DgB-Teil2: Das Land Das Instrument des Regierens ist das wichtigste politische Problem, mit dem menschliche Gemeinschaften konfrontiert sind. Sogar Konflikte innerhalb der Familie sind oft ein Resultat dieses Problems. Seit dem Entstehen der modernen Gesellschaften ist dieses Problem ein sehr ernstes geworden.

Das Land gehört niemandem. Aber jeder hat das Recht, Gebrauch davon zu machen und davon zu profilieren, indem er es bearbeitet, bestellt oder als Weideland nützt. Das gilt für die Lebensspanne eines Menschen und die seiner Erben, und es geschieht durch seine eigene Anstrengung und ohne, dass er dabei die Arbeit von anderen benutzt, mit oder ohne Lohn, und nur soweit, wie er damit seine Bedürfnisse befriedigt.
Wenn Landbesitz erlaubt wird, haben nur diejenigen, die dort leben, einen Anteil
daran. Das Land ist immer da, wohingegen die Nutzer im Lauf der Zeit wechseln: hin-
sichtlich ihres Berufs, ihrer Fertigkeiten und ihrer Anwesenheit.
Der Zweck der neuen sozialistischen Gesellschaft ist es, eine Gesellschaft zu schaf-
fen, die glücklich ist, weil sie frei ist. Das kann erreicht werden, indem man die mate-
riellen und spirituellen Bedürfnisse des Menschen befriedigt, und das wiederum geschieht
durch die Befreiung dieser Bedürfnisse aus einem Zustand der Dominanz und Kontrolle
von außen.
Die Befriedigung dieser Bedürfnisse muss ohne die Ausbeutung und Versklavung
anderer erreicht werden, sonst steht sie im Widerspruch zum Zweck der neuen sozia-
listischen Gesellschaft.
Der Mensch in der neuen Gesellschaft arbeitet für sich selbst, um für das zu sorgen,
was er braucht, oder er arbeitet für eine sozialistische Genossenschaft, in deren Pro-
duktionsprozess er als Partner tätig ist, oder er leistet einen Dienst an der Öffentlich-
keit, in welchem Fall die Gesellschaft für seine materiellen Bedürfnisse sorgt.
Die wirtschaftliche Aktivität in der neuen Gesellschaft ist eine produktive Aktivi-
tät und dient der Befriedigung materieller Bedürfnisse. Sie ist keine unproduktive Ak-
tivität und auch keine Aktivität, die nach Profit strebt, um nach der Befriedigung der

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materiellen Bedürfnisse einen Gewinnüberschuss einzubehalten. Unter den Regeln des
neuen Sozialismus ist das unmöglich.
Der legitime Zweck der wirtschaftlichen Aktivitäten des Einzelnen besteht einzig
und allein darin, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Denn der Reichtum der Welt hat auf
jeder Ebene seine Grenzen, und das gilt auch für den Reichtum einer jeden Gesellschaft.
Deshalb hat kein Einzelner das Recht, wirtschaftliche Aktivitäten zu dem Zweck zu
verfolgen, mehr von diesem Reichtum zu erwerben, als für die Befriedigung seiner Be-
dürfnisse erforderlich ist, denn alles, was darüber hinausgeht, gehört anderen Leuten.
Er hat das Recht, seine Bedürfnisse einzuschränken und von dem, was er selbst produ-
ziert hat, etwas zu sparen, aber nicht, wenn dazu die Anstrengungen von anderen nötig
sind und auch nicht auf Kosten der Befriedigung der Bedürfnisse von anderen. Denn
wenn wir es erlauben, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten über die Befriedigung von
Bedürfnissen hinausgehen, wird eine Person nur dann mehr haben, als sie zum Leben
braucht, wenn sie eine andere Person daran hindert, das Notwendige zu erlangen. Das
Ersparte, das über die eigenen Bedürfnisse hinausgeht, ist der Anteil einer anderen Per-
son am Reichtum der Gesellschaft. Ein Erlauben der privaten Produktion zu dem Zweck,
Überschüsse zu erwirtschaften, die über die Befriedigung von Bedürfnissen hinausge-
hen, ist selbst Ausbeutung, weil man so zulässt, dass andere dafür benutzt werden, die
eigenen Bedürfnisse zu befriedigen oder mehr als das zu bekommen, was für die Befrie-
digung der eigenen Bedürfnisse notwendig ist. Das kann geschehen, indem man eine
Person dadurch ausbeutet, dass man sie die Bedürfnisse von anderen befriedigen und
Ersparnisse für andere erarbeiten lässt, was zu Lasten dieser Person und der Befriedi-
gung ihrer eigenen Bedürfnisse geht.
Die Lohnarbeit ist, zusätzlich dazu, dass sie, wie bereits erwähnt, eine Versklavung
des Menschen ist, auch eine Arbeit ohne Anreize, weil der Produzierende ein Lohnar-
beiter ist und kein Partner.
Wer für sich selbst arbeitet, macht das bestimmt voller Hingabe an seine produk-
tive Tätigkeit, weil der Anreiz, etwas herzustellen, darin begründet ist, dass die Be-
friedigung seiner materiellen Bedürfnisse von seiner eigenen privaten Arbeit abhängig
ist. Außerdem ist jeder, der in einer sozialistischen Genossenschaft arbeitet, beim Pro-
duktionsprozess ein Partner. Ohne Zweifel widmet er sich seiner produktiven Arbeit
mit großem Eifer, denn der Impuls dazu kommt daher, dass er durch die Produktion
zur Befriedigung seiner Bedürfnisse gelangt. Derjenige hingegen, der für einen Lohn ar-
beitet, hat keinen Anreiz, das möglichst gut zu machen.
Dem System der Lohnarbeit ist es nicht gelungen, das Problem der ständig steigen-
den und sich weiterentwickelnden Produktion zu lösen. Die Qualität der Arbeit, sei es
in Form von Dienstleistungen oder beim Herstellen von Produkten, wird immer
schlechter, weil sie auf den Schultern von Lohnarbeitern ruht.

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Beispiele für die Lohnarbeit für die Gesellschaft,
für Lohnarbeit für private Aktivitäten und
für Arbeit ohne Lohn

Erstes Beispiel
a) Ein Arbeiter, der für die Gesellschaft zehn Äpfel produziert. Die Gesellschaft
gibt ihm einen Apfel für das von ihm Produzierte. Der Apfel reicht für die Befriedigung
seiner Bedürfnisse völlig aus.
b) Ein Arbeiter, der für die Gesellschaft zehn Äpfel produziert. Die Gesellschaft
gibt ihm einen Apfel für das von ihm Produzierte. Der Apfel reicht für die Befriedigung
seiner Bedürfnisse nicht aus.

Zweites Beispiel
Ein Arbeiter, der für eine andere Person zehn Äpfel produziert und dafür einen
Lohn erhält, der geringer ist als der Preis eines Apfels.

Drittes Beispiel
Ein Arbeiter, der für sich selbst zehn Äpfel produziert.

Schlussfolgerung

Der Arbeiter im Beispiel l a wird seine Produktion nicht steigern, weil er, unabhängig
von der Steigerung, immer nur einen Apfel für sich selbst bekommen wird. Der Apfel
befriedigt seine Bedürfnisse. Alle, die für eine solche Gesellschaft arbeiten, befinden
sich deshalb psychologisch immer in einem Zustand der Apathie.
Der Arbeiter im Beispiel l b hat keinen Anreiz für die Produktion selbst, denn er
produziert für die Gesellschaft, ohne dadurch seine Bedürfnisse befriedigen zu können.
Er muss aber damit fortfahren, ohne Anreiz zu arbeiten, weil er gezwungen ist, sich den
überall in der Gesellschaft herrschenden Arbeitsbedingungen zu unterwerfen. Das ist
bei allen Mitgliedern dieser Gesellschaft der Fall.
In Beispiel 2 arbeitet der Mann ursprünglich nicht, um etwas zu produzieren. Er
arbeitet, um einen Lohn zu bekommen. Da sein Lohn nicht ausreicht, um seine Bedürfe
misse zu befriedigen, wird er sich entweder einen anderen Herrn suchen und ihm seine
Arbeit zu einem besseren Preis verkaufen, oder er wird gezwungen sein, mit der Arbeit
fortzufahren, und zwar einfach nur, um zu überleben.
Der Mann im dritten Beispiel ist der einzige, der ohne Apathie und ohne Zwang
produziert. In der sozialistischen Gesellschaft gibt es keine Möglichkeit für eine private,
die Befriedigung individueller Bedürfnisse übersteigende Produktion, weil die Befriedi-
gung von Bedürfnissen auf Kosten anderer nicht erlaubt ist. Da die sozialistischen Ein-
richtungen für die Befriedigung der Bedürfnisse der Gesellschaft arbeiten, erklärt das
dritte Beispiel die gesunde Grundlage der wirtschaftlichen Produktion. Unter allen Be-

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dingungen jedoch, sogar unter den schlechten, geht die Produktion für das Überleben
weiter. Der beste Beweis ist, dass sich in kapitalistischen Gesellschaften die Produktion
akkumuliert und immer weiter ausdehnt, und zwar eine Produktion, die sich in der Hand
einiger weniger Eigentümer befindet, die selbst nicht arbeiten, sondern hart arbeitende
Menschen ausbeuten, die zum Produzieren gezwungen sind, wenn sie überleben wol-
len. Das grüne Buch jedoch löst nicht nur das Problem der materiellen Produktion,
sondern gibt auch den Weg zur umfassenden Lösung der Probleme der menschlichen
Gesellschaft vor, damit der Einzelne sowohl materiell als auch spirituell befreit werden
kann den Weg zu einer endgültigen Befreiung, auf dass er sein Glück erlange.

Andere Beispiele
Wenn wir annehmen, dass der Reichtum der Gesellschaft zehn Einheiten ausmacht
und die Bevölkerung aus zehn Personen besteht, ist der Anteil jeder Person am Reich-
tum der Gesellschaft ein Zehntel – nur eine Einheit pro Person. Wenn aber einige Mit-
glieder der Gesellschaft mehr als eine Einheit besitzen, dann besitzen andere Mitglieder
derselben Gesellschaft gar nichts. Der Grund dafür ist, dass ihnen ihr Anteil an den
Einheiten des Reichtums von anderen weggenommen wurde. Folglich gibt es Reiche
und Arme in der Gesellschaft, in der die Ausbeutung vorherrscht.
Angenommen, fünf Mitglieder dieser Gesellschaft besitzen jeweils zwei Einheiten.
In diesem Fall besitzen die anderen fünf nichts, d.h., 50 Prozent sind des Rechts auf
ihren eigenen Reichtum beraubt, weil die zusätzliche, von den ersten Fünf besessene
Einheit jeweils der Anteil von einem der zweiten Fünf ist.
Wenn ein Einzelner in dieser Gesellschaft nur eine Einheit des Reichtums der Ge-
sellschaft braucht, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, dann eignet sich derjenige, der
mehr als eine Einheit besitzt, in Wirklichkeit die Rechte anderer Mitglieder der Ge-
sellschaft an. Weil dieser Anteil das übersteigt, was benötigt wird, um seine Bedürfnisse
zu befriedigen, also das, was hier mit einer Einheit veranschlagt wird, hat er sich etwas
angeeignet, um es zu horten. Ein solches Horten ist nur auf Kosten anderer möglich,
d.h., indem man anderen ihren Anteil am Reichtum wegnimmt. Das ist der Grund,
warum es solche gibt, die horten und nicht verbrauchen – das heißt also solche, die das
ansammeln, was die Befriedigung ihrer Bedürfnisse übersteigt – und solche, die betteln
müssen und ihrer Rechte beraubt sind – das heißt solche, die darum bitten müssen,
dass ihr Anspruch auf einen gerechten Teil des Reichtums der Gesellschaft erfüllt wird
und die nichts finden, was sie verbrauchen können. Es ist ein Akt des Ausplünderns
und des Diebstahls, und doch ist er unter den ungerechten und ausbeuterischen Regeln,
welche die Gesellschaft regieren, erlaubt und völlig legitim.
Letztendlich sollte alles, was über die Befriedigung der Bedürfnisse hinausgeht, das
Eigentum aller Mitglieder der Gesellschaft bleiben. Der Einzelne hingegen hat nur das
Recht, sich so viel wie er will von seinen eigenen Bedürfnissen abzusperren, weil das
Horten von dem, was diese Bedürfnisse übersteigt, auf die Aneignung von öffentlichem
Reichtum hinausläuft.

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Die Geschickten und die Fleifšigen haben kein Recht, als Resultat ihrer Geschick-
lichkeit und ihres Fleißes den Anteil von anderen in ihren Besitz zu bringen. Sie kön-
nen aber von diesen Vorteilen profilieren. Und auch wenn eine Person körperlich oder
geistig behindert ist, heißt das nicht, dass sie kein Recht auf denselben Anteil am Reich-
tum der Gesellschaft hat wie die Gesunden.
Der Reichtum der Gesellschaft ist wie ein Unternehmen oder ein Lagerhaus, das
täglich den Bedarf einer Anzahl von Leuten deckt, und zwar in einer Menge, die aus-
reicht, um die Bedürfnisse dieser Leute an diesem Tag zu befriedigen. Jede Person hat
das Recht, von dieser Menge das zu sparen, was sie will, d.h., sie kann von ihrem An-
teil so viel verbrauchen oder sparen wie sie will. Dabei kann sie ihre eigenen Fertig-
keiten und Talente einsetzen. Aber derjenige, der seine Talente dafür verwendet, sich
noch mehr aus dem öffentlichen Vorratslager zu holen, ist zweifellos ein Dieb. Deshalb
eignet sich derjenige, der seine Fertigkeiten dazu benützt, in den Besitz eines Reichtums
zu kommen, der die Befriedigung seiner Bedürfnisse übersteigt, in Wirklichkeit ein im
Besitz der Öffentlichkeit befindliches Recht an, nämlich den Reichtum der Gesell-
schaft, der wie das in diesem Beispiel genannte Lagerhaus ist.
In der neuen sozialistischen Gesellschaft sind Unterschiede im individuellen Reich-
tum nur im Fall von Personen zulässig, die der Öffentlichkeit einen Dienst erweisen.
Die Gesellschaft weist ihnen einen bestimmten, diesem Dienst entsprechenden Anteil
am allgemeinen Reichtum zu.
Der Anteil der Individuen unterscheidet sich nur entsprechend dem Dienst an der
Öffentlichkeit, den jeder Einzelne leistet und entsprechend dem, was er produziert.
Dementsprechend haben die Experimente in der Geschichte ein neues Experiment her-
vorgebracht, eine finale Kulmination des Kampfes, den der Mensch führt, um seine
Freiheit zu erlangen und das Glück zu erreichen, indem er seine Bedürfnisse befriedigt,
die Ausbeutung anderer abwendet, der Tyrannei für alle Zeit ein Ende bereitet und
einen Weg findet, den Reichtum der Gesellschaft gerecht zu verteilen. Im Rahmen die-
ses neuen Experiments arbeitet man für sich selbst, um seine eigenen Bedürfnisse zu be-
friedigen, statt andere auszubeuten und für sich arbeiten zu lassen, um auf ihre Kosten
die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und auch statt zu arbeiten, um andere auszu-
plündern. Das ist die Theorie von der Befreiung von den Bedürfnissen, um die Eman-
zipation des Menschen zu erreichen.
Die neue sozialistische Gesellschaft ist demnach nicht mehr als eine dialektische Kon-
sequenz aus den ungerechten, in dieser Welt vorherrschenden Beziehungen. Sie hat die
natürliche Lösung hervorgebracht, nämlich das Privateigentum, um die Bedürfnisse
zu befriedigen, ohne andere auszunützen; und die sozialistische Form des Eigentums,
in der die Produzierenden Partner im Produktionsprozess sind. Die sozialistische Form
des Eigentums hat eine Form des Privateigentums ersetzt, das auf der Produktion durch
Lohnempfänger basiert, die keinen Anspruch auf das von ihnen Produzierte haben.
Wer auch immer das Haus besitzt, in dem man wohnt, das Fahrzeug, mit dem man
fährt, oder ursprünglich das Geld, von dem man lebt, ergreift Besitz von der Freiheit
des Einzelnen, oder von einem Teil dieser Freiheit, und die Freiheit ist unteilbar. Damit

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der Mensch glücklich sein kann, muss er frei sein, und um frei zu sein, muss er das be-
sitzen, was er zum Leben braucht.
Wer auch immer das besitzt, was man selbst zum Leben braucht, kontrolliert einen
oder beutet einen aus. Er kann einen versklaven, auch wenn es Gesetze gibt, die das
verbieten.
Die materiellen Bedürfnisse des Menschen, die für den Einzelnen lebensnotwendig
sind, beginnen bei der Nahrung, der Wohnung, der Kleidung und dem Transport. Diese
müssen sich in seinem privaten und heiligen Besitz befinden. Sie sollen nicht von ir-
gendeiner Seite geliehen oder gemietet werden müssen. Sie dadurch zu erlangen, dass
man sie mietet, erlaubt es den wirklichen Besitzern, sogar der Gesellschaft ganz allge-
mein, in das Privatleben des Menschen einzugreifen, die Kontrolle über seine Grund-
bedürfnisse auszuüben und dann seine Freiheit zu dominieren und ihn seines Glückes
zu berauben. Der Eigentümer der Kleidungsstücke, die man gemietet hat, könnte sich
einmischen und sie zurückfordern, sogar mitten auf der Straße, um einen dann dort
nackt stehen zu lassen. Der Eigentümer des Fahrzeugs könnte sich einmischen und
einen mitten auf der Straße stehen lassen. Gleichermaßen könnte sich der Eigentümer
des Hauses einmischen und einem das Dach über dem Kopf wegnehmen.
Es ist ironisch, dass die Grundbedürfnisse des Menschen durch gesetzliche, ver-
waltungstechnische oder sonstige Maßnahmen geregelt werden. Es ist fundamental,
dass die Gesellschaft darauf gegründet sein muss, dass das Naturrecht auf diese Be-
dürfnisse angewandt wird.
Der Zweck der sozialistischen Gesellschaft ist das Glück des Menschen, das nur
durch materielle und spirituelle Freiheit verwirklicht werden kann. Das Erlangen einer
solchen Freiheit hängt davon ab, wie weit der Mensch als Eigentümer über das verfügt,
was er zur Deckung seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse braucht; es ist dies ein Ei-
gentumsverhältnis, das persönlich ist und mit heiligen Garantien versehen, d.h., dass
das, was zur Deckung der persönlichen Grundbedürfnisse erforderlich ist, nicht das Ei-
gentum von jemand anderem sein und dass es auch nicht der Plünderung durch irgend-
einen Teil der Gesellschaft unterworfen sein darf. Andernfalls lebt man in einem Zustand
der Angst, der einen des Glückes beraubt und einen unfrei macht, weil man unter der
Furcht vor äußerer Einmischung in die eigenen Grundbedürfnisse lebt.
Das Umstürzen der zeitgenössischen Gesellschaften, um sie von Gesellschaften der
Lohnempfänger in Gesellschaften der Partner zu verwandeln, ist unvermeidlich, und
zwar als ein dialektisches Resultat der sich widersprechenden, in der heutigen Welt vor-
herrschenden ökonomischen Thesen, und als ein dialektisches Resultat der auf dem
Lohnsystem basierenden Beziehungen, deren Ungerechtigkeit bisher nicht gelöst wurde.
Das Drohpotential der Gewerkschaften in der kapitalistischen Welt ist dazu in der
Lage, den Umsturz herbeizuführen und kapitalistische Gesellschaften von Lohnemp-
fängern in Gesellschaften von Partnern umzuwandeln.
Es ist wahrscheinlich, dass der Ausbruch der Revolution zum Erreichen des Sozia-
lismus damit anfangen wird, dass sich die Produzierenden ihren Anteil von dem aneig-
nen, was sie produzieren. Das Ziel der Streiks der Arbeiter wird sich von der Forderung

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nach höheren Löhnen hin zur Forderung nach einem Anteil an der Produktion ver-
schieben. All das wird, früher oder später, unter Anleitung des Grünen Buchs stattfin-
den.
Aber der letzte Schritt ist dann getan, wenn die neue sozialistische Gesellschaft das
Stadium erreicht, wo der Profit und das Geld verschwinden. Das geschieht durch die
Transformation der Gesellschaft in eine voll und ganz produktive Gesellschaft und
indem man in der Produktion ein Niveau erreicht, auf dem die materiellen Bedürfnisse
der Mitglieder der Gesellschaft befriedigt werden. In diesem finalen Stadium wird der
Profit automatisch verschwinden, und für Geld wird es keine Notwendigkeit mehr
geben.
Den Profit anzuerkennen heifšt, die Ausbeutung anzuerkennen. Durch die bloße An-
erkennung des Profits geht die Möglichkeit verloren, ihn zu begrenzen. Maßnahmen,
ihm mit verschiedenen Mitteln Grenzen zu setzen, sind nichts weiter als Reformversu-
che, die in der Absicht unternommen werden, die Ausbeutung des Menschen durch den
Menschen zu beenden, aber nicht radikal genug sind.
Die letztendliche Lösung ist die, den Profit abzuschaffen. Da aber der Profit die
treibende Kraft hinter den wirtschaftlichen Aktivitäten ist, ist seine Abschaffung keine
Entscheidung, die leicht getroffen werden kann. Sie muss aus der Entwicklung der so-
zialistischen Produktion resultieren, die dann erreicht wird, wenn die Befriedigung der
materiellen Bedürfnisse der Gesellschaft verwirklicht ist. Das Bemühen um eine Stei-
gerung des Profits wird am Ende zu dessen Verschwinden führen.

Hausangestellte
Dienstboten und Gefangene sind Leidensgenossen, die ähnliche Ketten tragen. Ein
Diener, ob bezahlt oder unbezahlt, ist eine Art von Sklave. Dienstboten sind nichts
weniger als die Sklaven des modernen Zeitalters. Da aber die neue sozialistische Ge-
sellschaft auf einer partnerschaftlichen Produktion basiert, statt auf Löhnen, ist das so-
zialistische Naturgesetz nicht auf sie anwendbar, weil sie Dienstleister sind und keine
Produzierenden. Dienstleistungen bringen keine greifbaren Produkte hervor, die, im
Einklang mit dem sozialistischen Naturgesetz, in Anteile aufgeteilt werden können.
Dienstboten haben daher keine andere Möglichkeit, als unter schlechten Bedingungen
zu arbeiten, gegen einen Lohn oder auch ohne Bezahlung. Da ein Lohnarbeiten eine Art
von Sklave ist und diese Sklaverei so lange existiert, wie sie für Lohn arbeiten, ist die
Position der Hausangestellten eine niedrigere als die der Lohnarbeiter in den Wirt-
schaftseinrichtungen und Unternehmen außerhalb der Häuser. Folglich haben sie sogar
ein noch größeres Recht auf die Befreiung von der Sklaverei in der Gesellschaft als die
Lohnarbeiter in der ihren. Hausangestellte stellen eines der gesellschaftlichen Phäno-
mene dar, das dem des Sklaventums am nächsten kommt.
Die Dritte Universaltheorie ist ein Herold, der den Massen die endgültige Befrei-
ung von allen Fesseln der Ungerechtigkeit, des Despotismus, der Ausbeutung sowie
der ökonomischen und politischen Hegemonie ankündigt. Sie verfolgt das Ziel, die
Gesellschaft des ganzen Volkes zu etablieren, in der alle Menschen frei sind und die-

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selbe Autorität, denselben Reichtum und dieselben Waffen haben, auf dass die Freiheit
einen abschließenden und vollständigen Triumph feiern möge.

Selbst ist der Mann
Das grüne Buch weist deshalb den Weg zur Erlösung der Massen von Lohnarbei-
tern und Dienstboten, um die Freiheit des Menschen zu erlangen. Es ist also unver-
meidlich, für die Befreiung der Dienstboten aus ihrem Sklavenstatus zu kämpfen und
sie in Partner außerhalb des Hauses zu verwandeln, an Orten, wo es eine materielle
Produktion gibt, die ihren Faktoren entsprechend in Anteile aufgeteilt werden kann.
Um das Haus müssen sich dessen Bewohner kümmern. Aber die Lösung für notwendige
Dienstleistungen im Haus sollte nicht darin bestehen, dass man Dienstboten hat, mit
oder ohne Lohn, sondern sie besteht in Beschäftigten, die befördert werden können,
während sie im Haus ihre Tätigkeit ausüben und die soziale und materielle Sicherhei-
ten genießen wie jeder Beschäftigte im öffentlichen Dienst.

 

Muammar al-Gaddafi