IZ: 8.1 Der Zeitpunkt der Entscheidung
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Die jüngste Wissenschaft verweist auf eine Sicht der Dinge, die der Haltung früher Zivilisationen ähnelt, nämlich daß jedes materielle Objekt der Natur einen geistigen Aspekt hat. Es gibt immer noch kleine Gruppen von Urvölkern, die das Universum als EIN unzertrennliches Ganzes betrachten. Diese Kulturen unterscheiden nicht wie wir zwischen einem Stein, der Luft und einem Menschen – alles ist von dem gleichen, unsichtbaren Geist (= Energie) durchdrungen. Klingt das nicht bekannt?
Dies ist die Welt der Quantenphysik, in der Materie und Energie untrennbar miteinander verwoben sind. Und es ist die Welt von Gaia, die ich im ersten Kapitel erwähnt habe – eine Welt, in welcher der ganze Planet als ein einziger, lebendiger, atmender Organismus betrachtet wird, der vor menschlicher Gier, Unachtsamkeit und Fehlplanung geschützt werden muß.
Noch nie zuvor haben wir eine solche Weltsicht so dringend benötigt. Als sich die Wissenschaft vom Geistigen abwandte, veränderte sich ihre Aufgabe von Grund auf. Anstatt weiter zu versuchen, die »natürliche Ordnung« der Dinge zu ergründen, damit die Menschen in größerer Harmonie mit dieser Ordnung leben können, hat sich die moderne Wissenschaft die Kontrolle und Beherrschung der Natur auf die Fahne geschrieben. Die aus dieser Haltung hervorgegangene Technologie hat die Menschheit kurz vor die Selbstzerstörung gebracht.
Die Evolution unserer Biosphäre wurde durch fünf »Massenvernichtungen« unterbrochen. Einer davon fielen die Dinosaurier zum Opfer. Jede dieser Vernichtungswellen tötete fast das gesamte Leben auf dem Planeten. Manche Forscher glauben, wie ich im ersten Kapitel bereits erwähnt habe, daß wir bereits tief in der sechsten Massenvernichtung stecken.
Doch im Gegensatz zu den anderen, die durch galaktische Kräfte wie Kometen ausgelöst wurden, steckt hinter dieser Vernichtung eine uns sehr viel näher stehende Kraft – der Mensch. Wenn Sie das nächste Mal einen farbenprächtigen Sonnenuntergang sehen, denken Sie daran, daß ein großer Teil dieses Farbenspiels durch die Luftverschmutzung zustandekommt.
Wenn das Ökosystem dieser Erde ganz zusammenbricht, wird es ein noch großartigeres Spektakel geben.Unterdessen leben wir ohne moralischen Kontext weiter. Die moderne Welt strebt nicht mehr danach, Gott näher zu kommen, sondern nach materiellem Wohlstand. Wer die meisten Spielzeuge hat, gewinnt.
Mein Lieblingsbild für die Situation, in die uns die Wissenschaftler und Technologen gebracht haben, stammt aus dem Disneyfilm Fantasia (nach dem Gedicht »Zauberlehrling« von Goethe). Micky Maus ist hier ein unglücklicher Zauberlehrling, der in der Abwesenheit seines Meisters verschiedene Aufgaben erledigen soll, unter anderem ein großes Becken mit Wasser füllen. Micky versucht, sich die Arbeit zu erleichtern, indem er die Magie seines Meisters nachahmt und einen Besen in einen wassertragenden Diener verzaubert.
Als Micky einschläft, schleppt der Besen weiter seine Eimer, bis alles überflutet ist. Micky erwacht und versucht, den Besen zu stoppen, weiß aber so wenig über Zaubersprüche, daß er nicht nur versagt, sondern die Situation sogar noch verschlimmert.
Erst als der Meister zurückkehrt und den Besen zur Ruhe bringt, kann das Gleichgewicht wieder hergestellt werden.
Der Film wird mit den Worten angekündigt:»Dies ist die Legende von einem Zauberer, der einen Lehrling hatte. Der Lehrling ist ein heller Bursche, der eifrig lernt. Allerdings ist er ein wenig zu eifrig, denn er wendet heimlich die Tricks seines Meisters an, bevor er sie wirklich beherrscht.«Auf ähnliche Weise spielen die heutigen superschlauen Wissenschaftler mit unseren Genen und unserer Umwelt, ohne zu verstehen, wie eng alles auf diesem Planeten zusammenhängt – und das wird vielleicht genauso schiefgehen wie beim Zauberlehrling.
Wie sind wir in dieses Dilemma hineingeraten? Es gab einen Zeitpunkt, da mußten sich die Wissenschaftler vom Geistigen lossagen, oder genauer gesagt: von der Korruption des Geistigen durch die Kirche. Diese mächtige Institution unterdrückte alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, die den kirchlichen Dogmen widersprachen. Im Jahr 1543 begründete der geniale Astronom und gerissene Politiker Nikolaus Kopernikus die Spaltung zwischen Glaube bzw. Religion und Wissenschaft mit der Veröffentlichung seines Werkes DE REVOLUTIONIBUS ORBIUM COELESTIUM (Über die Kreisbewegungen der Himmelskörper).
Darin erklärt er kühn, daß die Sonne und nicht die Erde der Mittelpunkt der himmlischen Sphären sei. Heutzutage finden wir das selbstverständlich, doch zu seiner Zeit galt das als Gotteslästerung, weil es der »unfehlbaren« Lehre der Kirche widersprach. Kopernikus glaubte, daß die Inquisition sowohl ihn als auch sein Werk vernichten würde, daher wartete er mit der Veröffentlichung, bis er auf dem Sterbebett lag. Seine Sorge war völlig berechtigt.
Siebenundfünfzig Jahre später wurde der Dominikanermönch Giordano Bruno dafür auf dem Scheiterhaufen verbrannt, daß er die kopernikanische Kosmologie vertrat. Kopernikus selbst hatte die Kirche jedoch überlistet – einen Toten kann man nicht mehr zum Widerruf zwingen. Sie konnten dem Boten nichts mehr anhaben, also mußten sie irgendwann die Botschaft akzeptieren.
Ein Jahrhundert später bestand der Mathematiker und Philosoph René Descartes darauf, alle bis dahin anerkannten Wahrheiten wissenschaftlich zu überprüfen. Die unsichtbaren Kräfte der geistigen Welt entzogen sich natürlich solch einer Überprüfung.
In dem postreformatorischen Zeitalter wurden die Wissenschaftler dazu angehalten, sich mit Phänomenen der Natur zu befassen und alle spirituellen Bereiche der Religion und Metaphysik zu überlassen. Von da an galt alles Spirituelle und Religiöse als »unwissenschaftlich«, weil man es nicht analytisch erfassen konnte. Die rationalen Wissenschaftler bestimmten von nun an, was im Leben und im Universum wirklich wichtig ist.
Einen weiteren großen Impuls erhielt die Spaltung zwischen Geist und Wissenschaft im Jahre 1859 durch Darwins Evolutionstheorie. Sie verbreitete sich in Windeseile um den ganzen Globus und fand überall bereitwillige Aufnahme, weil sich ihre Prinzipien mit den Erfahrungen der Menschen in der Tier- und Pflanzenzucht deckten.
Der Darwinismus sah den Ursprung der Menschheit in der Zufälligkeit der Vererbung. Man brauchte also keine göttliche Intervention mehr, um das Leben zu erklären. Die modernen Wissenschaftler staunten genauso über das Universum wie ihre Vorgänger, aber vor dem Hintergrund von Darwins Theorie erübrigte sich die Idee von Gott als dem großen »Designer« der komplexen Ordnung der Natur. Der berühmte Darwinist Ernst Mayr schrieb: »Wenn wir danach fragen, wie diese Vollkommenheit entstanden ist, scheint es nichts als Willkür, Zufall und Wahllosigkeit zu geben.« [Mayr 1976]
Während Darwins Theorie davon ausgeht, daß die Natur rein vom Kampf ums Überleben geprägt ist, läßt sie doch offen, welche Mittel dafür eingesetzt werden. Es scheint dabei jedoch alles erlaubt zu sein, denn es geht um das Überleben um jeden Preis. Der Neo-Darwinist Mayr nimmt an, daß wir noch immer nach dem Gesetz des Dschungels leben und nicht nach irgendwelchen moralischen Maßstäben.
Der Neo-Darwinismus geht einfach davon aus, daß jene, die mehr haben, dies offensichtlich auch verdienen. Im Westen haben wir die Unausweichlichkeit einer Zivilisation des Habens und Nichthabens akzeptiert.
Wir wollen nicht wahrhaben, daß alles seinen Preis hat. Leider gehören zu diesem Preis neben einem ökologisch bedrohten Planeten auch die Opfer von Hunger, Obdachlosigkeit und Kinderarbeit, wobei letztere uns mit preiswerten Designer-Jeans versorgen. Sie alle sind die Verlierer in diesem Kampf.
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