2025/11: US-Militäreinsatz wirft viele Fragen auf FT: Die US-Oligarchen wollen wieder Zugriff auf die riesigen Ölreserven von Venezuela.
Das US-Militär zieht seit Monaten Kräfte in der Karibik zusammen. Zahlreiche mutmaßliche Drogenboote sind seitdem aus der Luft zerstört, über 80 Menschen getötet worden. „Das Militär weiß jedoch nicht, wer genau getötet wurde, und die Angriffe waren nicht darauf ausgerichtet, hochrangige Kartellführer auszuschalten“, schrieb die „New York Times“ („NYT“) am Donnerstag. Unterdessen kündigte US-Präsident Donald Trump an, den Kampf gegen mutmaßliche Drogenhändler aus Venezuela „sehr bald“ auf Einsätze an Land auszuweiten.
„Die Lehren aus dem langen Krieg gegen den Terrorismus“ scheinen vergessen zu sein, schrieb die „NYT“. Bisher habe gegolten, dass man ein Netzwerk erst verstehen müsse, um es zerschlagen zu können. Im jetzigen Fall töte das Militär Personen aus den unteren Rängen, deren Rolle bestenfalls darin bestehe, Kokain von einem Ort zum anderen zu bringen. „Im schlimmsten Fall könnten einige der Getöteten Fischer, Migranten oder andere Personen gewesen sein, die nichts mit dem Drogenhandel zu tun hatten.“
„Traditionell haben sich unsere Maßnahmen zur Drogenbekämpfung immer gegen den Kopf der Schlange gerichtet“, sagte Jim Himes, Abgeordneter aus Connecticut und führender Demokrat im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses. „Jetzt gehen wir gegen den Schwanz der Schlange vor. Wir jagen einige arme ehemalige Fischer, die 300 Dollar dafür genommen haben, eine Ladung Kokain nach Trinidad zu transportieren.“

Informationen zerstört
Durch die Sprengung der Boote würden zudem jegliche Informationen und Beweise zerstört. „Wenn man den Drogenhandel stoppen wollte, würde man das natürlich nicht tun“, sagte Annie Pforzheimer, eine ehemalige hochrangige US-Diplomatin, die sich während ihrer Karriere auf Drogenbekämpfung spezialisiert hatte. „Denn man würde die Menschen in den Booten festnehmen, sie dazu bringen, die nächste Ebene der Organisation zu verraten, diese Menschen zur nächsten Ebene bringen und so bis an die Spitze gelangen.“
Befürworter der Angriffe argumentieren, dass sich die Überwachung aus der Luft durch Drohnen und Satelliten in den letzten Jahren verbessert habe und dass die Gefahr von Kollateralschäden durch Angriffe auf Boote auf See im Vergleich zu Zielen an Land geringer sei. Vertreter und Vertreterinnen der Trump-Regierung führen zudem für sich ins Treffen, dass auch ihre demokratischen Vorgänger Anti-Terror-Angriffe genehmigt hätten, ohne genau zu wissen, wer dabei getötet werden könnte.

Erinnerungen an „Signature Strikes“
„Signature Strikes“ führte der Geheimdienst CIA etwa auch unter Präsident Barack Obama durch: Der Begriff steht für Drohnenangriffe, bei dem die Identitäten der Zielpersonen nicht bekannt ist, deren Verhaltens- und Lebensweise jedoch darauf hindeuten, dass sie an terroristischen Aktivitäten beteiligt sein könnten.
Umstritten waren die „Signature Strikes“ von Anfang an. Sie würden wenig zur Verhinderung von Terroranschlägen beitragen, aber das Risiko von Fehlern bergen, die zum Tod von Zivilisten und Zivilistinnen führen und die lokale Bevölkerung gegen die USA aufbringen könnten, lautete die Kritik.
Parallelen zwischen den derzeitigen Bootsangriffen und den „Signature Strikes“ weist das US-Militär zurück, schrieb die „NYT“. In Briefings mit Mitgliedern des Kongresses hätten Militärangehörige erklärt, sie seien sicher, dass sich Drogen auf den Booten befinden würden – und diese seien das eigentliche Ziel der Angriffe. Der Tod der Menschen auf den Booten wäre damit gleichsam ein Kollateralschaden.
UNO sieht „außergerichtliche Tötungen“
Das Vorgehen stößt international auf Kritik, auch weil die rechtliche Grundlage für die Angriffe unklar ist und die USA keine Beweise liefern. UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk sagte kürzlich, es gebe „starke Hinweise“ darauf, dass es sich bei den Angriffen um „außergerichtliche Tötungen“ handle.
Medienberichte vom Freitag dürften die Kritik noch verstärken: Bei dem ersten öffentlich gemachten Bootsangriffen der US-Armee am 2. September soll es zunächst Überlebende gegeben haben, wie der Sender CNN und die „Washington Post“ unter Berufung auf mit der Situation vertraute Personen berichteten. Daraufhin sei das Boot erneut angegriffen und die beiden Männer getötet worden. Sie hatten sich dem Bericht der „Washington Post“ zufolge an das schwelende Wrack geklammert, stellten also keine Bedrohung dar.
In beiden Berichten hieß es, Verteidigungsminister Pete Hegseth habe zuvor selbst die Anweisung gegeben, „alle zu töten“. Allerdings ist laut CNN unklar, ob er vor dem zweiten Angriff von den Überlebenden wusste. Nach Informationen der „Washington Post“ wurde der zweite Schlag angeordnet, nachdem die Überlebenden gesichtet worden waren, um Hegseths Anweisung zu erfüllen. Hegseth sprach am Freitag in sozialen Netzwerken von „Fake News“.

Die USA werfen Venezuela vor, den Drogenschmuggel in die Vereinigten Staaten aktiv zu fördern und damit die Sicherheit ihrer Bürger und Bürgerinnen zu gefährden. „Wir warnen Sie: Hören Sie auf, Gift in unser Land zu schicken“, richtete Trump Venezuelas linksnationalistischem Präsidenten Nicolas Maduro aus.
Fachleuten zufolge gilt Venezuela aber nicht als Produktionsland von Drogen, sondern als Transitland, vor allem für den europäischen Markt. In die USA gelangen die Drogen meist auf anderen Wegen: Das synthetische Opioid Fentanyl, das zu gravierenden Problemen geführt hat, wird mit Rohstoffen aus China vor allem in Mexiko hergestellt und von dort in die Vereinigten Staaten geschmuggelt.
Maduro: USA wollen Regimewechsel erzwingen
Trump hatte zu Beginn seiner zweiten Amtszeit lateinamerikanische Drogenkartelle zu „ausländischen Terrororganisationen“ erklärt. Die Drogenkartelle und ihnen zugerechnete mutmaßliche Schmuggler stuft die US-Regierung demzufolge als „unrechtmäßige Kombattanten“ ein. Seither vertieft sich die Involvierung des Militärs stetig, die Grenze zwischen Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Kriegsführung verschwimmt zusehends.
Venezuela und andere Länder sehen in der starken Militärpräsenz der USA, die sich nicht zuletzt durch die Entsendung des weltweit größten Flugzeugträgers, der „USS Gerald R. Ford“, in die Karibik äußert, eine Drohgebärde. Maduro wirft Washington vor, einen Regimewechsel in dem ölreichen Land erzwingen zu wollen. Trump hatte zuletzt bestritten, militärische Angriffe auf Venezuela zu planen. Gleichzeitig sagte er, Maduros Tage seien gezählt.
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