TA-PE: 2. Was genau ist ein Trauma im Unterschied zu starkem Stress? TA-PE von Dr. Marion Koll-Krüsmann: "Wissen schützt vor Belastung - Informationen über mögliche Traumafolgen und Möglichkeiten Symptome zu bewältigen - Hilfreiches im Umgang mit geflüchteten Studentinnen und Studenten"
2. Was genau ist ein Trauma im Unterschied zu starkem Stress?
Ein Trauma zu erleben bedeutet immer, dass im Moment des Ereignisses keine
Bewältigungsmöglichkeiten wahrgenommen werden und ein Ereignis die
Betroffenen quasi überrollt und Hilflosigkeit und Ohnmacht auslöst. Ein Trauma
ist ein Ereignis, das:
• meist plötzlich und unerwartet auftritt
• für sich selbst oder andere als lebensgefährlich oder tödlich wahrgenommen wird
• die Bewältigungsmöglichkeiten eines Menschen überschreitet
• durch Hilflosigkeit, Angst und Entsetzen jegliches gezielte Eingreifen lähmen kann
• zu automatisiertem und von Gefühlen abgespaltetem Verhalten führen kann
Es kommt zu einer massiven Alarmreaktion, die im Gehirn im Seepferdchen
und Mandelkern ausgelöst wird. Menschen können dann:
• wie im Schock und ohne Schmerzwahrnehmung sein
• zur „Salzsäule“ erstarren
• planlos im Kreis laufen
• und die Informationen, die in der Hirnrinde gespeichert sind, nicht mehr abrufen
Klinisch psychologisch bezeichnet man dieses „Auseinanderfallen“ als Dissoziation, einen Zustand, in dem Wahrnehmungs- und Gedächtnisinhalte, welche normalerweise assoziiert sind, gespaltet werden. Anders als bei starken Stressreaktionen, bei denen wir unglaublich schnell zwischen Denken und Fühlen, bzw. Wahrnehmen und Handeln hin und her schalten können, mit Angriff oder Flucht (Fight or Flight) reagieren und die Abstimmungsprozesse im Gehirn optimal verlaufen (Krystal et al. 1995), ist dies bei einem Trauma nicht
mehr möglich. Bei einem Trauma werden stattdessen oft die Wahrnehmung, gezieltes planvolles Verstehen und Verhalten blockiert. Das Gehirn ist dissoziiert.
Wir Menschen können nicht gleichzeitig denken und fühlen, aber unglaublich schnell zwischen Mandelkern und Cortex assoziativ hin und her schalten. Im Zustand der Traumatisierung wird dieses Hin- und- Her- Schalten blockiert. Der Mensch, der einen Banküberfall miterlebt und eine Pistole am Kopf hat, weiß den Tresorcode nicht mehr. Die Mutter, die ihr Kind leblos in der Wiege findet, kann keinen Notruf absetzen, weil die Nummer nicht erinnert wird.
Manche Menschen dissoziieren auf andere Weise indem sie das Gefühl abschalten und quasi nur noch wie Roboter funktionieren. Diese Personen haben insgesamt eine bessere Prognose, sicher auch, weil die Themen Schuld
und Versagen weniger in den Vordergrund treten, als bei den Menschen, die damit leben müssen, in der Situation nicht mehr funktioniert zu haben.
Es sind, wie gesagt, spezifische Vorgänge im Gehirn, die diese dissoziativen Symptome (Freeze or Fragment) auslösen. Gesteuert werden diese Prozesse von einer Struktur, die Seepferdchen genannt wird (Kapfhammer et al. 2001). Das Seepferdchen kann Alarmreaktionen, Dissoziation und Angst auslösen, aber auch, wenn wieder Sicherheit wahrgenommen wird, diese Reaktionen ins Gegenteil umkehren und die Alarmreaktion abkühlen. Bei ca. 70% der Betroffenen passiert das Abkühlen nach einem Trauma in den ersten 48 Stunden und zwar genauso plötzlich, wie das Trauma aufgetreten ist. Die Beruhigung setzt ab dem Zeitpunkt ein, wenn massive Sicherheitshinweise wahrgenommen werden.
Es kann aber auch eine erhöhte Grunderregung bestehen bleiben, das Seepferdchen ist durch das Trauma verändert, der Mensch läuft praktisch auf Hochtouren und ist in ständiger Alarmbereitschaft. Diese Veränderung ist ein somatischer Prozess, der durch bildgebende Verfahren belegt werden kann. Diese Information ist oft sehr unterstützend. Betroffene Menschen empfinden es als extrem verunsichernd, dass sie sich nicht wie vor den Ereignis „zusammen- reißen“ und beruhigen können. Es kann auch in den Tagen, Wochen und Monaten nach einem traumatischen Ereignis immer wieder dazu kommen, dass Menschen in dissoziative Zustände fallen. Diese Zustände können auch, bei komplexer unbehandelter Traumatisierung, jahrelang und sogar lebenslang auftreten.
Abbildung 1: Was ist ein Trauma?
Der Cortex ist u. A. in unserem Gehirn für Kognition und Wahrnehmung zuständig, der Mandelkern = Amygdala für Emotionen und die Regulation des Körpers. Zwar kann das Gehirn zeitgleiches Denken und Fühlen nicht leisten. Wir können aber sehr schnell zwischen den Bereichen hin- und herschalten, die unterschiedlichen Bereiche im Gehirn sind dann assoziiert. Wenn dieser Prozess des schnellen Umschaltens aber nicht mehr funktioniert, sprechen wir von einer Dissoziation. Ein extremes Ereignis in dem der Mensch nicht dissoziiert, wird nicht als Trauma bezeichnet. Der traumatisierte Mensch verharrt entweder in einem negativ besetzten emotionalen Zustand (z.B. extreme Angst) ohne handeln zu können, oder funktioniert wie eine Maschine,
die Gefühle sind dann abgespalten.
Impressum