Empathie

Aus psychoanalytischer Sicht hat auch die Methode der direkten Beobachtung ihre Probleme. Es ist verschiedentlich geltend gemacht worden (z.B. von Kohut 1971, S. 251), daß die dabei verwendeten Verfahrensweisen mit denen der
Psychoanalyse inkompatibel seien. Die Psychoanalyse kommt zu ihren Daten und Schlußfolgerungen auf dem Wege der Introspektion und Empathie. Mit ihrer Hilfe versetzt sich der Analytiker in den Patienten und versucht, die Welt mit seinen Augen zu sehen. Die Direktbeobachtung betrachtet das Subjekt »von außen«, nicht von innen, und deshalb kann sie zwar Verhalten dingfest machen, nicht aber die Gefühlsqualität erfassen, die dieses Verhalten begleitet oder ihm zugrunde liegt.

 

Ähnlich ist es eine Sache, die aktuelle Interaktion von Mutter und Kind zu beobachten, aber eine andere, zu verstehen, wie das Kind die mütterliche Pflegehandlungen erlebt.


Ich denke, daß mit diesem Argument zweifellos vorhandene Unterschiede beider Verfahrensweisen übertrieben werden. Kohut übersieht, daß auch Direktbeobachtung durchaus empathisch verfahren kann. »Die empathische Beobachtungsweise ist in der Behandlung ebenso anwendbar wie in formaleren Forschungssettings …« (Cohler 1980, S. 83; ähnlich Stechler 1983, S. 44f.). Bestimmte Experimente und Beobachtungen wären gar nicht möglich, wenn nicht auch die Direktbeobachter äußerst sensibel auf den Zustand des Kleinkindes eingestimmt wären.

 

Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Methoden ist also nicht der, daß im einen Fall Empathie mobilisiert wird und im anderen nicht, sondern er liegt eher darin, daß der Analytiker teilnehmender Beobachter ist, d.h. die Übertragung empathisch begleitet und aktiv interveniert, während der Direktbeobachter sich des zweiten Schrittes in der Regel enthält (s. Loewald 1984, S. 169f.).