, die in vollständiger Gleichberechtigung einander gegenübertreten und ohne Gewinn ausgetauscht werden. Wenn z. B. ein Wucherer, Sparer oder Schatzbildner vor der Frage steht, ob er Ware oder Geld hamstern soll, und er sich regelmäßig sagen muß, daß das für seine Zwecke völlig einerlei ist, so sind eine Mark Gold und eine Mark Ware „Aquivalente“. Wenn aber der Sparer oder Spekulant sich sagt, daß für seine Zwecke ihm eine Mark Gold lieber ist als eine Mark Ware, so besteht die von Marx vorausgesetzte „Aquivalenz“ nicht mehr.)

 

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Durch diesen unglücklichen Mißgriff wurde Marx gleich von Anfang an auf ein falsches Gleis abgetrieben.

 

Marx findet am Geld nichts auszusetzen. So wie wir es von den alten Babyloniern und Israeliten, von den Griechen und Römern übernommen haben, ist das Geld nach Marx ein vollkommenes, tadelloses Tauschmittel, das von Anbeginn seine Aufgabe glänzend erfüllt hat. Daß im Mittelalter wegen Geldmangels Geldwirtschaft und Arbeitsteilung sich nicht entfalten konnten, daß das Zinsverbot der Päpste die Geldwirtschaft aufhob, — obschon dieses Zinsverbot doch eigentlich nichts anderes bedeutete, als die gewaltsame Herstellung der von Marx vorausgesetzten Aquivalenz von Geld und Ware, das alles kann Marx in seinem Urteil nicht stutzig machen, daß das Geld ein vollkommenes Tauschmittel, ein wirkliches, allseitiges „Aquivalent“ sei. Eine besondere Geldmacht kennt Marx selbstverständlich nicht. Die Ausbeutung der Völker durch die goldene Internationale, durch die Börsen und Wucherspieler muß Marx verneinen. Börsenraub gibt es nicht, sondern nur „Prellereien“. Der Börsenräuber bedient sich der List, nicht der Macht. Er ist nur ein Dieb. Raub setzt Macht voraus, und diese haben nicht die Geldleute, nicht die Börsenfürsten, sondern die Besitzer der Produktionsmittel. Kurz, Geld und Ware sind „Aquivalente“, zu jeder Zeit, an jedem Ort, gleichgültig, ob das Geld in den Händen eines als Selbstverbraucher oder als Kaufmann auftretenden Käufers liegt. Und so spricht er es geradezu aus: „Daß nun, obschon Gold und Silber nicht von Natur aus Geld, Geld aber von Natur Gold und Silber ist, beweist die Kongruenz seiner Natureigenschaften mit denen seiner Funktionen als Tauschmittel.“

 

„Dies Kind, kein Engel ist so rein,
Laßt’s eurer Huld empfohlen sein!“

 

Mit diesem Loblied auf das Gold und die Goldwährung hat Marx die Aufmerksamkeit des Proletariats vollkommen vom Geld abgelenkt und die Börsenräuber, Wucherspieler, Spitzbuben unmittelbar in den Schutz der besitzlosen Klasse, des Proletariats gestellt. Und so hat man das traurig-lustige Schauspiel, daß jetzt überall in der Welt „die Wachen vor Mammons Tempel durch die rote Garde besetzt sind“ (*)

 

Tatsache ist, daß in den sozialdemokratischen Wahlflugblättern und in der Presse das Wort Zins und Geld nicht ein einziges Mal erwähnt wird!

 

Noch merkwürdiger aber ist es, daß Marx in der von ihm selbst als Regel  bezeichneten Abwicklung des Tausches (G.W.G.“ = Geld, Ware, Mehrgeld) wohl einen Widerspruch mit der behaupteten Äquivalenz findet, die Lösung dieses Widerspruchs jedoch anderswo und zwar in einer langen Kette von Mittelgliedern nachzuweisen verspricht.


(*) Siehe „Die Freistatt“, 30. Mai 1918. Bern-Bümplitz.

 

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Diese „lange Kette“ ist der Produktionsprozeß, und zwar beginnt und endet diese Kette in der Fabrik. Der Unternehmer ist nicht ein Ausbeuter unter vielen, sondern ist der Ausbeuter. Die Ausbeutung geschieht restlos an der Lohnkasse.

 

Um den von Marx in der Formel G.W.G.“ aufgedeckten Widerspruch glatt zu lösen, werde ich keine solche Kette von Mittelgliedern nötig haben. Ich werde dem Zins die Angel vor das Maul werfen und ihn geradeswegs aus seinem Elemente ziehen, für jedermann erkennbar. Die Kraft, die zu der Tauschformel G.W.G.‘ gehört, werde ich unmittelbar im Tauschvorgang enthüllen. Ich werde zeigen, daß das Geld in der Gestalt, in der wir es von den Alten unbesehen übernommen haben, kein „Aquivalent“ ist und daß es nicht anders als nach der Formel G.W.G.“ umlaufen kann, daß jedes Volk, das zu diesem Geld griff, um die Arbeitsteilung zu fördern und den Austausch der Waren zu erleichtern, unrettbar der Zinswirtschaft, dem Kapitalismus verfallen mußte.

 

Die Kraft, die das Geld nach der Formel G.W.G.“ umlaufen läßt, also die Kapitaleigenschaft des Geldes, beruht auf folgenden Eigenschaften:

  1. Das Geld ist unbedingte Voraussetzung entwickelter Arbeitsteilung.
  2. Das herkömmliche Geld (Metall- und Papiergeld) läßt sich, dank

seiner körperlichen Verfassung unbegrenzt und ohne nennenswerte Lagerkosten vom Markte zurückhalten, während die auf das Geld als Tauschvermittler unbedingt angewiesenen Warenerzeuger (Arbeiter) durch die ständig wachsenden Verluste, die mit dem Aufbewahren der Waren verbunden sind (*), eine Zwangsnachfrage nach Geld halten.

 

3. Infolge dieses eigentümlichen Sachverhalts vermag der Kaufmann von den Warenbesitzern eine besondere Vergütung dafür zu erzwingen, daß er darauf verzichtet, den Austausch der Waren durch Festhalten des Geldes willkürlich hinauszuziehen, d. h. zu verschleppen und nötigenfalls gänzlich zu verhindern.

 

(*) Alle Waren verderben, zwar mehr oder weniger schnell, doch verderben sie alle (mit unerheblichen Ausnahmen, wie Edelsteine, Perlen und einige Edelmetalle). Das Hüten der Waren kann deren Verderben nur verlangsamen, nicht aber verhindern. Rost, Fäulnis, Bruch, Feuchtigkeit, Trockenheit, Hitze, Kälte, Würmer, Fliegen, Käfer, Termiten, Motten, Feuer usw. arbeiten ohne Unterlaß an der Vernichtung der Waren. Schließt ein Warenhausbesitzer sein Haus ein Jahr ab, so kann er getrost 10 oder 20% seines Kapitals dieser Verderbnis wegen abschreiben; dazu noch die Kosten für Miete und Steuern. Schließt dagegen ein Geldbesitzer seinen Schatz ab, so hat er mit keinerlei Verlusten zu rechnen. Sogar der in den Trümmern Trojas gefundene Goldschatz hatte nicht meßbar an Gewicht verloren und galt auf der Reichsbank 2700 M. das Kilo. — Im Zusammenhang hiermit wird oftmals auf den Wein verwiesen, der beim Lagern wertvoller wird und somit scheinbar eine Ausnahme von der allgemeinen Regel darstellt, derzufolge das Lagern von Waren immer mit Verlust verknüpft ist. Es handelt sich hier um einen besonderen Vorgang, darauf beruhend, daß der Wein kein toter Stoff ist, wie eine gewöhnliche Ware, sondern ein lebendiges Naturerzeugnis, das nach der Kelterung und der ersten stürmischen Gärung zunächst noch eine, je nach Güte kürzere oder längere „stille Gärung“ durchmacht, durch die der Wein erst die volle Entwicklung, die Lagerreife, erlangt. Dies beweisen deutlich die Ausscheidungen, die sich dabei am Boden der Fässer oder auch der Flaschen absetzen. Diese Entwicklung, bei der der Wein erst zur fertigen Ware wird, steigert seinen Wert, nicht das Lagern an sich, denn sonst müßte die Wertsteigerung immer weitergehen, was nicht
der Fall ist. Was auf Rechnung des Lagerns kommt, bedeutet, wie immer, auch hier nur einen Verlust, nämlich Kosten für Lagerraum, Fässer, Flaschen, mehrjährige Pflege, Auffüllung, Bruch usw
.

 

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4. Aus dieser regelmäßigen Vergütung setzt sich der Zins des Handelskapitals zusammen, und er beträgt, auf den Jahresumsatz verteilt, nach mehrtausendjähriger Erfahrung 4—5%.

 

Diese besondere, vom Handelsgewinn (*) scharf zu trennende Vergütung kann selbstverständlich nicht der von seinen leiblichen Bedürfnissen getriebene Warenkäufer (Verbraucher genannt) erheben (denn hier ist das Bedürfnis des Geldbesitzers nach Warenkauf ebenso dringend und unaufschiebbar, wie das Bedürfnis des Erzeugers nach Warenverkauf), sondern nur der als Geldbesitzer auftretende Kaufmann kann diese Abgabe erheben, der Mann, der die Waren kaufmännisch erwirbt, um sie kaufmännisch zu verkaufen, der Mann, der die Waren kaufen oder den Kauf unterlassen kann, ohne darum persönlich Hunger leiden zu müssen, kurz der Mann, der eine Schiffsladung Weizen kauft, obschon er persönlich nur einen Sack davon essen wird. Freilich hat der Kaufmann ja auch ein Bedürfnis nach Handelsgewinn, das er nur durch Kauf von Waren befriedigen kann. Aber hinter diesem kaufmännischen Warenkauf steht als treibende Kraft nicht die leibliche Not, sondern der Wunsch, diese Waren so billig wie möglich zu erwerben und dabei alle Waffen der wechselnden Marktlage (Konjunktur), jede Schwäche des Verkäufers restlos auszunützen. Wächst die Schwäche des Verkäufers dadurch, daß der Kaufmann ihn warten läßt, so läßt ihn der Kaufmann warten. Überhaupt tut der Kaufmann alles, was er kann, um die Verlegenheiten des Verkäufers (Erzeuger, Arbeiter) zu mehren, — und als ewige Quelle ewiger Verlegenheiten müssen die unter 1—3 bezeichneten Umstände angesehen werden. Der Verbraucher, von persönlichen Bedürfnissen getrieben, kann nicht warten, — obschon sein Geld es ihm erlauben würde; der Warenerzeuger kann auch nicht warten, obschon seine persönlichen Bedürfnisse es ihm in manchen Fällen wohl gestatten würden; aber der als Kaufmann auftretende Geldbesitzer, der Eigentümer des allgemeinen, unentbehrlichen Tauschmittels, der kann warten, der kann Warenerzeuger und =verbraucher regelmäßig dadurch in Verlegenheit bringen, daß er mit dem Tauschmittel (Geld) zurückhält. Und die Verlegenheiten des einen sind ja im Handel das Kapital des anderen. Wären die Warenerzeuger und -verbraucher (Produzenten und Konsumenten) nicht durch Ort und Zeit von einander getrennt, so würden sie sich, wie das im Tauschhandel ja noch geschieht, ohne das Geld des Kaufmannes behelfen; aber wie die Dinge nun einmal liegen, ist die kaufmännische Vermittlung (und damit auch der Zins) Notwendigkeit und Regel für den weitaus größten Teil der Warenerzeugung.

 

Aus Rücksicht auf diesen letzteren Umstand können wir das Geld der Verbraucher überhaupt ganz aus unseren Betrachtungen ausschalten. Durch die Hände des Kaufmannes gehen alle Waren und geht alles Geld. So sind darum die Gesetze des kaufmännischen Geldumlaufes hier allein maßgebend (**).

 

(*) Der Handelsgewinn ist das, was dem Kaufmann übrig bleibt, wenn er den Zins seines Kapitals in Abzug gebracht hat. Der Kaufmann, der nur mit auf Borg gekauften Waren handelt, kann seinen Gewinn als reinen Handelsgewinn betrachten. Den oben unter 3 bezeichneten Zins muß er an seine Geldgeber abliefern. Er ist dann nur der Kassenbote seiner Geldgeber.)

 

(**) Wem es hier noch irgendwie Schwierigkeiten bereitet, einzusehen, daß der kaufmännische Geldumlauf anderen Gesetzen folgt, als das Geld der Konsumenten, der möge einen Augenblick überlegen, wie das Geld der Sparer wieder vom Verkehr als Tauschmittel angezogen wird.

 

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Nach diesen Feststellungen will ich nun zunächst die Frage beantworten, durch welche Umstände die Höhe des Zinses, den das Geld für die Tauschvermittlung erheben kann, begrenzt wird, und zwar darum zunächst, weil diese Antwort am besten das wahre Wesen des Geldzinses offenbart.

 

Wenn das Geld darum Kapital ist (G. W. G.‘), weil es den Güteraustausch willkürlich untersagen kann, so wird man einwenden, warum denn der Zins nicht bis an den Nutzen heranreicht, den wir aus der Geldwirtschaft ziehen und den wir mit der Leistungsfähigkeit, die die Arbeitsteilung dem Tauschhandel gegenüber besitzt, messen können. Ähnlich ist die Frage berechtigt, warum die Grundbesitzer für die Grundrenten nicht in jedem Falle das Gesetz des ehernen Lohnes anwenden, oder warum die Anteilseigner des Suezkanals für die Höhe der Schiffsabgaben noch andere Umstände erwägen, als nur den Wettbewerb des Seeweges um das Kap der guten Hoffnung.

 

Aber die Abgabe, die das Geld für seine Benutzung erhebt, folgt anderen Gesetzen als die sind, die für die Bodenbenutzung gelten; sie ähnelt mehr der Abgabe, die die Raubritter im Mittelalter erpreßten. Wenn damals der Kaufmann gezwungen war, die Straße zu benutzen, die an der Burg des Ritters vorüberführte, so wurde gründlich geplündert, es wurden 30, 40, 50% Zoll erhoben. Standen aber dem Kaufmann auch noch andere Wege zu Gebote, so war der Ritter bescheiden; er bewachte seine Straße, besserte sie aus, baute Brücken, schützte sie gegen andere Räuber, setzte äußersten Falles den Zoll herab, auf daß der Kaufmann in Zukunft diese Straße nicht gänzlich miede.

 

So ähnlich verhält es sich beim Geld. Auch das Geld muß damit rechnen, daß ihm Wettbewerber erwachsen, wenn seine Abgabeforderungen zu hoch geschraubt sind.

 

Ich werde später noch nachzuweisen haben, daß es bei dem Verleihen von Geld niemals einen Wettbewerber geben kann. Die Wettbewerber, von denen eben die Rede ist, treten nicht beim Verleihen des Geldes, sondern bei seinem Tausch gegen Waren auf.

 

Zunächst ist klar, daß sich die Arbeitsteilung bedeutend weiter ausbilden läßt, als es heute in der Welt geschieht. Die Goldwährung ist eine Weltwährung, die weltwirtschaftlich betrachtet werden muß. Und ¾ der Weltbewohner behelfen sich heute noch schlecht und recht mit der Urwirtschaft. Warum? Zum Teil darum, weil der durch Geld vermittelte Gütertausch zu stark mit Zins belastet ist. Diese Unkosten müssen die Erzeuger veranlassen, in einzelnen Zweigen ihrer Tätigkeit oder auch gänzlich auf die Herstellung von Waren zu verzichten und bei der Urwirtschaft zu bleiben. Ob Ur- oder Warenwirtschaft, hängt von einer Rechenaufgabe ab, bei welcher der Geldzins, womit die Warenwirtschaft belastet ist, oft genug dazu führen mag, der Urwirtschaft den Vorzug zu geben. So wird z. B. mancher deutsche Kleinbauer lieber seine Kartoffelernte im eigenen Stall verfüttern und das Schwein für den eigenen Hausbedarf schlachten, wenn das Fleisch durch den Zins des Tauschvermittlers um ein geringes verteuert wird. Dann wird der Bauer weniger Waren (Kartoffeln für den Markt) und mehr Güter für den eigenen Gebrauch erzeugen und darum weniger Geld brauchen.

 

Diesem Teil der Gütermenge gegenüber, der selbst in Deutschland nicht zu unterschätzen ist, muß das Geld bescheiden bei seiner Zinsforderung sein,

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um die Warenwirtschaft nicht auf die Urwirtschaft hinüberzustoßen. Und ähnlich wie der deutsche Bauer handeln die Völkermassen Asiens und Afrikas.

 

Wenn also nun die Geldbesitzer eine zu hohe Abgabe von den Waren fordern, so wird jener Teil der heutigen Warenerzeugung, der um den Grenznutzen der Arbeitsteilung hin- und herschwankt, aufgegeben, und die Urwirtschaft tritt oder bleibt an dessen Stelle.

 

Der zu hohe Geldzoll vermindert die Warenerzeugung zugunsten der Urwirtschaft. Dies führt dazu, daß das Angebot von Waren abnimmt — und daß die Preise steigen.
 

Das wollen wir vorläufig festhalten.

 

Einen gleichen Einfluß auf die Nachfrage nach Geld, d. h. nach Tauschmitteln, übt der alte Tauschhandel aus, wenn das Geld zu hohen Zins fordert. Das Geld verdankt sein Dasein überhaupt nur den Schwierigkeiten des Tauschhandels. Für deren Überwindung wurde es geschaffen. Verlangt aber das Geld für die Tauschvermittlung zu hohes Entgelt, so wird der Tauschhandel den Wettbewerb in vielen Fällen wieder mit Erfolg aufnehmen, besonders dort, wo, wie in vielen Teilen Asiens und Afrikas, die Erzeuger nicht durch Ort oder Zeit getrennt sind. Je stärker der Geldzins den Warenaustausch belastet, um so eher kann der Tauschhandel der Geldwirtschaft als Wettbewerber „die Spitze bieten“. Denn die auf dem Wege des Tauschhandels verhandelten Waren erreichen den Verbraucher, ohne Zins zu zahlen. Wem sollten sie denn auch zinspflichtig sein (*)? So ist also klar, daß, wenn das Geld den Tauschhandel ablösen soll, es nicht beliebig hohe Abgaben fordern kann, zumal die Warenbesitzer die Hindernisse, die die Trennung durch Ort und Zeit dem Tauschhandel bietet, dadurch zu überwinden wissen, daß sie sich an bestimmten Tagen und Orten (Markttage) zusammenfinden (**).

 

So entziehen sie dem Geld die Daseinsunterlage, nämlich die Nachfrage nach Tauschmitteln, die die Ware verkörpern. Die Waren, die der Tauschhandel unterbringt, sind für das Geld verloren, ähnlich wie der Zigeunerkarren für die Eisenbahn ein verlorener Kunde ist.

 

Welcher Bruchteil der Weltwarenerzeugung auf diese Weise um den Tauschhandel herumschwankt, wie viel Waren also durch zu hohen Zins von der Benutzung des Tauschmittels ausgeschlossen werden, brauchen wir für unsere Zwecke nicht zu berechnen. Es genügt, daß wir im Tauschhandel das Dasein eines

 

(*) Wenn im Tauschhandel Kartoffeln gegen Fische ausgetauscht werden, und jeder belastet seine Ware mit 10% Zins, so heben sich diese Zinsen gegenseitig auf. Hiermit ist aber beileibe nicht gesagt, daß bei Anleihen, also nicht beim Tausch, Zins unmöglich wäre.

 

(**) Der Tauschhandel ist nicht ganz so schwierig, wie man ihn allgemein darstellt. Die Schwierigkeit, die darin besteht, daß jeder, der die Waren hat, die ich brauche, nicht immer auch meine Ware benötigt oder nicht gerade in der Menge, die der von ihm angebotenen, oft unteilbaren Ware entspricht, ist stark übertrieben worden. In Wirklichkeit verschwindet diese Schwierigkeit gleich mit dem Auftreten des Kaufmannes. Denn der Kaufmann, der alles kauft, kann darum auch alles verkaufen. Er kann mich immer mit dem bezahlen, was ich brauche. Bringe ich ihm einen Elephantenzahn, so kann ich dagegen in seinem Warenhaus alle Waren erhalten, die ich brauche, und in genau der benötigten Menge. In den deutschen Siedlungen Südbrasiliens wickelt sich heute noch der Handel in dieser Weise ab. Die deutschen Siedler erhalten dort nur ausnahmsweise Geld.

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Wettbewerbers des Geldes festgestellt haben, dessen Aussichten um so günstiger sein werden, je höhere Abgaben das Geld fordert. Steigt der Zins, so werden viele Waren vom Geldhandel auf den Tauschhandel abgestoßen, die Nachfrage nach Geld nimmt ab und die Preise steigen, also genau wie bei der Urwirtschaft. Auch hier wollen wir uns vorläufig mit dieser Feststellung begnügen.

 

In gleicher Richtung wie die Urwirtschaft und der Tauschhandel wirkt auch der Wechsel, sobald die Ansprüche des Geldes zu hoch geschraubt werden. Denn auch die Waren, die gegen Wechsel ausgetauscht werden, sparen den Geldzins, und hoher Geldzins ist ein Ansporn zu ausgedehnterer Verwendung des Wechsels.

 

Freilich, der Wechsel ist nicht so bequem und sicher wie das Geld, er kann in vielen Fällen das Geld überhaupt nicht ersetzen, was man daraus ersieht daß die Wechsel bei der Bank gegen Geld eingetauscht (diskontiert) werden, trotzdem sie sich dabei einen Abzug gefallen lassen müssen. Das geschähe nicht, wenn der Wechsel das bare Geld überall vertreten könnte. Oft aber, besonders im Großhandel, namentlich als Rücklage, hat der Wechsel vor dem Bargeld nur wenig Nachteile, und es genügt dann eine nur geringe Erhöhung des Geldzinses, damit man den Wechsel vorzieht.

 

Der Geldzins wirkt auf den Wechsel wie die Erhöhung der Bahnfrachten auf die Benutzung der Schiffahrtskanäle. Je höher der Zins, um so größer ist der Ansporn, durch den Gebrauch von Wechseln im Handel die vom Geld geforderte Abgabe zu umgehen. Aus demselben Grund muß aber auch alles, was die natürlichen Nachteile des Wechsels (dem Bargeld gegenüber) künstlich vermehrt, auch die Stellung des Geldes stärken und die Zinsansprüche des Bargeldes erhöhen. Drückt der Wettbewerb der Wechsel den Zins des Bargeldes auf 5% herab, so wird dieser Zins auf 5¼, 5½—6% steigen, wenn wir den Gebrauch des Wechsels durch Alarmnachrichten oder durch Stempelabgaben erschweren. Je unsicherer der Wechsel erscheint, um so höher der Zins; je mehr der Wechsel durch Stempelabgaben belastet wird, um so höhere Forderungen kann sein Mitbewerber, das Bargeld, stellen, um so höher steigt der Zins. Belasten wir den Wechsel mit einer Steuer von 1%, so wird auch der Abzug, den die Bank beim Einwechseln erhebt (Diskonto), um 1% steigen. Belasten wir den Wechsel mit 5% Steuer, so steigt der Abzug von 5 auf 10% (falls die schon genannten Konkurrenten des Geldes nicht eingreifen).

 

Bei diesem Sachverhalt erscheint das Benehmen des Staates sonderbar, der eine Erhöhung der Wechselstempelsteuer vorschlägt, um seine Einnahmen zu vermehren, zugleich aber darüber klagt, daß er seine Anleihen nur zu erhöhtem Zinsfuß unterbringen kann. Vielmehrsollte der Staat als Schuldner die Stempelabgaben auf Wechsel abschaffen, um den Zins für seine Anleihen heruntersetzen zu können. Was er an Wechselsteuern weniger einnähme, würde er an den Zinsen seiner Anleihen hundertfach wiedergewinnen und zugleich die Zinslasten des Volkes vermindern.

 

Wenn wir nun umgekehrt statt einer Steuer eine Wechselprämie (einerlei, wie man sich diese denkt) ausschreiben würden, so versteht sich, daß mit einer solchen Prämie oder Vergütung der Wechselumlauf auch gefördert und gehemmt

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werden könnte, gefördert, wenn die Prämie steigt, gehemmt, wenn sie ermäßigt wird.

 

Ist nun die Zinsersparnis, die der Wechselverkehr dem Handel bietet, keine solche Vergütung, die mit dem Geldzins wächst oder fällt? Der Wechselverkehr steigt also im gleichen Verhältnis, wie der Geldzins steigt.

 

Aber wo Wechsel verkehren, da verkehren auch entsprechende Warenmengen, nur in umgekehrter Richtung. Und diese Waren sind wieder für die Nachfrage nach Geld verloren. Der Wechsel hat sie dem Gelde abgejagt. Die Nachfrage nach Bargeld geht also im gleichen Maße zurück, und entsprechend steigen wieder die Preise, wie der Wechselverkehr zunimmt, und der Wechselverkehr wächst zusammen mit dem Geldzins. Auch das wollen wir uns vorläufig merken.

 

Das Geld ist also nicht unbeschränkter Herrscher auf dem Markte. Es muß mit Wettbewerbern rechnen und kann infolgedessen die Zinsforderungen nicht beliebig hochschrauben.

 

Jedoch ließe sich hier einwenden, daß das Geld in sehr vielen Fällen, namentlich in unseren heutigen Städten, unentbehrlich ist, daß das Geld sogar in den meisten Fällen den größeren Teil der Ware als Entgelt für die Tauschvermittlung verlangen könnte, ohne daß es darum wieder zum Tauschhandel oder zur Urwirtschaft käme, ja, daß selbst bei einem Abzug (Diskont) von 50% in sehr vielen Fällen das Geld nicht durch Wechsel ersetzbar ist.

 

Der Wechsel kommt nur von einer Vertrauenshand in die andere. Er ist nicht teilbar genug für die Bedürfnisse des Kleinhandels. Er ist an bestimmte Gesetze, an bestimmte Zeiten und Orte gebunden. Das alles beschränkt seine Umlaufsbahn auf einen sehr kleinen Durchmesser.

 

Und darauf gestützt, könnte man sagen, daß in allen diesen Fällen das Entgelt für die Tauschvermittlung sehr viel höher sein müßte, als es wirklich ist falls die Anschauung richtig wäre, wonach das Geld den Zins erhebt, weil es willkürlich den Austausch der Waren sperren kann. Aber bei diesem Einwand wird eine Tatsache vergessen, die wir im dritten Teil dieser Schrift kennen gelernt haben, nämlich, daß eine allgemeine Preissteigerung das Geld zu Markte treibt. Eine allgemeine Preissteigerung der Waren bedeutet ja für alle Geldbesitzer immer einen der Preissteigerung genau entsprechenden Verlust, und diesem Verlust können sie nur entgehen, wenn sie das Geld gegen Waren anbieten. Eine allgemeine Preissteigerung ist für das herkömmliche Geld ein Umlaufszwang, in manchen Wirkungen ähnlich dem Umlaufszwang des Freigeldes. Durch Kauf von Waren sucht man bei einer allgemeinen Preissteigerung den dem Geld drohenden Verlust — auf andere abzuwälzen.

 

Wir können also sagen, daß die Erhöhung des Geldzinses über eine bestimmte Grenze hinaus ganz von selbst die Kräfte auslöst, die ihn wieder herunterdrücken.

 

Umgekehrt wird, wenn der Geldzins unter diese Grenze fällt, wegen der dadurch verringerten Handelsunkosten in vielen Fällen die Arbeitsteilung eingeführt, wo heute die Urwirtschaft noch lohnt, und der Geldhandel breitet sich

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dorthin aus, wo man sich noch mit dem Tauschhandel behilft. Gleichzeitig verliert der Wechsel an Reiz (bei 0% Zins würde der Wechsel überhaupt verschwinden). Diese Umstände, also vermehrte Warenerzeugung (auf Kosten der Urwirtschaft) bei gleichzeitigem vermehrten Angebot von Waren (auf Kosten des Tauschhandels) und vermehrtem Angebot von Waren gegen Bargeld (auf Kosten des Wechselverkehrs), würden die Preise drücken, den Warenaustausch erschweren, und die entstehenden Verlegenheiten der Erzeuger würde sich das Geld wieder mit erhöhten Zinsforderungen nutzbar machen.

 

Das Spiel der Kräfte, das der Geldzins durch seine Einwirkung auf die zinsfreien Mitbewerber des Geldes und dadurch auf die Preise auslöst, wirkt also selbsttätig regelnd auf den Zins zurück, so daß die Höchstgrenze des Geldzinses auch die Mindestgrenze ist. (Der Umstand, daß der Wechselzins [Diskont] starke Schwankungen erleidet, beweist nichts gegen diesen Satz, wie wir noch zeigen werden.)

 

Der Geldzins fällt also immer notwendigerweise auf den Punkt zurück, wo durch ihn Wechselverkehr, Tauschhandel und Urwirtschaft gefördert oder eingeschränkt werden.

 

Die Ansicht ist heute noch allgemein, daß der Geldzins durch den Wettbewerb der Geldverleiher steigt und fällt.

 

Diese Ansicht ist irrig. Es gibt unter Geldverleihern keinen Wettbewerb; er ist sachlich unmöglich. Stammt das Geld, das die Kapitalisten zu verleihen haben, aus dem Verkehr, so stopfen sie mit dem Weiterverleihen dieses Geldes nur die Löcher zu, die sie beim Vereinnahmen des Geldes gegraben haben. Sind 10—100—1000 Geldverleiher da, so sind auch 10—100-1000 Löcher da, die diese Geldverleiher in die Umlaufsbahn des Geldes gegraben haben. Je mehr Geld angeboten wird, um so größer sind diese Löcher (*). Bei sonst unveränderten Verhältnissen muß sich also immer eine Nachfrage nach Leihgeld einstellen, die dem Geld entspricht, das die Kapitalisten zu verleihen haben. Unter solchen Verhältnissen kann man aber nicht mehr von einem Wettbewerb sprechen, der den Zins beeinflussen könnte. Sonst müßte ja auch der Umstand, daß am Martinstag der Umzug stattfindet, die Mieten beeinflussen. Aber das ist nicht der Fall, denn die größere Anzahl von Wohnungssuchenden entspricht einer gleichen Zahl von aufgegebenen Wohnungen. Der Umzug an sich ist ohne jeden Einfluß auf die Mieten. Und ebenso verhält es sich beim Wettbewerb der Geldverleiher. Auch hier handelt es sich nur um einen Umzug des Geldes.

 

Ist es aber neues, unmittelbar von Alaska kommendes Geld, das die Geldverleiher anbieten, so wird dieses neue Geld die Preise hochtreiben, und die Preissteigerung wird alle, die Geld für ein Unternehmen borgen müssen, zwingen,

 

(*) Bei der berühmten Krise, die 1907 urplötzlich über die Vereinigten Staaten ausbrach war es Morgan, der der Regierung mit 300 Millionen Dollars Gold „zu Hilfe eilte“. Woher kamen diese Dollars? Es waren nötig gebrauchte Dollars. Morgan hatte sie vorher dem Verkehr entzogen und damit selber dem Lande die Verlegenheiten bereitet, die der Schelm setzt, nachdem der Kurssturz eingetreten und die Zwischengewinne eingeheimst waren, aus Vaterlandsliebe der Regierung großmütig anbot.)

 

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die Summe um den Betrag der Preissteigerung zu erhöhen. Statt 10000 M. wird der Unternehmer für das gleiche Haus 11—12—15 000 M. brauchen, und so wird das durch das neue Geld vermehrte Angebot auch selbsttätig eine entsprechend vergrößerte Nachfrage erzeugen, wodurch wieder der Einfluß des neuen Geldes auf den Zins bald genug aufgehoben wird.

 

Die Erscheinung, daß bei Vermehrung des Geldumlaufes (durch Goldfunde oder Papiergeldausgabe) der Zinsfuß nicht nur nicht fällt, sondern im Gegenteil in die Höhe geht, werden wir noch erklären.

 

Einen Wettbewerb unter Geldverleihern, der auf den Zins Einfluß haben könnte, gibt es also nicht; er ist unmöglich.

 

Die einzigen Wettbewerber des Geldes, die dessen Macht beschränken, sind die oben genannten drei Dinge: Urwirtschaft, Tauschhandel und Wechsel, die eine vermehrte Urwirtschaft, vermehrten Tauschhandel und vermehrten Wechselverkehr, als Folge erhöhter Zinsforderungen selbsttätig herbeiführen und damit eine allgemeine Preissteigerung der Waren bewirken, die dann die Geldbesitzer nachgiebig macht. (Zum besseren Verständnis für diesen Satz sei auf den später folgenden Abschnitt „Die Bestandteile des Bruttozinses verwiesen.)

 

Zwischen zwei Punkten ist nur eine Gerade möglich; die Gerade ist die kürzeste, und die kürzeste ist — auf das Wirtschaftliche übertragen — auch die billigste.

 

 

Abb. 6.

Die kürzeste Straße aberfzwischen Erzeuger und Verbraucher, und darum auch die sparsamste, ist das Geld. (Bei der Urwirtschaft geht die Ware zwar auf noch kürzerem Wege geradeswegs von der Hand in den Mund. Dafür ist aber hier die Erzeugung weniger ergiebig als bei der Warenherstellung im Wege der Arbeitsteilung.)


Alle anderen Straßen (Tauschhandel, Wechsel), die die Waren einschlagen mögen, um den Verbraucher zu erreichen, sind länger und kostspieliger. Wie würde man auch sonst 105 M. in Wechseln für 100 M. in Geld geben, wenn das bare Geld dem Wechsel gegenüber als Tauschmittel keine Vorteile böte?

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Aber diese billigste und kürzeste Straße kann der Geldbesitzer sperren, und gesetzmäßig gibt er sie nur frei, falls man ihm die Vorteile bezahlt, die das bare Geld als gerade Straße den krummen Straßen gegenüber aufweist. Fordert er mehr als diesen Unterschied, so schlägt die Ware den längeren Weg ein; fordert er weniger, so wird das Geld überlastet, d. h., die Waren, die sonst mittels Wechsel usw. ausgetauscht wurden, beanspruchen dann das bare Geld. Die Nachfrage nach Geld wächst, die Warenpreise sinken, und bei sinkenden Preisen kann das Geld überhaupt nicht mehr umlaufen.

 

Das Geld erhebt den Zins für seine jeweilige Benutzung, so wie es etwa eine Mietskutsche tut. Der Zins wird den allgemeinen Handelsunkosten zugerechnet und mit diesen erhoben, — ob durch Abzug beim Erzeuger oder durch einen Zuschlag beim Verbraucher, ist einerlei. In der Regel geschieht es so, daß der Kaufmann den Preis erfahrungsgemäß kennt, den er beim Verbraucher für die Ware erzielen kann. Von diesem Preise kürzt er die Handelsunkosten, seinen eigenen Arbeitslohn (den reinen Handelsgewinn) und den Zins. Diesen Zins berechnet er nach der Zeit, die erfahrungsgemäß im Durchschnitt bis zum Verkauf der Ware verstreicht. Das, was bleibt, ist für den Warenerzeuger. Ist z. B. der Kleinhandelspreis einer Kiste Zigarren in Berlin zehn Mark, so weiß der  Zigarrenfabrikant in München ganz gut, daß er diese zehn Mark nicht voll für sich beanspruchen kann. Er muß für den Händler in Berlin den Preis so weit herabsetzen, daß dieser aus dem Unterschied zwischen dem Fabrik= und Verkaufspreis die Kosten für Fracht, Ladenmiete und für seine Arbeit bestreiten kann. Und dann muß noch etwas übrig bleiben dafür, daß der Händler „Geld in sein Geschäft stecken“ muß. Dieses Geld kommt der Regel nach mittel- oder unmittelbar von den Banken und Sparkassen, die es selbstverständlich nur gegen Zins hergeben. Diesen Zins muß der Händler aus dem obigen Preisunterschied herausschlagen. Geht das nicht bei den heutigen Preisen, nun, so wartet er. Und so lange er wartet, muß auch der Fabrikant auf den Käufer warten. Ohne eine Abgabe an das Geld zu bezahlen, gelangt keine Zigarre von der Fabrik zum Raucher. Entweder ermäßigt der Fabrikant den Preis, oder der Verbraucher erhöht sein Angebot. Dem Kapitalisten ist das gleichgültig. Den Zins bekommt er auf alle Fälle. Der Urzins wird also ganz einfach zu all den übrigen Handelsunkosten geschlagen. Diese sind im allgemeinen das Entgelt für geleistete Arbeit. Der Fuhrmann füttert die Pferde, schmiert die Achsen, schwitzt und flucht. Es ist nicht mehr als recht, daß er dafür bezahlt werde. Der Kaufmann hütet den Laden, bezahlt die Miete, rechnet und grübelt. Er soll etwas dafür bekommen. Aber der Bankmann, die Sparkasse, der Geldgeber was tun sie? Der König steht am Schlagbaum; er sperrt die Grenze und sagt: der Zehnte ist mein! Ter Geldgeber steht vor dem Geldschrank; er sperrt den Austausch der Waren, die auf den Inhalt des Geldschrankes als Tauschmittel angewiesen sind, und sagt, wie der König: der Urzins ist mein! Der König wie der Geldgeber tun im Grunde nichts, sie sperren nur und erheben einen Zins. Der Urzins ist also, wie der Grenzzoll, eine Abgabe, nur mit dem Unterschied, daß der König mit dem Zoll die Staatsausgaben bestreitet, während der Geldgeber den Urzins für sich selbst verwendet. Wir bezahlen im Urzins also weiter nichts als die Tätigkeit der Kapitalisten, die darin besteht, dem Handel Steine in den Weg gewälzt zu haben.

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Welcher von den drei Wettbewerbern des Geldes, die dem Geldzins die Grenzen ziehen, ist der wichtigere? In entwickelten Handelsgebieten und gewöhnlichen Zeiten ist von jenen dreien der Wechsel der wichtigere, während die beiden anderen für die weniger entwickelten Länder ausschlaggebend sind. Denkt man sich z. B. Deutschland als geschlossenen Handelsstaat mit eigener Papierwährung, so würde ohne den Wechsel das Geld schon sehr hohe Ansprüche stellen können, ehe die Urwirtschaft und der Tauschhandel genügend stark eingreifen könnten, um die für die Freigabe des Geldes nötige Preissteigerung zu erzeugen (*). Ja, man könnte annehmen, daß ohne den Wechsel (dem natürlich Verkäufe auf Borg, Stundungen usw. hinzuzurechnen sind) das Geld in dem angenommenen Fall die Zinsforderungen bis hart an die Grenze des Nutzens steigern könnte, den uns die Arbeitsteilung bietet; was ja schon vollkommen durch das Aufgeben der Arbeit in Krisenzeiten bewiesen wird. Den Arbeitslosen hilft die Urwirtschaft und der Tauschhandel nur ganz ausnahmsweise, und dann auch nur in sehr geringem Maße. So kann ein Arbeitsloser z. B. seine Hosen selber flicken, er kann sich selbst rasieren und seine Mahlzeiten selber bereiten. Er kann sein Brot backen, vielleicht seine Kinder unterrichten, und statt ins Schauspielhaus zu gehen, selbst für seine Familie ein Lustspiel schreiben, wenn der Hunger die dazu nötige Stimmung bei ihm aufkommen läßt.

 

Ist also bei uns der Wechsel der wichtigste Zinsregler, so sind in unentwickelten Ländern, in Asien und Afrika, in denen der Wechsel keine große Rolle spielen kann, Urwirtschaft und Tauschhandel von höchster Bedeutung für die Regelung des Geldzinses. Und daß sie in solchen Ländern wirksam sein müssen, erkennt man daran, daß der Geldzins in früheren Zeiten, als die Arbeitsteilung erst in kleine Kreise des Volkes eingedrungen war, z. B. zur Zeit der Römer und im Bauernstaat der Königin Elisabeth von England, ungefähr der gleiche war wie heute, wie man das aus den Angaben am Schlusse dieses Buches ersehen kann. Diese Gleichmäßigkeit des reinen Geldzinses ist so auffallend, daß man annehmen kann, die drei unter sich so verschiedenen und so verschiedene Kulturzustände voraussetzenden Zinsregler (Urwirtschaft und Wechselrecht) müßten sich gegenseitig bedingen und ergänzen. So erzeugt z. B. eine schon hoch entwickelte, nur wenig mehr ausdehnungsfähige Arbeitsteilung und der dadurch bedingte Ausschluß von Urwirtschaft und Tauschhandel wiederum die Kultur, die sozialen, gesetzlichen und Handelseinrichtungen, bei denen der Wechselverkehr sich ausbilden und gedeihen kann. Die 36 Milliarden Mark, die 1907 in Deutschland in Wechseln in Umlauf gesetzt wurden, geben einen besseren Maßstab für die Entwicklung des Handels, als das Eisenbahnnetz und manches andere.

 

Und umgekehrt sind dort, wo der Kulturzustand den Ersatz des Geldes durch Wechsel ausschließt, wieder Urwirtschaft und Tauschhandel die treuen Wächter, die es verhindern, daß das Geld seinen Zinsanspruch über bestimmte Grenzen hinaus steigert.

 

(*) Ich verweise nochmals zum besseren Verständnis für diesen Satz auf den Abschnitt am Schlusse des Buches: Die Bestandteile des Bruttozinses.)

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Fassen wir das in diesem Abschnitt Gesagte kurz zusammen: Der Geldzins ist das Erzeugnis eines selbständigen Kapitals, d. i. des Geldes, und läßt sich am besten mit dem Wegesperrgeld vergleichen, das der Raubritter und bis in jüngste Zeit der Staat für die Benutzung der Straßen erhob. Der Geldzins wird nicht vom Zins der Sachgüter (Realkapitalien) beeinflußt (wohl aber umgekehrt), und der Wettbewerb der Geldverleiher hat keinen Einfluß auf ihn. Begrenzt wird der Geldzins durch den Wettbewerb, den ihm die anderen Tauschmittel (Wechsel, Tauschhandel und Urwirtschaft) bereiten.

 

Beim Geldverleihen wird nur der Besitzer des Geldes gewechselt, ohne daß dadurch irgend etwas am Geld geändert wird. So wie es sich gleich bleibt, wenn statt des Mannes es die Frau ist, die den Schlagbaum fallen läßt und die Abgabe erhebt. Beim Wechsel und Tauschhandel dagegen findet kein solcher wesenloser Personenwechsel stati, sondern es wird dem Geld ein wirksamer Mitbewerber dadurch geschaffen, daß den Waren andere Wege für den Austausch gebahnt werden.

 

Durch die Preissteigerung, die der Wechsel, die Urwirtschaft und der Tauschhandel bewirken, wird der Geldumlauf unter einen wirtschaftlichen Zwang gestellt, der dazu führt, daß das Geld auch solchen Waren gegenüber seine Macht über bestimmte Grenzen hinaus nicht mißbrauchen kann, die zu ihrem Austausch sich nicht des Wechsels oder des Tauschhandels bedienen können. Es geht hier zu wie bei den Lohnarbeitern, deren Lohn vom Arbeitsertrag der Ausgewanderten begrenzt wird, obschon sie nicht alle mit der Auswanderung zu drohen brauchen (s. Teil I).

 

Der Geldzins wird von den Waren, also unmittelbar aus dem Kreislauf von Ware und Geld erhoben. (Wie zu Anfang gesagt wurde, leugnete Marx diese Möglichkeit.) Der Geldzins ist vom Vorhandensein eines von Arbeitsmitteln entblößten Proletariats vollkommen unabhängig. Er würde um nichts geringer sein, wenn alle Arbeiter mit eigenen Arbeitsmitteln versehen wären. Der Geldzins würde solchenfalls den Arbeitern bei der Übergabe ihrer Erzeugnisse an den Händler (Geldbesitzer) abgenommen, und zwar darum, weil der Händler durch Festhalten des Geldes (ohne unmittelbaren Schaden für sich) den Austausch der Erzeugnisse der Arbeiter untersagen und diesen dadurch einen unmittelbaren, unabwälzbaren Schaden zufügen kann, weil diese Erzeugnisse durchweg und ohne nennenswerte Ausnahmen täglich an Menge und Güte verlieren, dabei noch erhebliche Kosten für Lagerung und Wartung verursachen.

 

Diesen Geldzins werden wir von jetzt ab „Urzins“ nennen (*).

 

(*) Die Bezeichnung „Urzins“ für den Geldzins, im Gegensatz zum Zins der Sachgüter (Häuser usw.), wird es erleichtern, beide Zinsarten auseinander zu halten.)