Nachspüren, was Selbstsabotage ist In diesem Buch werden wir die tief verwurzelte Verbindung zwischen Narzissmus, Selbstsabotage und persönlicher Veränderung erkunden. Wir werden uns mit den Mechanismen und Mustern befassen, die uns daranhindern, unsere wahren Fähigkeiten zu erkennen und auszuleben, und damit, wie wir diese Muster durchbrechen können, um eine positive Transformation zu erreichen.
Nachspüren, was Selbstsabotage ist
Daher möchte ich in diesem Buch nachspüren, was es mit der komplexen und vielfältigen Selbstsabotage so auf sich hat, wenn sie vor dem Hintergrund narzisstischer Motive manifest wird, was die Wissenschaft dazu weiß, wie man es nutzen kann und – falls zu zerstörerisch – was man dagegen sinnvoll tun kann. Dabei nähere ich mich dem Thema auf narrative Weise.
Bei Selbstsabotage denkt man oder man verhält sich oft unbewusst und gleichzeitig meist zielgenau selbstzerstörerisch. Das fasziniert und interessiert mich besonders, denn Selbstsabotage hat nicht immer mit einer psychischen Erkrankung zu tun. Da ich mich hauptberuflich als Psychiater und Psychotherapeut mit dem Wahnsinn des Menschen in seiner klinischen Form beschäftige (als Psychose und wahnhafte Störung), möchte ich mehr darüber wissen, wie es ist, dem »Alltagswahnsinn« anheimzufallen, also wahnsinnig und selbstzerstörerisch zu sein, ohne wirklich verrückt, also klinisch krank zu sein.
Krankheit geht definitionsgemäß immer mit Leiden einher, aber es gibt viele Menschen, die an ihrem eigenen, ganz »normalen« Wahnsinn – in welcher dramatischen Ausprägung auch immer – nicht leiden. Das ist vermutlich auch der Grund, warum wir für eine Krankheit, wie es die Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Merkmalen ist, und für einen »Normalzustand« des narzisstisch akzentuierten Persönlichkeitsstils denselben Begriff benutzen. Das ist unglücklich, weil es zu Verwechslungen zwischen dem normalen Alltagszustand (wie es die Sozialpsychologie beschreibt) und einem mit Leiden verknüpften Krankheitszustand (wie es die Psychiatrie beschreibt) kommen kann. Aber es würdigt, dass man als Mensch beides sein kann, ein normaler Alltagsnarzisst oder krank vor lauter Narzissmus. Die menschliche Natur und ihre Beschreibung ist voller
Widersprüchlichkeiten. Schon das ist für einen klaren Austausch über das Thema Narzissmus selbstsabotierend.
Selbstsabotage ist ein Verhaltensmuster, bei dem typischerweise eine Person bewusst oder unbewusst Handlungen, Gedanken oder Verhaltensweisen anwendet, die ihrem eigenen Wohl oder ihren eigenen Zielen entgegenstehen. Es handelt sich um ein destruktives Verhalten, das dazu führen kann, dass jemand sich selbst behindert, seinen Erfolg verhindert oder sich selbst schadet, oft ohne sich dessen vollständig bewusst zu sein.
Lotti und Pablo
»Golf? Niemals! Niemals wirst du mich dazu bringen!« Es war unser erster Sommerurlaub in so einer Hotelanlage, umgeben von einem riesigen Golfplatz. Um hinein- oder hinauszukommen, musste man über den Golfplatz.
»Ich bleibe hier«, sagte ich. Mich trieb nichts aus dem Apartment. Hier gab es WLAN, kühles spanisches Bier und Flan. Draußen waren 28 Grad und Windstille. Der Pool der Hotelanlage war überfüllt mit schreienden Kindern und tätowierten Holländern, die entweder alle im Wasser herumhüpften oder an der Poolbar Schnitzel mit Pommes vertilgten, während die Poolliegen mit ihren Handtüchern blockiert waren. Vierzig menschenleere, mit Strandtücher belegte Poolliegen. Grauenhaft. Das hatten sie sich vermutlich von den Deutschen abgeguckt.
Carlota sah mich auffordernd an. »Ich gehe da heute hin und schau mal, was geht. Ich werde mich hier nicht die nächsten vier Wochen zu Tode langweilen.« Wie konnte sie angesichts der auf uns zurollenden Klimakatastrophe an Golfspielen denken?! Es waren die Klimakleber, die unten an der Küste schon die Löcher eines Golfplatzes mit Zement vollgeschüttet hatten. Eine Protestaktion. Zu Recht! Um die »reichen Bonzen« mal so richtig zu ärgern und gleichzeitig auf die Verarschung hinzuweisen, die diese Big Player der fossilen Industrie mit uns armen Schlafschafen so anrichteten.
Die drehten uns neuerdings Elektroautos an, um uns den Klimawandel als Innovation zu verkaufen. Dabei waren die Elektrodinger zwar fähig, laut einer früheren prognostischen Studie ließe sich mit einem entsprechend umgerüsteten Smart der Carbon-Footprint um 80 Prozent reduzieren, (4) aber nicht weniger umweltschädlich. Wenn der Strom durch fossile Energie gewonnen und im Winter noch geheizt würde, wären es schnell nur noch 28 Prozent CO2-Reduktion. (5 Es würde etwas gesünder, da weniger Abgase in viel befahrenen Straßen wären.) Aber es blieb unklar, wie der Nachschub für neue Batterien gestaltet werden könnte, wenn in ein paar Jahren die Batterien kaputtgingen. Batterien waren teuer, je größer, desto teurer, und man kam nicht weit. Nicht überall waren E-Zapfsäulen, und man musste Stunden zum Aufladen einplanen, wenn man Pech hatte. Das war uns zu viel Stress.
Wir jedenfalls fuhren noch unseren roten T4 mit knapp 300000 km auf der Uhr und sparten damit allerhand. Wir kamen mit einer Tankfüllung knapp 900 Kilometer gemütlich weit. Die Unterhaltskosten waren sehr gering. Die notwendigen Reparaturen hielten sich in Grenzen. Die Steuern waren klein. Vier Personen und Hund kamen so billig nirgendwohin. Der Diesel war auch nach der Pandemie wieder billiger geworden. Wir würden unseren lieb gewonnenen Bulli also locker bis zum Ende der Energiewende fahren wollen. Bloß, dass man mit dem Bulli nur noch im Ersten den steilen Berg hinauf zum Golf-Resort kam.
»Wieso hast du bloß ein Golfhotel auf einem Berg gebucht, stand das nicht im Prospekt?« »Ich hab genommen, was wir kriegen konnten. In Frankreich war nichts mehr frei!« So zankten wir uns auf dem Weg nach Spanien, die beiden fast erwachsenen Kinder und den hechelnden, leicht in die Jahre gekommenen Ridgeback hinten drin.
Es würden wunderbare Sommerferien werden, hoffte ich, gab Vollgas, und der Dieselmotor nagte sich die 17-prozentige Steigung hinauf, während uns lautlos summend ein elektrischer BMW-SUV Modell Riesengroß links überholte.
Der Blick von oben war dann sehr schön. Raus aufs Meer. Über den Golfplatz. In alle Himmelsrichtungen. Golfplatz. An dem schien kein Weg vorbeizugehen. Ich rümpfte die Nase. Überall Golfplatz.
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