4. Kapitel: Die Begründung der modernen Kolonialwirtschaft 1911: Die Juden und das Wirtschaftsleben von Werner Sombart: Erster Abschnitt - Der Anteil der Juden am Aufbau der modernen Volkswirtschaft.

Daß nicht zuletzt durch das Mittel der kolonialen Expansion der moderne Kapitalismus zur Blüte gelangt, fangen wir jetzt an, deutlich zu erkennen. Und daß bei dieser kolonialen Expansion wiederum die Juden eine hervorragende, um nicht zu sagen: die entscheidende Rolle gespielt haben, sollen die folgenden Ausführungen wahrscheinlich machen.

Es ist nur natürlich, daß die Juden bei allen kolonialen Gründungen stark beteiligt gewesen sind (da ihnen die neue Welt, wenn sie auch nur eine alte ummodelte, immer mehr Lebensglück in Aussicht stellte als das mürrische alte Europa, zumal seit hier das letzte Dorado sich auch als unwirtliches Land erwiesen hatte). Das gilt für den Osten ebenso wie für den Westen und für den Süden der Erde. In Ostindien waren offenbar schon seit dem Mittelalter zahlreiche Juden ansässig (51), die dann, als die europäischen Nationen nach 1498 ihre Hände nach den alten Kulturländern ausstreckten, als willkommene Stützpunkte der europäischen Herrschaft und namentlich als Pioniere des Handels dienen konnten. 

Mit den Schiffen der Portugiesen und Holländer kamen dann aller Wahrscheinlichkeit nach – genaue Ermittlungen sind noch nicht angestellt – größere Scharen von Juden in die indischen Besitzungen mit herüber. Jedenfalls finden wir die Juden an allen holländischen Gründungen auch im Osten stark beteiligt. Wir erfahren, daß beträchtliche Teile des Aktienkapitals der holländisch-ostindischen Kompagnie in jüdischem Besitze sich befanden (52). Wir wissen, daß derjenige Generalgouverneur der holländisch-ostindischen Kompagnie, der, 

,,wenn man ihn auch nicht als Gründer der niederländischen Macht auf Java bezeichnen kann, doch sicher am meisten zur Befestigung derselben beigetragen hat“ (53), 

Cohn (Coen) hieß. Und können uns leicht davon überzeugen, daß er nicht der einzige jüdische Gouverneur der holländisch-indischen Besitzungen war, wenn wir etwa die Porträts dieser Beamten einer Musterung unterziehen (54). Wir finden aber Juden ebenso als Direktoren der Ostindischen Kompagnie (55), kurz überall in den kolonialen Geschäften (56).

In welchem Umfange die Juden dann an der Kolonialwirtschaft in Indien teilnahmen, als die Engländer sich zu den Herren machten, ist noch unbekannt. Dagegen sind wir verhaltnismäßig gut unterrichtet aber den Anteil der Juden an der Begründung der englischen Kolonien in Südafrika und Australien und wissen, daß hier (namentlich in der Kapkolonie) so gut wie alle wirtschaftliche Entwicklung den Juden zuzuschreiben ist. In den 1820 er und 1830 er Jahren kommen Benj. Norden und Simeon Markus nach Südafrika : ihnen ist ,,the industrial awakening of almost the whole interior of Cape Colony“ zu danken ; Julius , Adolph , James Mosenthal begründen den Woll- und Häutehandel und die Mohair-Industrie; Aaron und Daniel de Pass monopolisieren den Walfischfang; Joel Myers begründet die Straußenzucht ; Lilienfeld von Hopetown kauft die ersten Diamanten usw, usw (57). Eine ähnlich führende Rolle haben die Juden in den übrigen südafrikanischen Staaten, namentlich auch in Transvaal gespielt, wo heute 25 000 von den 50 000 südafrikanischen Juden leben sollen (58). In Australien finden wir als einen der ersten Großhändler den Montefiore. Sodaß es keine Übertreibung zu sein scheint, wenn behauptet wird: 

,,a large proportion of the English colonial shipping trade was for a considerable time in the hands of the Jews“ (59).

Recht eigentlich aber das Feld jüdischer Wirksamkeit in Koloniallanden, zumal in den Jahrhunderten der frühkapitalistischen Wirtschaftsverfassung, ist der von dem Europäertum ganz neu gestaltete Westen der Erde. Amerika in allen seinen Teilen ist ein Judenland:  das ist das Ergebnis, zu dem ein Studium der Quellen unweigerlich Führen muß.  Und durch den überragenden Einfluß, den Amerika von dem Tage seiner Entdeckung an auf das europäische Wirtschaftsleben und die gesamte europäische Kultur gewonnen hat, ist natürlich die starke Beteiligung der Juden an dem Aufbau der amerikanischen Welt von ganz besonderer Bedeutung für den Ablauf unserer Geschichte geworden. Ich werde deshalb etwas länger bei diesem Gegenstande verweilen, auf die Gefahr hin, den Leser durch allzuviele Details zu ermüden. Die Größe des Problems wird doch, denke ich, die etwas pedantische Art der Behandlung rechtfertigen (60).

In einer ganz seltsamen Weise sind die Juden gleich mit der Entdeckung Amerikas auf das innigste verwoben: es ist als ob die neue Welt für sie allein, durch ihre Beihilfe entdeckt worden sei, als ob die Columbusse nur die Geschaftsführer Israels gewesen seien. So betrachten jetzt auch stolze Juden selbst die geschichtliche Lage, wie sie durch neuere archivalische Forschungen (61) klargelegt worden ist. Danach soll zunächst (was hier nur im Vorübergehen erwähnt werden mag) erst die jüdische Wissenschaft die Seefahrtstechnik auf eine so hohe Stufe gehoben haben, daß die transozeanischen Reisen überhaupt unternommen werden konnten. Abraham Zacuto, Professor für Mathematik und Astronomie an der Universitst Salamanca, verfaßte 1473 seine astronomischen Tabellen und Tafeln (Almanach perpetuum) ; Jose Vecuho, Astronom und Leibarzt Johanns II. von Portugal und der Mathematiker Moses erfinden 1484 auf Grund der Zacutoschen Tafeln im Vereine mit zwei christlichen Kollegen das nautische Astrolab (ein Instrument, um aus dem Stande der Sonne die Entfernung des Schiffes vom Äquator zu bestimmen). Jose übersetzt den Almanach seines Lehrers Zacuto ins Lateinische und Spanische.

Sodann soll die materielle Unterlage der Columbusschen Expeditionen von den Juden geschaffen sein. Jüdische Gelder haben die beiden ersten Reisen des Columbus ermöglicht. Die erste unternimmt er mit Hilfe des Darlehns, das ihm der Kgl. Rat Luis de Santangel gewährt. An Santangel, den eigentlichen Protektor der Columbus-Expedition, sind auch der erste und zweite Brief des Columbus adressiert; an ihn und an den Schatzmeister von Aragonien, Gabriel Saniheg, einen Marranen. Die zweite Expedition des Columbus wird wiederum mit jüdischem Gelde ausgerüstet, das dieses Mal freilich nicht freiwillig gespendet worden war: nämlich mit dem Gelde, das von den vertriebenen Juden zurückgelassen war und das 1493 Ferdinand von Aragonien fur den Staatsschatz hatte einziehen lassen.

Aber weiter: im Schiffe des Columbus waren eine Anzahl Juden und der erste Europäer, der amerikanischen Boden betrat, war ein Jude: Luis de Torres. So will es die neueste ,“aktenmäßge“ Forschung (62).

Und was das Allerschönste ist: neuerdings wird Columbus selber für das Judentum reklamiert! Ich teile diese neueste Entdeckung mit, ohne imstande zu sein, ihre Richtigkeit nachprüfen zu können. In einer Sitzung der Geographischen Gesellschaft zu Madrid hat der Gelehrte Don Celso Garcia de la Riega aber seine Columbus-Forschungen berichtet, aus denen hervorgeht, daß Christobal Colon (nicht Colombo) ein Spanier und m ü t t e r l i c h e r s e i t s  v o n  j ü d i s c h e r  A b s t a m m u n g war. Don Garcia de la Riega hat aus bischöflichen und Notariatsakten der Stadt Pontevedra in der Provinz Galicien nachgewiesen, daß dort zwischen 1428 und 1528 die Familie des Colon ansässig war, und daß in dieser Familie dieselben Vornamen üblich waren, die man bei den Verwandten des Admirals wiederfindet. Zwischen diesen Colons und der Familie Fonterosa haben Heiraten stattgefunden. Die Fonterosas waren zweifellos ein jüdisches Geschlecht, oder doch erst seit kurzer Zeit zum Christentum bekehrt. Die Mutter Christobal Colons hieß Suzanna Fonterosa. Als in der Provinz Galicien Unruhen ausbrachen, haben die Eltern des Entdeckers Spanien verlassen und sind nach Italien ausgewandert. Diese Behauptungen werden von dem spanischen Gelehrten noch durch weitere Beobachtungen gestützt. Er findet in den Schriften des Columbus zahlreiche Anklänge an die hebräische Literatur; die ältesten Porträts des Amerika-Entdeckers zeigen einen echt jüdischen Gesichtstypus.

Und kaum waren die Tore der neuen Welt den Europäern geöfffnet, so strömten nun in Scharen die Juden hinein. Wir sahen ja, die Entdeckung Amerikas in genau dasselbe Jahr fällt, in dem die Juden in Spanien heimatlos werden; sahen, daß die letzten Jahre des 15. Jahrhunderts und die ersten Jahrzehnte des folgenden Jahrhunderts Zeiten sind, in denen Myriaden von Juden zum Wandern gezwungen werden, in denen die europäische Judenheit wie ein Ameisenhaufen, in den man einen Stock steckt, in Bewegung gerät: kein Wunder, wenn von diesem Haufen ein großer Teil sich in die hoffnungsreichen Gebiete der neuen Welt begab. Die ersten Kaufleute drüben waren Juden (62).  Die ersten industriellen Anlagen in den amerikanischen Kolonien rührten von Juden her. Schon 1492 lassen sich portugiesische Juden in St. Thomas nieder und beginnen hier die Plantagenwirtschaft im Großen: sie errichten zahlreiche Zuckerfabriken und beechattigen bald 3000 Negersklaven (63). Der Zustrom der Juden nach Südamerika gleich nach der Entdeckung war so groß, daß im Jahre 1511 die Königin Johanna es für notwendig erachtete, dagegen einzuschreiten (64). Offenbar aber blieb diese Verordnung ohne Wirkung, denn der Juden drüben wurden immer mehr. Durch Gesetz vom 21. Mai 1577 wurde dann endlich das Verbot der gesetzlichen Auswanderung in die spanischen Kolonien formell aufgehoben.

Um die rege Wirksamkeit, die die Juden als Begründer des kolonialen Handels und der kolonialen Industrie in dem Bereiche südamerikanischen Gebietes entfalteten, ganz würdigen zu können, tut man gut, das Schicksal einiger Kolonien im einzelnen zu verfolgen.

Die Geschichte der Juden in den amerikanischen Kolonien und damit deren Geschichte selbst zerfällt in zwei große Abschnitte, die gebildet werden durch die Vertreibung der Juden aus Brasilien ( 1654).

Wie die Juden gleich nach der Entdeckung im Jahre 1492 in S. Thome die Zuckerindustrie begründen, wurde schon erwähnt. Um 1550 finden wir diese Industrie auf der Insel schon in voller Blüte: 60 Plantagen, mit Zuckermühlen und Siedepfannen versehen, erzeugen, wie der an den König entrichtete Zehnte ausweist, jährlich 150000 Arroben Zucker (á 25 Pfd.) (65).

Von hier aus oder von Madeira aus (66), wo sie ebenfalls seit langem die Zuckerindustrie betrieben, verpflanzen die Juden diesen Industriezweig in die größte der amerikanischen Kolonien: nach Brasilien , das damit in seine erste Blüteperiode – die durch die Vorherrschaft der Zuckerindustrie bestimmt wird – eintritt. Das Menschenmaterial für die neue Kolonie lieferten in der ersten Zeit fast ausschließlich Juden und Verbrecher, von denen jährlich zwei Schiffsladungen von Portugal hinübergehen (67). Die Juden werden sehr bald die herrschende Kaste: „ein nicht geringer Teil der wohlhabendsten brasilianischen Kaufmannschaft bestand aus „neuen Christen“ (68). Einer ihres Volksstammes war es auch, der als erster Generalgouverneur die Verwaltung der Kolonie in Ordnung brachte: in der Tat begann die neue Besitzung erst recht in Blüte zu kommen, als man im Jahre 1549 Thome de Souza, einen Mann von hervorragenden Eigenschaften, hinüberschickte (69). Aber ihren vollen Glanz beginnt die Kolonie erst zu entfalten, als sie (1624) in die Hände der Holländer übergeht und nun die reichen holländischen Juden anfangen, hinüberzuströmen. 1624 vereinigen sich zahlreiche amerikanische Juden und gründen in Brasilien eine Kolonie, in die 600 angesehene Juden von Holland herübersiedeln (70). Noch in dieser ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts waren alle großen Zuckerplantagen in den Händen von Juden (71), von deren umfassender Wirksamkeit und von deren Reichtum uns die Reisenden berichten. So äußert sich Nienhoff, der Brasilien 1640 bis 1649 bereiste, wie folgt (72):

„Among the free inhabitants of Brazil that were not in the (Dutsch West India) Companys service the Jews were the most considerable in number, who had transplanted themselves thither from Holland. They had a vast traffic beyond all the rest, they purchased sugar-mills and built stately houses in the Receif. They were all traders, which would have been of great consequence to the Dutsch Brazil had they kept themselves within the due bounds of traffic.“

Und in F. Pyrards Reisebericht lesen wir (72):

„The profits they mako after being nine or ten years in those lands are marvellous, for they all come back rich.“

Diese Vorherrschaft des jüdischen Elements im Plantagenbetrieb überdauerte die Episode der holländischen Herrschaft über Brasilien und dehnte sich — trotz der „Vertreibung“  (73) der Juden im Jahre 1654 – bis in das 18. Jahrhundert aus. Jedenfalls erfahren wir noch aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunders (74) : einmal

,,als mehrere der angesehensten Kaufleute von Rio de Janeiro dem Heiligen Amte (der Inquisition !) in die Hände fielen, stockte der Betrieb auf so vielen Plantagen, daß Produktion und Handel der Provinz (sc. Bahia) sich erst nach längerer Zeit von diesem Schlage erholen konnte.“

Durch Dekret vom 2. März 1768 werden dann alle Register über die neuen Christen zur Vernichtung eingeliefert; durch Gesetz von 25. März 1773 werden die ,“neuen Christen“ in bürgerlicher Hinsicht den alten Christen vollkommen gleichgestellt. Es haben sich also offenbar wieder zahlreiche Kryptojuden auch nach der Besitzergreifung des Landes d u r c h  d i e  P o r t u g i e s e n  im Jahre 1654 in Brasilien an hervorragender Stelle erhalten und haben dem Lande zu seiner Zuckerblüte dann noch die Edelsteinblüte gebracht, da sie den Handel mit Edelsteinen sehr bald ebenfalls sich unterwarfen.

Aber darum bleibt das Jahr 1654 in der jüdisch-amerikanischen Geschichte doch von epochaler Bedeutung. Denn ein sehr großer Teil der brasilianischen Juden wandte sich doch damals anderen Gebieten Amerikas zu und verlegte dadurch das wirtschaftliche Schwergewicht dorthin.

Vor allem sind es einige wichtige Teile des westindischen Archipels und der angrenzenden Küste, die durch die Erfülllung mit jüdischem Wesen seit dem 17. Jahrhundert erst recht zur Blüte kommen. So Barbados (75), das fast nur von Juden bevölkert wurde. Es war 1627 von den Engländern in Besitz genommen worden ; 1641 wurde das Zuckerrohr eingeführt ; 1648 begann der Zuckerexport. Die Zuckerindustrie konnte sich aber nicht behaupten, da die Zucker wegen ihrer schlechten Qualität die Transportkosten nach England nicht deckten. Erst die aus Brasilien vertriebenen ,“Holländer“ führten daselbst eine regelmäsige Fabrikation ein und lehrten die Einwohner, trockenen und haltbaren Zucker zubereiten, dessen Ausfuhr alsbald in raschem Maße zunahm. 1661 konnte schon Kar1 II. 13 Besitzer, die aus Barbados eine Einnahme von 10 000 £ bezogen, zu Baronen ernennen, und um 1676 war die Insel bereits imstande, jährlich 400 Schiffe mit je 180 t Rohzucker zu beladen.

Von Barbados führte 1664 Thonias Modyford die Zuckerfabrikation nach Jamaica (76) ein, das damit rasch zu Reichtum gelangte. 1656 hatten es die Engländer den Spaniern endgültig entrissen. Während es damals nur drei kleinere Siedereien auf Jamaica gab, waren 1670 schon 75 Mühlen im Betriebe, deren manche 2000 Ztr. Zucker erzeugten und im Jahre 1700 war Zucker der Hauptartikel Jamaicas und die Quelle seines Wohlstandes. Wie stark die Juden an dieser Entwicklung beteiligt waren, schließen wir aus der Tatsache, daß schon 1671 von den christlichen Kaufleuten bei der Regierung der Antrag auf Ausschließung gestellt wird, der aber nur die Wirkung hat, daß die Ansiedlung der Juden von der Regierung noch mehr befördert wird. Der Governor verwarf die Petition mit den denkwürdigen Worten (77):

„he was of opinion that His Majesty could not have more profitable subjecs than the Jews and the Hollanders ; they had great stocks and correspondance.“

So kam es, daß die Juden aus Jamaica nicht ausgewiesen wurden, vielmehr „they became the first traders and merchanta of the English colony“ Im 18. Jahrhundert tragen sie alle Steuern und haben Industrie und Handel größtenteils in ihren Händen.

Von den übrigen englischen Kolonien bevorzugten sie insbesondere S u r i n a m (79). Hier saßen seit 1644 Juden, die bald mit Privilegien ausgestattet wurden,

„whereas we have found that the Hebrew nation . . have . . proved themselves useful and beneficial to the colony.“ 

Diese bevorzugte Lage dauerte natürlich an, als Surinam (1667) von England auf Holland überging. Ende des 17. Jahrhunderts ist ihr numerisches Verhältnis wie 1 zu 3. Sie besitzen 1730 von den 344 Plantagen in Surinam, auf denen meist Zucker gebaut wurde, 115.

Dasselbe Bild wie die englischen und holländischen Kolonien gewähren die wichtigeren französischen : Martinique, Guadeloupe, S. Domingo (80). Auch hier ist die Zuckerindustrie die Quelle des ,,Wohlstandes“ und auch hier sind die Juden die Beherrscher dieser Industrie und des Zuckerhandels.

In M a r t i n i q u e wurde die erste große Plantage und Siederei 1655 von Benjamin Dacosta angelegt, der dorthin mit 900 Glaubensgenossen und 1100 Sklaven aus Brasilien geflüchtet war.

In S. D o m i n g o wurde die Zuckerindustrie schon 1587 begonnen, aber erst die „holländischen“ Flüchtlinge aus Brasilien bringen sie in Blüte.

Man muß sich nun immer vor Augen halten, daß in jenen kritischen Jahrhunderten, als die amerikanische Kolonialwirtschaft begründet wurde (und durch sie der moderne Kapitalismus), die Zuckergewinnung (außer natürlich der Silberproduktion und der Gewinnung von Gold und Edelsteinen in Brasilien) das Rückgrat  der ganzen kolonialen Volkswirtschaft und damit indirekt der einheimischen Volkswirtschaft bildete. Man kann sich kaum noch eine richtige Vorstellung machen von der überragenden Bedeutung, die Zuckerindustrie und Zuckerhandel in jenen Jahrhunderten hatten. Es war gewiss keine Übertreibung, wenn es in einem Beschluß des Pariser Handelsrates vom Jahre 1701 heißt:

,,Frankreichs Schiffahrt verdankt ihren Glanz dem Handel seiner Zuckerinseln und kann nur durch diesen erhalten und erweitert werden“ Und diesen Handel hatten die Juden fast monopolisiert (den französischen insbesondere das reiche Haus Gradis aus Bordeaux )  (81) .

Bedeutsam wurde aber diese Machtstellung, die sich die Juden in Mittel- und Südamerika erobert hatten, ganz besonders noch durch die enge Verbindung, in die seit dem Ende des 17. Jahrhunderts die englischen Kolonien Nordamerikas mit Westindien traten: eine Verbindung, der, wie wir sehen werden, das europäische Nordamerika sein Leben verdankte und die im wesentlichen wieder durch jüdische Kaufleute hergestellt wurde. Damit sind wir zu der Besprechung der Rolle gekommen, die die Juden in der Entwicklung der nordamerikanischen Volkswirtschaft gespielt haben. Das heißt aber, um es gleich deutlich zu sagen: bei der Genesis der V e r e i n i g t e n  S t a a t e n  v o n  A m e r i k a Auch diese sind in wirtschaftlicher Beziehung ganz wesentlich durch den Einfluß jüdischer Elemente zu ihrer endlichen Gestalt gelangt. Was wiederum einer ausführlichen Erläuterung bedarf, da es der landläufigen Auffassung der Dinge (wenigstens in Europa) offenbar widerspricht.

Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als ob gerade das nordamerikanische Wirtschaftsleben wesentlich ohne Mitwirkung der Juden sich ausgebildet habe. Und oft genug ist mir die Entwicklung der Vereinigten Staaten als Beweis für die Richtigkeit des Gegenteils vorgehalten worden, wenn ich behauptete, daß der moderne Kapitalismus doch im Grunde nichts anderes sei als eine Ausstrahlung jüdischen Wesens. Die Yankees selbst pochen darauf, daß sie ohne die Juden fertig geworden seien. Ein amerikanischer Schriftsteller, wenn ich nicht irre wars Mark Twain , hat einmal des längeren ausgeführt , w e s h a l b  die Juden bei ihnen drüben keine Rolle spielten : weil sie, die Yankees, ebenso „gerissen“ (smart) seien wie die Juden, wenn nicht gerissener. (Dasselbe übrigens, was die Schotten von sich behaupten.) Und in der Tat: unter den ganz großen Industriellen und Spekulanten der Vereinigten Staaten, unter den ,“Trustmagnaten“ begegnen wir heute nicht allzuviel jüdischen Namen. Das mag alles zugegeben werden. Und dennoch halte ich meine Behauptung aufrecht, daß auch die Vereinigten Staaten, ja daß vielleicht kein Land mehr als die Vereinigten Staaten angefüllt sind mit jüdischem Wesen bis oben hinaus. Das weiß man übrigens in manchen und gerade den urteilsfähigen Kreisen Amerikas sehr wohl. Als vor einigen Jahren der 250. Jahrestag der Einwanderung der Juden in die Vereinigten Staaten mit großem Pomp gefeiert wurde, da schrieb der Präsident Roosevelt einen Brief an das Festkomitee, worin er seine Glückwünsche in eine ganz besonders ehrende Form kleidete. Er sagte: es sei das erstemal während seiner Präsidentschaft, daß er bei Gelegenheit einer Feier ein Begrüßungsschreiben sende; aber diese eine Ausnahme müsse er machen: die Veranlassung sei zu überwältigend groß. Die Verfolgungen, denen die Juden gerade in jener Zeit wieder ausgesetzt seien, machten es ihm ganz besonders dringlich zur Pflicht, zu betonen, welche hervorragenden Bürgereigenschaften die Männer jüdischen Glaubens und jüdischer Rasse entfaltet hätten, seit sie in das Land gekommen seien. Indem er dann von den Verdiensten der Juden um die Vereinigten Staaten erzählt, bedient er sich der durchaus den Kern der Sache treffenden Wendung: die Juden haben das Land aufbauen helfen: „the Jews participated in the upbuilding of this country“ (82). Und der Expräsident Grover Cleveland sagte bei derselben Gelegenheit :

„Wenige, wenn Oberhaupt eine, von den das amerikanische Volk bildenden Nationalitäten haben direkt oder indirekt mehr Einfluß auf die Ausbildung des modernen Amerikanismus ausgeübt als die jüdische“ (,I believe that it can be safely claimed that few, if any, of those contributing nationalities have directly and indirectly been more influential in giving shape and direction to the Americanism of today“) (83).

Worin liegt denn nun aber die große Bedeutung der Juden gerade fiir die Vereinigten Staaten? Zunächst doch darin, daß ihr ziffermäßiger Anteil am amerikanischen Geschäftsleben niemals so ganz gering gewesen ist, wie es auf den ersten Blick hin scheint. Weil unter dem halben Dutzend bekannter Namen von Milliardären, die heute wegen des Lärms, den ihre Träger (und namentlich Trägerinnen) machen, in aller Leute Ohren  klingen, keine Juden sind, ist der amerikanische Kapitalismus doch nicht etwa arm an jüdischen Elementen. Erstensmal gibt es auch unter den ganz großen Trusts einige, deren Leitung sich in den Händen von Juden befindet. So ist der Smelters Trust der mit allen kontrollierten Werken zusammen (1904)  ein Kapital von (nominal) 201 Millionen $ repräsentierte, eine Schöpfung jüdischer Männer (der Guggenheims). Ebenso sind im Tobacco-Trust (500 Mill- $), im Asphalt-Trust, im Telegraph-Trust u. a Juden in leitenden Stellungen (84). Ebenso sind unter den ganz großen Bankfirmen eine ganze Reihe in jüdischem Besitze, durch die natürlich wiederum ein sehr großer Teil des amerikanischen Wirtschaftslebens kontrolliert wird. So wurde beispielsweise das ,“Harriman-System“, das die Zusammenfassung der amerikanischen Eisenbahnnetze zum Ziele hatte, im wesentlichen durch das New-Yorker Bankhaus Kuhn, Loeb & Co. unterstützt und gefördert. 

Ganz dick sitzen die Juden in herrschender Stellung im Westen: Kalifornien ist zum guten Teil ihre Schöpfung. Bei der Begründung dieses Staates haben sich die Juden hervorgetan als Richter, Abgeordnete, Governors, Bürgermeister usw. und nicht zuletzt als Geschäftsleute. Die Gebrüder Seligman, Wilh. Henry, Jesse, James in S. Francisco; die Louis Stoß, Lewis Gerstle in Sacramento (wo sie die Alasca Commercial Co. begründeten); die Hellman und Newmark in Los Angelos sind einige der bekannteren Firmen, die hier gewirkt haben. Während der Goldperiode waren es die Juden, die Beziehungen zum Osten und zu Europa anknüpften. Die wichtigsten finanziellen Transaktionen jener Zeit waren unternommen von Männern wie Benj. Davidsohn, den Agenten der Rothschilds; Alb. Priest von Rhode bland; Alb. Dyer von Baltimore usw.; den drei Brüdern Lazard, die das internationale Bankhaus Lazard Freres (in Paris, London und S. Francisco) begründeten ; wie den Seligmans, den Glaziers und Wormsers. Moritz Friedländer war einer der großen Weizenkönige. Adolph Sutro beutete die Comstock Lodes aus. Und noch heute ist wohl der überwiegende Teil des kalifornischen Bankwesens, aber auch der industriellen Unternehmungen in den Händen von Juden. Ich erinnere an: The London, Paris and American Bank (Sigm. Greenebaum, Rich. Altschulz); die Angl. Califomia Bank (Phil. N. Lilienthal, Ignatz Steinhart) ; die Nevada Bank ; die Union Trust Company ; die Farmers and Merchants Banks of Los Angelos u. a. Erinnere an die Ausbeutung der Kohlenfelder durch John Rosenfeld; an die Nachfolgerin der’Hudson Bay Co. : the Alasca Commercisl Co., an the North Americ. Comm. Co. u. a. (85).

Daß durch die Einwanderung zahlreicher Juden während der letzten Jahrzehnte sich überall im Lande die quantitative Bedeutung der Juden für das amerikanische Wirtschaftsleben in geradezu gigantischer Weise fühlbar machen wird, dürfte kaum zweifelhaft sein. Man erwäge, daß jetzt schon mehr als eine Million Juden allein in New York lebt und daß von den eingewanderten Juden der größte Teil die kapitalistische Karriere überhaupt noch nicht begonnen hat. Wenn sich die Verhältnisse in Amerika so weiter entwickeln, wie im letzten Menschenalter, wenn die Zuwanderungsziffern und die Zuwachsraten der verschiedenen Nationalitsten dieselben bleiben, so erscheinen die Vereinigten Staaten nach 50 oder 100 Jahren in unserer Phantasie ganz deutlich als ein Land, das nur noch von Slaven, Negern und Juden bewohnt sein wird und in dem die Juden natürlich die wirtschaftliche Hegemonie an sich gerissen haben.

Aber das sind Zukunftsspiegelungen, die in diese Zusammenhänge, wo Vergangenheit und Gegenwart – erkannt werden sollen, nicht hinein gehören. Für Vergangenheit und Gegenwart mag zugegeben werden, daß der quantitative Anteil der Juden am amerikanischen Wirtschaftsleben zwar immer noch recht ansehnlich und keinesweg so geringfügig ist wie eine oberflächliche Beobachtung annehmen muß, daß sich aber aus dem bloßen quantitativen Anteil noch nicht jene überragende Bedeutung ableiten läßt, die ich (mit vielen andern urteilsfähigen Leuten) dem jüdischen Stamme zurechne. Diese muß vielmehr aus ziemlich verwickelten Zusammenhängen heraus als eine in ganz hervorragendem Sinne qualitativ bestimmte erkannt werden.

Deshalb möchte ich auch noch nicht einmal so großen Nachdruck auf die immerhin nicht unwichtige Tatsache legen, daß die Juden in Amerika eine Reihe ganz wichtiger Handelszweige bis zur Monopolstellung in ihnen beherrschen oder doch wenigstens lange Zeit hindurch beherrscht haben. Ich denke da vornehmlich an den Getreidehandel, namentlich im Westen; an den Tabakhandel; an den Baumwollhandel. Man sieht auf den ersten Blick, daß dies drei Hauptnervenstränge der amerikanischen Volkswirtschaft sind und begreift, daß diejenigen, in deren Gewalt diese drei wichtigen Wirtschaftszweige liegen, schon ohne weiteres hervorragenden Anteil an dem wirtschaftlichen Gesamtprozesse nehmen müssen. Aber wie gesagt: ich urgiere diesen Umstand gar nicht so sehr, weil ich die Bedeutung der Juden für die Volkswirtschaft der Vereinigten Staaten aus noch viel groberen Tiefen deuten möchte.

Die Juden sind wie ein ganz besonderer Faden, man konnte sagen : wie ein goldener Faden in einem Gewebe, von Anfang bis zu Ende in die amerikanische Volkswirtschaft hineingewoben, sodaß diese ihre eigentümliche Musterung durch sie vom ersten Augenblick an empfängt.

Denn seit dem ersten Erwachen des kapitaiistischen Geistes an den Küsten des Atlantischen Ozeans und in den Wäldern und Steppen des neuen Erdteils sind sie da. Als das Jahr ihrer Ankunft wird das Jahr 1655 betrachtete (86): als ein Schiff mit Juden aus dem meist portugiesisch gewordenen Brasilien am Hudson landete und Einlaß in die dort von der Holländisch-westindischen Kompagnie begründete Kolonie begehrte. Schon nicht mehr nur als Bittende. Schon als Angehörige eines Volksstammes, der stark beteiligt an der neuen Gründung war und dessen Einfluß schon die Gouverneure der Kolonie sich zu beugen hatten. Damals, als das Schiff mit den jüdischen Einwanderern eintraf, führt Stuyvesant das Regiment in Neu-Amsterdam. Und Stuyvesant war kein Freund der Juden und hatte alle Lust, den Einlaß Begehrenden die Türe zu verschließen. Da kam aber die Weisung aus Amsterdam in einem Briefe der Direktoren der Kompagnie (vom 26. 4. 1655): die Juden sind zum Handel und zur Niederlassung in dem Gebiete der westindischen Kompagnie zuzulassen: „also because of the large amount of capital which they have invested in shares in this Company“ (87). Von Neu-Amsterdam kamen sie bald nach Long Island, Albany, Rhode Island, Philadelphia.

Und von nun an beginnt ihre rege Wirksamkeit, die zunächst einmal dafür Sorge trug, daß die neuen Kolonien überhaupt ökonomisch bestehen konnten. Wenn die Vereinigten Staaten heute da sind, so wissen wir, daß dies nur deshalb geschah, weil die englischen Kolonien Nordamerikas sich durch eine Kette günstiger Umstände zu einer Machtstellung hinauf entwickeln konnten, die ihnen schließlich die Fähigkeit zu selbständiger Existenz verlieh. Und gerade bei diesem Aufbau der kolonialenGröße sehen wir die Juden als die ersten und eifrigsten Förderer am Werke.

Ich denke wiederum nicht an die naheliegende Tatsache, daß durch die Unterstützung einiger mächtiger jüdischer Häuser allein es dem S t a a t s w e s e n der Kolonien gelang, sich zur Selbständigkeit herauszubilden, weil jene ihnen die ökonomische Unterlage bereiteten, auf der sie stehen konnten. Durch Lieferungen im Kriege und vordem durch die Darreichung der nötigen Geldmittel, ohne die die Unabhängigkeit der „Vereinigten Staaten“ niemals zu erreichen gewesen wäre. Diese Leistungen der Juden sind nichts den amerikanischen Verhältnissen Eigentümliches : wir werden ihnen noch als einer ganz allgemeinen Erscheinung begegnen, die in der Geschichte des modernen, auf kapitalistischer Basis ruhenden Staates überall fast gleichmäßig wiederkehrt und der wir daher in einem größeren Zusammenhange noch Gerechtigkeit müssen widerfahren lassen.

Dagegen sehe ich in einer anderen Wirksamkeit der jüdischen Elemente im kolonialen Nordamerika ebenso eine Amerika konstituierende Tat, die zudem noch ein auf die amerikanische Welt beschränktes Phänomen darstellt. Ich meine die simple Tatsache, daß während des 17. und 18. Jahrhunderts das Judenkommerz die Quelle war, aus der die Volkswirtschaft der amerikanischen Kolonie ihr Leben schöpfte. Weil nur die Handelsbeziehungen, die die Juden unterhielten, ihnen die Möglichkeit gewährten, in dauernder ökonomischer Gebundenheit dem Mutterlande gegenüber zu verharren und doch zu eigener wirtschaftlicher Blüte zu gelangen. Planer gesprochen : durch die Nötigung, die England seinen Kolonien auferlegte, alle gewerblichen Erzeugnisse im Mutterlande zu kaufen, kam es ganz von selbst, daß die Handels- (und damit natürlich auch die Zahlungs-) Bilanz der Kolonien stets passiv war. Ihr Wirtschaftskörper hatte sich verbluten müssen, wenn nicht von außen ein beständiger Blutstrom in Gestalt von Edelmetall ihm zugeflossen wäre. Diesen Blutstrom aber leitete das „Judenkommerz“ aus den süd- und mittelamerikanischen Ländern in die englischen Kolonien Nordarnerikas hinein. Dank ihren engen Beziehungen, die die nach Nordamerika gewanderten Juden mit den westindischen Inseln und Brasilien unterhielten, entfalteten sie einen regen Handelsverkehr mit jenen Gebieten, der im wesentlichen aktiv für die nordamerikanischen Kolonien war und deshalb unausgesetzt die in jenen Ländern selbst gewonnenen oder unmittelbar aus der Nachbarschaft reichlich in sie hineinströmenden Edelmetalle (seit Anfang des 18. Jahrhunderts vor allem auch das brasilianische Gold) in die Adern der nordamerikanischen Volkswirtschaft Überleitete (88).

Kann man im Hinblick auf die eben berührten Tatbestände mit einigem Recht sagen, daß die Vereinigten Staaten es den Juden verdanken, wenn sie überhaupt da sind, so kann man mit demselben Rechte behaupten, daß sie dank allein dem jüdischen Einschlag so da sind wie sie da sind, das heißt eben amerikanisch. Denn daß, was wir Amerikanismus nennen, ist ja zu einem sehr großen Teile nichts anderes als geronnener Judengeist.

Woher aber stammt diese starke Tränkung der amerikanischen Kultur mit dem spezifisch jüdischen Geiste?

Wie mir scheint: aus der frühen und ganz allgemeinen Durchsetzung der Kolonistenbevölkerung mit jüdischen Elementen.

So viel ich sehe, ist die Besiedlung Nordamerikas in den meisten Fällen so vor sich gegangen: ein Trupp kernfester Männer und Frauen – sage zwanzig Familien – zog in die Wildnis hinein, um hier ihr Leben neu zu begründen. Unter diesen zwanzig Familien waren neunzehn mit Pflug und Sense ausgerüstet und gewillt, die Wälder zu roden, die Steppe abzubrennen und mit ihrer Hände Arbeit sich ihren Unterhalt durch Bebauung des Landes zu verdienen. Die zwanzigste Familie aber machte einen Laden auf, um rasch die Genossen auf dem Wege des Handels, vielleicht sogar des Wanderhandels, mit den notwendigsten Gebrauchsgegenständen, die der Boden nicht hervorbrachte, zu versehen. Diese zwanzigste Familie kümmerte sich dannn auch sehr bald um den Vertrieb der von den neunzehn anderen der Erde abgewonnenen Produkte. Sie war diejenige, die am ehesten über Bargeld verfügte und deshalb in Notfällen den anderen mit Darlehnen nützlich werden konnte. Sehr häufig gliederte sich an den „Laden„, den sie offen hielt, eine Art von Landleihbank an. Oft wohl auch eine Landverkaufsagentur und ähnliche Gebilde. Der Bauer in Nordamerika wurde also durch die Wirksamkeit unserer zwanzigsten Familie von vornherein mit der Geld- und Kreditwirtschaft der alten Welt in Fühhlung gebracht. Das ganze Produktionsverhältnis baute sich von vornherein auf einer modernen Basis auf. Das städtische Wesen drang gleich in die entlegenen Dörfer siegreich vor. Die Durchtränkung der amerikanischen Volkswirtschaft mit kapitalistischer Organisation und kapitalistischem Geiste nahm, möchte man sagen, vom ersten Tage der Siedlung an ihren Anfang. Denn jene ersten Zellen kommerzialistischen Wesens wuchsen sich alsobald zu alles umspannenden Organisationen aus. Und von wem ist – soweit wie persönliche Faktoren hier den Ausschlag gaben und nicht etwa die bloße Sachlage die neuen Entwicklungsreihen erzeugte – von wem ist diese ,,Neue Welt“ kapitalistischen Gepräges erbaut worden? Von der zwanzigsten Familie in jedem Dorf.

Nicht nötig zu sagen, daß diese zwanzigste Familie jedesmal die jüdische Familie war, die sich einem Siedlertrupp anschloß oder ihn bald nach seiner Niederlassung aufsuchte.

Diese Zusammenhänge sehe ich einstweilen so allgemein nur mit meinem geistigen Auge, indem ich die Fälle, in denen sie nachzuweisen sind, zu einem Gesamtbilde zusammenfüge. Die nach mir kommenden Forscher werden unter dem von mir hervorgekehrten Gesichtspunkte die Wirtschaftsgeschichte der Vereinigten Staaten zu schreiben haben. Das, was mir an Belegen untergelaufen ist, darf einstweilen nur als die ersten Elemente einer späteren ausführlichen Darstellung angesehen werden. Immerhin lassen die Gleichförmigkeit und Natürlichkeit der Entwicklung mit einiger Sicherheit vermuten, daß es sich dabei nicht um vereinzelte Fälle, sondern um typische Erscheinungen handelt.

Was ich von der Einwirkung der Juden auf den Gang des amerikanischen Wirtschaftslebens behaupte, hat ein anderer einmal so ausgedrtickt : ,,he (the Jew) has been the leading financier of thousand prosperous communities. He has been enterprising and aggressive“ (89).

In beliebiger Reihenfolge mögen folgende Tatsachen als Proben mitgeteilt werden.

In Alabama siedelte sich 1785 Abram Mordecai an. ,,He established a trading-post two miles west of Line creek, carrying on an extensive trade with the Indians, and exchanging his goods for pinkroot, hickory, nut oil and peltries of all kindes“ (90).

In Albany: ,,An early as 1661, when Albany was but a small trading post, a Jewish trader, named Asser Levi (or Leevi) became the owner of real estate there . . . (91).

Ein beliebtes Ziel wurde Chicago, seitdem dieses Eisenbahn- und Handelsmittelpunkt zu werden beginnt. Das erste Steinhaus wird dort von dem Juden Ben. Schubert gebaut, der dann das erste Schneidergeschäft in Chicaco errichtet; Ph. Neuburg führt als erster den Tabakhandel in Chicago eine (92).

In Kentucky begegnen wir schon in den ersten Jahren den 19. Jahrhunderts jüdischen Bewohnern. Ein Mr. Selomon, der 1808 einwandert, wird 1816, als die Bank of the U. S. eine Filiale in Lasington errichtet, deren Kassierer (93).

Gleich unter den ersten Ansiedlern von Maryland (94), Michigan (95), Ohio (96), Penneylvanien (97) finden wir den jüdischen Händler, ohne daß wir bisher Näheres über ihre Tätigkeit wüßten.

 Ganz deutlich wiederum können wir ihre Wirksamkeit als Pioniere kapitalistischen Wesens in Texas verfolgen. Hier entfalten Männer wie Jac. de Cordova, Mor. Koppcre, Henry Caetro ihre folgenreiche Tiitigkeit. Cordova ,was by far the most extensive land locator in the State antil 1856″. The Cordova’e Land Agency soon became well known, not only in Texas, but in New York, Philadelphia. and Baltimore, where the owners of large tract of Texas lande recided.“ Mor. Koppere wird (1863)  Präsident der National Bank of Texas. Henry Castro betreibt das Geschäft des Auswandererunternehmers: „between the years 1843-46 C. introduced into Texas over 5000 emigrants .. . transporting them in 27 ships, chiefly from the Rhenish provinced.“

Dann nach ihrer Ankunft versieht er die Kolonisten mit den notwendigen Gerätschaften, Saatgetreide usw.: „he fed his colonists for a year, furnished them with cows, farming implements, seeds, medecine and in fact whatever they needed“ (98).

Über eine ganze Reihe von Staaten verbreiten sich andere jüdische Familien, die dann durch ihren Zusammenhang noch wirksamer arbeiten können. Beeonders charakteristisch für die Entfaltung der jüdischen Tätigkeit ist wohl die G e s c h i c h t e  d e r  F a m i l i e  S e l i g m a n, von der acht Brüder (die Söhne des David Seligman aus Bayeradorf) ein Geschäft begründen, das sich schließlich über die Hauptplätze der Vereinigten Staaten ausdehnte. Sie ist in Kiirze diese: 1837 wandert Joseph S. nach den Vereinigten Staaten aus. 1839 folgen zwei Brüder, 1841 folgt der dritte. Diese gründen ein kleines Kleidergeschäft in Lancaster. Von dort gehen sie nach Selma Ala und von dort eröffnen sie Filialen in drei amerikanischen Orten. 1848 wandern sie mit noch zwei Brüdern nach dem Norden. 1850 gründet Jesse ein Ladengeechäft in S. Francisco: in dem einzigen dort vorhandenen Backsteinbau. 1857 wird dem Kleidergeschäft ein Bankgeschaft angegliedert. 1862 begründen sie die Firma S. in New York, S. Francisco, London, Paris, Frankfurt a. M. (Sie tun sich nunmehr besondere bei der Geldbeschaffung zur Zeit des Bürgerkrieges hervor) (99).

Auch in den Südstaaten der Union spielt der Jude zum Teil eine ähnliche Rolle, wie in den anderen Staaten: die des Händlers unter ackerbauenden Kolonisten (100). Daneben freilich finden wir ihn hier auch frühzeitig schon (ähnlich wie in Mittel- und Südamerika) ale reichen Plantagenbesitzer. In Süd-Carolina beispielsweise ist „Jews Land“ synonym mit großen Plantagen (101). Hier hat unter anderen Moses Lindo seine Tätigkeit entfaltet als Hauptförderer der Indigogewinnnng (wovon schon die Rede war).

Eine wertvolle Unterstützung findet die genetische Methode der Betrachtung im vorliegenden Falle doch auch wiederum durch die Beobachtung, daß während der ganzen Entstehungszeit der Vereinigten Staaten der Zustrom der Juden stark und stetig gewesen ist. Freilich haben wir, um dies zu erweisen, für die frühere Zeit keine Ziffern zur Verfügung, die unmittelbar den zahlenmäßigen Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung oder an der Einwanderungsmenge zum Ausdruck brächten. Wir können doch aber aus einer ganzen Menge von Anzeichen mit einiger Sicherheit schließen, daß immer viele Juden nach Amerika ausgewandert sind.

Um ihre (quatitative) Bedeutung zu ermessen, muß man auch die in den fütheren Jahren außerordentlich dünne Besiedlung des Landes in Berücksichtigung ziehen. Wenn wir beispielsweise erfahren, daß Neu-Amsterdam Mitte des 17. Jahrhunderts noch weniger als 1000 Einwohner hatte (102), dann werden wir die paar Schiffsladungen Juden, die damals aus Brasilien nach dort übersiedelten, schon recht hoch venranschlagen in ihrer Wirkung auf das gesamte Wirtschaftsleben der Gegend (103), ebenso wie wir es als eine starke Durchsetzung mit jüdischen Elementen ansehen werden, wenn in den allerersten Jahren der Besiedlung Georgias dort ein Schiff mit 40 Juden landet, und wenn in Savannah, einer kleinen Handelszentrale, im Jahre 1733, als die Salzburger dort eintreffen, 12 jüdische Familien in der Kolonie ansässig waren (104).

Wie beliebt die Vereinigten Staaten als Wanderziel der deutschen (und polnischen) Juden frühzeitig wurden, ist im allgemeinen bekannt und wird uns durch Berichte aus den Abwanderungsgebieten bestätigt. „Unter den ärmeren jüdischen Familien Posens fand sich im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts nur selten eine, die nicht einen ihrer Söhne, und zwar gewöhnlich den tüchtigsten und anschlägigsten der Enge und dem Drucke der Heimat über den Ozean hatte entweichen sehen (105).

Sodaß uns die enorme Ziffer der jüdischen Soldaten, die im Bürgerkriege gedient haben sollen : 7243 (106), nicht überrascht und wir geneigt sind, die Schätzung der Zahl der Juden, die Mitte des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten gelebt haben sollen: 200 000 (davon 30 000 zu NewYork) (107). eher für zu niedrig zu halten.