3.4. Luhansk: Kampfansage Referendum

Der Weg zur Mittelschule Nummer sechs in der Molodögnij 3a im Watutina-Distrikt von Luhansk führt über einen Feldweg mitten in der Stadt. Der Wagen schaukelt sich durch Pfützen zu einem kleinen Parkplatz. Die Schule ist untergebracht in einem Backsteinbau, am Eingang stehen zwei Milizposten, die sich nicht weiter um uns kümmern. Links vom Eingang führt ein Weg zur Turnhalle. Vor uns sehen wir die Wahlkommission, und an der schmalen Seite rechts befinden sich drei Wahlkabinen. An diesem frühenNachmittag tröpfeln die Stimmberechtigten nur langsam ein. Es ist der zweite Tag des Referendums, das in Deutschland nur als »Scheinreferendum« bezeichnet werden darf. Das ist die offizielle Sprachregelung des Weißen Hauses, des deutschen Bundeskanzlers und der Europäischen Union. »Wir werden niemals den Versuch Russlands anerkennen, seine illegale und brutale Besetzung ukrainischer Gebiete zu legitimieren«, erklärt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verurteilt die Abstimmungen über einen Beitritt zur Russischen Föderation als illegal. Die NATO spricht von einer weiteren Eskalation. Kiew droht den Organisatoren mit strafrechtlicher Verfolgung: »Alle ukrainischen Gebiete werden von der russischen Besatzung befreit, und die russische Führung wird zur härtesten Verantwortung für den organisierten Terror, die Kriegsverbrechen und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf ukrainischem Boden zur Verantwortung gezogen.«(123) Scheinreferenden? Nur was die Menschen hier in Luhansk wollen – danach fragt niemand.

Die Leiterin der Wahlkommission, Irina Dikaja, ist eine schwarzhaarige, schlanke Lehrerin um die 50. Meine Fragen beantwortet sie anfangs wie eine lästige Pflichtübung, aber als sie merkt, dass ich ehrliches Interesse an ihrer Arbeit habe, wird sie etwas lockerer. Sie erzählt begeistert, dass bereits 953 Stimmberechtigte in den vergangenen eineinhalb Tagen gekommen seien. Dabei leuchten ihre Augen vor Rührung auf: »Die Leute stehen Schlange, um ihre Stimme abzugeben. Gestern hat es Bindfäden geregnet, und die Menschen standen unter ihren Regenschirmen hier bei uns vor der Schule und vor den Wahlbussen in der ganzen Stadt. Ältere Damen weinen, wenn sie die Unterlagen erhalten, zur Wahlkabine gehen und dann den Zettel in die Urne werfen. Menschen mit Behinderung rufen uns an und bitten darum, jemanden vorbeizuschicken, sie sagen: ›Wir wollen unsere Stimme abgeben.‹ Einige hängen länger als eine Stunde in der Hotline und möchten wissen, wann wir endlich kommen werden. Wir haben doch nur ein Auto, und unsere Wahlhelfer können nicht alle gleichzeitig bedienen. Mit einer solchen Beteiligung haben wir nicht gerechnet, und ich bin sehr froh darüber!« »Wie schätzen Sie die Stimmung ein?« »Die Stimmung ist sehr gut. Die Wählerinnen und Wähler hoffen, dass dieses Referendum etwas bewirkt. Sie stimmen ab, damit sich ihr Leben zum Besseren verändert. So knapp kann man die Stimmung beschreiben. Sie blicken positiv in die gemeinsame Zukunft mit Russland.«(124) Ergebnisse hat sie noch keine. Die Stimmzettel werden in Plastiksäcken gesammelt und kommen in den Panzerschrank. Am 27. September wird dann ausgezählt. Aber die Wahlbeteiligung schätzt sie auf mehr als 90 Prozent.

Vor der Schule stehen zwei Frauen, ein Mann und ein Milizionär. Ich stelle mich dazu und frage, ob sie den Menschen in Deutschland etwas zur Wahl sagen möchten. Die Frauen schicken den Mann vor, er ist etwa 60 Jahre alt. Wir gehen etwas zur Seite, die anderen unterhalten sich weiter. »Haben Sie schon gewählt?« »Ja, ich habe gestern schon abgestimmt.« »War Ihnen das so wichtig?« »Diese Wahl ist für mich sehr wichtig, auch für meine Familie und für mein Land, die Republik Luhansk. Auf dieses Referendum haben wir acht Jahre lang gewartet. Die Menschen im Ausland sollen wissen, dass hier russische Menschen leben. Mit Russland verbindet uns praktisch alles: Politik, Wirtschaft, Religion und wir feiern dieselben Feste. Wir wollen nicht, dass diese enge Seelenverwandtschaft auseinandergerissen wird!« »Was versprechen Sie sich vom Wahlergebnis?« »Dass alles besser wird. Aber zuallererst muss dieser Krieg aufhören, damit unsere Soldaten von der Front zurückkehren können. Auch die ukrainischen Soldaten können dann aus den Schützengräben steigen und heimkehren. Das wünschen sich doch alle. So ein Krieg bringt nichts Gutes, denn da sterben Menschen. In Luhansk und Donezk sterben auch Kinder, wie Sie wissen. Deswegen will ich, dass der Krieg sehr schnell beendet wird. Und ich habe große Hoffnung in Russland, politisch, wirtschaftlich, im Bildungsbereich. Ich hoffe für mich, meine Kinder und meine Enkelkinder. Russland ist unser Land, und wir kehren zurück in unseren Heimathafen. Und ich möchte Ihnen noch etwas sagen: Wir haben unsere Stimme abgegeben, ohne dass einer mit der Waffe in der Hand hinter uns stand. Uns hat niemand zur Wahlurne getrieben. Wir sind der Stimme unseres Herzens gefolgt!«

Soldaten bewachen die Wahllokale, man rechnet mit Anschlägen oder Raketenbeschuss. Dass sie Leute zur Wahl zwingen, sie mit vorgehaltener Waffe heranführen – das habe ich nirgendwo gesehen. Stattdessen drängen die Menschen selbst in Luhansk zur Wahl. Vier Referenden fanden zwischen dem 23. und 27. September statt. Dabei konnten die Wählerinnen und Wähler je nach Oblast unterschiedliche Fragen beantworten, auch jene, die nach Russland geflohen waren. Die ukrainische Seite stellte die Teilnahme an den Wahlen unter Strafe. In den selbsternannten Republiken Luhansk und Donezk, die offiziell schon unabhängig waren, stand die Frage zur Abstimmung, ob die Bevölkerung den Beitritt zur Russischen Föderation befürwortet oder nicht. In den Oblasten Cherson und Saporischschja, die offiziell zur Ukraine gehören, wurde darüber abgestimmt, ob die Bevölkerung in der Ukraine bleiben, unabhängig sein oder Teil der Russischen Föderation werden will.

In einem Vorort sehe ich eine Wahlstation unter freiem Himmel. Ein älterer Herr, der gerade seine Stimme abgegeben hat, wird vom russischen Fernsehen befragt, und er antwortet sichtlich gerne: »Ich bin froh, dass es so gelaufen ist. Russland lag am Boden, und seit Putin begonnen hat, das Land wieder aufzurichten, konnten die Menschen wieder hoffen. Das Jahr 2014 hat gezeigt: Ein Land, das dir verbietet, deine Muttersprache zu sprechen, dir deine Kultur entreißt und dich erniedrigt, hat den Donbass in den Bürgerkrieg gestürzt.« Der Grauhaarige spielt auf das Sprachengesetz von 2014 an, mit dem der damalige Chef der Übergangsregierung in Kiew, Jazenjuk, Russisch als zweite Amtssprache abschaffen wollte. Überregionale Zeitungen sollten auf Ukrainisch erscheinen, und Buchläden sollten die Hälfte ihres Bestandes auf Ukrainisch anbieten. Verabschiedet wurde das Gesetz erst 2019, Verstöße wurden unter Strafe gestellt.(125) Der Mann redet sich in Rage: »Donezk und Luhansk haben den Kampf für gleiche Rechte aufgenommen. Es ist besser, aufrecht zu sterben, als auf den Knien zu leben. Habt ihr sonst noch Fragen? Nein?«

Auch diese Wahlstation wird von Milizionären bewacht, die etwas abseitsstehen und sich langweilen. Junge Reporterinnen des separatistischen Radiosenders Luhansk tragen Kampfanzüge: Alle Menschen sind hier im Krieg. Eine Wahlkabine oder einen Sichtschutz gibt es hier nicht. Die Stimmberechtigten machen ihr Kreuz vor der Wahlkommission, falten den Zettel und werfen ihn in die durchsichtige Wahlurne auf dem Tisch. Die Wahlleiterin ist eine blonde Mittdreißigerin in Jeans und grüner Daunenjacke, sie hat das rote Klemmbrett mit der Wählerliste unterm Arm: »Derzeit läuft, wie Sie wissen, eine Militäroperation, deshalb haben wir uns für fliegende Wahlstationen entschieden. Denn wir müssen davon ausgehen, dass es Sabotageakte gibt. Deshalb schützt uns hier auch das Militär. Die Menschen werden vorher nicht informiert, sondern erfahren durch Mund-zu-Mund-Propaganda, wo sich eine Wahlstation befindet. Dies geschieht aus Sicherheitsgründen, um allzu lange Warteschlangen zu vermeiden.« »Normalerweise sind Wahlen doch geheim, das ist hier aber nicht der Fall.« »Wie Sie sehen, können wir hier keine Wahlkabinen aufbauen. Die gibt es nur in den regulären Wahllokalen. Aber jeder, der abstimmen möchte, kann auch ein stationäres Wahllokal besuchen und dort seine Stimme abgeben. Dort gibt es Wahlkabinen.« Beides ist nicht von der Hand zu weisen: Ein Wahllokal mit Kabinen ist zwei Busstationen entfernt, und weiter südlich in Cherson werden an diesem Tag Wahllokale von der ukrainischen Artillerie beschossen. Zwischen zwei Plattenbauten mit abgeplatztem Putz und maroden Fenstern erreichen wir über einen verschlammten Weg einen Hinterhof. Eine alte Frau füttert Tauben und Katzen. Unter Bäumen steht ein Holztisch mit zwei Bänken und zwei Stühlen – das Wahllokal Nr. 5 in Luhansk. Jemand berichtet der Wahlleiterin: »Wir waren oben bei den Behinderten, sie schaffen es nicht hier runter. Die Mutter liegt im Bett, die Tochter kann kaum noch laufen.« Eine Wählerin Mitte 50 in einer dunkelvioletten Daunenjacke sagt: »Ich habe meine Stimme abgegeben, damit endlich wieder Frieden herrscht. Damit unsere Volksrepublik Luhansk ein Teil der Russischen Föderation wird. Damit sie sich entwickelt, stärker wird und wir endlich wieder Frieden haben. Wir warten alle sehnsüchtig darauf, dass es hier wieder aufwärtsgeht. Wir alle hoffen das sehr.« Eine zweite Wählerin, ebenfalls Mitte 50, wirft ihren Wahlzettel ungefaltet in die Urne. Sie steht da mit ihrem Pass in der Hand: »Ich war glücklich damals in der Sowjetunion. Jetzt möchte ich in Russland leben, darauf habe ich 30 Jahre gewartet.« »Was kann nach der Wahl besser werden?« »Ich hoffe, dass der Krieg endlich aufhört. Dass der Beschuss endlich aufhört und keine Kinder mehr sterben. Ich hoffe das so sehr«, antwortet sie. »Warum, denken Sie, wird das nichts in der Ukraine?« »Weil die Ukrainer uns beschossen haben. Wir waren doch ein Volk in der Ukraine. Warum konnte man sich nicht friedlich einigen? Warum haben die uns immer nur beschossen? Es war schrecklich, Menschen sind verschwunden, Kinder wurden getötet. Das fühlte sich an, ehrlich gesagt, wie Faschismus!« Seit 2014 wurden im Bürgerkrieg im Donbass auch Zivilisten angegriffen. Mehr als 14 000 Menschen wurden insgesamt getötet. Die ukrainischen Truppen sind gekommen, Luhansk und Donezk zu befreien. Doch die Befreier sind hier nicht willkommen.(126) Die Wahlleiterin ruft mir mit ernstem Gesicht hinterher: »Ich habe in Potsdam studiert, nur dass Sie’s wissen!«

Im strömenden Regen sehe ich ein paar Blocks weiter auf einem Platz einen gelben Wahl-Bus. Im Inneren verschwinden die Stimmberechtigten hinter einem kleinen Vorhang zwischen hölzernen Seitenteilen. Die Wahlkabine hat die Inventarnummer 052. Eine Frau sagt: »Alle sind sehr froh über das Referendum. Manche kommen sogar mit Blumen!«

In der Mittelschule Nummer 60 in Mariupol ist Viktoria Litwinowa im Wahllokal Nummer 36 013 der Bezirkskommission für das Referendum stellvertretende Wahlleiterin. Hinter ihren blonden langen Haaren kann man in ihren dunklen Augen und an den Falten erkennen, dass sie schwere Monate hinter sich hat. Die Todesangst im wochenlangen Häuserkampf steckt ihr noch in den Knochen. Ich frage sie, ob die Menschen hier im völlig zerstörten Mariupol so schockiert sind vom Krieg, dass sie dem Referendum fernbleiben: »Nein, wissen Sie, die Leute kommen sehr gerne zur Abstimmung«, sagt sie mit einem ausgeprägten ukrainischen Akzent. »Es gibt auch Menschen, die eine andere Meinung haben, das ist ihr Recht. Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, und hier können die Wähler sie zum Ausdruck bringen. Aber die sind, so wie ich das sehe, in der Minderheit. Die Menschen kommen wirklich gerne zur Wahl. Es kommen ältere Frauen, die segnen sogar die Urnen. Sie erbitten den Segen Gottes, damit alles gut läuft!« »Was erhoffen Sie sich persönlich?« »Ich denke Frieden, Wohlstand und Ruhe, das soll die Wahl bringen. Aber das Wichtigste ist Frieden.«

Die Säcke mit den Stimmzetteln werden verplombt und erst nach der Abstimmung ausgezählt. Das Ergebnis: In der Luganskaja Narodnaja Respublika liegt die Teilnahme bei 98,6 Prozent. 98,42 Prozent stimmen für den Anschluss an die Russische Föderation. In der Donetskaja Narodnaja Respublika beteiligen sich 97,51 Prozent der Wahlberechtigten, davon stimmen 99,23 Prozent für den Beitritt. Im Oblast Cherson wählen 76,86 Prozent der Stimmberechtigten, 87,05 Prozent stimmen für den Anschluss an Russland. Im Oblast Saporischschja beteiligen sich 85,4 Prozent am Referendum, 93,11 Prozent stimmen für den Beitritt.(127)

Wer die Lage vor Ort nicht kennt, hält das leicht für gefälscht. Die Ergebnisse waren sicher nicht das, was man aus den westlichen Parteiendemokratien kennt, aber sie entsprechen der Stimmung an den Wahlstationen. Diese Referenden an westlichen Maßstäben zu messen, wäre Unfug. Eine genauere Betrachtung sollte berücksichtigen, wie hoch in diesen Regionen die Zustimmung zu Wiktor – Janukowytsch bei der Präsidentenwahl 2010 war – etwa 90 Prozent. Daneben sollte man auch berücksichtigen, wie die russische Volksgruppe seit dem Maidan 2014 behandelt wurde. Viele russische Ukrainer sind Richtung Osten geflohen, und bis 2022 suchten etwa eine Million Menschen ihr Heil in Russland. Der Putsch auf dem Maidan hat das Land gespalten. Für den russischen Teil der Bevölkerung bedeutete er, dass sie niemals mehr allein mit dem Stimmzettel über ihr politisches und wirtschaftliches Schicksal in der Ostukraine bestimmen konnten. Das macht das Wahlergebnis plausibel.

An dem international nicht anerkannten Referendum der Separatisten in Donezk und Luhansk am 11. Mail 2014 – Putin hatte damals vergeblich auf Verschiebung gedrängt – nahmen etwa 75 Prozent der Stimmberechtigten teil. In Donezk stimmten 75 Prozent, in Luhansk 89 Prozent für die Bildung eigener Volksrepubliken. Umfragen fielen nicht ganz so eindeutig aus, aber die Abstimmung ist ein Indiz für die damals schon weit verbreitete separatistische Stimmung, die auch das Ergebnis von 2022 plausibel macht.(128) Acht Jahre Bürgerkrieg haben die Menschen geprägt. Allein an den drei Wahltagen im September 2022 wurde die Stadt Donezk 115-mal mit Artillerie und Raketen beschossen. In den anderen drei Regionen sah es nicht besser aus. Ein Treppenwitz der Geschichte dürfte es wohl sein, dass die Ukraine genau durch ein solches Referendum am 1. Dezember 1991 von der Sowjetunion unabhängig wurde, während sich die Krim zuvor schon für einen Verbleib in der UdSSR entschieden hatte.(129)

Internationale Wahlbeobachter waren vor Ort. Die Gesellschaft für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa entsandte keine Beobachter, sondern sie kamen auf Einladung der Russischen Föderation. Die Zivilkammer der Russischen Föderation führte am 29. September 2022 in Moskau eine Anhörung der Wahlbeobachter durch. Sergey und ich gehörten nicht dazu, da wir als akkreditierte Journalisten unterwegs waren. Hier sind einige Stimmen: Modli Kulikani, Vorsitzender des Komitees des Jugendbundes des Afrikanischen Nationalkongresses, Südafrika: »Wir konnten feststellen, dass die meisten Menschen in Saporischschja es kaum erwarten konnten, ihre Stimme abzugeben, denn viele Male wurden sie von den Eliten bevormundet. Wir können sagen: Dieses Referendum war frei und fair.« »Wahlen gegen Bomben«, nannte William Parra, einer der bekanntesten Journalisten aus Kolumbien, der für Reuters, RCN TV und TeleSUR arbeitete und Sprecher von Präsident Ernesto Samper war, das Referendum: »Für mich war dies ein Ausweg für die Menschen aus einem Totentanz, in der Hoffnung, dass er schneller endet … Das Wichtigste hier ist die internationale Gemeinschaft aufzufordern, diese Wahl zu respektieren.« Purnima Anand aus Indien, Präsidentin des BRICS International Forum, dem Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika angehören: »Alle beteiligten sich an diesem Referendum, um vor den Augen der Welt ihre Unterstützung für die Politik der Russischen Föderation auszudrücken. Wir unterstützen dieses transparente Referendum in einer schwierigen Zeit. Wir müssen Verständnis haben für das Leid der Menschen in der Ostukraine. Ich denke, der UN- Sicherheitsrat und Russland werden in naher Zukunft eine Einigung finden. Wir wünschen allen, insbesondere den Menschen im Donbass, Frieden und Gerechtigkeit.« Michael Radachowsky, politischer Berater der Europäischen Kommission: »Die Wahlen waren hinsichtlich des Umgangs mit den Menschen und hinsichtlich des Ablaufs gut organisiert.« Das Referendum sei fairer und transparenter gewesen als die jüngsten Präsidentenwahlen in den USA, sagte Emmanuel Le Roy, Politikwissenschaftler und Professor Emeritus des Collège de France: »Wir danken den Organisatoren und allen, die ihren Wählerwillen zum Ausdruck gebracht haben. Das Abstimmungssystem war fehlerfrei, es gab keine Regelverletzungen oder Versuche, das Ergebnis zu fälschen.« Andere Wahlbeobachter äußerten sich ähnlich.(130) In deutschen Zeitungen konnte man das nicht lesen. Ganz anders lief es bei den Zwischenwahlen zum US-Kongress: 15 US-Bundesstaaten verweigerten der OSZE-Mission den Zutritt zu den Wahllokalen.(131)

Ein Meinungsklima allein macht jedoch noch keine Wahl, die demokratischen Standards genügt. Es bleiben eine Reihe von Kritikpunkten an einem Referendum unter Kriegsbedingungen. Sowohl die Separatisten als auch die Besatzungsmacht nutzten ihre Kontrolle über Radio, Fernsehen und Printmedien aus. Blätter wie die Donezkaja Respublika (ДОНЕЦКАЯ РЕСПУБЛИКА) warben mit dem Defacto-Regierungschef Denis Puschilin auf dem Titelblatt für den Anschluss an Russland.(132) Der öffentliche Raum wurde von prorussischen Werbekampagnen dominiert. Eine breite öffentliche Debatte über die Wahloptionen gab es nicht. Es konnte nur ein Teil der Stimmberechtigten in den vier Gebietskörperschaften teilnehmen, nämlich die in den russisch besetzten Teilen. Wie die Wählerlisten zustandegekommen sind, ist unklar. Ein Referendum unter Besatzungsrecht ermöglicht vielfältige Möglichkeiten für Repression und Manipulation. So waren die Wahlberechtigten nicht einem bestimmten Wahllokal zugeordnet, sondern mussten lediglich den Ausweis vorlegen. Ihre Angaben wurden oft einfach handschriftlich festgehalten. Es wurden keine Maßnahmen ergriffen, Mehrfach-Stimmabgaben zu verhindern, wie zum Beispiel das Einfärben des Zeige ngers nach der Wahlteilnahme. Journalisten wurden nicht zur Auszählung zugelassen, und es musste den Angaben der Wahlkommission vertraut werden, wenn es um das offizielle Ergebnis ging. (133)

Aus journalistischer Sicht – ich stand nicht auf der Liste der Wahlbeobachter und nahm demgemäß auch nicht an der Anhörung der Zivilkammer der Russischen Föderation teil – kann ich sagen: Nach meiner Beobachtung waren an den Wahlstellen unter freiem Himmel geheime Wahlen nicht gewährleistet. Soweit wir es beobachten konnten, wurde jedoch niemand zur Stimmabgabe gezwungen, und eine direkte Beeinflussung der Wahlentscheidungen konnten wir nicht feststellen. Eine mögliche Fälschung des Referendums wäre am ehesten im Oblast Cherson zu vermuten, da dort der Anteil der russischstämmigen Bevölkerung nur knapp 20 Prozent beträgt. Trotzdem blieben nach dem Rückzug der russischen Truppen aus der Gebietshauptstadt Cherson nur etwa 80 000 Einwohner zurück, von ehemals 280 000. 115 000 wurden von den Russen über den Dnjepr gebracht, während über 80 000 die Stadt auf eigene Faust verlassen haben.(134) Eine Fälschung des Abstimmungsergebnisses wird auch in Russland breit diskutiert.(135) Der New York Times zufolge gab es jedoch insbesondere in Cherson weitverbreitete Sympathien für Russland.(136) Allerdings haben die Russen in den besetzten Gebieten sofort mit dem Wiederaufbau begonnen, infolge des wirtschaftlichen Niedergangs der Ukraine ist die Attraktivität Russlands insbesondere östlich des Dnjepr hoch. Das lässt zumindest eine faire Auszählung beim Referendum als möglich erscheinen.

Dies sind Momentaufnahmen, klar. Aber die Stimmung ist eindeutig. Vor der Wahlstation in der Wulitza Aerodromnaya Nr. 7 in Mariupol erzählt ein 40-jähriger Mann mit Brille und Fleece-Weste, warum dies so ist: »Erstens sind wir hier russischsprachig, und wir Russen müssen zusammenhalten. Und zweitens übt die Ukraine Druck auf die russische Bevölkerung aus. Aus dieser Situation müssen wir herauskommen.« Er, der gerade wochenlange Kämpfe irgendwo im Keller überlebt hat, steht zu Russland – in einer Stadt, in der die russische Armee fast alles zerschossen hat: »Viele kommen zur Wahl, meine ich, und alle stimmen für Russland. Wir hoffen auf den Wiederaufbau. Es kommen fast alle, die in der Stadt geblieben sind.«

Alle, die in der Stadt geblieben sind, aber was ist mit den anderen? Ich sehe Dörfer mit umgekippten Holzzäunen und eingefallenen Hausdächern. Wer von »Scheinreferenten« spricht, verweist gerne darauf, viele Gegner der russischen Besatzung seien längst Richtung Westen geflohen. Tatsächlich haben viele die vier Oblaste Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja verlassen. Der Exodus erfolgte in drei Wellen: Wegen des wirtschaftlichen Niedergangs suchten viele bereits vor dem Maidan 2013/14 in den Nachbarländern eine bessere Zukunft. Ab 2014 verließen viele die vier Regionen, da sie den Bürgerkrieg, den Beschuss und die vielen Toten satthatten. Sie suchten nach Sicherheit. Nach dem Beginn des Krieges im Februar 2022 setzte in der Ukraine eine dramatische Fluchtbewegung ein.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zählte am Stichtag 8. November 2022 insgesamt 7 824 440 Flüchtlinge in ganz Europa, davon 2 852 395 in der Russischen Föderation. Die russischen Behörden sprechen von 4 790 000.137 Damit hat Russland mit Abstand vor allen anderen Ländern die meisten ukrainischen Kriegsflüchtlinge aufgenommen. Die Zahl der Flüchtlinge innerhalb der Ukraine geben die Vereinten Nationen Ende Oktober mit 3 449 843 an, die meisten in Charkiw, Dnipropetrowsk und Kiew. Für den Bezirk Saporischschja werden 197 462 interne Flüchtlinge gezählt, während für Cherson, Donezk, Luhansk und die Krim keine Zahlen vorliegen.(138) In absoluten Zahlen weist der Bericht im Osten der Ukraine etwa eine Million Binnenflüchtlinge aus. Die Zahlen zeigen aber, dass die russischsprachige Bevölkerung seit Beginn der Invasion überwiegend nach Russland geflohen ist. Außerdem haben die örtlichen Militärbehörden mit Unterstützung der Russen viele Menschen in den russischen Oblast Rostow vor den Kämpfen in Sicherheit gebracht. Genaue Zahlen darüber, wie viele den Donbass verlassen haben, gibt es nicht. Dort allerdings durften sie – im Gegensatz zu den Flüchtlingen im Westen – am Referendum teilnehmen.

Schon während der Jahre des Bürgerkrieges seit 2014 sind etwa drei Millionen Menschen geflohen, eine humanitäre Katastrophe, schon damals. Im Jahr 2016 wurden 1,7 Millionen Binnen üchtlinge gezählt. Dem russischen Migrationsdienst zufolge sind etwa 1,1 Millionen Menschen dauerhaft nach Russland eingereist.(139) Die Studie von Oksana Woytyuk weist für den Monat Februar 2018 in der gesamten Ukraine insgesamt 1493057 Binnenflüchtlinge aus. Sie konzentrierten sich auf die Oblaste im Osten: Donezk mit 540 804, Luhansk mit 294 529, Charkiw mit 122 396, Saporischschja mit 54 174, Dnipropetrowsk mit 73 760 und Cherson mit 13760 Flüchtlingen. Die Autorin urteilt: »Die Tatsache, dass die Menschen sich konzentrieren in den Regionen in unmittelbarer Nähe zur ATO-Zone (der Zone der Antiterror-Operation der ukrainischen Armee) und zur Krim, kann damit erklärt werden, dass viele Menschen auf ein schnelles Ende des Krieges und der Krim-Besetzung hofften. Die negative Einstellung gegen die westlichen Regionen gehen zurück auf nationalistische und feindliche Überzeugungen und Stereotype.«(140) Das ist nicht falsch, aber richtig ist es auch nicht. Alle, die wir befragt haben, führen ihre negative Einstellung gegen den westlichen Teil der Ukraine auf den Beschuss durch die ukrainische Armee und Milizen seit 2014 zurück.

Schon vor dem Maidan, in den Jahrzehnten zuvor, haben mehrere Millionen Ukrainer ihr Land verlassen – Menschen aus allen Regionen. Sie sahen außerhalb der Ukraine bessere Lebensperspektiven. Diese Wanderungsbewegung war hauptsächlich wirtschaftlich motiviert und weniger politisch. Östliche und westliche Richtung hielten sich dabei in etwa die Waage. Russland lag 2012 mit 43 Prozent an der Spitze, gefolgt von Polen mit 14 Prozent, Italien und der Tschechischen Republik mit jeweils 13 Prozent. Auch nach dem Maidan blieb Russland das wichtigste Ziel von Arbeitsmigranten.(141) Die Behauptung, Gegner eines Anschlusses an Russland seien ja längst geflohen, ist also nicht belegt. Es handelt sich um interessengeleitete Zweckpropaganda.

Ein weiterer Einwand lautet, dass ein Referendum unter Kriegsbedingungen und demnach unter der faktischen Herrschaft des Kriegsrechts zwangsläufig unter unmittelbarem Zwang gegenüber der Bevölkerung stattfinden müsse und deshalb unzulässig sei. Unsere Stichproben zeigen jedoch das Gegenteil: Die Stimmberechtigten strömten freiwillig zur Wahlurne. Daneben gilt der Satz: Wenn ein Finger auf andere zeigt, zeigen drei Finger zurück – nämlich auf die Verantwortung des Westens in den Balkan-Konflikten. Am 29. Februar und 1. März 1992 wurde in Bosnien-Herzegowina in einer militärisch konfrontativen Lage ein Referendum durchgeführt, bei dem nahezu alle Wahlbeteiligten für die Unabhängigkeit von Jugoslawien stimmten. Die Abstimmung wurde von den bosnischen Serben – damals immerhin 32,38 Prozent der Bevölkerung – zum großen Teil boykottiert. Am 2. März 1992 erklärte Bosnien-Herzegowina seinen Austritt aus Jugoslawien. Am 6. April wurde der neue Staat von der Europäischen Gemeinschaft, einen Tag später von den USA anerkannt. Dies markierte den Beginn einer europäischen Katastrophe: In dem Krieg, der folgte, starben mehr als 100 000 Menschen. Die Kritik an dem von Moskau initiierten Referendum fällt dem Westen auf die Füße.

Was die völkerrechtliche Seite betrifft, gibt es tatsächlich widersprüchliche Bestimmungen: einerseits das Selbstbestimmungsrecht der Völker, andererseits die Unverletzbarkeit der Grenzen. Die vier Oblaste wurden sofort von Putin in die Russische Föderation aufgenommen, der Föderationsrat stimmte zu. Der Westen erkennt diesen Schritt nicht an. Jedoch haben Europa und die USA im Kosovo einen Präzedenzfall geschaffen. Das Kosovo erklärte 1992 seine Unabhängigkeit durch ein Referendum ohne Erlaubnis der Regierung in Belgrad. Der Westen hat dies faktisch unterstützt und 1999 Serbien völkerrechtswidrig bombardiert. Seit der erneuten  nabhängigkeitserklärung 2008 haben bis 2022 insgesamt 115 von 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen die Republik Kosovo diplomatisch anerkannt. Nach der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes zur Abspaltung des Kosovo von Serbien im Jahr 2010 ist eine einseitige Sezession vom Völkerrecht gedeckt, auch wenn sie den Gesetzen des Ursprungslandes widerspricht. Das haben die Richter in Den Haag damals auf Druck des Westens entschieden, und dieses Urteil gilt auch dann, wenn es den Interessen des Westens zuwiderläuft.(142) Das überwältigende Votum beim Referendum für den Beitritt zur Russischen Föderation resultiert daraus, dass die russischstämmige Bevölkerung in den besetzten Gebieten jahrelang von der Ukraine entfremdet wurde – und zwar unter Anwendung von Waffengewalt. Die Befragten machen dafür die Regierung in Kiew verantwortlich. Den Einmarsch der russischen Armee erleben sie als Befreiung vom Terror gegen die Zivilbevölkerung. Darüber hinaus wurden tausende Menschen nach Russland gebracht. Nach acht Jahren Bürgerkrieg existieren diesseits und jenseits der Kontaktlinie längst verschiedene Welten.(143)

Die Gründe für die Ergebnisse des Referendums liegen weitgehend in der Politik der USA, der Europäischen Union und der Regierung in Kiew während der vergangenen Jahre. Es wurde nie ernsthaft versucht, die Herzen und Köpfe der Menschen im Donbass zu gewinnen. Stattdessen verfolgte die ukrainische Armee die Politik, dass man nicht mit Terroristen verhandeln könne. Die Zivilbevölkerung wurde beschossen, das Wasser wurde abgedreht, die Straßen vermint, Pensionen und Gehälter nicht mehr ausbezahlt, Bankdienstleistungen gestoppt. Die Rechte von Minderheiten wurden weiter eingeschränkt. Dies steht im genauen Gegensatz zu einer Anti-Aufstands-Strategie. Der Beschuss von Wahllokalen in den Bezirken Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson hat die Bevölkerung erst recht zu den Urnen getrieben. Nun müssen die Menschen Repressalien und Racheakte fürchten, wenn sich wie in Cherson die russische Armee zurückzieht. (144)

Als Ergebnis haben wir die Situation, dass der Westen Referenden nicht anerkennen will, für deren Zustandekommen und für deren Ergebnis er mitverantwortlich ist. Über viele Jahre hinweg hat der Westen nichts unternommen, um sicherzustellen, dass die Regierung in Kiew eine inklusive Politik gegenüber der russischen Minderheit verfolgt, anstatt diskriminierend und segregierend zu handeln. Darüber hinaus hat der Westen den Friedensvorschlag vom Frühjahr 2022 abgelehnt. Die Ergebnisse der Referenden verdeutlichen auch, dass es in Wahrheit nie eine einheitliche und zusammengehörige ukrainische Nation gegeben hat. Die Menschen in der Ostukraine fühlen sich stärker mit Russland als mit dem Westen verbunden. Deshalb sind sie im östlichen Teil des Landes geblieben oder haben eine Zukunft in Russland gesucht, und das schon vor Beginn der Kampfhandlungen. Damit haben sie sich zwischen zwei konkurrierenden sozialen Ordnungen entschieden: gegen das europäisch-amerikanische Modell eines neoliberalen Kapitalismus, das von spekulativen und risikoreichen Finanzgeschäften getrieben ist, und für einen staatlich gelenkten Kapitalismus, der von Oligarchen kontrolliert wird. (145) Es ist das Leben, das sie gelehrt hat: Auch Bomben aus dem Westen töten.

Die Referenden sollen aus der Sicht des Kreml die russischen Eroberungen irreversibel machen, den Status quo einfrieren. Hätte der Westen die Friedensvorschläge vom März nicht hintertrieben, wäre die Ukraine in den Vorkriegsgrenzen erhalten geblieben.(146) Wenn es dem Westen tatsächlich um die territoriale Integrität der Ukraine gegangen wäre, hätten Deutschland und Frankreich dafür sorgen müssen, dass Kiew seine Verpflichtungen aus den Minsker Abkommen erfüllt. Dies zeigt, dass die Ukraine dem Westen gleichgültig ist. Gegen alle Beteuerungen spielt er ein eigenes Spiel auf Kosten der Ukrainer. Es geht ihm darum, Russland zu schwächen, und dafür sind ihm die Menschen in der Ukraine nützliches Kanonenfutter.(147)

Die Referenden machen jedoch auch deutlich: Die Entscheidungen über das Schicksal des Donbass fallen in der russischen Regierung. Die Politiker der Volksrepubliken und der besetzten Gebiete sind bestenfalls Erfüllungsgehilfen. Damit werden die Menschen im Donbass wieder einmal zum Spielball in einem Machtkampf, der von Moskau und Washington gesteuert wird. Unklar ist, wie die Grenzen der neuen Gebietskörperschaften genau aussehen. Handelt es sich um die derzeit russisch besetzten Gebiete oder die Gebiete bis zur Grenze der bisherigen ukrainischen Regionen? In diesem Falle steht ein russischer Angriff zur Okkupierung der gesamten Oblaste bevor.

Der Regen hat aufgehört. Auf dem nassen Pflaster spiegelt sich das Abendlicht. Eine rote Abendsonne hängt tief über der Uliza Lenina in Luhansk. Dort stehen zwei britische Mark-V-Panzer aus dem Ersten Weltkrieg. Im Jahr 1919 wurden 60 dieser Panzer an die Weiße Armee des Generals Wrangel im Russischen Bürgerkrieg geliefert. Im Kampf um den Brückenkopf von Kachowka am Dnjepr, siebzig Kilometer ussaufwärts von Cherson, erbeutete die Rote Armee 30 der Panzer. Ende der 1950er-Jahre sollten sie eingeschmolzen werden, aber die Arbeiter der Lokomotiv-Fabrik vergruben und restaurierten sie Jahre später. Jetzt stehen sie wieder auf Sockeln vor dem Denkmal für die Helden der Revolution.

Im Dunkeln erreichen wir die Grenze zwischen Luhansk und Russland. Beim Übergang im Niemandsland erzählt mir ein Wahlbeobachter: »Mein Großvater war Partisan in Belarus. Nirgendwo gab es so große Partisanenarmeen wie in den Wäldern Weißrusslands und hier in der Ukraine.« Im Russischen Bürgerkrieg, beim Überfall auf die Sowjetunion, in den Kämpfen seit 2014 – die Menschen in Luhansk fühlen sich aus westlicher Richtung bedroht. Im Donbass wurden sie von den Oligarchen ausgeraubt, und sie wollen nicht erneut von Finanzinvestoren ausgebeutet werden. Sie möchten ihre Arbeitsplätze behalten und wünschen sich, dass die faschistischen Bataillone verschwinden. Sie halten die Regierung in Kiew für einen gescheiterten Staat. Westliche Werte kommen hier an als Bomben und Granaten. Sie möchten nicht die Kriege der US-Amerikaner. Sie sehnen sich nach Frieden und wollen in Ruhe gelassen werden. Das ist es, was die Menschen hier denken und fühlen. Das ist es, was nicht in die deutschen Wohnzimmer gelangen darf. Denn das würde die Hetze der Kriegstreiber untergraben. Und genau deshalb wurden wir wegen unserer Reise öffentlich verleumdet.