2007/02: Venezuela: Chávez verstaatlicht Ölindustrie
Im Orinoko-Becken liegen die größten Schwerölreserven der Welt, vermuten Fachleute. Das lockte internationale Konzerne an. Doch die dürfen jetzt nur noch in staatlichen Joint-Ventures fördern – unter der Kontrolle des Militärs
Venezuelas Staatspräsident Hugo Chávez hat ein Dekret unterzeichnet, nach dem die Ölindustrie des Landes verstaatlicht wird. Er will auf diese Weise die Öffnung der Ölindustrie für ausländisches Kapital aus den neunziger Jahren zurücknehmen – und setzt neben amerikanischen auch europäische Unternehmen unter Druck, die in den Hoheitsgebieten des fünftgrößten Rohölproduzenten der Welt das schwarze Gold fördern.
Die Ölindustrie für ausländische Investoren zu öffnen, sei unheilvoll gewesen, sagte der Linksnationalist bei der Unterzeichnungszeremonie. Mit dem Dekret setzt Chávez seinen Plan in die Tat um, die Ölförderung wieder vollständig zu verstaatlichen. Er trifft mit diesem letzten Schritt die Fördergebiete im Orinoko-Streifen, wo extraschweres Öl lagert. Hier werden die größten Reserven der Welt vermutet.
Chávez will die Ölfelder militärisch besetzen lassen. Geplant ist die Übernahme für den 1. Mai. Gemäß des Dekrets müssen ausländische Unternehmen, die im Orinoko-Streifen aktiv sind, akzeptieren, dass ihr Engagement in Joint-Ventures umgewandelt wird, an denen der venezolanische Staat die Kapitalmehrheit halten wird. Der Schritt trifft die amerikanischen Gesellschaften Exxon Mobil, Chevron und Conoco-Phillips sowie die französische Total, British Petroleum und Statoil aus Norwegen.
Ausschüsse, die diese Umwandlungsprozesse vorbereiten, sollen schon in dieser Woche gebildet werden, kündigte Chávez an. „Die Privatisierung ist zu Ende. Das ist die wahre Nationalisierung des Erdöls, das Erdöl gehört allen Venezolanern“, sagte der Präsident.
Chávez hatte zuvor schon versprochen, dass Arbeiter und Angestellte der ausländischen Firmen auf keinen Fall in Mitleidenschaft gezogen werden sollen. Die Unternehmen, die mit den neuen Gesetzen einverstanden seien, könnten in Venezuela bleiben.
Die Rohölreserven im Orinoko-Becken im Westen des Landes werden zurzeit noch im Rahmen sogenannter strategischer Vereinigungen mit der staatlichen PDVSA von ausländischen Firmen ausgebeutet. Rund 600.000 Barrel je 159 Liter fördern die Konzerne in dem ganzen Gebiet jeden Tag. In allen Vereinigungen hat PDVSA noch eine Kapitalminderheit.
In einem 600 Kilometer langen und 70 Kilometer breiten Streifen parallel zum Orinoko-Fluss werden die größten Schwerölreserven der Welt vermutet. Die Regierung in Caracas spricht von 1370 Milliarden Barrel. Gegenwärtig hat Venezuela bestätigte Reserven von gut 80 Milliarden Barrel. Die Produktion des Orinoko-Beckens wird als Orimulsion vermarktet, ein Gemisch aus Wasser und Orinoko-Schweröl.
Chávez hatte schon Anfang des Jahres – zu Beginn seiner neuen Amtszeit – angekündigt, bis 2013 die Öl-, Strom- und Telefonmärkte verstaatlichen zu wollen.
Rund 20 ausländische Ölfirmen hatten schon im vergangenen Jahr die Umwandlung ihrer Aktivitäten im südamerikanischen Land in Joint-Ventures mit PDVSA akzeptiert, bei denen die venezolanische Gesellschaft nach einem neuen Gesetz ausnahmslos die Kapitalmehrheit hat.
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